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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE THEATINERINNEN VON DER UNBEFLECKTEN EMPFÄNGNIS

Konsistoriensaal
Samstag, 16. Juni 2018

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Liebe Schwestern!

Ich heiße euch willkommen und freue mich, dies tun zu können, während ihr das 400. Jubiläum der Heimkehr eurer Gründerin, der ehrwürdigen Dienerin Gottes Orsola Benincasa, in das Haus des Vaters begeht. Ich danke euch für all das Gute, das ihr in der Kirche tut und dort, wo ihr für das Reich Gottes arbeitet: Amerika, Afrika und Europa. Gemeinsam mit euch begrüße ich auch die Theatinerpatres, die euch begleiten. Ihr wisst, dass wir Jesuiten mit den Theatinern eine wenig schöne Geschichte erlebt haben… Wir haben in der Zeit Pauls IV., vor langer Zeit, miteinander gestritten. Jetzt sind wir Freunde. Ihr seid mit ihnen in besonderer Weise verbunden, seit Mutter Orsola kurz vor ihrem Tod ihr Werk und ihre Regeln den Regularklerikern der Theatiner anvertraut hat, weil sie sie sehr schätzte. Orsoloa Benincasa war eine kontemplative Frau, das möchte ich unterstreichen: die Kontemplation. Wie der Prophet Jeremia fühlte auch sie sich vom Herrn betört und ließ sich betören (vgl. Jer 20,7). Ihr ganzes Leben lang hat sie nach der völligen Gleichgestaltung mit dem gekreuzigten Christus gestrebt, auch dank mystischer Erfahrungen.

In die Eucharistie verliebt, hat sie dieses Sakrament zum Mittelpunkt und zur Speise ihres Lebens gemacht. In Christus verwurzelt und angezogen vom Licht der Unbefleckten Empfängnis hat sie euch ein Charisma hinterlassen, das untrennbar christozentrisch und marianisch ist, und als Testament den Auftrag, »ohne eine andere Regel als die Liebe« zu leben. Und das ist nicht leicht! Ausgehend von dieser Zentralität Christi in ihrem Leben wusste sie die Nöte der Menschen wahrzunehmen, vor allem der jungen Menschen, während sie zugleich zum Ruhm Gottes und für das Heil der Seelen lebte.

Auf diese geistliche Struktur, wo Christus das einzige und höchste Gut ist, stützt sich Tag für Tag euer Gebetsleben. Ein Gebet, das weit davon entfernt ist, euch von der Welt und ihren Nöten zu trennen, sondern euch vielmehr veranlasst, die Welt so zu lieben, wie der Herr sie liebt und dies will. Insbesondere führt es euch dazu, euch der Erziehung und Ausbildung der jungen Generationen zu widmen, aufmerksam für ihre menschliche Förderung und ihr Wachstum im Glauben, ohne dabei eure Präsenz an der Seite der Leidenden zu vernachlässigen, in denen ihr den gekreuzigten Christus erkennt.

Auf diesem Weg ruft der Herr euch auf, aus euch selbst herauszugehen und mit der Freiheit des Herzens in die existentiellen Randgebiete aufzubrechen. Ihr findet Leben, indem ihr Leben schenkt. Ihr findet Hoffnung, indem ihr Hoffnung schenkt. Ihr findet eure Daseinsberechtigung in Kirche und Welt, indem ihr liebt und stets gemäß der Logik des Gebens, der Logik des Evangeliums lebt. Ich ermutige euch, nach dem Beispiel eurer Gründerin Lehrmeisterinnen der persönlich erfahrenen Kenntnis Gottes zu sein. Die Welt von heute braucht Zeugen der Transzendenz; sie braucht Menschen, die Salz der Erde und Licht der Welt sind (vgl. Mt 5,13-14); sie braucht Menschen, die Sauerteig sind (vgl. Mt 13,33). Ihr sollt den Männern und Frauen von heute diese Speise nicht vorenthalten, die genauso notwendig ist wie das materielle Brot! Neben Menschen in Situationen materieller Armut gibt es so viele, die den Sinn des Lebens verloren haben: verdorrte, nach gutem Brot und lebendigem Wasser dürstende Herzen, die – auch ohne es zu wissen – darauf warten, dem Herrn zu begegnen. Es gibt auch hungrige und durstige Herzen. Geht hin und stillt jenen Hunger, jenen Durst, wo es nicht die Möglichkeit gibt, sich mit jener Illusion zu sättigen, der Illusion der Lichter, die kein Leben schenken, der Lichter, die nicht erleuchten.

Wie zu seinen Jüngern sagt Jesus heute auch zu euch: Gebt ihr ihnen zu trinken und zu essen (vgl. Mk 6,37), jenes Brot, das sättigt, jenes Wasser, das den Durst stillt. Wenn ihr für das Wirken des Heiligen Geistes offen seid, dann wird er euch führen, damit ihr mit Kreativität auf den Schrei der Armen und so vieler nach Gott Hungernder und Dürstender antworten könnt. Der Geist selbst wird euch helfen, euch zu fragen: Um was bitten uns der Herr und die Brüder und Schwestern? Es wird euch helfen, wach und wachsam zu bleiben als Wächter des Herrn, damit das Licht und die Wärme der Liebe Gottes die Menschen, denen ihr begegnet, erreichen und in ihnen Hoffnung wecken kann.

Die Welt braucht auch euer Zeugnis des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft. Geschwisterliches Leben ist nicht leicht. Es ist nicht leicht. Es gibt immer einen Grund zum Streiten, zum Schlecht-Reden. Nicht wahr? Immer, immer. Es ist hässlich, in der Familie schlecht zu reden. Es ist schlimm, aber es gibt ein Heilmittel, eine sehr gute Medizin, um nicht schlecht zu reden: sich auf die Zunge beißen. Sie wird anschwellen, aber man wird nicht schlecht reden. Probiert es aus! Also, Spiritualität der Gemeinschaft, die Spiritualität des Zusammenlebens, so dass der gemeinschaftliche Weg eine »heilige Wallfahrt« wird (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 87) – indem ihr euch fernhaltet von Kritik, Klatsch, Rivalität und stattdessen gegenseitige Annahme und Aufmerksamkeit, das Teilen der materiellen Güter und den Respekt gegenüber den Schwächsten praktiziert (vgl. Apostolisches Schreiben zum Jahr des geweihten Lebens, 21. November 2014, II,3).

Folgendes ist sehr wichtig: für die alten Menschen sorgen. Sie sind das Gedächtnis der Kongregation. Sie nicht dort in der Krankenstation lassen, allein und verlassen, nein. Zu ihnen gehen, sie zum Reden bringen – sie sind das Gedächtnis –, sie liebkosen. Vergesst die alten Menschen nicht. In euren Herzen möge stets das Testament eurer Gründerin widerhallen: »Liebt einander. Respektiert einander. Jede möge das Wohl der anderen suchen.« Das ist ein schöner Weg der Heiligkeit! So werdet ihr das Gebot der Liebe dort, wo ihr lebt und arbeitet, verkörpern: in den Schulen, in den Pfarreien, in den Altenheimen, überall dort, wohin ihr mit dem Leben und mit dem Wort das Evangelium Christi bringt. So werdet ihr in eurem Institut und über dessen Grenzen hinaus immer Stifterinnen von Gemeinschaft sein (vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 51).

Die Unbefleckte Gottesmutter Maria, die ihr als Vorbild und Patronin verehrt, möge euch die Gnaden erlangen, Frauen zu sein, die von der Leidenschaft für Christus und die Menschheit erfüllt sind; euch beständig auf den Weg zu machen, um den Bedürftigsten zu dienen, wie sie es bei der Heimsuchung getan hat (vgl. Lk 1,39); dort bleiben zu wissen, wo eure Gegenwart als Jüngerinnen des Herrn und gottgeweihte Frauen notwendig ist (vgl. Apg 1,14). Für all dies erteile ich euch von Herzen meinen Segen. Und vergesst bitte nicht, für mich zu beten. Danke.



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