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B I S C H O F S S Y N O D E

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XIV. ORDENTLICHE GENERALVERSAMMLUNG

 

Die Berufung und Sendung der Familie
in Kirche und Welt von heute

 

 

ABSCHLUSSBERICHT DER BISCHOFSSYNODE

AN PAPST FRANZISKUS

 

Vatikanstadt
24. Oktober 2015


INHALT


 

EINFÜHRUNG

I. TEIL
DIE KIRCHE IM HÖREN AUF DIE FAMILIE

 

I. Kapitel
Die Familie und der anthropologisch-kulturelle Kontext

Der soziokulturelle Kontext
Der religiöse Kontext
Der anthropologische Wandel
Die kulturellen Widersprüche
Soziale Konflikte und Spannungen
Schwäche und Stärke der Familie

II. Kapitel
De Familie und der sozioökonomische Kontext

Die Familie, unersetzliche Ressource der Gesellschaft
Familienfreundliche Politik
Einsamkeit und Vorläufigkeit
Wirtschaft und Gerechtigkeit
Armut und Ausgrenzung
Ökologie und Familie

III. Kapitel
Familie, Einbeziehung und Gesellschaft

Das dritte Lebensalter
Die Verwitwung
Der letzte Lebensabschnitt und die Trauer in der Familie
Menschen mit besonderen Bedürfnissen
Ehelos lebende Menschen
Migranten, Flüchtlinge, Verfolgte
Einige besondere Herausforderungen
Die Kinder
Die Frau
Der Mann
Die jungen Menschen

IV. Kapitel
Familie, Affektivität und Leben

Die Bedeutung des Gefühlslebens
Die Bildung der Selbsthingabe
Zerbrechlichkeit und Unreife
Technik und menschliche Zeugung
Die Herausforderung für die Seelsorge

 

II. TEIL
DIE FAMILIE IM PLAN GOTTES

 

I. Kapitel
Die Familie in der Heilsgeschichte

Die göttliche Pädagogik
Das Bild der Dreifaltigkeit in der Familie
Die Familie in der Heiligen Schrift
Jesus und die Familie

II. Kapitel
Die Familie im Lehramt der Kirche

Die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils
Paul VI.
Johannes Paul II.
Benedikt XVI.
Franziskus

III. Kapitel
Die Familie in der kirchlichen Lehre

Ehe in der Schöpfungsordnung und sakramentale Fülle
Unauflöslichkeit und Fruchtbarkeit des Ehebundes
Die Güter der Familie
Wahrheit und Schönheit der Familie

IV. Kapitel
Unterwegs zur kirchlichen Fülle der Familie

Das enge Band zwischen Kirche und Familie
Die Gnade der Umkehr und der Erfüllung
Barmherzigkeit im Herzen der Offenbarung

 

III. TEIL
DIE SENDUNG DER FAMILIE

I. Kapitel
Die Bildung der Familie

Die Ehevorbereitung
Die Trauungsfeier
Die ersten Jahre des Familienlebens
Die Ausbildung der Priester und der anderen pastoralen Mitarbeiter

 

II. Kapitel
Familie, Zeugung und Erziehung

Die Weitergabe des Lebens
Die Verantwortung im Bereich der Zeugung
Der Wert des Lebens in allen seinen Phasen
Adoption und Pflegschaft
Die Erziehung der Kinder

III. Kapitel
Familie und pastorale Begleitung

Schwierige Situationen
Begleitung in verschiedenen Situationen
Unterscheidung und Integration 

IV. Kapitel
Familie und Evangelisierung

Die Spiritualität der Familie
Die Familie, Subjekt der Pastoral
Die Beziehung zu den Kulturen und zu den Institutionen
Die Öffnung für die Mission

SCHLUSS

Gebet zur Heiligen Familie


SIGLE

AA   Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Apostolicam Actuositatem (18. November 1965)
AG   Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Ad Gentes (7. Dezember 1965)
CiV   Benedikt XVI., Enzyklika  Caritas in Veritate (29. Juni 2009)
DCE   Benedikt XVI., Enzyklika Deus Caritas Est (25. Dezember 2005)
GS   Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et Spes (7. Dezember 1965)
EG   Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium (24. November 2013)
EN   Sel. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii Nuntiandi (8. Dezember 1975)
EV   Hl. Johannes Paul II., Enzyklika  Evangelium Vitae (25. März 1995)
FC   Hl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio (22. November 1981)
LF   Franziskus, Enzyklika Lumen Fidei (29. Juni 2013)
LG   Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen Gentium (21. November 1964)
LS   Franziskus, Enzyklika Laudato Si' (24. Mai 2015)
MI   Franziskus, Apostolisches Schreiben in Form eines "Motu proprio" Mitis Iudex Dominus Iesus (15. August 2015)
MV   Franziskus, Bulle Misericordiae Vultus (11. April 2015)
NA   Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Nostra Aetate (28. Oktober 1965)
RM   Hl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Missio (7. Dezember 1990)
VS   Hl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis Splendor (6. August 1993)

EINFÜHRUNG
 

1.  Wir, die in der Synode um Papst Franziskus versammelten Väter, danken ihm, dass er uns zusammengerufen hat, um mit ihm und unter seiner Führung über die Berufung und Sendung der Familie heute nachzudenken. Ihm bieten wir in Demut und in dem Bewusstsein der Grenzen, die sie aufweist, die Frucht unserer Arbeit an. Wir können jedenfalls sagen, dass wir uns bei dieser Arbeit die Familien der Welt, mit ihren Freuden und Hoffnungen, mit ihren Sorgen und Ängsten stets vor Augen gehalten haben. Die Jünger Christi wissen: „Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. Ist doch ihre eigene Gemeinschaft aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Gemeinschaft sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden“ (GS, 1). Wir danken dem Herrn für die großherzige Treue, mit der viele christliche Familien auch angesichts von Hindernissen, Verständnislosigkeit und Leiden ihrer Berufung und Sendung entsprechen. Diesen Familien gilt die Ermutigung der ganzen Kirche, die vereint um ihren Herrn und unterstützt durch das Wirken des Geistes weiß, dass sie allen Menschen ein Wort der Wahrheit und der Hoffnung auszurichten hat. Das hat Papst Franziskus bei der Eucharistiefeier in Erinnerung gerufen, mit der die letzte Etappe dieses der Familie gewidmeten synodalen Weges eröffnet wurde: „Gott [hat] den Menschen nicht zu einem Leben in Traurigkeit und Alleinsein erschaffen […], sondern für ein Leben im Glück, in dem er seinen Weg gemeinsam mit einer anderen Person geht, die ihn ergänzt […] Es ist derselbe Plan, den Jesus […] mit diesen Worten zusammenfasst: „Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins“ (Mk 10,6-8; vgl. Gen 1,27; 2,24).“ Gott verbindet „die Herzen eines Mannes und einer Frau, die einander lieben, und […] er [verbindet] sie in Einheit und Unauflöslichkeit […]. Das bedeutet, dass das Ziel des ehelichen Lebens nicht nur darin besteht, für immer zusammenzuleben, sondern für immer einander zu lieben! So stellt Jesus die ursprüngliche und alles begründende Ordnung wieder her. […] In der Tat wird nur im Licht der Torheit der sich selbstlos schenkenden österlichen Liebe Jesu die Torheit der sich selbstlos schenkenden ehelichen Liebe verständlich, die einzig ist und usque ad mortem fortdauert“ (Homilie von Papst Franziskus bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung der Synode, 4. Oktober 2015).

2.   Als Schoß der Freuden und der Prüfungen ist die Familie die erste und grundlegende „Schule der Menschlichkeit“ (vgl. GS, 52). Trotz der Anzeichen einer Krise der Institution Familie in den verschiedenen Kontexten bleibt der Wunsch nach Familie in den jungen Generationen lebendig. Die Kirche, Expertin der Menschlichkeit und ihrer Sendung treu, verkündet aus tiefer Überzeugung das „Evangelium der Familie“, das sie mit der Offenbarung Jesu Christi empfangen hat und das von den Kirchenvätern, den Meistern der Spiritualität und vom Lehramt der Kirche ununterbrochen gelehrt wurde. Die Familie hat für den Weg der Kirche eine besondere Bedeutung. „Seine [Gottes] Liebe war so groß, dass er begann, mit der Menschheit mitzugehen, dass er begann, mit seinem Volk mitzugehen, bis die Zeit reif war und er ihm den größten Beweis seiner Liebe gab: seinen Sohn. Und seinen Sohn – wohin sandte er ihn? In einen Palast? In eine Stadt? Um ein Unternehmen zu gründen? Er sandte ihn in eine Familie. Gott ist in einer Familie in die Welt eingetreten. Und er konnte es tun, weil diese Familie eine Familie war, die ein für die Liebe offenes Herz hatte, eine Familie mit offenen Türen“ (Ansprache von Papst Franziskus beim Fest der Familien, Philadelphia, 26. September 2015). Die Familien von heute sind als „missionarische Jünger“ ausgesandt (vgl. EG, 120). In diesem Sinne ist es notwendig, dass sich die Familie als unverzichtbares Subjekt der Evangelisierung wiederentdeckt.

3. Der Papst hat die Bischofssynode einberufen, um über die Realität der Familie nachzudenken. „Bereits das ʻconvenire in unumʼ um den Bischof von Rom ist ein Ereignis der Gnade, in dem die bischöfliche Kollegialität auf einem Weg der geistlichen und pastoralen Unterscheidung zum Ausdruck kommt“ (Ansprache von Papst Franziskus bei der Gebetsvigil zur Vorbereitung der Außerordentlichen Synode über die Familie, 4. Oktober 2014). Im Laufe von zwei Jahren haben die Außerordentliche Generalversammlung (2014) und die Ordentliche Generalversammlung (2015) stattgefunden, die sich der Aufgabe gestellt haben, in Treue zum Evangelium auf die Zeichen Gottes und auf die Geschichte der Menschen zu hören. Die Frucht der ersten synodalen Begegnung, zu der das Volk Gottes seinen wichtigen Beitrag geleistet hat, ist in die Relatio Synodi eingeflossen. Unsere Gespräche und unsere Überlegungen waren von einer dreifachen Haltung geprägt: dem Hören auf die Wirklichkeit der heutigen Familie - mit der Vielschichtigkeit ihrer Licht- und Schattenseiten - in der Perspektive des Glaubens. Dem Blick auf Christus, um mit erneuerter Frische und Begeisterung über die im Glauben der Kirche überlieferte Offenbarung nachzudenken. Der vergleichenden Betrachtung im Heiligen Geist, um die Wege zu erkennen, auf denen Kirche und Gesellschaft in ihrem Einsatz für Familie erneuert werden können, welche auf der Ehe zwischen Mann und Frau gegründet ist. Die christliche Verkündigung über die Familie ist wirklich eine frohe Botschaft. Die Familie ist nicht nur aufgefordert, auf die heutigen Probleme zu antworten. Sie ist vor allem von Gott berufen, sich ihrer missionarischen Identität immer neu bewusst zu werden. Die Synodenversammlung wurde bereichert durch die Anwesenheit von Ehepaaren und Familien in einer Debatte, die sie unmittelbar betrifft. Während wir die wertvolle Frucht der vorhergehenden Versammlung bewahrt haben, die den Herausforderungen der Familie gewidmet war, haben wir den Blick auf ihre Berufung und Sendung in Kirche und Welt von heute gerichtet.

                                                                                          

I.  TEIL
DIE KIRCHE IM HÖREN AUF DIE FAMILIE

4.  Das Geheimnis der Erschaffung des Lebens auf der Erde erfüllt uns mit Staunen und Verwunderung. Die auf der Ehe zwischen Mann und Frau gegründete Familie ist der wunderbare und unersetzliche Ort der persönlichen Liebe, welche das Leben weitergibt. Die Liebe ist mehr als die Illusion eines Augenblicks, die Liebe ist kein Selbstzweck, die Liebe sucht die Vertrauenswürdigkeit eines personalen „Du“. Im gegenseitigen Versprechen der Liebe, in guten wie in schlechten Tagen, will die Liebe eine Beständigkeit im Leben, bis zum Tod. Der grundsätzliche Wunsch, das liebevolle, tragfähige und generationenübergreifende Netzwerk der Familie zu bilden, zeigt sich über religiöse und kulturelle Schranken sowie soziale Veränderungen hinweg als ausgesprochen beständig. In der Freiheit des „Ja“, das Mann und Frau einander für das ganze Leben geben, wird die Liebe Gottes gegenwärtig und erfahrbar. Für den katholischen Glauben ist die Ehe heiliges Zeichen, in dem die Liebe Gottes für seine Kirche wirksam wird. Die christliche Familie ist daher Teil der gelebten Kirche: eine „Hauskirche“.

Das Ehepaar und das Eheleben sind nichts Abstraktes, sie bleiben unvollkommen und verletzlich. Daher ist immer der Wille notwendig, umzukehren, zu vergeben und neu zu beginnen. In unserer Verantwortung als Hirten sorgen wir uns um das Leben der Familien. Wir möchten ihrer Lebenswirklichkeit und den Herausforderungen, vor denen sie stehen, Gehör schenken und sie mit dem liebevollen Blick des Evangeliums begleiten. Wir möchten ihnen Kraft geben und ihnen helfen, ihre Sendung heute wahrzunehmen. Wir möchten sie auch in ihren Sorgen großherzig begleiten und ihnen, ausgehend von der Barmherzigkeit Gottes, Mut und Hoffnung geben.

I.  Kapitel
Die Familie und der anthropologisch-kulturelle Kontext

Der soziokulturelle Kontext

5.  Fügsam gegenüber dem, was der Heilige Geist uns sagt, nähern wir uns den Familien von heute in ihrer Verschiedenheit, in dem Wissen, dass Christus „der neue Adam […] dem Menschen den Menschen selbst voll kund“  tut (GS, 22). Wir wenden unsere Aufmerksamkeit den Herausforderungen unserer Zeit zu, welche zahlreiche Aspekte des Lebens beeinflussen. Wir sind uns der Hauptrichtung der anthropologisch-kulturellen Veränderungen bewusst, aufgrund derer die Individuen in ihrem Gefühls- und Familienleben von Seiten der sozialen Strukturen weniger Unterstützung erfahren, als in der Vergangenheit. Andererseits müssen auch die Entwicklungen eines überzogenen Individualismus betrachtet werden, der die familiären Bindungen entstellt und bei dem die Vorstellung eines Subjekts überwiegt, das sich nach eigenen Wünschen formt, und dabei jeglicher Bindung die Kraft nimmt. Denken wir an die Mütter und Väter, an die Großeltern, an die Brüder und Schwestern, an die nahen und entfernten Verwandten und an das Band zwischen zwei Familien, das durch jede Ehe geknüpft wird. Wir dürfen gleichwohl nicht die gelebte Wirklichkeit vergessen: die Stabilität familiärer Bindungen erhält weiterhin überall die Welt am Leben. Man setzt sich weiter mit großer Hingabe für die Sorge um die Würde jeder Person – Männer, Frauen, Kinder -, der ethnischen Gruppen und Minderheiten ein, sowie für den Schutz der Rechte jedes Menschen, in einer Familie aufzuwachsen. Die Treue wird nicht gewürdigt, wenn nicht erneut eine klare Überzeugung vom Wert des Familienlebens bekräftigt wird, besonders dadurch, dass man der Strahlkraft des Evangeliums auch in den unterschiedlichen Kulturen vertraut. Wir sind uns der starken Veränderungen bewusst, die der derzeitige anthropologisch-kulturelle Umbruch in allen Bereichen des Lebens hervorruft, und bleiben fest davon überzeugt, dass die Familie ein Geschenk Gottes ist, der Ort, an dem Er die Macht seiner heilbringenden Gnade offenbart. Auch heute beruft der Herr den Mann und die Frau zur Ehe, begleitet sie in ihrem Familienleben und bietet sich ihnen als unermessliches Geschenk an. Hier geht es um eines der Zeichen der Zeit, welche die Kirche aufgerufen ist, zu erforschen und „im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer der jeweiligen Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben. Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen“  (GS, 4).

Der religiöse Kontext

6.  Der christliche Glaube ist stark und lebendig. In einigen Gegenden der Welt ist ein erheblicher Rückgang der religiösen Prägung im gesellschaftlichen Raum zu beobachten, der sich auf das Leben der Familien auswirkt. Dieser Trend geht dahin, die Dimension des Religiösen in den Bereich des Privaten und der Familie abzuschieben, und bringt die Gefahr mit sich, dass das Zeugnis und die Sendung der christlichen Familien in der heutigen Welt behindert werden. In den gesellschaftlichen Kontexten eines fortgeschrittenen Wohlstands, laufen die Menschen Gefahr, all ihre Hoffnung einzig auf ein übersteigertes Streben nach sozialem Erfolg und wirtschaftlichem Wohlstand zu setzen. In anderen Gegenden der Welt führen die negativen Auswirkungen einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung zu Formen der Religiosität, die sektiererischen und radikalen Extremen ausgesetzt sind. Hier sind auch die von politisch-religiösem Fanatismus angetriebenen Bewegungen zu erwähnen, welche dem Christentum oft feindlich gegenüberstehen. Dadurch, dass sie Instabilität hervorrufen, sowie Unordnung und Gewalt säen, sind sie der Grund für viel Leid und Elend im Leben der Familien. Die Kirche ist aufgerufen, die in den Familien gelebte Religiosität zu begleiten, um sie auf den Sinnhorizont des Evangeliums hinauszurichten.

Der anthropologische Wandel

7.   In den verschiedenen Kulturen sind Beziehung und Zugehörigkeit wichtige Werte, welche die Identität des Einzelnen prägen. Die Familie bietet dem Menschen die Möglichkeit, sich zu verwirklichen und zum Wachstum der anderen im weiteren gesellschaftlichen Umkreis beizutragen. Die in der Taufe empfangene christliche und kirchliche Identität entfaltet sich in der Schönheit des Familienlebens. In der heutigen Gesellschaft sind vielfältige Herausforderungen zu beobachten, die sich in mehr oder weniger großem Ausmaß in verschiedenen Teilen der Welt zeigen. In den verschiedenen Kulturen zeigen nicht wenige Jugendliche Widerstand, wenn es im Bereich des Gefühlslebens um endgültige Verpflichtungen geht. Oftmals entscheiden sie sich dann dafür, einfach mit einem Partner zusammenzuleben oder nur vorübergehende Beziehungen einzugehen. Der Geburtenrückgang ist das Ergebnis verschiedener Faktoren, zu denen die Industrialisierung, die sexuelle Revolution, die Angst vor Überbevölkerung, die wirtschaftlichen Probleme oder die Zunahme einer Verhütungs- und Abtreibungsmentalität gehören. Die Konsumgesellschaft kann dazu führen, dass Menschen davon absehen, Kinder zu bekommen, nur damit sie ihre Freiheit nicht aufgeben und ihren Lebensstil beibehalten können. Einigen Katholiken fällt es schwer, ihr Leben in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche über Ehe und Familie zu führen und in dieser Lehre die Gutheit des schöpferischen Planes Gottes mit ihnen zu sehen. In einigen Teilen der Welt werden immer weniger Ehen geschlossen, während Trennungen und Scheidungen nicht selten sind.                 

Die kulturellen Widersprüche

8.  Die kulturellen Bedingungen, die auf die Familie einwirken, zeigen in weiten Teilen der Welt - auch unter dem massiven Einfluss der Medien - ein widersprüchliches Bild. Auf der einen Seite erfreuen sich Ehe und Familie großer Wertschätzung, und es besteht noch die Vorstellung fort, dass die Familie den sicheren Hafen der tiefsten und befriedigendsten Gefühle darstellt. Auf der anderen Seite trägt dieses Bild manchmal Züge überzogener Erwartungen und folglich übertriebener gegenseitiger Anforderungen. Die Spannungen, die von einer überzogenen individualistischen Kultur des Besitzes und des Genusses in die Familien hineingetragen werden, bringen in ihnen Dynamiken der Abneigung und Aggressivität hervor. Hier kann auch eine bestimmte Spielart des Feminismus erwähnt werden, welche das Muttersein als einen Vorwand für die Ausbeutung der Frauen und ein Hindernis für ihre volle Verwirklichung anprangert. Darüber hinaus lässt sich die wachsende Tendenz feststellen, die Zeugung eines Kindes als reines Mittel der Selbstbestätigung zu betrachten, das um jeden Preis erreicht werden muss.

Eine kulturelle Herausforderung, die heute von großer Bedeutung ist, geht von der „Gender“-Ideologie aus, welche den Unterschied und die natürliche Aufeinander-Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet. Sie stellt eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die anthropologische Grundlage der Familie aus. Diese Ideologie fördert Erziehungspläne und eine Ausrichtung der Gesetzgebung, welche eine persönliche Identität und affektive Intimität fördern, die von der biologischen Verschiedenheit zwischen Mann und Frau radikal abgekoppelt sind. Die menschliche Identität wird einer individualistischen Wahlfreiheit ausgeliefert, die sich im Laufe der Zeit auch ändern kann. In der Sicht des Glaubens trägt die geschlechtliche Verschiedenheit des Menschen das Bild und Gleichnis Gottes in sich (vgl. Gen 1,26-27). „Dem entnehmen wir, dass nicht nur der Mann als Einzelner betrachtet das Abbild Gottes ist, dass nicht nur die Frau als Einzelne betrachtet das Abbild Gottes ist, sondern dass auch Mann und Frau als Paar Abbild Gottes sind. […] Wir können sagen, dass ohne die wechselseitige Bereicherung in dieser Beziehung – im Denken und im Handeln, in der Affektivität und in der Arbeit, auch im Glauben – die beiden nicht einmal bis ins Letzte verstehen können, was es bedeutet, Mann und Frau zu sein. Die moderne, zeitgenössische Kultur hat neue Räume, neue Freiheiten und neue Tiefen eröffnet, um das Verständnis dieses Unterschieds zu bereichern. Aber sie hat auch viele Zweifel und viel Skepsis eingeführt. […] Die Beseitigung des Unterschieds ist das Problem, nicht die Lösung“  (Papst Franziskus, Generalaudienz, 15. April 2015).

Soziale Konflikte und Spannungen

9.  Die affektive und geistliche Qualität des Familienlebens ist durch eine Zunahme an Konflikten, den Rückgang der Ressourcen und die Migrationsbewegungen stark bedroht. Gewalttätige religiöse Verfolgungen, vor allem der christlichen Familien, verwüsten ganze Bereiche unseres Planeten und führen zu Abwanderungsbewegungen und riesigen Wellen von Flüchtlingen, die großen Druck auf die Kapazitäten der aufnehmenden Länder ausüben. Familien, die solchen Prüfungen ausgesetzt sind, sind sehr häufig zwangsläufig entwurzelt und stehen an die Schwelle zur Auflösung. Die Treue der Christen zu ihrem Glauben, ihre Geduld und die Verbundenheit mit ihren Herkunftsländern sind in jeder Hinsicht bewundernswert. Die Anstrengungen, die alle politischen und religiösen Verantwortlichen unternehmen, um die Kultur der Menschenrechte zu verbreiten und zu schützen, sind immer noch unzureichend. Es besteht weiterhin die Notwendigkeit, die Gewissensfreiheit zu respektieren und das auf Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen, der Gleichheit und der Gerechtigkeit beruhende harmonische Zusammenleben aller Bürger zu fördern. Das Gewicht unbedachter wirtschafts- und sozialpolitischer Entscheidungen hat auch in der Wohlstandsgesellschaft schwerwiegende Auswirkungen auf den Unterhalt von Kindern sowie auf die Sorge für kranke und alte Menschen. Die Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Glücksspiel ist zuweilen Symptom dieser sozialen Widersprüche und der Belastung, die sie für das Leben der Familien mit sich bringen. Die Anhäufung von Reichtümern in den Händen weniger und die Veruntreuung von Ressourcen, die für die Familien bestimmt sind, lassen die Verarmung der Familien in vielen Gebieten der Welt zunehmen.

Stärke und Schwäche der Familie

10.  Die Familie, die grundlegende menschliche Gemeinschaft, leidet in der derzeitigen kulturellen und sozialen Krise auf schmerzliche Weise an ihren Schwächen und ihrer Zerbrechlichkeit. Dennoch zeigt sie, dass sie in sich selbst den Mut finden kann, um dem Ungenügen und der Instabilität der Institutionen im Hinblick auf die Bildung der Person, die Qualität der sozialen Beziehungen, die Sorge um die verletzlichsten Menschen entgegenzutreten. Um sie in ihrer Zerbrechlichkeit unterstützen zu können, ist es daher besonders notwendig, die Kraft der Familie angemessen wertzuschätzen. Eine solche Kraft wohnt wesentlich der Fähigkeit der Familie inne, zu lieben und lieben zu lehren. Wie verletzt eine Familie auch sein mag, sie kann immer von der Liebe ausgehend wachsen.

 

II.  Kapitel
Die Familie und der sozioökonomische Kontext

Die Familie – unersetzliche Ressource der Gesellschaft

11.  „Die Familie ist eine Art Schule reich entfalteter Humanität […], das Fundament der Gesellschaft“  (GS, 52). Über den engen Kern der Familie hinaus bietet die Gesamtheit der verwandtschaftlichen Beziehungen eine wertvolle Hilfe bei der Erziehung der Kinder, der Vermittlung von Werten, dem Bewahren der Beziehungen zwischen den Generationen und der Bereicherung mit einer gelebten Spiritualität. Während dieses Faktum in einigen Gegenden der Welt zutiefst zur vorherrschenden gesellschaftlichen Kultur gehört, scheint es andernorts Abnutzungserscheinungen unterworfen. Soviel ist sicher, in einer Zeit ausgeprägter Fragmentierung der Lebensumstände stellen die verschiedenen Ebenen und Facetten der Beziehungen unter Familienangehörigen und Verwandten oftmals die einzigen Verbindungspunkte mit der Herkunft und den familiären Bindungen dar. Die Unterstützung durch das familiäre Netzwerk ist noch notwendiger, wo Arbeitsmobilität, Migrationen, Katastrophen und die Flucht aus der Heimat die Stabilität des familiären Kerns gefährden.

Familienfreundliche Politik

12.   Die Autoritäten, welche für das Gemeinwohl verantwortlich sind, müssen sich gegenüber dem erstrangigen gesellschaftlichen Gut, das die Familie darstellt, ernsthaft verpflichtet fühlen. Die Sorge, von der sich die Verwaltung der Zivilgesellschaft leiten lassen muss, ist es, eine Familienpolitik zuzulassen und zu fördern, welche die Familien - vor allem die am meisten benachteiligten - unterstützt und ermutigt. Es ist erforderlich, das ausgleichende Wirken der Familie im Kontext der modernen Wohlfahrtssysteme konkreter anzuerkennen: sie verteilt Ressourcen um und nimmt Aufgaben wahr, die für das Gemeinwohl unentbehrlich sind, indem sie dazu beiträgt, die negativen Effekte der sozialen Ungerechtigkeit auszugleichen. „Die Familie (verdient) ein besonderes Augenmerk seitens der Verantwortlichen für das Gemeinwohl. Sie bildet nämlich die Grundzelle der Gesellschaft, die feste Bande der Einheit beisteuert, auf denen das menschliche Zusammenleben beruht, und sie gewährleistet durch die Zeugung und Erziehung ihrer Kinder die Zukunft und die Erneuerung der Gesellschaft“  (Ansprache von Papst Franziskus am Internationalen Flughafen „El Alto-La Paz“ in Bolivien, 8. Juli 2015).

Einsamkeit und Vorläufigkeit

13.  In jenen kulturellen Umfeldern, in denen Beziehungen durch einen egoistischen Lebensstil brüchig geworden sind, wird die Einsamkeit zu einem immer weiter verbreiteten Zustand. Häufig kann angesichts dieser Leere nur der Sinn für die Gegenwart Gottes den Menschen Halt geben. Das allgemeine Gefühl der Ohnmacht gegenüber einer erdrückenden sozioökonomischen Wirklichkeit, wachsender materieller Armut und prekärer Arbeitsverhältnisse zwingt immer häufiger dazu, Arbeit in weiter Entfernung von der Familie zu suchen, um für ihren Unterhalt sorgen zu können. Diese Notwendigkeit führt zu langen Abwesenheiten und Trennungen, welche die Beziehungen schwächen und die Mitglieder der Familie voneinander isolieren. Es liegt in der Verantwortung des Staates, rechtliche und wirtschaftliche Bedingungen zu schaffen, welche den Jugendlichen eine Zukunft garantieren und ihnen dabei helfen, ihr Vorhaben der Familiengründung zu verwirklichen. Die Korruption, die  diese öffentlichen Einrichtungen manchmal bedroht, verletzt zutiefst das Vertrauen und die Hoffnung nicht nur der neuen Generationen. Die negativen Folgen dieses Misstrauens sind deutlich: von der demographischen Krise bis zu den Schwierigkeiten in der Erziehung, vom Zaudern bei der Annahme des werdenden Lebens bis dahin, dass die Gegenwart der alten Menschen als Last empfunden wird. Es breitet sich mitunter ein emotionales Unbehagen aus, das manchmal zu Aggressivität und Gewalt führt.

Wirtschaft und Gerechtigkeit

14.  Materielle und wirtschaftliche Bedingungen wirken sich in zwei Richtungen auf das Leben der Familie aus: sie können zu ihrem Wachstum beitragen und ihr Aufblühen erleichtern oder sie können ihre Blüte, ihre Einheit und ihren Zusammenhalt behindern. Wirtschaftliche Zwänge schließen Familien vom Zugang zur Bildung, zum kulturellen Leben und zum aktiven gesellschaftlichen Leben aus. Das derzeitige Wirtschaftssystem bringt verschiedene Formen sozialer Ausgrenzung hervor. Die Familien leiden besonders unter den Problemen, welche die Arbeitswelt betreffen. Die Möglichkeiten für junge Menschen sind begrenzt, und das Arbeitsangebot bietet oft nur eine geringe Auswahl und ist ausgesprochen unsicher. Die Arbeitstage sind lang und werden oftmals durch lange An- und Abfahrtszeiten erschwert. Das hindert die Familien daran, gemeinsame Zeit mit den Kindern zu verbringen, um ihre Beziehung auf diese Weise täglich zu stärken. „Das Wachstum in Gerechtigkeit […] verlangt Entscheidungen, Programme, Mechanismen und Prozesse, die ganz spezifisch ausgerichtet sind auf eine bessere Verteilung der Einkünfte“ (EG, 204), damit eine umfassende Förderung der Armen Wirklichkeit wird. Eine angemessene Familienpolitik ist Voraussetzung für eine lebenswerte, harmonische und würdige Zukunft des Familienlebens.

Armut und Ausgrenzung

15.  Einige gesellschaftliche und religiöse Gruppen finden sich überall an den Rändern der Gesellschaft wieder: Migranten, Sinti und Roma, Obdachlose, Flüchtlinge und Asylsuchende, die nach dem Kastensystem Unberührbaren sowie diejenigen, die unter Krankheiten leiden, die mit einem gesellschaftlichen Stigma behaftet sind. Auch die Heilige Familie von Nazareth hat die bittere Erfahrung der Ausgrenzung und der Ablehnung gemacht (vgl. Lk 2,7; Mt 2,13-15). Das Wort Jesu über das Endgericht ist in dieser Hinsicht eindeutig: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Das derzeitige Wirtschaftssystem bringt neue Arten sozialer Ausgrenzung hervor, welche die Armen für die Augen der Gesellschaft häufig zu Unsichtbaren machen. Die herrschende Kultur und die Kommunikationsmittel tragen dazu bei, diese Unsichtbarkeit zu verschlimmern. Das geschieht, weil in diesem System „der Mensch, die menschliche Person, aus dem Zentrum gerückt und von einer anderen Sache ersetzt worden (ist). Weil man mit dem Geld Götzenkult betreibt! Weil man die Gleichgültigkeit globalisiert hat!“  (Ansprache von Papst Franziskus an die Teilnehmer des Internationalen Treffens der Volksbewegungen, 28. Oktober 2014). In diesem Rahmen ruft die Lage der Kinder besondere Sorge hervor. Sie sind unschuldige Opfer der Ausgrenzung, die sie zu wirklichen „Sozialwaisen“ macht und sie auf tragische Weise für das ganze Leben zeichnet. Trotz der enormen Schwierigkeiten denen sie begegnen, bemühen sich viele arme und ausgegrenzte Familien darum, ihr tägliches Leben mit Würde zu führen, indem sie auf Gott vertrauen, der niemanden enttäuscht und verlässt.

Ökologie und Familie

16.   Angeregt durch das päpstliche Lehramt wünscht sich die Kirche ein vertieftes Überdenken der Ausrichtung des Weltsystems. In dieser Hinsicht wirkt sie an der Entwicklung einer neuen ökologischen Kultur mit: einem Denken, einer Politik, einem Bildungsprogramm, einem Lebensstil und einer Spiritualität. Da alles untereinander eng zusammenhängt, wie Papst Franziskus in der Enzyklika „Laudato si' sagt, ist es erforderlich, die Aspekte einer „integralen Ökologie“ zu vertiefen, die nicht nur die Dimension der Umwelt einschließt, sondern auch die Bereiche des Menschlichen, des Sozialen und des Wirtschaftlichen, für eine nachhaltige Entwicklung und die Bewahrung der Schöpfung. Die Familie, die erheblichen Anteil an der Humanökologie hat, muss auf angemessene Weise geschützt werden (vgl. Johannes Paul II., Centesimus Annus, 38). Durch die Familie gehören wir zur Gesamtheit der Schöpfung, tragen wir auf besondere Weise dazu bei, die Sorge für die Umwelt zu fördern, erlernen wir die Bedeutung der Leiblichkeit und die liebevolle Ausdrucksform des Unterschiedes von Mann und Frau und arbeiten am Plan des Schöpfers mit (vgl. LS, 5, 155). Das Bewusstsein all dessen erfordert eine wirkliche Umkehr, die in der Familie vollzogen werden muss. In ihr „werden die ersten Gewohnheiten der Liebe und Sorge für das Leben gehegt, wie zum Beispiel der rechte Gebrauch der Dinge, Ordnung und Sauberkeit, die Achtung des örtlichen Ökosystems und der Schutz aller erschaffenen Wesen. Die Familie ist der Ort der ganzheitlichen Erziehung, wo sich die verschiedenen Momente der persönlichen Reifung ausformen, die eng miteinander verbunden sind“ (LS, 213).

III.  Kapitel
Familie, Einbeziehung und Gesellschaft

Das dritte Lebensalter

17.  Eine der bedeutsamsten und vordringlichsten Aufgaben der christlichen Familie besteht darin, das Band zwischen den Generationen zu bewahren, um den Glauben und die Grundwerte des Lebens weitergeben zu können. Die meisten Familien achten die alten Menschen, umgeben sie mit Liebe und betrachten sie als einen Segen. Besondere Wertschätzung gebührt den Familienvereinigungen und -bewegungen, die sich unter geistlichem und sozialem Aspekt für die alten Menschen einsetzen, vor allem indem sie mit den Priestern in der Seelsorge zusammenarbeiten. In einigen Kontexten werden die alten Menschen als ein Reichtum wahrgenommen, da sie die Stabilität, die Kontinuität und die Erinnerung der Familien und der Gesellschaften sicherstellen. In den hoch industrialisierten Gesellschaften, in denen ihr Anteil an der Bevölkerung wächst, während die Geburtenrate zurückgeht, besteht die Gefahr, dass sie als eine Last wahrgenommen werden. Andererseits stellt die Pflege, derer sie bedürfen, ihre Angehörigen oftmals auf eine harte Probe. „Die alten Menschen sind Männer und Frauen, Väter und Mütter, die vor uns auf unserem Weg, in unserem Haus waren, in unserem täglichen Kampf um ein Leben in Würde. Es sind Männer und Frauen, von denen wir viel empfangen haben. Der alte Mensch ist kein Fremder. Der alte Mensch sind wir: über kurz oder lang, auf jeden Fall unabwendbar, auch wenn wir nicht daran denken. Und wenn wir nicht lernen, die alten Menschen gut zu behandeln, dann wird man uns ebenso behandeln“ (Papst Franziskus, Generalaudienz, 4. März 2015).

18. Die Anwesenheit der Großeltern in der Familie verdient besondere Aufmerksamkeit. Sie bilden das Bindeglied zwischen den Generationen, und sorgen durch die Vermittlung von Traditionen, Gewohnheiten, Werten und Tugenden, in denen die Jüngeren ihre eigenen Wurzeln erkennen können, für ein psychisch-emotionales Gleichgewicht. Außerdem arbeiten die Großeltern oft mit ihren Kindern zusammen, wenn es um wirtschaftliche und erzieherische Fragen oder die Vermittlung des Glaubens an die Enkel geht. Viele Menschen können feststellen, dass sie ihre Einführung in das christliche Leben besonders den Großeltern verdanken. Im Buch Jesus Sirach heißt es: „Verachte nicht die Überlieferung der Alten, die sie übernommen haben von ihren Vätern. Dann wirst du Einsicht lernen, um antworten zu können, sobald es notwendig ist“  (Sir, 8.9) Wir wünschen uns, dass der Glaube innerhalb der Familie und in der Folge der Generationen vermittelt und als wertvolles Erbe für die neuen Kernfamilien bewahrt werden möge.

Die Verwitwung

19. Für denjenigen, der die Entscheidung für die Ehe und das Familienleben als Geschenk erlebt hat, stellt die Verwitwung eine besonders schwierige Erfahrung dar. Aus dem Blickwinkel des Glaubens aber hält sie auch verschiedene Möglichkeiten bereit, die es wertzuschätzen gilt. In dem Moment, in dem sie diese Erfahrung durchleben müssen, zeigen einige, dass es möglich ist, die eigenen Kräfte mit noch mehr Hingabe den Kindern und Enkeln zu schenken, und finden in dieser Erfahrung der Liebe eine neue erzieherische Sendung. In gewissem Sinn wird die Leere, die der verstorbene Ehepartner hinterlassen hat, durch die Liebe der Familienmitglieder aufgefüllt, welche die Verwitweten wertschätzen und es ihnen auf diese Weise auch ermöglichen, die wertvolle Erinnerung an ihre eigene Ehe zu bewahren. Diejenigen, die nicht auf die Gegenwart von Angehörigen zählen können, denen sie sich widmen und von denen sie Liebe und Nähe erhalten können, müssen von der christlichen Gemeinschaft durch besondere Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft unterstützt werden, vor allem, wenn sie bedürftig sind. Die verwitweten Menschen können eine neue sakramentale Verbindung eingehen, ohne in irgendeiner Weise den Wert der vorhergehenden Ehe zu schmälern (vgl. 1 Kor 7,39). Die Kirche hat sich zu Beginn und im Laufe der Entwicklung ihrer Geschichte besonders um die Witwen gekümmert (vgl. 1 Tim 5,3-16) und schließlich sogar den ordo viduarum eingerichtet, der heute wiederhergestellt werden könnte.

Der letzte Lebensabschnitt und die Trauer in der Familie

20.  Krankheit, Unfälle oder fortgeschrittenes Alter; Erfahrungen, die zum Tod führen, wirken sich auf das gesamte Familienleben aus. Die Trauer wird als besonders erschütternd erfahren, wenn der Verlust Kinder und junge Menschen betrifft. Diese schmerzliche Erfahrung bedarf besonderer pastoraler Fürsorge, auch durch Einbeziehung der christlichen Gemeinschaft. Je mehr versucht wird, auf alle mögliche Weise den Moment des Todes auszublenden, desto notwendiger wird heute die Wertschätzung der abschließenden Lebensphase. Schwäche und Abhängigkeit der alten Menschen werden manchmal auf bösartige Weise zum reinen wirtschaftlichen Vorteil ausgenutzt. Zahlreiche Familien lehren uns, dass es möglich ist, den letzten Abschnitten des Lebens zu begegnen, indem der Sinn der Vollendung und der Einbindung des ganzen Daseins in das Ostergeheimnis hervorgehoben wird. Eine große Zahl alter Menschen wird in kirchlichen Einrichtungen aufgenommen, wo sie auf materieller und geistlicher Ebene in einem ruhigen und familiären Ambiente leben können. Euthanasie und assistierter Suizid stellen für die Familien auf der ganzen Welt eine schwere Bedrohung da. In vielen Staaten ist diese Praxis erlaubt. Die Kirche, die sich entschieden gegen diese Praxis wendet, fühlt sich verpflichtet, den Familien zu helfen, die sich um ihre alten und kranken Mitglieder kümmern, und auf jede Weise die Würde und den Wert des Menschen bis zum natürlichen Ende seines Lebens zu fördern.

Menschen mit besonderen Bedürfnissen

21.  Ein besonderer Blick muss auf die Familien gerichtet werden, in denen Menschen mit besonderen Bedürfnissen leben. Die Behinderung, die in das Leben eindringt, schafft eine tiefe und unerwartete Herausforderung und bringt die Gleichgewichte, die Wünsche und die Erwartungen durcheinander. Das führt zu gegensätzlichen Gefühlen und Entscheidungen, die schwierig zu bewältigen und zu bearbeiten sind. Zugleich ergeben sich Aufgaben, Dringlichkeiten und neue Verantwortungen. Das Bild von der Familie und ihr ganzer Lebenszyklus werden zutiefst durcheinander gebracht. Große Bewunderung verdienen die Familien, die liebevoll die schwierige Prüfung eines behinderten Kindes annehmen. Sie bezeugen der Kirche und der Gesellschaft auf wertvolle Weise die Treue gegenüber dem Geschenk des Lebens. Wenn sie den Weg der Annahme und Pflege des Geheimnisses der Zerbrechlichkeit geht, kann die Familie aber zusammen mit der christlichen Gemeinschaft unvorhergesehene Kompetenzen, neue Gesten, Sprachen und Formen des Verständnisses und der Identität entdecken. Menschen mit einer Behinderung stellen für die Familie ein Geschenk und eine Gelegenheit dar, in der Liebe, in der gegenseitigen Unterstützung und in der Einheit zu wachsen. Die Kirche, Familie Gottes, möchte für die Familien mit behinderten Menschen ein aufnahmebereites Haus sein (vgl. Papst Johannes Paul II., Predigt bei der Heiligjahrfeier der Behinderten, 3. Dezember 2000). Sie wirkt daran mit, ihre familiäre Beziehung und Erziehung zu unterstützen und bietet Wege der Teilnahme am liturgischen Leben der Gemeinde an. Für einige behinderte Menschen, die allein gelassen werden oder allein zurückbleiben, stellen die kirchlichen Häuser, in denen sie Aufnahme finden, oftmals die einzige Familie dar. Ihnen gegenüber bringt die Synode tiefe Dankbarkeit und Wertschätzung zum Ausdruck. Dieser Einbindungsprozess erweist sich in jenen Gesellschaften als schwieriger, in denen Stigma und Vorurteil andauern – welche sogar unter eugenischem Gesichtspunkt theoretisiert werden. Viele Familien, Gemeinschaften und kirchliche Bewegungen hingegen entdecken und preisen die Gaben Gottes in den Menschen mit besonderen Bedürfnissen, vor allem ihre einzigartige Begabung zur Mitteilung und Zugehörigkeit. Besondere Aufmerksamkeit ist den behinderten Menschen zuzuwenden, die ihre Eltern und die erweiterte Familie überleben, die sie ihr ganzes Leben lang unterstützt haben. Der Tod derer, von denen sie geliebt worden sind und die sie geliebt haben, macht sie besonders verletzlich. Die Familie, die mit dem Blick des Glaubens die Gegenwart von Menschen mit Behinderung annimmt, wird die Qualität und den Wert jedes Lebens, mit seinen Bedürfnissen, seinen Rechten und seinen Chancen erkennen und garantieren können. Sie wird für alle Lebensphasen Dienste und Pflege anregen sowie Begleitung und Zuneigung fördern.

Ehelos lebende Menschen

22.  Viele Menschen, die ehelos leben, widmen sich nicht nur ihrer Ursprungsfamilie, sondern leisten in ihrem Freundeskreis, in der kirchlichen Gemeinschaft und im Berufsleben große Dienste. Dennoch werden ihre Gegenwart und ihr Beitrag oftmals vernachlässigt, und das gibt ihnen ein gewisses Gefühl der Isolation. Unter ihnen lassen sich nicht selten ehrenwerte Beweggründe finden, um sich n in der Kunst, in der Wissenschaft und zum Wohl der Menschheit zu engagieren. Viele stellen ihre Begabungen auch durch den Einsatz in der Caritas und durch ehrenamtliche Tätigkeit in den Dienst der christlichen Gemeinschaft. Dann gibt es diejenigen, die nicht heiraten, weil sie ihr Leben aus Liebe zu Christus und zum Nächsten Gott weihen. Durch ihre Hingabe wird die Familie in Kirche und Gesellschaft, wesentlich bereichert.

Migranten, Flüchtlinge, Verfolgte

23.  Die Auswirkungen des Phänomens der Migration auf die Familie verdient besondere pastorale Aufmerksamkeit. Sie betrifft auf unterschiedliche Weise ganze Völker in verschiedenen Teilen der Welt. Die Kirche spielt in diesem Bereich eine führende Rolle. Es scheint heute mehr denn je dringend geboten, dieses dem Evangelium entsprechende Zeugnis (vgl. Mt 25,35) beizubehalten und weiterzuentwickeln. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Migranten: diese Wahrheit ist in das Leben der Völker und der Familien eingeschrieben. Auch unser Glaube bekräftigt dies: wir alle sind Pilger. Diese Überzeugung muss in uns Verständnis, Offenheit und Verantwortung gegenüber der Herausforderung der Migration hervorrufen, sowohl wenn sie leidvoll erfahren, als auch, wenn sie als Chance für ein besseres Leben gesehen wird. Menschliche Mobilität, die der natürlichen historischen Bewegung der Völker entspricht, kann sich sowohl für die Familie, die emigriert, als auch für das Land, das sie aufnimmt, als echter Reichtum erweisen. Etwas anderes ist die erzwungene Migration von Familien als Folge von Krieg, Verfolgung, Armut und Ungerechtigkeit. Sie ist gezeichnet von den Wechselfällen einer Reise, die oft das Leben in Gefahr bringt, die Menschen traumatisiert und die Familien destabilisiert. Die Begleitung der Migranten erfordert eine spezifische Pastoral, die sich an die Migrantenfamilien richtet, aber auch an die Mitglieder der Kernfamilien, die in den Ursprungsländern geblieben sind. Dies hat mit Respekt vor ihren Kulturen, vor der religiösen und menschlichen Bildung, aus der sie stammen, vor dem spirituellen Reichtum ihrer Riten und Traditionen zu erfolgen  auch durch eine besondere pastorale Fürsorge. Es ist „wichtig, die Migranten nicht nur von ihrem legalen oder illegalen Status her zu betrachten, sondern vor allem als Personen, die, wenn sie in ihrer Würde geschützt werden, zum Wohlstand und zum Fortschritt aller beitragen können, besonders wenn sie auf verantwortliche Weise Pflichten übernehmen gegenüber jenen, die sie aufnehmen, und das materielle und geistige Erbe des Aufnahmelandes anerkennend respektieren, indem sie seine Gesetze befolgen und seine Lasten mittragen helfen“  (Papst Franziskus, Botschaft zum Welttag des Migranten und Flüchtlings 2016, 12. September 2015). Für die Familien und den Einzelnen erzeigt sich die Migration dann besonders dramatisch und verheerend, wenn sie jenseits der Legalität stattfindet und von internationalen Menschenhändlerringen durchgeführt wird. Dasselbe gilt auch, wenn sie Frauen oder unbegleitete Minderjährige betrifft oder wenn sie zu längeren Aufenthalten an Durchgangs- oder Flüchtlingslagern zwingt, wo es nicht möglich ist, einen Integrationsprozess einzuleiten. Extreme Armut und andere Situationen des Zerfalls führen die Familien manchmal sogar dazu, ihre eigenen Kinder in die Prostitution oder zum Zweck des Organhandels zu verkaufen.

24.   Die Begegnung mit einem neuen Land und einer neuen Kultur wird dann wesentlich schwieriger, wenn die Bedingungen für eine echte Aufnahme und Akzeptanz, getragen vom Respekt vor den Rechten aller und dem Bemühen um ein friedliches und solidarisches Zusammenleben, nicht gegeben sind. Diese Aufgabe stellt eine direkte Herausforderung für die christliche Gemeinschaft dar: „Die Pflicht, den Flüchtlingen Gastfreundschaft, Solidarität und Hilfe entgegenzubringen, liegt in erster Linie bei der Ortskirche. Sie ist aufgerufen, die Forderungen des Evangeliums zu verwirklichen und den Betroffenen in der Zeit ihrer Not und Einsamkeit ohne jeden Unterschied die Hand zu reichen“  (Päpstlicher Rat Cor Unum und Päpstlicher Rat für die Seelsorge der Migranten und Menschen unterwegs, „Flüchtlinge - eine Herausforderung zur Solidarität“, 26). Das Gefühl der Fremdheit, des Heimwehs nach den verlorenen Wurzeln und die Schwierigkeiten der Integration sind heute vielfach noch nicht überwunden. Dies bringt, auch in der zweiten und dritten Generation der Migrantenfamilien, neue Leiden hervor, und nährt die Phänomene des Fundamentalismus und der heftigen Ablehnung von Seiten der aufnehmenden Kultur. Die Begegnung zwischen Familien stellt eine wertvolle Quelle zur Überwindung dieser Schwierigkeiten dar. Eine Schlüsselrolle in den Integrationsprozessen kommt dabei den Frauen zu, welche die Erfahrung des Heranwachsens der eigenen Kinder teilen können. So geben sie trotz ihrer unsicheren Situation Zeugnis einer Kultur familiärer Liebe, das die anderen Familien ermutigt, das Leben anzunehmen und zu behüten, indem sie Solidarität üben. Die Frauen können den neuen Generationen den lebendigen Glauben an Christus weitergeben, der sie in der schwierigen Erfahrung der Migration gestützt hat und der dadurch gestärkt worden ist. Die Verfolgung der Christen sowie die Verfolgung ethnischer und religiöser Minderheiten in verschiedenen Teilen der Welt, vor allem im Nahen Osten, stellen eine große Prüfung dar: nicht nur für die Kirche, sondern auch für die ganze internationale Gemeinschaft. Jedes Bemühen, den Verbleib von christlichen Familien und Gemeinden in ihren Herkunftsländern zu fördern, muss unterstützt werden. Benedikt XVI. hat erklärt: „Ein Naher Osten ohne oder mit wenig Christen ist nicht mehr der Nahe Osten, denn die Christen haben mit den anderen Gläubigen Anteil an der so besonderen Identität der Region“  (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Medio Oriente, 3).

Einige besondere Herausforderungen

25.  In einigen Gesellschaften besteht weiterhin die Praxis der Polygamie; in anderen Kontexten hält sich die Praxis der arrangierten Ehen. In den Ländern, in denen die Präsenz der katholischen Kirche eine Minderheit darstellt, gibt es viele konfessions- und religionsverschiedene Ehen, mit all den Schwierigkeiten, welche diese hinsichtlich ihrer juristischen Form, der Taufe und Erziehung der Kinder sowie bezüglich des gegenseitigen Respekts im Hinblick auf die Verschiedenheit des Glaubens mit sich bringen. In diesen Ehen kann die Gefahr des Relativismus oder der Gleichgültigkeit gegeben sein, aber sie können, in einem harmonischen Miteinander von Gemeinschaften, die am gleichen Ort leben, auch eine Gelegenheit darstellen, den ökumenischen Geist und den interreligiösen Dialog zu fördern. In vielen Bereichen, nicht nur im Westen, verbreitet sich weitgehend die Praxis des Zusammenlebens der Paare vor der Ehe oder auch das Zusammenleben ganz ohne die Absicht, eine institutionalisierte Bindung einzugehen. Dazu kommt oft eine zivile Gesetzgebung, welche Ehe und Familie gefährdet. Auf Grund der Säkularisierung ist in vielen Teilen der Welt die Bezugnahme auf Gott stark zurückgegangen und der Glaube ist kein gesellschaftliches Gemeingut mehr.

Die Kinder

26.   Kinder sind ein Segen Gottes (vgl. Gen 4,1). Sie müssen im Leben der Familie und der Gesellschaft an erster Stelle stehen und auch im pastoralen Handeln der Kirche eine Vorrangstellung erhalten. „Tatsächlich lässt sich die Gesellschaft danach beurteilen, wie die Kinder behandelt werden, aber nicht nur moralisch, sondern auch soziologisch, ob es eine freie Gesellschaft ist oder eine Gesellschaft, die der Knechtschaft internationaler Interessen unterworfen ist […] Die Kinder […] erinnern uns daran, dass wir immer Söhne und Töchter sind. […] Und das bringt uns immer zu der Tatsache zurück, dass wir uns das Leben nicht selbst geschenkt, sondern es empfangen haben“  (Papst Franziskus, Generalaudienz, 18. März 2015). Dennoch werden Kinder häufig zum Streitobjekt zwischen ihren Eltern und auf diese Weise die wahren Opfer familiärer Zerwürfnisse. Die Rechte der Kinder werden auf vielerlei Weise vernachlässigt. In einigen Gegenden der Erde werden sie als regelrechte Handelsware betrachtet, als billige Arbeitskräfte eingesetzt, zur Kriegführung ausgenutzt, Gegenstand jeder Art von physischer und psychischer Gewalt. Migrantenkinder werden oftmals verschiedenen Formen von Leiden ausgesetzt. Die sexuelle Ausbeutung der Kindheit stellt eine der skandalösesten und perversesten Wirklichkeiten der heutigen Gesellschaft dar. In Gesellschaften, die von kriegsbedingter Gewalt, Terrorismus oder organisierter Kriminalität durchzogen werden, ist eine Zunahme zerrütteter Familienverhältnisse festzustellen. In den großen Metropolen und ihren Randgebieten spitzt sich das Phänomen der sogenannten Straßenkinder auf dramatische Weise zu.

Die Frau

27.   Die Frau spielt im Leben des Menschen, der Familie und der Gesellschaft eine entscheidende Rolle. „Jeder Mensch verdankt sein Leben einer Mutter, und fast immer verdankt er ihr viel in seinem nachfolgenden Leben, vieles seiner menschlichen und geistlichen Bildung“  (Papst Franziskus, Generalaudienz, 7. Januar, 2015). Die Mutter bewahrt die Erinnerung und den Sinn der Geburt ein ganzes Leben lang: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19). Es bleibt aber auch wahr, dass die Lebensbedingungen der Frau auf der Welt sehr großen Unterschieden unterworfen sind, welche ihren Grund vorwiegend in soziokulturellen Faktoren haben. Die Würde der Frau muss verteidigt und gefördert werden. Es geht nicht nur um ein Problem wirtschaftlicher Ressourcen, sondern um verschiedene kulturelle Blickwinkel, wie die schwierige Lage der Frauen in verschiedenen, sich in der Entwicklung befindenden Ländern zeigt. Vielfach führt auch heute noch das Frau-Sein zu Diskriminierung: selbst das Geschenk der Mutterschaft führt oft eher zu Nachteilen, als dass es wertgeschätzt wird. Andererseits ist die Unfruchtbarkeit der Frau in einigen Kulturen ein Zustand, der zu sozialer Diskriminierung führt. Auch die zunehmenden Formen der Gewalt gegen Frauen innerhalb der Familien dürfen nicht vergessen werden. Zur Ausbeutung der Frauen und zur gegen ihren Körper ausgeübten Gewalt kommen häufig Abtreibungen und Zwangssterilisierungen hinzu. Darüber hinaus sind die negativen Konsequenzen verschiedener mit der Zeugung verbundener Praktiken, wie die Leihmutterschaft oder der Handel mit Embryonen und Keimzellen, zu erwähnen. Die Emanzipation der Frau erfordert ein erneutes Nachdenken über die Aufgaben der Eheleute in ihrer gegenseitigen Ergänzung und in ihrer gemeinsamen Verantwortung im Hinblick auf das Familienleben. Der Wunsch nach einem Kind „um jeden Preis“ hat nicht zu glücklicheren und stabileren familiären Beziehungen geführt, sondern in vielen Fällen die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern tatsächlich verschärft. Eine größere Wertschätzung ihrer Verantwortung in der Kirche könnte zur Anerkennung der maßgeblichen Rolle der Frau beitragen: ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen, ihre Teilnahme an der Leitung einiger Institutionen, ihre Einbeziehung in die Ausbildung der Priester.

Der Mann

28.  Der Mann spielt im Leben der Familie eine gleichermaßen entscheidende Rolle, besonders im Hinblick auf den Schutz und die Unterstützung der Ehefrau und der Kinder. Vorbild dieser Rolle ist der heilige Josef, der Gerechte, der nachts, in der Stunde der Gefahr aufstand, mit dem Kind und seiner Mutter floh und sie in Sicherheit brachte (vgl. Mt 2,14). Viele Männer sind sich der Bedeutung ihrer Rolle in der Familie bewusst und füllen sie mit ihrer männlichen Wesensart aus. Durch die Abwesenheit des Vaters werden das Leben der Familie, die Erziehung der Kinder und ihre Eingliederung in die Gesellschaft stark beeinträchtigt. Es kann sich um physische, emotionale, geistige und geistliche Abwesenheit handeln. Dieser Mangel bringt die Kinder um ein adäquates Vorbild väterlichen Verhaltens. Die zunehmende Berufstätigkeit der Frau außer Haus hat keinen angemessenen Ausgleich durch eine stärkere Einbindung des Mannes im häuslichen Bereich gefunden. In der heutigen Welt hat sich das Bewusstsein des Mannes für die Aufgabe, die Ehefrau und die Kinder vor jeder Form von Gewalt und Entwürdigung zu schützen, abgeschwächt. „Der Ehemann – sagt Paulus – muss seine Ehefrau lieben wie seinen eigenen Leib (vgl. Eph 5,28); er muss sie lieben wie Christus, die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat‘ (V. 25). Ihr Ehemänner, […] versteht ihr das? Eure Ehefrau lieben wie Christus die Kirche liebt? […] Die Auswirkung dieses Radikalismus der vom Mann um der Liebe und der Würde der Frau willen verlangten Hingabe nach dem Beispiel Christi muss in der christlichen Gemeinde selbst ungeheuer groß gewesen sein. Dieser Same der Neuheit des Evangeliums, der die ursprüngliche Wechselseitigkeit der Hingabe und der Achtung wiederherstellt, ist in der Geschichte langsam herangereift, hat sich aber am Ende durchgesetzt“ (Papst Franziskus, Generalaudienz, 6. Mai 2015).

Die jungen Menschen

29.   Viele junge Menschen sehen die Ehe auch weiterhin als ihren großen Lebenswunsch an und betrachten den Plan einer eigenen Familie als Verwirklichung ihrer Sehnsucht. Praktisch nehmen sie jedoch der Ehe gegenüber verschiedene Haltungen ein. Häufig werden sie durch Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art, durch Probleme, die das Arbeitsleben betreffen, oder durch das Studium veranlasst, die Hochzeit zu verschieben. Manchmal geschieht dies auch aufgrund anderer Motive: aufgrund des Einflusses von Ideologien, die Ehe und Familie abwerten; der Erfahrung des Scheiterns anderer Ehepaare, das sie nicht riskieren wollen; der Furcht vor etwas, das sie als zu groß und zu heilig empfinden; aufgrund der gesellschaftlichen Chancen und den wirtschaftlichen Vorteilen, die sich aus dem bloßen Zusammenleben ergeben, oder aufgrund einer rein emotionalen und romantischen Vorstellung von der Liebe; der Angst, ihre Freiheit und ihre Selbständigkeit zu verlieren; der Ablehnung von etwas, das als institutionell und bürokratisch wahrgenommen wird. Die Kirche blickt mit Sorge auf das Misstrauen vieler junger Menschen gegenüber der Ehe. Sie leidet darunter, dass viele Gläubige sich vorschnell entscheiden, ihrer ehelichen Verpflichtung ein Ende zu setzen und eine andere Verbindung einzugehen. Die jungen Getauften sollen ermutigt werden, nicht zu zaudern angesichts des Reichtums, den das Ehesakrament ihrer Liebe schenkt, denn es stärkt sie mit dem Beistand der Gnade Christi und gibt ihnen die Möglichkeit, ganz am Leben der Kirche teilzunehmen. Es ist daher erforderlich, die tieferen Beweggründe des Verzichts und der Entmutigung aufmerksamer zu betrachten. Die jungen Menschen können mit Hilfe jener Familien größeres Vertrauen im Hinblick auf die Entscheidung für die Ehe gewinnen, die ihnen in der christlichen Gemeinschaft das vertrauenswürdige Beispiel eines dauerhaften Zeugnisses geben.

 

IV.   Kapitel
Familie, Affektivität und Leben

 

Die Bedeutung des Gefühlslebens

30.   „Wer Liebe schenken will, muss selbst mit ihr beschenkt werden. Gewiss, der Mensch kann — wie der Herr uns sagt — zur Quelle werden, von der Ströme lebendigen Wassers kommen (vgl. Joh 7, 37-38). Aber damit er eine solche Quelle wird, muss er selbst immer wieder aus der ersten, der ursprünglichen Quelle trinken — die Jesus Christus ist, aus dessen geöffnetem Herzen die Liebe Gottes selber entströmt (vgl. Joh 19, 34)“ (DCE, 7). Das Bedürfnis, sich um sich selbst zu kümmern, sich innerlich zu erforschen, besser im Einklang mit den eigenen Emotionen und Gefühlen zu leben, qualitätsvolle affektive Beziehungen zu suchen, muss sich dem Geschenk der Liebe anderer öffnen sowie dem Wunsch, Beziehungen zu schaffen, die, wie jene der Familie, auf Hingabe und Gegenseitigkeit beruhen, die kreativ, verantwortungsvoll und solidarisch sind. Die Herausforderung für die Kirche besteht darin, den Paaren bei der Reifung der emotionalen Dimension und der affektiven Entwicklung zu helfen, durch die Förderung des Dialogs, der Tugend, und des Vertrauens auf die barmherzige Liebe Gottes. Der volle Einsatz der Hingabe, den eine christliche Ehe erfordert, ist ein starkes Mittel gegen die Versuchung eines auf sich selbst bezogenen Daseins des Einzelnen.

Die Bildung zur Selbsthingabe

31.  Der Stil familiärer Beziehungen wirkt sich in grundlegender Weise auf die emotionale Bildung der jungen Generationen aus. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Wandlungen der gegenwärtigen Gesellschaft vollziehen, macht die Begleitung des Menschen in der Bildung des Gefühlslebens im Hinblick auf seine Reifung schwieriger. Diese Begleitung erfordert auch ein sachgemäßes pastorales Handeln, das durch tiefe Kenntnis der Schrift und der katholischen Lehre bereichert wird und über angemessene erzieherische Hilfsmittel verfügt. Damit die christliche Sicht wirksam vermittelt werden kann, ist eine entsprechende Kenntnis der Psychologie der Familie hilfreich: diese erzieherische Anstrengung soll schon bei der Katechese im Zusammenhang mit der christlichen Initiation beginnen. Eine solche Bildung wird dafür Sorge tragen, die Tugend der Keuschheit - verstanden als personale Integration der Affekte -, die die Selbsthingabe fördert, als etwas Wertvolles darzustellen.                                              

Zerbrechlichkeit und Unreife

32.  In der gegenwärtigen Welt fehlt es nicht an kulturellen Tendenzen, die darauf abzielen, eine eingrenzte Sexualität durchzusetzen, welche in allen Aspekten, auch den komplexesten, ausgelebt werden soll. Die Frage der Zerbrechlichkeit des Gefühlslebens ist von großer Aktualität: eine narzisstische, instabile und veränderliche Affektivität hilft dem Einzelnen nicht, eine größere Reife zu erlangen. Entschlossen anzuklagen sind: die weite Verbreitung der Pornographie und der Vermarktung des Körpers, die auch durch den ungeordneten Gebrauch des Internets begünstigt wird; der Zwang zur Prostitution und ihre Ausbeutung. In diesem Gesamtkontext sind Paare manchmal unsicher, zögernd, und haben Mühe, Möglichkeiten zu finden, wie sie wachsen können. Viele neigen dazu, in frühen Stadien ihres Gefühls- und Sexuallebens stecken zu bleiben. Die Krise der Paarbeziehung destabilisiert die Familie und kann durch Trennungen und Scheidungen schwere Folgen für Erwachsene, Kinder und die ganze Gesellschaft mit sich bringen, da sie den Einzelnen und die sozialen Bindungen schwächt. Der durch eine geburtenfeindliche Mentalität und eine weltweite Politik der so genannten „reproduktiven Gesundheit“ hervorgerufene demographische Rückgang bedroht das Band zwischen den Generationen. Daraus ergeben sich auch eine wirtschaftliche Verarmung und ein allgemeiner Verlust von Vertrauen.

Technik und menschliche Zeugung

33.  Die biotechnologische Revolution im Bereich der menschlichen Zeugung hat die technische Möglichkeit geschaffen, den Akt der Zeugung zu manipulieren und ihn von der sexuellen Beziehung zwischen Mann und Frau unabhängig zu machen. Das menschliche Leben und die Elternschaft sind auf diese Weise zu etwas geworden, das zusammengefügt oder getrennt werden kann. Sie unterliegen nun vor allen Dingen den Wünschen des Einzelnen oder des nicht notwendigerweise heterosexuellen und verheirateten Paares. Dieses Phänomen ist in der letzten Zeit als eine absolute Neuheit auf der Bühne der Menschheit aufgetaucht und gewinnt immer weitere Verbreitung. All das hat tiefe Auswirkungen auf die Dynamik der Beziehungen, die Struktur des sozialen Lebens und die Rechtsordnungen, die versuchen, verschiedene Situationen sowie Verfahren zu regulieren, die bereits angewandt werden. In diesem Zusammenhang spürt die Kirche die Notwendigkeit, ein Wort der Wahrheit und der Hoffnung zu sagen. Es gilt, von der Überzeugung auszugehen, dass der Mensch von Gott kommt und ständig in seiner Gegenwart lebt: „Das menschliche Leben ist heilig, weil es von seinem Beginn an „der Schöpfermacht Gottes“ bedarf und für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer bleibt, seinem einzigen Ziel. Nur Gott ist der Herr des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende: Niemand darf sich, unter keinen Umständen, das Recht anmaßen, ein unschuldiges menschliches Wesen direkt zu zerstören“  (Kongregation für die Glaubenslehre, Donum vitae, 5; vgl. Johannes Paul II., Evangelium vitae, 53).

Die Herausforderung für die Seelsorge

34.  Ein Nachdenken, das in der Lage ist, die großen Fragen über die Bedeutung des Menschseins neu zu stellen, kann angesichts der tiefen Erwartungen der Menschheit auf fruchtbaren Boden fallen. Die großen Werte der christlichen Ehe und Familie entsprechen jener Suche, welche auch in einer von Individualismus und Hedonismus geprägten Zeit die menschliche Existenz durchzieht. Man muss die Menschen verständnisvoll und einfühlsam in ihrer konkreten Existenz annehmen und es verstehen, ihnen bei ihrer Suche nach Sinn beizustehen. Der Glaube ermutigt auch jene in ihrer Sehnsucht nach Gott und in ihrem Wunsch, sich ganz als Teil der Kirche zu fühlen, die eine Erfahrung des Scheiterns gemacht haben oder sich in schwierigen Situationen befinden. Die christliche Botschaft birgt in sich immer die Wirklichkeit und Dynamik der Barmherzigkeit und der Wahrheit, die in Christus zur Einheit geführt werden: „Die erste Wahrheit der Kirche ist die Liebe Christi. Die Kirche macht sich zur Dienerin und Mittlerin dieser Liebe, die bis zur Vergebung und zur Selbsthingabe führt. Wo also die Kirche gegenwärtig ist, dort muss auch die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar werden“  (MV, 12). In der Vorbereitung auf das Ehe- und Familienleben wird die Seelsorge die Pluralität der konkreten Situationen berücksichtigen. Wenn es auf der einen Seite gilt, Wege zu fördern, welche die Vorbereitung der Jugendlichen auf die Ehe sicherstellen, kommt es auf der anderen Seite darauf an, diejenigen zu begleiten, die alleine leben oder, ohne eine neue Familie zu gründen, häufig der Ursprungsfamilie verbunden bleiben. Auch die Paare, die keine Kinder bekommen können, müssen von der Kirche eine besondere pastorale Aufmerksamkeit erfahren, die ihnen dabei helfen kann, im Dienst der ganzen Gemeinschaft, den Plan Gottes in ihrer Situation zu entdecken. Alle bedürfen eines verständnisvollen Blicks, wobei zu bedenken ist, dass die Distanz vom kirchlichen Leben nicht immer gewollt ist: oft wird sie durch andere hervorgerufen und manchmal auch erlitten. In der Perspektive des Glaubens gibt es keine Ausgeschlossenen: alle sind von Gott geliebt und liegen der Kirche in ihrem pastoralen Handeln am Herzen.


II.  TEIL
DIE FAMILIE IM PLAN GOTTES

 

35.  Die Unterscheidung der Geister im Hinblick auf die Berufung der Familie in den vielfältigen Situationen, denen wir im ersten Teil begegnet sind, bedarf einer sicheren Orientierung für den Weg und die Begleitung. Dieser Kompass ist das Wort Gottes in der Geschichte, das in Jesus Christus gipfelt, der für jeden Mann und jede Frau, die eine Familie bilden „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist. Wir hören also auf das, was die Kirche im Licht der Heiligen Schrift und der Tradition über die Familie lehrt. Wir sind überzeugt, dass dieses Wort den tiefsten menschlichen Erwartungen von Liebe, Wahrheit und Barmherzigkeit entspricht und auch in gebrochenen und gedemütigten Herzen Fähigkeiten des Schenkens und Annehmens weckt. In diesem Licht glauben wir, dass das Evangelium der Familie mit der Schöpfung des Menschen nach dem Bild Gottes beginnt, der die Liebe ist und der Mann und Frau, ihm ähnlich, zur Liebe beruft (vgl. Gen 1,26-27). Die Berufung des Ehepaares und der Familie zur Gemeinschaft der Liebe und des Lebens bleibt trotz der Grenzen und Sünden des Menschen in allen Stufen des göttlichen Plans bestehen. Diese Berufung ist von Anfang an in Christus, dem Erlöser, begründet (vgl. Eph 1,3-7). Er setzt den ursprünglichen Ehebund wieder ein und vervollkommnet ihn (vgl. Mk 10,6), heilt das Herz des Menschen (vgl. Joh 4,10), verleiht ihm die Fähigkeit, zu lieben, wie Er die Kirche liebt, indem er sich für sie hingibt (vgl. Eph 5,32).

36. Diese Berufung erhält ihre kirchliche und missionarische Form durch das sakramentale Band, das die unauflösliche eheliche Verbindung zwischen den Gatten heiligt. Der Konsensaustausch, durch den die Ehe gestiftet wird, bedeutet für die Brautleute die Verpflichtung zur vollkommenen und endgültigen gegenseitigen Hingabe und Annahme in „einem Fleisch“  (Gen 2,24). Die Gnade des Heiligen Geistes macht aus der Vereinigung der Ehegatten ein lebendiges Zeichen des Bundes Christi mit der Kirche. Ihre Vereinigung wird so im Verlauf ihres ganzen Lebens eine Quelle vielfältiger Gnaden: der Fruchtbarkeit und des Zeugnisses, der Heilung und der Vergebung. Die Ehe verwirklicht sich in der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, und die Familie nimmt an der Evangelisierung teil. Die Ehegatten, die von Jesus zu seinen Jüngern gemacht werden, werden von ihm auf dem Weg nach Emmaus begleitet, erkennen ihn am Brechen des Brots und kehren im Licht seiner Auferstehung nach Jerusalem zurück (vgl. Lk 24,13-43). Die Kirche verkündet der Familie ihren Bund mit Jesus kraft der Menschwerdung, durch die Er zur Heiligen Familie von Nazareth gehört. Der Glaube erkennt in dem unauflöslichen Band der Eheleute einen Widerschein der Liebe der göttlichen Dreifaltigkeit, der sich in der von Jesus verkündeten Einheit von Wahrheit und Barmherzigkeit offenbart. Die Synode macht sich zur Vermittlerin des Zeugnisses der Kirche, die an das Volk Gottes ein klares Wort über die Wahrheit der Familie gemäß dem Evangelium richtet. Kein Hindernis verwehrt es der Familie, von dieser Barmherzigkeit erreicht und von dieser Wahrheit gestützt zu werden.

I. Kapitel
Die Familie in der Heilsgeschichte

Die göttliche Pädagogik

37.   Weil die Schöpfungsordnung von der Orientierung auf Christus hin bestimmt ist, müssen wir die verschiedenen Grade unterscheiden, durch die Gott der Menschheit die Gnade seines Bundes vermittelt, ohne sie voneinander zu trennen. Auf Grund der göttlichen Pädagogik, entsprechend der sich der Schöpfungsplan in aufeinander folgenden Schritten in der Erlösungsordnung erfüllt, muss das Neue des Ehesakraments in Kontinuität mit der auf der Schöpfungsordnung gründenden natürlichen Ehe des Anfangs verstanden werden. In dieser Perspektive ist auch die Art des Heilshandelns Gottes im christlichen Leben zu verstehen. Weil alles durch Christus und auf ihn hin geschaffen wurde (vgl. Kol 1,16), spüren die Christen „mit Freude und Ehrfurcht […] die Saatkörner des Wortes auf, die in ihr verborgen sind. Sie sollen aber auch den tiefgreifenden Wandlungsprozess wahrnehmen, der sich in diesen Völkern vollzieht“ (AG, 11). Die Einfügung des Gläubigen in die Kirche, die durch die Taufe erfolgt, gelangt mit den anderen Sakramenten der christlichen Initiation zur vollen Erfüllung. In jener Hauskirche, die seine Familie ist, tritt er ein in jenen „dynamischen Prozess von Stufe zu Stufe entsprechend der fortschreitenden Hereinnahme der Gaben Gottes“ (FC, 9), durch die beständige Umkehr zur Liebe, die von der Sünde befreit und die Fülle des Lebens schenkt. In den gegenwärtigen sozialen und kulturellen Herausforderungen richtet der Glaube in der Betrachtung und Anbetung seines Antlitzes den Blick auf Jesus Christus. Er hat mit Liebe und Zärtlichkeit auf die Männer und Frauen geblickt, die ihm begegneten und ihre Schritte mit Wahrheit, Geduld und Barmherzigkeit begleitet als er die Erfordernisse des Gottesreiches verkündete. „Jedes Mal, wenn wir zur Quelle der christlichen Erfahrung zurückkehren, dann öffnen sich neue Wege und ungeahnte Möglichkeiten“ (Papst Franziskus, Ansprache bei der Gebetsvigil zur Vorbereitung auf die Bischofssynode über die Familie, 4. Oktober 2014).

Das Bild der Dreifaltigkeit in der Familie

38.  Schrift und Tradition eröffnen uns den Zugang zu einer Kenntnis der Dreifaltigkeit, die sich in familiären Zügen offenbart. Die Familie ist das Abbild Gottes, der „in seinem innersten Geheimnis nicht Einsamkeit, sondern Familie ist, da er die Vaterschaft, die Sohnschaft und das Wesen der Familie, das die Liebe ist, in sich hat“ (Johannes Paul II., Predigt in Puebla di Los Angeles, 28. Januar 1979). Gott ist Gemeinschaft von Personen. Bei der Taufe bezeichnet die Stimme des Vaters Jesus als seinen geliebten Sohn, und in dieser Liebe ist es uns geschenkt, den Heiligen Geist zu erkennen (vgl. Mk 1,10-11). Jesus, der alles in sich versöhnt und den Menschen von der Sünde befreit hat, hat nicht nur die Ehe und die Familie zu ihrer ursprünglichen Form zurückgeführt, sondern auch die Ehe zum sakramentalen Zeichen seiner Liebe für die Kirche erhoben (vgl. Mt 19,1-12; Mk 10, 1-12; Eph 5,21-32). In der menschlichen Familie, die Christus versammelt, wird das „Bild und Gleichnis“ der heiligsten Dreifaltigkeit wiederhergestellt (vgl. Gen 1,26), das Geheimnis, aus dem jede wahre Liebe hervorgeht. Ehe und Familie empfangen von Christus durch die Kirche die Gnade des Heiligen Geistes, um das Evangelium der Liebe Gottes zu bezeugen, bis zur Erfüllung des Bundes am Jüngsten Tag beim Hochzeitsmahl des Lammes (vgl. Offb 19,9; Johannes Paul II, Katechesen über die menschliche Liebe). Der Bund der Liebe und der Treue, aus dem die Heilige Familie von Nazareth lebt, erleuchtet das Prinzip, das jeder Familie Gestalt gibt und sie befähigt, den Wechselfällen des Lebens und der Geschichte besser zu begegnen. Auf dieser Grundlage kann jede Familie auch in ihrer Schwachheit ein Licht im Dunkel der Welt werden. „Hier verstehen wir, wie Familie zu leben ist. Nazareth rufe uns in Erinnerung, was Familie ist, ihre Liebesgemeinschaft, ihre einfache und schlichte Schönheit, ihren heiligen und unverletzlichen Charakter; Nazareth lasse uns erkennen, wie liebevoll und unersetzlich die Erziehung in der Familie ist und lehre uns ihre natürliche Rolle in der Sozialordnung“  (Paul VI., Ansprache in Nazareth, 5. Januar 1964).

Die Familie in der Heiligen Schrift

39.  Mann und Frau setzen mit ihrer fruchtbaren, das Leben weitergebenden Liebe das Schöpfungswerk fort und wirken durch die Aufeinanderfolge der Generationen mit dem Schöpfer an der Heilsgeschichte mit (vgl. Gen 1,28; 2,4; 9,1.7; 10; 17,2.16; 25,11; 28,3; 35,9.11; 47,27; 48,3-4). In ihrer vorbildlichen Gestalt wird die Ehe im Buch Genesis behandelt, auf das Jesus bei seiner Betrachtung der ehelichen Liebe verweist. Der Mann fühlt sich unvollständig, weil er keine „Hilfe“ hat, die ihm „entspricht“ (vgl. Gen 2,18.20), die ihm in einem gleichberechtigten Dialog gegenübersteht. Die Frau hat daher an derselben Wirklichkeit des Mannes Anteil, die durch die Rippe symbolisiert wird, beziehungsweise am selben Fleisch, wie im Liebeslied des Mannes verkündet wird: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Auf diese Weise werden die beiden „ein Fleisch“ (Gen 2,24). Diese Grundlage der ehelichen Erfahrung wird in der Ausdrucksform gegenseitiger Zugehörigkeit hervorgehoben, die sich im Liebesbekenntnis findet, das die Frau im Hohenlied der Liebe spricht. Die dort gebrauchte formelartige Formulierung zeichnet die Bundesformel zwischen Gott und seinem Volk nach (vgl. Lev 26,12): „Der Geliebte ist mein und ich bin sein … Meinem Geliebten gehöre ich und mir gehört der Geliebte“ (Hld 2,16; 6,3). Von Bedeutung ist im Hohelied die ständige Verknüpfung von Sexualität, Eros und Liebe, sowie die Begegnung der Leibhaftigkeit mit der Zärtlichkeit, dem Gefühl, der Leidenschaft, der Spiritualität und der vollkommenen Hingabe. Im Bewusstsein, dass es die Nacht der Abwesenheit geben und das Gespräch unterbrochen werden kann (vgl. Hld 3 und 5), bleibt doch die Gewissheit der Macht der Liebe gegen jedes Hindernis: „Stark wie der Tod ist die Liebe“ (Hld 8,6). Um den Bund der Liebe zwischen Gott und seinem Volk zu preisen, greift die biblische Weissagung nicht nur auf die Hochzeitssymbolik (vgl. Jes 54; Jer 2,2; Ez 16), sondern auf die gesamte familiäre Erfahrung zurück, wie der Prophet Hosea auf besonders eindringliche Weise bezeugt. Seine dramatische Erfahrung hinsichtlich Ehe und Familie (vgl. Hos 1-3) wird Zeichen der Beziehung zwischen dem Herrn und Israel. Die wiederholte Untreue des Volkes löscht die unbesiegbare Liebe Gottes nicht aus, den der Prophet wie einen Vater darstellt, der seinen Sohn führt und „mit den Ketten der Liebe“ an sich zieht (vgl. Hos 11,1-4).

40.  In den Worten des ewigen Lebens, die Jesus seinen Jüngern hinterlassen hat und in denen die Lehre über Ehe und Familie eingeschlossen ist, können wir den Plan Gottes in drei grundlegenden Schritten erkennen. Am Beginn steht die Familie des Anfangs, als der Schöpfergott die ursprüngliche Ehe zwischen Adam und Eva als feste Grundlage der Familie stiftete. Gott hat den Menschen nicht nur als Mann und Frau geschaffen (vgl. Gen 1,27), sondern er hat sie auch gesegnet, damit sie fruchtbar seien und sich vermehren (vgl. Gen 1,28). Deshalb „verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24). Diese Vereinigung, die dann durch die Sünde verletzt wurde, hat in der historischen Gestalt der Ehe innerhalb der Tradition Israels verschiedene Veränderungen erfahren: zwischen Monogamie und Polygamie, zwischen Stabilität und Ehescheidung, zwischen gegenseitiger Ergänzung und Unterordnung der Frau unter den Mann. Das Zugeständnis des Mose im Hinblick auf die Möglichkeit der Verstoßung (vgl. Dtn 24,1 ff.), die zur Zeit Jesu noch bestand, ist in diesem Zusammenhang zu verstehen. Die Versöhnung der gefallenen Welt setzt mit der Ankunft des Erlösers schließlich nicht nur den ursprünglichen göttlichen Plan wieder ein, sondern führt die Geschichte des Volkes Gottes zu einer neuen Erfüllung. Die Unauflöslichkeit der Ehe (vgl. Mk 10,2-9) ist nicht zunächst als Joch zu empfinden, das dem Menschen auferlegt wird, sondern vielmehr als ein Geschenk an die Menschen, die in der Ehe vereint sind.

Jesus und die Familie

41.   Das Vorbild Jesu ist beispielhaft für die Kirche. Der Sohn Gottes ist in einer Familie auf die Welt gekommen. Während der dreißig Jahre, in denen er in Nazareth – der gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Peripherie des Römischen Reichs (vgl. Joh 1,46) – ein verborgenes Leben geführt hat, hat Jesus am Beispiel von Maria und Josef die in der Liebe gelebte Treue gesehen. Er hat sein öffentliches Wirken mit dem Zeichen von Kana begonnen, das er bei einer Hochzeitsfeier gewirkt hat (vgl. Joh 2,1-11). Er hat die Botschaft von der Ehe als Vollendung der Offenbarung verkündet, die den ursprünglichen Plan Gottes wieder herstellt (vgl. Mt 19,3). Er hat alltägliche Momente der Freundschaft mit der Familie von Lazarus und seinen beiden Schwestern (vgl. Lk 10,38) und mit der Familie des Petrus (vgl. Mt 8,14) verlebt. Er hat das Weinen der Eltern um ihre Kinder gehört, ihnen das Leben wiedergegeben (vgl. Mk 5,41; Lk 7,14-15) und so die wahre Bedeutung der Barmherzigkeit offenbart, welche die Wiederherstellung des Bundes beinhaltet (vgl. Johannes Paul II., Dives in Misericordia, 4). Das geht deutlich aus den Begegnungen mit der Samaritanerin (vgl. Joh 4,1-30) und der Ehebrecherin (vgl. Joh 8,1-11) hervor, in denen die Wahrnehmung der Sünde angesichts der ungeschuldeten Liebe Jesu erwacht. Die Umkehr „ist eine fortwährende Aufgabe für die ganze Kirche; diese ,umfasst ... in ihrem eigenen Schoß Sünder‘ und ist somit ,zugleich heilig und stets reinigungsbedürftig und geht so immerfort den Weg der Buße und Erneuerung‘. Das Streben nach Umkehr ist nicht nur eine Tat des Menschen. Sie ist die Regung eines ,zerknirschten ... Herzens‘, das durch die Gnade dazu gebracht und bewegt wird, der barmherzigen Liebe Gottes, der uns zuerst geliebt hat, zu entsprechen“  (KKK, 1428). Gott bietet denen seine ungeschuldete Vergebung an, die sich seinem Gnadenwirken öffnen. Dies geschieht durch die Reue, die mit dem Vorsatz verbunden ist, das Leben als Antwort auf seine Barmherzigkeit, durch die er uns mit sich versöhnt, nach dem Willen Gottes auszurichten. Gott legt die Fähigkeit in unsere Herzen, den Weg der Nachahmung Christi gehen zu können. Das Wort und die Haltung Jesu zeigen deutlich, dass das Reich Gottes der Horizont ist, innerhalb dessen sich jede Beziehung bestimmt (vgl. Mt 6,33). „Die Familienbande sind zwar wichtig, aber nicht absolut“ (KKK, 2232). Im Licht des Reiches Gottes hat Jesus die familiären Beziehungen – für diejenigen, die ihm zuhörten, auf erschreckende Weise – relativiert (vgl. Mk 3,33-35; Lk 14,26; Mt 10,34-37; 19,29; 23,9). Diese Revolution der Liebe, die Jesus in die menschliche Familie einführt, stellt einen radikalen Aufruf zu universaler Brüderlichkeit dar. Niemand bleibt von der neuen, im Namen Jesu versammelten Gemeinschaft ausgeschlossen, da alle berufen sind, zur Familie Gottes zu gehören. Jesus zeigt, wie Gottes Entgegenkommen den Weg der Menschen immer mit seiner Gnade begleitet, die verhärteten Herzen mit seiner Barmherzigkeit verwandelt (vgl. Ez 36,26) und sie über das Ostergeheimnis auf ihre Erfüllung hin ausrichtet.

II.  Kapitel
Die Familie im Lehramt der Kirche

 

Die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils

42.   Auf der Grundlage dessen, was sie von Christus empfangen hat, hat die Kirche im Verlauf der Jahrhunderte eine reiche Lehre über Ehe und Familie entwickelt. Eine der höchsten Ausdrucksformen dieses Lehramtes ist vom II. Vatikanischen Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes vorgelegt worden, die ein ganzes Kapitel der Förderung der Würde von Ehe und Familie widmet (vgl. GS, 47-52). Das Konzil definiert Ehe und Familie folgendermaßen: „Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, d.h. durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet. So entsteht durch den personal freien Akt, in dem sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen, eine nach göttlicher Ordnung feste Institution, und zwar auch gegenüber der Gesellschaft“ (GS, 48). Die „wahre Liebe zwischen Mann und Frau“ (GS, 49) umfasst die gegenseitige Hingabe seiner selbst, und schließt nach dem Plan Gottes auch die sexuelle Dimension und die Gefühlswelt ein und integriert sie (vgl. GS, 48-49). Das verdeutlicht, dass die Ehe und die eheliche Liebe, die sie erfüllt, „ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet“ sind (GS, 50) Außerdem wird die Verwurzelung der Brautleute in Christus hervorgehoben: Christus, der Herr, „begegnet … durch das Sakrament der Ehe den christlichen Gatten“  (GS, 48) und bleibt bei ihnen (sacramentum permanens). Er nimmt die menschliche Liebe an, reinigt sie, bringt sie zur Vollendung, und schenkt den Brautleuten mit seinem Geist die Fähigkeit, sie zu leben, indem er ihr ganzes Leben mit Glaube, Hoffnung und Liebe durchdringt. Auf diese Weise werden die Brautleute gleichsam geweiht und bauen durch eine eigene Gnade den Leib Christi auf, indem sie eine Hauskirche bilden (vgl. LG, 11). Daher schaut die Kirche, um ihr eigenes Geheimnis in Fülle zu verstehen, auf die christliche Familie, die es in ursprünglicher Gestalt Weise darstellt.

Paul VI.

43.  Der selige Paul VI. hat auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils die Lehre über Ehe und Familie vertieft. Besonders mit der Enzyklika Humanae Vitae hat er das innere Band zwischen der ehelichen Liebe und der Weitergabe des Lebens ans Licht gehoben: „Deshalb fordert die Liebe von den Ehegatten, dass sie ihre Aufgabe verantwortlicher Elternschaft richtig erkennen. Diese Aufgabe, auf die man heute mit gutem Recht ganz besonderen Wert legt, muss darum richtig verstanden werden. […] Die Aufgabe verantwortungsbewusster Elternschaft verlangt von den Gatten, dass sie in Wahrung der rechten Güter- und Wertordnung ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft anerkennen“ (HV, 10). In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Nuntiandi  hat Paul VI. die Beziehung zwischen Familie und Kirche hervorgehoben: „Beim Apostolat der Laien muss unbedingt auch das evangelisierende Wirken der Familie genannt werden. Sie hat sich in den verschiedenen Abschnitten der Geschichte den schönen Namen einer ,Hauskirche‘ verdient, den das Zweite Vatikanische Konzil erneut bekräftigt hat. Das bedeutet, in jeder christlichen Familie müssten sich die verschiedenen Aspekte der Gesamtkirche wiederfinden. Außerdem muss die Familie wie die Kirche ein Raum sein, wo das Evangelium ins Leben übersetzt wird und wo daher dieses Evangelium aufleuchtet“ (EN, 71).

Johannes Paul II.

44.   Der heilige Johannes Paul II. hat der Familie durch seine Katechesen über die menschliche Liebe und über die Theologie des Leibes eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In ihnen hat er der Kirche einen Reichtum an Reflexionen über die bräutliche Bedeutung des menschlichen Leibes und über die Absicht Gottes im Hinblick auf Ehe und Familie von Beginn der Schöpfung an hinterlassen. Vor allem hat er im Zusammenhang mit der ehelichen Liebe die Art und Weise beschrieben, in der die Eheleute in ihrer gegenseitigen Liebe die Gabe des Geistes Christi empfangen und ihre Berufung zur Heiligkeit leben. In seinem Brief an die Familien (Gratissimam sane) und vor allem mit dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio hat er die Familie als „Weg der Kirche“ bezeichnet, eine Gesamtschau der Berufung des Mannes und der Frau zur Liebe dargeboten, sowie Grundlinien für die Familienpastoral und für die Präsenz der Familie in der Gesellschaft vorgelegt. „In Ehe und Familie bilden sich vielfältige interpersonale Beziehungen heraus - die bräutliche, die väterliche und mütterliche, die kindliche, die geschwisterliche -, durch die jede menschliche Person in die ,Familie der Menschheit‘ und die ,Familie Gottes“, die Kirche, eingeführt wird“  (FC, 15).

Benedikt XVI.

45.  In der Enzyklika Deus Caritas Est hat Papst Benedikt das Thema der Wahrheit der Liebe zwischen Mann und Frau wieder aufgegriffen, das erst im Licht der Liebe des gekreuzigten Christus vollkommen deutlich wird (vgl. DCE, 2). Der Papst unterstreicht: „Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe“  (DCE, 11). Darüber hinaus hebt er in der Enzyklika Caritas in Veritate die Bedeutung der Liebe in der Familie hervor. Sie ist die Grundlage der Gesellschaft, der Ort, wo man die Erfahrung des Gemeinwohls erwirbt.„Daher wird es zu einer sozialen und sogar ökonomischen Notwendigkeit, den jungen Generationen wieder die Schönheit der Familie und der Ehe vor Augen zu stellen sowie die Übereinstimmung dieser Einrichtungen mit den tiefsten Bedürfnissen des Herzens und der Würde des Menschen. In dieser Hinsicht sind die Staaten dazu aufgerufen, politische Maßnahmen zu treffen, die die zentrale Stellung und die Unversehrtheit der auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie, der Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft, dadurch fördern, indem sie sich auch um deren wirtschaftliche und finanzielle Probleme in Achtung vor ihrem auf Beziehung beruhenden Wesen kümmern“  (CiV, 44).

Franziskus

46.  In der Enzyklika Lumen Fidei geht Papst Franziskus den Zusammenhang von Familie und Glauben folgendermaßen an: „Der erste Bereich, in dem der Glaube die Stadt der Menschen erleuchtet, findet sich in der Familie. Vor allem denke ich an die dauerhafte Verbindung von Mann und Frau in der Ehe. […] Eine Liebe zu versprechen, die für immer gilt, ist möglich, wenn man einen Plan entdeckt, der größer ist als die eigenen Pläne“  (LF, 52). In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium ruft der Papst die Zentralität der Familie innerhalb der heutigen kulturellen Herausforderungen in Erinnerung: „Die Familie macht eine tiefe kulturelle Krise durch wie alle Gemeinschaften und sozialen Bindungen. Im Fall der Familie wird die Brüchigkeit der Bindungen besonders ernst, denn es handelt sich um die grundlegende Zelle der Gesellschaft, um den Ort, wo man lernt, in der Verschiedenheit zusammenzuleben und anderen zu gehören, und wo die Eltern den Glauben an die Kinder weitergeben. Die Ehe wird tendenziell als eine bloße Form emotionaler Befriedigung gesehen, die in beliebiger Weise gegründet und entsprechend der Sensibilität eines jeden verändert werden kann. Doch der unverzichtbare Beitrag der Ehe zur Gesellschaft geht über die Ebene des reinen Empfindens und der zufälligen Bedürfnisse des Paares hinaus“ (EG, 66). Papst Franziskus hat außerdem den Themen, welche die Familie betreffen, eine geschlossene Katechesenreihe gewidmet, in der er ihre Mitglieder, ihre Erfahrungen und ihre Lebensphasen eingehender betrachtet.

 

III. Kapitel
Die Familie in der kirchlichen Lehre

Ehe in der Schöpfungsordnung und sakramentale Fülle

47.  Die Erlösungsordnung erleuchtet und vollendet die Schöpfungsordnung. Die Naturehe ist daher im Licht ihrer sakramentalen Vollendung voll zu erfassen; nur, wenn der Blick auf Christus gerichtet bleibt, kann man die Wahrheit der menschlichen Beziehungen in ihrer Tiefe wirklich erkennen. „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. […] Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“  (GS, 22). Es erweist sich als besonders angemessen, die natürlichen Eigenschaften der Ehe, das eheliche Gut (bonum coniugum) christozentrisch zu verstehen. Zu ihm gehört Einheit, Offenheit gegenüber dem Leben, Treue und Unauflöslichkeit der Ehe. Im Licht des Neuen Testaments, nach dem alles in Christus und im Hinblick auf ihn geschaffen wurde (vgl. Kol 1,16), wollte das II. Vatikanische Konzil seine Wertschätzung für die natürliche Ehe und die wertvollen Elemente, die in den anderen Religionen (vgl. LG, 16; NA, 2) und verschiedenen Kulturen ungeachtet ihrer Grenzen und Unzulänglichkeiten (vgl. RM, 55) vorhanden sind, zum Ausdruck bringen. Die Unterscheidung des Vorhandenseins der semina Verbi in den anderen Kulturen (vgl. AG, 11) kann auch auf die Realität von Ehe und Familie angewandt werden. Über die wahre Naturehe hinaus gibt es wertvolle Elemente in den Eheformen anderer religiöser Traditionen. Diese Formen – solange sie auf der dauerhaften und wahrhaftigen Beziehung zwischen Mann und Frau gründen – betrachten wir als auf das Sakrament hin ausgerichtet. Im Blick auf die menschliche Weisheit der Völker erkennt die Kirche auch diese Familien als notwendige und fruchtbare Grundzellen des menschlichen Zusammenlebens an.

Unauflöslichkeit und Fruchtbarkeit des Ehebundes

48.  Die unwiderrufliche Bundestreue Gottes ist das Fundament der Unauflöslichkeit der Ehe. Die umfassende, tiefe Liebe der Eheleute stützt sich nicht nur auf menschliches Vermögen: Gott steht diesem Bund in der Kraft seines Geistes bei. Die Entscheidung, die Gott uns gegenüber getroffen hat, spiegelt sich in gewisser Weise in der Wahl des Ehegatten wieder: wie Gott sein Versprechen auch dann hält, wenn wir scheitern, so gelten auch die eheliche Liebe und Treue „in guten wie in schlechten Zeiten“. Die Ehe ist Geschenk und Verheißung Gottes, der das Gebet derer hört, die seine Hilfe erbitten. Die Herzenshärte des Menschen, seine Grenzen und seine Schwäche angesichts der Versuchung, stellen eine große Herausforderung für das gemeinsame Leben dar. Das Zeugnis von Paaren, welche die Ehe in Treue leben, rückt den Wert dieser unauflöslichen Verbindung ins Licht und erweckt das Verlangen, das Treueversprechen immer wieder zu erneuern. Die Unauflöslichkeit entspricht dem tiefen Verlangen des Menschen nach gegenseitiger und dauerhafter Liebe, das der Herr in das menschliche Herz gelegt hat, und ist ein Geschenk, das Er selbst jedem Ehepaar macht: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,6; vgl. Mk 10,9). Der Mann und die Frau nehmen dieses Geschenk an und pflegen es, auf dass ihre Liebe „für immer“ sein kann. Angesichts der Grundstimmung unserer Zeit und der faktischen Schwierigkeiten, Verpflichtungen für immer aufrecht zu erhalten, ist die Kirche berufen, die Erfordernisse und das Lebensprojekt des Evangeliums der Familie und der christlichen Ehe vorzustellen.  „Als der heilige Paulus vom neuen Leben in Christus spricht, sagt er, dass die Christen – alle – berufen sind, einander zu lieben wie Christus sie geliebt hat – , „einer ordne sich dem andern unter“ (Eph 5,21) – das heißt, d.h. im gegenseitigen Dienen. Und hier führt er die Analogie zwischen dem Paar Mann-Frau und Christus-Kirche ein. Natürlich handelt es sich um eine unvollkommene Analogie, aber wir müssen ihren geistlichen Sinn erfassen, der sehr hoch und revolutionär ist und gleichzeitig einfach, erreichbar für jeden Mann und jede Frau, die sich der Gnade Gottes anvertrauen“  (Papst Franziskus, Generalaudienz, 6. Mai 2015). Abermals eine Verkündigung, die Hoffnung gibt!

Die Güter der Familie

49.  Die Ehe ist „die Gemeinschaft des ganzen Lebens (...), welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist“  (CIC, can. 1055 §1). In der gegenseitigen Annahme versprechen sich die Eheleute vollkommene Hingabe, Treue und Offenheit für das Leben. Im Glauben und mit der Gnade Christi erkennen sie die Gaben, die Gott ihnen schenkt, und verpflichten sich in seinem Namen gegenüber der Kirche. Gott heiligt die Liebe der Eheleute und bestätigt ihre Unauflöslichkeit, indem er ihnen seine Gnade anbietet, die Treue, die gegenseitige Ergänzung und die Offenheit für das Leben zu leben. Wir sagen Gott Dank für die Ehe, weil die christlichen Eheleute durch die Gemeinschaft des Lebens und der Liebe das Glück kennenlernen und erfahren, dass Gott sie – mit Leidenschaft und Zärtlichkeit – persönlich liebt. Der Mann und die Frau sind als Einzelne und als Paar – wie Papst Franziskus in Erinnerung gerufen hat – „Abbild Gottes“.  Ihr Unterschied „dient nicht dem Gegensatz oder der Unterordnung, sondern der Gemeinschaft und der Fortpflanzung, stets als Abbild Gottes, ihm ähnlich“ (Papst Franziskus, Generalaudienz, 15. April 2015). Der Vereinigungszweck der Ehe stellt eine beständige Aufforderung dar, diese Liebe wachsen zu lassen und zu vertiefen. In ihrem Bund der Liebe erfahren die Eheleute die Schönheit der Vaterschaft und der Mutterschaft; sie teilen miteinander Pläne und Mühen, Wünsche und Sorgen; sie lernen, füreinander zu sorgen und einander zu vergeben. In dieser Liebe feiern sie die Momente gemeinsamen Glücks und stützen einander in den schwierigen Abschnitten ihrer Lebensgeschichte.

50.  Die Fruchtbarkeit der Eheleute im umfassenden Sinn ist eine spirituelle Fruchtbarkeit: sie sind lebendige sakramentale Zeichen, Quellen des Lebens für die christliche Gemeinschaft und für die Welt. Der Akt der Weitergabe des Lebens, der die „unlösbare Verknüpfung“ zwischen dem Wert der liebenden Vereinigung und dem der Fortpflanzung zeigt – die der selige Paul VI. hervorgehoben hat (vgl. HV, 12) –, muss im Hinblick auf die Verantwortung der Eltern verstanden werden, sich um die Sorge für die Kinder und deren christliche Erziehung zu bemühen. Sie sind die kostbarste Frucht der ehelichen Liebe. Insofern als das Kind eine Person ist, übersteigt es diejenigen, die es gezeugt haben. „Denn Sohn oder Tochter zu sein bedeutet dem Plan Gottes gemäß, das Gedächtnis und die Hoffnung einer Liebe in sich zu tragen, die sich selbst verwirklicht hat, wenn sie das Leben eines anderen, unverwechselbaren und neuen Menschen entfachen. Und für die Eltern ist jedes Kind es selbst, anders, verschieden“ (Papst Franziskus, Generalaudienz, 11. Februar 2015). Die Schönheit des gegenseitigen und unverdienten Geschenks, die Freude über das Leben, das geboren wird, und die liebevolle Fürsorge aller Mitglieder, von den Kindern bis zu den alten Menschen, sind einige Früchte, die die Antwort auf die Berufung der Familie einzigartig und unersetzlich machen. Die familiären Beziehungen tragen auf entscheidende Weise zum solidarischen und geschwisterlichen Aufbau der menschlichen Gesellschaft bei, die nicht auf das Zusammenleben der Bewohner eines Gebiets oder der Bürger eines Staates verkürzt werden kann.

Wahrheit und Schönheit der Familie

51.  Mit innerer Freude und tiefem Trost blickt die Kirche auf die Familien, die den Lehren des Evangeliums treu sind. Sie dankt ihnen für ihr Zeugnis und ermutigt sie darin. Dank ihnen werden die Schönheit der unauflöslichen Ehe und ihre immerwährende Treue glaubwürdig. In der Familie reift die erste kirchliche Erfahrung der Gemeinschaft unter den Menschen. In ihr spiegelt sich durch die Gnade das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit wieder.  „Hier lernt man Ausdauer und Freude an der Arbeit, geschwisterliche Liebe, großmütiges, ja wiederholtes Verzeihen und vor allem den Dienst Gottes in Gebet und Hingabe des Lebens“  (KKK, 1657). Das Evangelium der Familie nährt auch jene Samen, die noch nicht reif sind, und muss jene Bäume pflegen, die ausgedörrt sind und nicht vernachlässigt werden dürfen (vgl. Lk 13,6-9). Als verlässliche Lehrerin und fürsorgliche Mutter ist sich die Kirche – obwohl sie anerkennt, dass es für die Getauften kein anderes als das sakramentale Eheband gibt und dass jeder Bruch desselben Gottes Willen zuwiderläuft – auch der Schwäche vieler ihrer Kinder bewusst, die sich auf dem Weg des Glaubens schwer tun. „Daher muss man, ohne den Wert des vom Evangelium vorgezeichneten Ideals zu mindern, die möglichen Wachstumsstufen der Menschen, die Tag für Tag aufgebaut werden, mit Barmherzigkeit und Geduld begleiten. […] Ein kleiner Schritt inmitten großer menschlicher Begrenzungen kann Gott wohlgefälliger sein als das äußerlich korrekte Leben dessen, der seine Tage verbringt, ohne auf nennenswerte Schwierigkeiten zu stoßen. Alle müssen von dem Trost und dem Ansporn der heilbringenden Liebe Gottes erreicht werden, der geheimnisvoll in jedem Menschen wirkt, jenseits seiner Mängel und Verfehlungen“ (EG, 44). Diese Wahrheit und Schönheit gilt es zu bewahren. Angesichts schwieriger Umstände und verletzter Familien muss immer ein allgemeines Prinzip in Erinnerung gerufen werden: „Die Hirten mögen beherzigen, dass sie um der Liebe willen zur Wahrheit verpflichtet sind, die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden“ (FC, 84). Der Grad der Verantwortung ist nicht in allen Fällen gleich, und es kann Faktoren geben, die die Entscheidungsfähigkeit begrenzen. Daher sind, während die Lehre klar zum Ausdruck gebracht wird, Urteile zu vermeiden, welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen. Es ist erforderlich, auf die Art und Weise zu achten, in der die Menschen leben und aufgrund ihres Zustands leiden.

 

IV. Kapitel
Unterwegs zur kirchlichen Fülle der Familie

 

Das enge Band zwischen Kirche und Familie

52.  Der Segen und die Verantwortung einer neuen Familie, besiegelt im kirchlichen Sakrament, bringt die Bereitschaft mit sich, innerhalb der christlichen Gemeinschaft den Bund zwischen Mann und Frau zu fördern. Im Zusammenhang mit sozialen Bindungen, der Zeugung der Kinder, des Schutzes der Schwächten und des Gemeinschaftslebens beinhaltet diese Bereitschaft eine Verantwortung, welche das Recht hat, unterstützt, anerkannt und wertgeschätzt zu werden. Kraft des Ehesakramentes wird jede Familie im umfassenden Sinn ein Gut für die Kirche. In dieser Hinsicht wird es für die Kirche heute zum wertvollen Geschenk, die Wechselseitigkeit zwischen Familie und Kirche zu betrachten: die Kirche ist ein Gut für die Familie, die Familie ist ein Gut für die Kirche. Die Bewahrung des vom Herrn empfangenen sakramentalen Geschenks bezieht nicht nur die einzelne Familie, sondern auch die christliche Gemeinschaft auf entsprechende Weise mit ein. Angesichts der wachsenden, teilweise großen Schwierigkeit, die eheliche Einheit zu bewahren, ist eine Unterscheidung erforderlich: die Erfüllung oder die entsprechende Nichterfüllung muss von Seiten der Paare mit Hilfe der Hirten und der Gemeinschaft vertieft betrachtet werden.

Die Gnade der Umkehr und der Erfüllung

53.  Die Kirche bleibt den Paaren nahe, deren Verbindung so schwach geworden ist, dass das Risiko einer Trennung besteht. Für den Fall, dass es zu einem schmerzhaften Ende der Beziehung kommt, fühlt sich die Kirche in der Pflicht, diesen Moment des Leidens in einer Weise zu begleiten, dass zwischen den Ehepartnern wenigstens keine zerstörerischen Gegensätze entstehen. Besondere Aufmerksamkeit muss vor allem den Kindern zugewandt werden, die als erste von der Trennung betroffen sind, damit sie so wenig wie möglich darunter zu leiden haben: „Wenn Vater und Mutter einander wehtun, dann leidet die Seele der Kinder sehr“ (Papst Franziskus, Generalaudienz, 24. Juni, 2015). Der Blick Christi, dessen Licht jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9; GS, 22) leitet die Pastoral der Kirche gegenüber jenen Gläubigen, die einfach so zusammenleben oder nur zivil verheiratet oder geschieden und wieder verheiratet sind. In der Perspektive der göttlichen Pädagogik wendet sich die Kirche liebevoll denen zu, die auf unvollkommene Weise an ihrem Leben teilhaben: sie bittet gemeinsam mit ihnen um die Gnade der Umkehr, ermutigt sie, Gutes zu tun, liebevoll füreinander zu sorgen und sich in den Dienst für die Gemeinschaft, in der sie leben und arbeiten, zu stellen. Es ist wünschenswert, dass in den Diözesen Wege der Unterscheidung und der Einbeziehung dieser Menschen gefördert werden, um bei der Reifung einer bewussten und kohärenten Entscheidung zu helfen und dazu zu ermutigen. Die Paare müssen über die Möglichkeit informiert werden, ein Eheannullierungsverfahren einzuleiten.

54. Wenn eine Verbindung durch ein öffentliches Band offenkundig Stabilität erlangt – und von tiefer Zuneigung, Verantwortung gegenüber den Kindern, von der Fähigkeit, Prüfungen zu bestehen, geprägt ist –, kann dies als Chance gesehen werden, sie zum Ehesakrament zu begleiten, wo dies möglich ist. Anders liegt hingegen der Fall, wenn die Entscheidung für das Zusammenleben nicht im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Ehe, sondern ohne jede Absicht eine institutionelle Bindung einzugehen, getroffen wird. Die Realität der Zivilehe zwischen Mann und Frau, der Ehen gemäß älteren kulturellen Bräuchen und – bei aller gebührenden Unterscheidung – auch der unverheiratet zusammenlebenden Paare ist ein Phänomen, das in vielen Ländern auftritt. Darüber hinaus erfordert die Situation der Gläubigen, die eine neue Verbindung eingegangen sind, spezielle pastorale Aufmerksamkeit: „In diesen Jahrzehnten […] ist das Bewusstsein sehr gewachsen, dass eine brüderliche und aufmerksame Annahme – in der Liebe und in der Wahrheit – jener Getauften, die nach dem Scheitern der sakramentalen Ehe eine neue Lebensgemeinschaft begonnen haben, notwendig ist. Denn diese Gläubigen sind keineswegs exkommuniziert“ (Papst Franziskus, Generalaudienz, 5. August 2015).

Die Barmherzigkeit im Herzen der Offenbarung

55.  Die Kirche geht von der konkreten Situation der Familien heute aus, die, angefangen von denen, die am meisten leiden, alle der Barmherzigkeit bedürfen. Mit dem barmherzigen Herzen Jesu muss die Kirche ihre schwächsten Kinder, die unter verletzter und verlorener Liebe leiden, begleiten und ihnen Vertrauen und Hoffnung geben, wie das Licht eines Leuchtturms im Hafen oder einer Fackel, die unter die Menschen gebracht wird, um jenen zu leuchten, die die Richtung verloren haben oder sich in einem Sturm befinden. Die Barmherzigkeit ist „die Mitte der Offenbarung Jesu Christi“ (MV, 25). In ihr leuchtet die Souveränität Gottes auf, durch die er immer neu seinem Sein, das Liebe ist, (1 Joh 4,8) und seinem Bund treu bleibt. „Barmherzigkeit walten zu lassen, ist ein Wesensmerkmal Gottes. Gerade darin zeigt sich seine Allmacht“ (Thomas von Aquin, Summa Theologiae, II-II, q. 30, a. 4.; vgl. Tagesgebet vom 26. Sonntag im Jahreskreis). Die Wahrheit mit Liebe zu verkünden ist selbst ein Akt der Barmherzigkeit. In der Bulle Misericordiae Vultus erklärt Papst Franziskus:  „Die Barmherzigkeit steht also nicht im Gegensatz zur Gerechtigkeit. Sie drückt vielmehr die Haltung Gottes gegenüber dem Sünder aus“. Und er fährt fort: „Gott lehnt die Gerechtigkeit nicht ab. Er stellt sie aber in einen größeren Zusammenhang und geht über sie hinaus, so dass man die Liebe erfährt, die die Grundlage der wahren Gerechtigkeit ist“ (MV, 21). Jesus ist das Antlitz der Barmherzigkeit Gottes, des Vaters: „Gott hat die Welt so sehr geliebt […] damit die Welt durch ihn [den Sohn] gerettet wird“ (Joh 3, 16.17)“.

III.  TEIL
DIE SENDUNG DER FAMILIE

56.  Seit Beginn der Geschichte hat Gott seine Kinder überreich mit seiner Liebe bedacht (vgl. LG, 2), so dass sie in Jesus Christus das Leben in Fülle haben konnten (vgl. Joh 10,10). Gott lädt die Familien durch die Sakramente der christlichen Initiation ein, in dieses Leben einzutreten, es zu verkünden und den anderen mitzuteilen (vgl. LG, 41). Wie Papst Franziskus uns eindringlich in Erinnerung ruft, richtet sich die Sendung der Familie immer nach außen, auf den Dienst an unseren Brüdern und Schwestern. Es ist die Sendung der Kirche, und jede Familie ist berufen, auf einzigartige und bevorzugte Weise an ihr teilzuhaben. „Kraft der empfangenen Taufe ist jedes Mitglied des Gottesvolkes ein missionarischer Jünger geworden“ (EG, 120). Auf der ganzen Welt können wir in der Lebenswirklichkeit der Familien viel Glück und Freude, aber auch viel Leid und viele Ängste sehen. Wir wollen diese Lebenswirklichkeit mit den Augen betrachten, mit denen auch Christus sie betrachtet hat, als er inmitten der Menschen seiner Zeit unterwegs war. Unsere Haltung will eine Haltung des demütigen Verständnisses sein. Unser Wunsch ist es, jede einzelne und alle Familien zu begleiten, damit sie den besten Weg entdecken, um die Schwierigkeiten zu überwinden, denen sie begegnen. Das Evangelium ist immer auch Zeichen des Widerspruchs. Die Kirche vergisst nie, dass im Mittelpunkt der Frohen Botschaft, die wir verkünden, das Ostergeheimnis steht. Sie möchte den Familien helfen, das Kreuz zu erkennen und anzunehmen, wenn sie damit konfrontiert werden, damit sie es mit Christus auf dem Weg zur Freude der Auferstehung tragen können. Diese Arbeit macht „eine pastorale und missionarische Neuausrichtung“  erforderlich, die „die Dinge nicht so belassen darf wie sie sind“ (EG, 25). Diese Neuausrichtung berührt zutiefst den Stil und die Sprache. Es ist notwendig, eine Sprache zu verwenden, die eingängig ist. Die Verkündigung muss erfahrbar machen, dass das Evangelium der Familie die Antwort auf die tiefsten Erwartungen des Menschen darstellt: Auf seine Würde und auf die vollkommene Verwirklichung in der gegenseitigen Ergänzung, in der Gemeinschaft und in der Fruchtbarkeit. Es geht nicht allein darum, Normen vorzulegen, sondern die Gnade zu verkünden, welche die Fähigkeit schenkt, die Werte der Familie zu leben. Die Vermittlung des Glaubens erfordert heute mehr denn je eine Sprache, die in der Lage ist, alle, besonders die Jugendlichen, zu erreichen, um die Schönheit der familiären Liebe mitzuteilen und die Bedeutung von Worten wie Hingabe, eheliche Liebe, Treue, Fruchtbarkeit und Zeugung verstehen zu lassen. Die Notwendigkeit einer neuen und angemesseneren Sprache zeigt sich vor allem, wenn Kinder und Jugendliche in das Thema der Sexualität eingeführt werden sollen. Vielen Eltern und vielen Menschen, die in der Seelsorge beschäftigt sind, fällt es schwer, eine angemessene und gleichzeitig respektvolle Sprache zu finden, welche die Natur der biologischen Sexualität mit der sich gegenseitig bereichernden Komplementarität, mit Freundschaft, Liebe und Hingabe des Mannes und der Frau verknüpft.

I. Kapitel
Die Bildung der Familie

Die Ehevorbereitung

57.  Die christliche Ehe kann nicht auf eine kulturelle Tradition oder auf eine einfache rechtliche Übereinkunft verkürzt werden: sie ist eine wirkliche Berufung Gottes, die aufmerksame Unterscheidung, beständiges Gebet und angemessene Reifung erfordert. Daher sind Ausbildungswege erforderlich, welche die Einzelnen und das Paar so begleiten, dass sich die Vermittlung der Glaubensinhalte mit jener Lebenserfahrung verbindet, welche die gesamte Gemeinschaft der Kirche anbietet. Für die Wirksamkeit dieser Hilfe ist es erforderlich, dass die voreheliche Katechese – manches Mal arm an Inhalten – verbessert wird; sie ist integraler Bestandteil der ordentlichen Seelsorge. Auch die Pastoral für die Brautleute muss sich in die umfassendere Verpflichtung der christlichen Gemeinschaft einfügen, in entsprechender und überzeugender Weise die Botschaft des Evangeliums hinsichtlich der Würde der Person, ihrer Freiheit und des Respekts vor ihren Rechten aufzuzeigen. Die drei von Familiaris Consortio (vgl. 66) erwähnten Vorbereitungsschritte sind genau zu beachten: die entferntere Vorbereitung, die über die Vermittlung des Glaubens und der christlichen Werte innerhalb der eigenen Familie erfolgt; die nähere Vorbereitung, die dem Weg der Katechesen und der anderen bildenden Erfahrungen entspricht, die innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft gelebt werden; die unmittelbare Vorbereitung auf die Ehe, Teil eines umfassenderen Weges, der sich durch die Dimension der Berufung auszeichnet.

58.  Im Rahmen der gegenwärtigen kulturellen Umwälzungen werden häufig Modelle vorgeschlagen, die im Gegensatz zur christlichen Sicht der Familie stehen. Die Sexualität ist häufig von einem Projekt authentischer Liebe getrennt. In einigen Ländern werden sogar von der staatlichen Autorität Erziehungsmaßnahmen vorgeschrieben, die Inhalte vermitteln, welche im Gegensatz zur menschlichen und christlichen Sicht stehen: diesbezüglich muss mit Entschiedenheit auf der Freiheit der Kirche bestanden werden, ihre eigene Lehre zu vermitteln, sowie auf dem Recht der Erzieher, aus Gewissensgründen Einspruch einzulegen. Zudem kann die Familie, auch wenn sie das bevorzugte pädagogische Umfeld bleibt, nicht der einzige Ort der Sexualerziehung sein (vgl. Gravissimum Educationis, 3). Daher geht es darum, echte seelsorgliche Vorgehensweisen zur Unterstützung der Familie zu entwickeln, die sich sowohl an Einzelne als auch an Paare richten. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf das Pubertäts- und Jugendalter zu richten, in dem es darum geht, zu helfen, die Schönheit der Sexualität in der Liebe zu entdecken. Das Christentum verkündet, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen und sie gesegnet hat, auf dass sie ein Fleisch werden und das Leben weitergeben (vgl. Gen 1,27-28; 2,24). Ihre Unterschiedenheit, bei gleicher persönlicher Würde, ist das Siegel der guten Schöpfung Gottes. Nach christlichem Prinzip können sowohl Leib und Seele als auch das biologisches Geschlecht (sex) und die soziokulturelle Rolle des Geschlechts (gender) unterschieden aber nicht getrennt werden.

Es ist also notwendig, in den Angeboten der Ehevorbereitung die Themenstellungen auszuweiten, damit diese zu Wegen der Erziehung zum Glauben und zur Liebe werden, die in den Weg der christlichen Initiation integriert sind. In dieser Hinsicht ist es erforderlich, an die Bedeutung der Tugenden zu erinnern, zu denen die Keuschheit als wertvolle Voraussetzung für ein echtes Wachstum der zwischenmenschlichen Liebe gehört. Der Weg der Erziehung sollte den Charakter eines Weges zur Berufungsentscheidung des Einzelnen und des Paares erhalten und Synergien zwischen den verschiedenen Bereichen der Seelsorge schaffen. Die Ehevorbereitungskurse sollen auch durch verheiratete Paare angeboten werden, die in der Lage sind, die Brautleute vor der Hochzeit und in den ersten Ehejahren zu begleiten und auf diese Weise die Bedeutung des Dienstcharakters der Ehe zu unterstreichen. Die seelsorgliche Wertschätzung der persönlichen Beziehungen wird die allmähliche Öffnung des Verstandes und der Herzen für die Fülle des Planes Gottes fördern.

Die Trauungsfeier

59.   Die Eheliturgie ist ein einzigartiges Ereignis, das im familiären und gesellschaftlichen Rahmen eines Festes gefeiert wird. Das erste Wunder Jesu erfolgte beim Hochzeitsmahl zu Kana: der gute Wein des vom Herrn gewirkten Wunders, der das Entstehen einer neuen Familie verschönert, ist der neue Wein des Bundes Christi mit den Männern und Frauen aller Zeiten. Die Vorbereitung auf die Hochzeit nimmt die Aufmerksamkeit der Brautleute über lange Zeit in Anspruch. Sie stellt für sie, für ihre Familien und ihre Freunde einen wertvollen Zeitabschnitt dar, der um die ihm eigene geistliche und kirchliche Dimension bereichert werden muss. Die Hochzeitsfeier ist eine günstige Gelegenheit, viele zur Feier der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie einzuladen. Die christliche Gemeinschaft nimmt durch eine herzliche und freudige Teilnahme die neue Familie in ihrer Mitte auf, damit sie sich, als Hauskirche, als Teil der größeren kirchlichen Familie empfindet. Die Eheliturgie sollte mittels einer mystagogischen Katechese vorbereitet werden, die das Ehepaar wahrnehmen lässt, dass sich die Feier ihres Bundes „im Herrn“ vollzieht. Häufig hat der Zelebrant die Gelegenheit, sich an eine Versammlung zu richten, die aus Menschen besteht, die wenig am kirchlichen Leben teilnehmen oder anderen christlichen Bekenntnissen oder religiösen Gemeinschaften angehören. Es handelt sich um eine kostbare Gelegenheit zur Verkündigung des Evangeliums Christi, welche den anwesenden Familien hilft, den Glauben und die Liebe wieder zu entdecken, die von Gott kommen.

Die ersten Jahre des Familienlebens

60.  Die ersten Jahre der Ehe, in denen die Paare im Bewusstsein ihrer Berufung und ihrer Sendung wachsen, sind ein entscheidender und zugleich schwieriger Zeitabschnitt. Deshalb ist eine pastorale Begleitung erforderlich, die nach der Feier des Sakramentes fortgesetzt wird. Die Pfarrei ist der Ort, an dem erfahrene Paare jüngeren zur Verfügung stehen können, möglicherweise unter Mithilfe von Vereinigungen, kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften. Es gilt, die Brautleute zu einer Grundhaltung des Annehmens von Kindern als großes Geschenk zu ermutigen. Dabei ist die Wichtigkeit der Spiritualität der Familie, des Gebetes und der Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistie zu unterstreichen. Die Paare sollen eingeladen werden, sich regelmäßig zu treffen, um das Wachstum des geistlichen Lebens sowie die Solidarität in den konkreten Herausforderungen des Lebens zu fördern. Die persönliche Begegnung mit Christus durch das Lesen des Wortes Gottes, in Gemeinschaft und zuhause, vor allem in der Form der „lectio divina“, stellt eine Quelle der Inspiration für das tägliche Handeln dar. Die Liturgie, Übungen der Frömmigkeit und die für die Familie geiferte Eucharistie, vor allem am Hochzeitstag, stärken das geistliche Leben und das missionarische Zeugnis der Familie. Nicht selten kommt es in den ersten Ehejahren zu einer gewissen Selbstbezüglichkeit des Paares, die eine Isolierung vom gemeinschaftlichen Kontext mit sich bringt. Die Festigung eines Beziehungsnetzes zwischen den Paaren und die Schaffung echter Bindungen sind für das Reifen des christlichen Lebens der Familie notwendig. Die Bewegungen und kirchlichen Gruppen garantieren häufig solche Möglichkeiten des Wachstums und der Bildung. Die Ortskirche ergreift die Initiative, die Seelsorge der jungen Familien unter Einbeziehung solcher Beiträge zu koordinieren. In der Anfangsphase des Ehelebens kann es besonders entmutigend sein, wenn sich der Wunsch, Kinder zu haben, nicht erfüllt. Nicht selten kündigt sich hier der Grund für eine Krise an, die schnell auf eine Trennung hinausläuft. Auch hier ist die Nähe der Gemeinde – mittels der liebevollen und diskreten Unterstützung vertrauenswürdiger Familien – für die jungen Eheleute besonders wichtig.

Die Ausbildung der Priester und der anderen pastoralen Mitarbeiter

61.  Es bedarf einer Erneuerung der Pastoral im Licht des Evangeliums der Familie und des kirchlichen Lehramts. Daher ist für eine angemessenere Ausbildung von Priestern, Diakonen, Ordensleuten, Katecheten und anderen Mitarbeitern in der Seelsorge zu sorgen, welche vor allem anlässlich der Sakramentenkatechese die Integration der Familie in die Pfarrgemeinde fördern müssen. Vor allem die Seminare müssen die künftigen Priester in der menschlichen, spirituellen, intellektuellen und pastoralen Ausbildung darauf vorbereiten, Apostel der Familie zu sein. In der Ausbildung zum geweihten Dienst kann man die affektive und psychologische Reifung nicht außer Acht lassen. Hierzu ist die Teilnahme an entsprechenden Programmen hilfreich. Ausbildungsprogramme und -kurse, die spezifisch für die Mitarbeiter der Seelsorge bestimmt sind, können sie befähigen, den Weg der Ehevorbereitung in die weitere Dynamik des kirchlichen Lebens einzuordnen. Während der Ausbildung sollten die Priesteramtskandidaten für angemessene Zeiträume mit der eigenen Familie leben und beim Sammeln von Erfahrungen in der Familienpastoral begleitet werden, um entsprechende Kenntnisse im Hinblick auf die gegenwärtige Situation der Familien zu erwerben. Die Anwesenheit von Laien und Familien und vor allem von Frauen in der Priesterausbildung fördert die Wertschätzung der Vielfalt und der Komplementarität der verschiedenen Berufungen in der Kirche. Wenn dieser wertvolle Dienst mit Hingabe geleistet wird, kann ein erneuertes Bündnis zwischen den beiden Hauptformen der Berufung zur Liebe belebt und konkretisiert werden: das Bündnis zwischen der Berufung zur Ehe, die in der christlichen Familie aufblüht und auf selbstgewählter Liebe beruht, und der Berufung zum geweihten Leben, dem Bild der Gemeinschaft des Gottesreiches, das von der bedingungslosen Annahme des anderen als Geschenk Gottes ausgeht. In der Gemeinschaft der Berufungen erfolgt ein fruchtbarer Austausch von Gaben, der die kirchliche Gemeinschaft belebt und bereichert (vgl. Apg 18,2). Die geistliche Begleitung der Familie kann als einer der Dienste in der Gemeinde betrachtet werden. Es wird vorgeschlagen, dass die Diözesanstelle für Familienpastoral und andere pastorale Fachstellen in diesem Bereich verstärkt zusammenarbeiten. Es ist wünschenswert, dass man in der ständigen Weiterbildung des Klerus und der pastoralen Mitarbeiter weiterhin mit entsprechenden Mitteln für die affektive und psychologische Reifung Sorge trägt. Sie ist unerlässlich für die seelsorgliche Begleitung der Familien, auch im Hinblick auf besondere Notsituationen, die sich aus Fällen von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch ergeben.

II.  Kapitel
Familie, Zeugung, Erziehung

Die Weitergabe des Lebens

62.  Die Präsenz kinderreicher Familien in der Kirche ist ein Segen für die christliche Gemeinschaft und für die Gesellschaft, denn die Offenheit für das Leben ist ein der ehelichen Liebe innewohnender Anspruch. In diesem Licht bringt die Kirche jenen Familien gegenüber ihre lebhafte Dankbarkeit zum Ausdruck, die ihre Kinder – besonders die schwächsten und von einer Behinderung gezeichneten – aufnehmen, erziehen, sie mit ihrer Liebe umfangen und ihnen den Glauben vermitteln. Die Kinder, die mit besonderen Bedürfnissen geboren werden, ziehen die Liebe Christi an und verlangen von der Kirche, sie als einen Segen zu hüten. Leider ist eine Mentalität verbreitet, welche die Weitergabe des Lebens allein auf die Befriedigung des Einzelnen oder des Paares verkürzt. Die wirtschaftlichen, kulturellen und erzieherischen Faktoren haben manchmal entscheidendes Gewicht und tragen zum starken Geburtenrückgang bei, der das soziale Netzwerk schwächt, die Beziehungen unter den Generationen beeinträchtigt und den Blick auf die Zukunft unsicherer macht. Auch auf diesem Gebiet muss man zunächst den Menschen zuhören und dann die Schönheit und Wahrheit einer vorbehaltlosen Offenheit gegenüber dem Leben als das darstellen und begründen, dessen die menschliche Liebe bedarf, um in ihrer Fülle gelebt werden zu können. In diesem Zusammenhang wird die Notwendigkeit deutlich, jene Dokumente des Lehramtes der Kirche immer weiter bekanntzumachen, die die Kultur des Lebens fördern. Die Familienpastoral sollte die katholischen Spezialisten im Bereich der Biomedizin stärker in die Angebote zur Ehevorbereitung und bei der Begleitung der Ehepaare einbeziehen.

Die Verantwortung im Bereich der Zeugung

63.  Nach der Schöpfungsordnung sind die eheliche Liebe zwischen einem Mann und einer Frau und die Weitergabe des Lebens einander zugeordnet (vgl. Gen 1,27-28). Auf diese Weise hat der Schöpfer Mann und Frau an seinem Schöpfungswerk beteiligt und sie gleichzeitig zu Werkzeugen seiner Liebe gemacht, indem er durch die Weitergabe des menschlichen Lebens die Zukunft der Menschheit ihrer Verantwortung anvertraut hat. Die Eheleute öffnen sich für das Leben, indem sie versuchen, „sich  ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder – der schon geborenen oder zu erwartenden – achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen“  (GS, 50; vgl. VS, 54-64). Dem persönlichen und menschlich umfassenden Charakter der ehelichen Liebe gemäß, ist der richtige Weg für die Familienplanung der des einverständlichen Dialogs zwischen den Eheleuten, der Berücksichtigung der Zeiten und der Beachtung der Würde des Ehepartners. In diesem Sinn gilt es, die Enzyklika Humanae Vitae (vgl. 10-14) und das Apostolische Schreiben Familiaris Consortio (vgl. 14; 28-35) wiederzuentdecken, um im Gegensatz zu einer Mentalität, die dem Leben oftmals feindlich gegenübersteht, erneut die Bereitschaft zur Weitergabe des Lebens zu wecken. Es ist erforderlich, die jungen Ehepaare wiederholt zu ermutigen, das Leben weiterzugeben. Auf diese Weise kann die Offenheit für das Leben in der Familie, in der Kirche und in der Gesellschaft wachsen. Die Kirche kann durch ihre zahlreichen Einrichtungen für Kinder dazu beitragen, eine Gesellschaft, aber auch eine Glaubensgemeinschaft, zu schaffen, die kindgerechter sind. Der Mut, das Leben weiterzugeben, wird dort auf beträchtliche Weise gestärkt, wo eine den Kindern angemessene Atmosphäre geschaffen wird, in der Hilfe und Begleitung bei der Aufgabe der Erziehung der Nachkommen angeboten wird (Zusammenarbeit zwischen Pfarrgemeinden, Eltern und Familien).

Die verantwortliche Entscheidung für die Elternschaft setzt die Bildung des Gewissens voraus, „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist“ (GS, 16). Je mehr die Eheleute versuchen, in ihrem Gewissen auf Gott und seine Gebote zu hören (vgl. Röm 2,15) und sich geistlich begleiten lassen, desto mehr wird ihre Entscheidung zuinnerst frei von subjektiver Willkür und von der Anpassung an Verhaltensweisen ihres Umfelds sein. Dieser Würde des Gewissens zuliebe lehnt die Kirche mit aller Entschiedenheit Zwangseingriffe des Staates zugunsten von Verhütung, Sterilisation oder gar Abtreibung ab. Zur Anwendung der Methoden, die auf den „natürlichen Zeiten der Fruchtbarkeit“ (HV, 11) beruhen, soll ermutigt werden. Dabei ist zu unterstreichen: „Diese Methoden achten den Leib der Eheleute, ermutigen diese zur Zärtlichkeit und begünstigen die Erziehung zu echter Freiheit“ (KKK, 2370). Es muss immer hervorgehoben werden, dass Kinder ein wunderbares Geschenk Gottes sind, eine Freude für die Eltern und für die Kirche. Durch sie erneuert der Herr die Welt.

Der Wert des Lebens in allen seinen Phasen

64.  Das Leben ist Geschenk Gottes und ein Geheimnis, das uns übersteigt. Daher dürfen weder sein Beginn noch sein Ende auf irgendeine Weise „verworfen“ werden. Im Gegenteil ist es erforderlich, diesen Phasen eine besondere Aufmerksamkeit zu sichern. Es kommt heute allzu leicht vor, dass „der Mensch an sich wie ein Konsumgut betrachtet wird, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann. Wir haben die ,Wegwerfkultur‘ eingeführt, die sogar gefördert wird“  (EG, 53). Diesbezüglich ist es Aufgabe der Familie, die dabei von der ganzen Gesellschaft zu unterstützen ist, das werdende Leben anzunehmen und sich um die letzte Lebensphase zu sorgen. Im Hinblick auf das Drama der Abtreibung bestätigt die Kirche vor allem den heiligen und unverletzlichen Charakter des menschlichen Lebens und sie setzt sich konkret zu seinen Gunsten ein (vgl. EV, 58). Dank ihrer Einrichtungen bietet sie den Schwangeren Beratung, unterstützt die minderjährigen Mütter, steht verlassenen Kindern bei und ist denen nahe, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Denjenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten, wird die moralische Pflicht der Verweigerung aus Gewissensgründen in Erinnerung gerufen. In gleicher Weise fühlt die Kirche nicht nur die Dringlichkeit, das Recht auf einen natürlichen Tod zu bekräftigen, sowie therapeutischen Übereifer und Euthanasie zu vermeiden, sondern sie nimmt sich auch der Alten an, beschützt die Menschen mit Behinderung, steht den unheilbar Kranken bei, tröstet die Sterbenden und lehnt nachdrücklich die Todesstrafe ab (vgl. KKK, 2258).

Adoption und Pflegschaft

65.  Die Adoption verwaister und vernachlässigter Kinder, die wie eigene Kinder angenommen werden, stellt im Geist des Glaubens eine besondere Form des Familienapostolats dar (vgl. AA, 11), worauf das Lehramt mehrfach hingewiesen und wozu es ermutigt hat (vgl. FC, 41; EV, 93). Die Entscheidung zur Adoption oder Pflegschaft bringt eine besondere Fruchtbarkeit der ehelichen Erfahrung zum Ausdruck, über die Fälle hinaus, in denen sie auf schmerzhafte Weise von Unfruchtbarkeit gekennzeichnet ist. Eine solche Entscheidung ist ein eindrucksvolles Zeichen der Annahme des Lebens, Zeugnis des Glaubens und Erfüllung der Liebe. Sie gibt einem zerrissenen Band wechselseitige Würde wieder: den Eheleuten, die keine Kinder haben, und den Kindern, die keine Eltern haben. Es sind daher alle Initiativen zu unterstützen, die darauf ausgerichtet sind, die Adoptionsverfahren zu erleichtern. Der Kinderhandel zwischen Ländern und Kontinenten muss durch gesetzgeberische Maßnahmen und staatliche Kontrollen verhindert werden. Die Beständigkeit der Beziehung zwischen Weitergabe des Lebens und Erziehung gründet genauso wie die Zeugung notwendigerweise auf der geschlechtlichen Differenz von Mann und Frau. Angesichts jener Situationen, in denen ein Kind als Recht auf Selbsterfüllung um jeden Preis beansprucht wird, lassen die recht verstandene Adoption und Pflegschaft einen wichtigen Aspekt der Elternschaft und des Kindseins deutlich werden, insofern sie dabei helfen, anzuerkennen, dass die Kinder, seien sie ehelich, adoptiert oder in Pflegschaft, etwas von der eigenen Person Verschiedenes sind und dass sie angenommen und geliebt werden sollen, dass man sich um sie kümmern muss und sie nicht einfach in die Welt setzt. Das vorrangige Interesse des Kindes muss den Entscheidungen um Adoption und Pflegschaft immer innewohnen. Wie Papst Franziskus in Erinnerung gerufen hat: „Kinder haben ein Recht, in einer Familie aufzuwachsen, mit einem Vater und einer Mutter“ (Ansprache an die Teilnehmer an einem von der Kongregation für die Glaubenslehre veranstalteten internationalen Kolloquium über die Komplementarität von Mann und Frau, 17. November 2014). Nichtsdestoweniger muss die Kirche verkünden, dass die Kinder dort, wo dies möglich ist, das Recht haben, mit der größtmöglichen Unterstützung in ihrer Herkunftsfamilie aufzuwachsen.

Die Erziehung der Kinder

66.  Unter den Herausforderungen, denen sich die Familien heute stellen müssen, ist die erzieherische sicherlich eine der größten. Sie wird durch die aktuelle kulturelle Wirklichkeit und den großen Einfluss der Medien noch anspruchsvoller und komplexer. Dabei gilt es, die Bedürfnisse und Erwartungen von Familien gebührend zu berücksichtigen, die in der Lage sind, im Alltag Orte des Wachstums und der konkreten und grundlegenden Weitergabe des Glaubens, der Spiritualität und jener Tugenden zu sein, die dem Dasein Gestalt verleihen. Die Herkunftsfamilie ist häufig der Schoß der Berufung zum Priestertum und zum geweihten Leben: daher werden die Eltern aufgefordert, den Herrn um das unschätzbare Geschenk der Berufung für eines ihrer Kinder zu bitten. Im Bereich der Erziehung ist das Recht der Eltern auf die freie Wahl der Art der Erziehung zu schützen, die sie, ihrer Überzeugung entsprechend, ihren Kindern zukommen lassen wollen. Dies setzt Qualität und einfache Zugangsbedingungen voraus. Es gilt, Hilfestellung zu geben, damit – auch in der ehelichen Beziehung – die Affektivität als Weg der Reifung , in der immer tieferen Annahme des Anderen und einer immer vollkommeneren Hingabe, gelebt werden kann. In diesem Zusammenhang muss die Notwendigkeit bekräftigt werden, Bildungswege anzubieten, die das eheliche Leben stärken. Daneben braucht es Laien, die durch ihr lebendiges Zeugnis Begleitung anbieten. Eine große Hilfe ist dabei das Beispiel einer treuen und tiefen Liebe, die geprägt ist von Zärtlichkeit und Achtung, die fähig ist, mit der Zeit zu wachsen und die in ihrer konkreten Offenheit gegenüber der Weitergabe des Lebens die Erfahrung eines Geheimnisses machen lässt, das uns übersteigt.

67.   In den verschiedenen Kulturen behalten die Erwachsenen in der Familie eine unersetzliche erzieherische Funktion. Dessen ungeachtet beobachten wir eine kontinuierliche Schwächung der erzieherischen Rolle der Eltern auf Grund einer aufdringlichen Präsenz der Medien innerhalb der Familie und der Tendenz, anderen diese Aufgabe zu übertragen oder vorzubehalten. Andererseits können die Medien (vor allem die sozialen Medien) die Familien auch über weite Entfernungen hinweg in Verbindung halten. Die Nutzung von Email und anderer sozialer Medien kann die Familienmitglieder dauerhaft zusammenhalten. Darüber hinaus können die Medien eine Chance für die Evangelisierung der Jugendlichen bieten. Es ist wünschenswert, dass die Kirche die Familien ermutigt und unterstützt bei ihrer Aufgabe, hinsichtlich der schulischen und erzieherischen Programme, die ihre Kinder betreffen, kritisch und verantwortlich zu sein. Einstimmig wird bekräftigt, dass die Familie die vorrangige Schule der Erziehung ist und die christliche Gemeinschaft sie in dieser unersetzlichen bildenden Rolle unterstützt und ergänzt. Es wird als erforderlich erachtet, Räume und Zeiten der Begegnung zu finden, um die Bildung der Eltern und den Erfahrungsaustausch unter Familien zu erleichtern. Es ist wichtig, dass die Eltern als erstrangige Erzieher und Zeugen des Glaubens für ihre Kinder in die Angebote zur Vorbereitung der Sakramente der christlichen Initiation aktiv einbezogen werden.

68.  Die katholischen Schulen üben eine wichtige Funktion aus, wenn es darum geht, die Eltern bei der Aufgabe der Kindererziehung zu unterstützen. Die katholische Erziehung fördert die Rolle der Familie: sie gewährleistet eine gute Ausbildung, erzieht zu Tugenden und Werten, unterweist in den Lehren der Kirche. Die katholischen Schulen sollten in ihrer Sendung ermutigt werden, den Schülern zu helfen, zu reifen Erwachsenen heranzuwachsen, die die Welt durch den Blick der Liebe Jesu sehen können und das Leben als eine Berufung verstehen, Gott zu dienen. Die katholischen Schulen erweisen sich daher für die missionarische Sendung der Kirche als wichtig. In vielen Gegenden sind die katholischen Schulen die einzigen, die den Kindern aus armen Familien – vor allem den jungen - eine echte Chance garantieren, indem sie ihnen eine Alternative zur Armut und einen Weg anbieten, einen wirklichen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben zu leisten. Die katholischen Schulen sollten ermutigt werden, ihr Wirken in den ärmsten Gemeinschaften fortzusetzen und den weniger begünstigten und verletzlichsten Mitgliedern unserer Gesellschaft zu dienen.

 

III. Kapitel
Familie und pastorale Begleitung

Schwierige Situationen

69.  Als treue und unauflösliche Einheit zwischen einem Mann und einer Frau, die berufen sind, sich gegenseitig und das Leben anzunehmen, ist das Sakrament der Ehe eine große Gnade für die Menschheitsfamilie. Die Kirche hat die Freude und die Pflicht, diese Gnade jedem Menschen und in jedem Kontext zu verkünden. Sie verspürt heute noch dringender die Verantwortung, die Getauften wieder entdecken zu lassen, wie die Gnade Gottes in ihrem Leben – auch in den schwierigsten Situationen – wirkt, um sie zur Fülle des Sakraments zu führen. Während die Synode gegenüber jenen Familien, welche die Schönheit der christlichen Ehe ehren, Wertschätzung und Ermutigung zum Ausdruck bringt, will sie die pastorale Unterscheidung der Situationen fördern, in denen die Annahme dieses Geschenks nur wenig gewürdigt wird oder auf verschiedene Weise gefährdet ist. Es ist eine ernste Verantwortung, das pastorale Gespräch mit diesen Gläubigen aufrechtzuerhalten, um die Reifung einer entsprechenden Öffnung gegenüber dem Evangelium der Ehe und der Familie in seiner Fülle zu ermöglichen. Die Hirten müssen jene Elemente erkennen, die die Evangelisierung und das menschliche und geistliche Wachstum derer fördern können, die vom Herrn ihrer Fürsorge anvertraut sind.

70.   Die Seelsorge möge die Botschaft des Evangeliums klar darlegen und die positiven Elemente in jenen Situationen erfassen, die ihm noch nicht oder nicht mehr entsprechen. In vielen Ländern lebt eine steigende Zahl von Paaren ohne jede kirchliche oder zivile Trauung zusammen. In manchen Ländern gibt es die traditionelle Ehe, die unter Familien vereinbart und oft in verschiedenen Stufen geschlossen wird. In anderen Ländern wächst hingegen die Zahl derer, die nach einem langen Zusammenleben um die Feier der kirchlichen Trauung bitten. Das einfache Zusammenleben wird oft auf Grund der allgemeinen Mentalität gewählt, die sich gegen Institutionen und endgültige Verpflichtungen wendet, aber auch während man auf eine gesicherte Existenz (Arbeit und festes Einkommen) wartet. In anderen Ländern werden schließlich die faktischen Verbindungen immer zahlreicher, nicht nur, weil die Werte der Familie und der Ehe zurückgewiesen werden, sondern auch, weil dort die Heirat aus gesellschaftlichen Gründen als Luxus betrachtet wird, so dass die materielle Not die Menschen zu faktischen Verbindungen drängt. All diese Situationen müssen in konstruktiver Weise angegangen werden, indem versucht wird, sie in Gelegenheiten zu einem Weg der Umkehr hin zur Fülle der Ehe und der Familie im Licht des Evangeliums zu verwandeln.

71.  Die Entscheidung für die Zivilehe, oder, in anderen Fällen, für das einfache Zusammenleben, hat häufig ihren Grund nicht in Vorurteilen oder Widerständen gegen die sakramentale Verbindung, sondern in kulturellen oder faktischen Gegebenheiten. In vielen Fällen ist die Entscheidung für das Zusammenleben Zeichen für eine Beziehung, die sich wirklich auf eine Perspektive der Stabilität hin orientieren will. Dieser Wille, der sich in ein dauerhaftes, verlässliches und für das Leben offenes Band übersetzt, kann als eine Verpflichtung verstanden werden, die in einen Weg zum Ehesakrament veredelt werden kann, das als Plan Gottes mit dem eigenen Leben entdeckt wird. Der Weg des Wachstums, der zur sakramentalen Ehe führen kann, wird durch das Erkennen der Züge ermutigt werden, die einer großherzigen und dauerhaften Liebe eigen sind: dem Wunsch, das Wohl des anderen vor das eigene zu stellen; der Erfahrung der Vergebung, um die gebeten und die erteilt wird; dem Verlangen, eine nicht in sich selbst verschlossene Familie zu gründen, die für das Wohl der kirchlichen Gemeinschaft und der ganzen Gesellschaft offen ist. In einem solchen Vorgehen werden jene Zeichen der Liebe hervorgehoben werden können, die im eigentlichen Sinne dem Widerschein der Liebe Gottes in einem echten Ehevorhaben entsprechen. 

72.   Die Probleme bezüglich der konfessionsverschiedenen Ehen erfordern besondere Aufmerksamkeit. „Die Ehen zwischen Katholiken und anderen Getauften weisen jedoch, wenn auch in ihrer besonderen Eigenart, zahlreiche Elemente auf, die es zu schätzen und zu entfalten gilt, sei es wegen ihres inneren Wertes, sei es wegen des Beitrags, den sie in die ökumenische Bewegung einbringen können“. Daher soll „ein herzliches Zusammenwirken zwischen den katholischen und nichtkatholischen Geistlichen angestrebt werden, und zwar schon bei der Vorbereitung auf die Ehe und die Trauung“ (FC, 78). Was die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie betrifft, wird in Erinnerung gerufen, dass „die Entscheidung über die Zulassung oder die Nichtzulassung des nichtkatholischen Teils zur eucharistischen Kommunion in Übereinstimmung mit den bestehenden allgemeinen Normen auf diesem Gebiet zu treffen (ist), sei es für die orientalischen Christen, sei es für die anderen Christen. Dabei ist der besonderen Situation Rechnung zu tragen, die dadurch gegeben ist, dass zwei getaufte Christen das christliche Ehesakrament empfangen. Obgleich den Gatten einer bekenntnisverschiedenen Ehe die Sakramente der Taufe und der Ehe gemeinsam sind, kann die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie nur im Ausnahmefall erfolgen, und man muss in jedem einzelnen Fall die oben erwähnten Normen (…) beachten“  (Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus, 25. März 1993, 159; 160).

73.  Religionsverschiedene Ehen stellen einen bevorzugten Ort für den interreligiösen Dialog im alltäglichen Leben dar und können ein Zeichen der Hoffnung für die Glaubensgemeinschaften sein, vor allem dort, wo es Spannungssituationen gibt. Die Ehepartner teilen die jeweiligen geistlichen Erfahrungen oder gehen gemeinsam einen Weg der Glaubenssuche, wenn einer der beiden nicht gläubig ist (vgl. 1 Kor 7,14). Religionsverschiedene Ehen bringen einige besondere Schwierigkeiten mit sich, sowohl im Hinblick auf die christliche Identität der Familie, als auch auf die religiöse Erziehung der Kinder. Die Eheleute sind berufen, das anfängliche Gefühl der Anziehung immer mehr in den aufrichtigen Wunsch nach dem Wohl des anderen zu verwandeln. Diese Öffnung verwandelt auch die unterschiedliche Religionszugehörigkeit in eine Gelegenheit, die geistliche Qualität der Beziehung zu bereichern. Die sowohl in den Missionsgebieten als auch in Ländern mit langer christlicher Tradition steigende Zahl von Familien, denen eine religionsverschiedene Ehe zu Grunde liegt, verdeutlicht die dringende Notwendigkeit, für eine den verschiedenen sozialen und kulturellen Zusammenhängen entsprechende differenzierte Seelsorge zu sorgen. In einigen Ländern, in denen keine Religionsfreiheit herrscht, ist der christliche Ehepartner verpflichtet, zu einer anderen Religion überzutreten, um heiraten zu können, und kann weder mit Dispens eine kirchliche Trauung feiern, noch die Kinder taufen lassen. Wir müssen daher die Notwendigkeit bekräftigen, dass die Religionsfreiheit allen gegenüber respektiert wird.

74.   Die interkonfessionellen und religionsverschiedenen Ehen bringen Aspekte fruchtbarer Möglichkeiten und verschiedene kritische Aspekte mit sich, die nicht einfach gelöst werden können – was mehr für die pastorale als für die normative Ebene gilt –, wie die Problematik der religiösen Kindererziehung, die Teilnahme des Ehepartners am liturgischen Leben, das Teilen geistlicher Erfahrungen. Um die Verschiedenheit hinsichtlich des Glaubens konstruktiv angehen zu können, ist es daher erforderlich, den Menschen, die sich in solchen Ehen verbinden, besondere Aufmerksamkeit zu schenken, nicht nur in der Zeit vor der Eheschließung. Besonderen Herausforderungen sehen sich die Ehepaare und Familien gegenüber, in denen ein Partner katholisch und der andere nicht gläubig ist. In solchen Fällen ist es notwendig, zu bezeugen, dass das Evangelium sich auf diese Situationen einlassen kann, um die Erziehung der Kinder zum christlichen Glauben zu ermöglichen.

75.   Besondere Schwierigkeiten bereiten die Situationen, welche die Zulassung von Menschen zur Taufe betreffen, die sich in im Hinblick auf die Ehe in einer komplexen Lage befinden. Es handelt sich um Menschen, die zu einer Zeit eine feste eheliche Vereinigung eingegangen sind, in der wenigstens einer der Partner den christlichen Glauben noch nicht kannte. Die Bischöfe sind aufgerufen, in diesen Fällen eine pastorale Unterscheidung vorzunehmen, die auf ihr geistliches Wohl ausgerichtet ist.

76.  Die Kirche passt ihre Haltung Jesus, dem Herrn, an, der sich in grenzenloser Liebe für jeden Menschen, ohne Ausnahme, geopfert hat  (vgl. MV, 12). Im Hinblick auf Familien, welche die Erfahrung machen, dass in ihrer Mitte Menschen mit homosexueller Orientierung leben, bekräftigt die Kirche, dass jeder Mensch, unabhängig von der eigenen sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden soll. Es soll Sorge dafür getragen werden, sie nicht „in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen, 4). Besondere Aufmerksamkeit ist auf die Begleitung von Familien zu richten, in denen Menschen mit homosexueller Orientierung leben. Was die Pläne betrifft, die Verbindungen zwischen homosexuellen Personen der Ehe gleichzustellen, gibt es „keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn“ (ebd.). Die Synode hält es in jedem Fall für vollkommen unannehmbar, dass auf die Ortskirchen in dieser Frage Druck ausgeübt wird und dass die internationalen Organisationen Finanzhilfen für arme Länder von einer Einführung der „Ehe“ unter Personen des gleichen Geschlechts in ihrer Gesetzgebung abhängig machen.

Begleitung in verschiedenen Situationen

77.  In einer herzlichen Teilnahme macht sich die Kirche die Freuden und die Hoffnungen, die Schmerzen und die Ängste jeder Familie zu Eigen. Als Weggefährte den Familien nahe sein bedeutet für die Kirche, eine auf kluge Weise differenzierte Haltung einzunehmen. Manchmal ist es notwendig, da zu sein und schweigend zuzuhören; ein andermal muss man vorausgehen, um den Weg zu zeigen, dem es zu folgen gilt; wieder ein anderes Mal, ist es angemessen, zu folgen, zu unterstützen und zu ermutigen. „Die Kirche wird ihre Glieder – Priester, Ordensleute und Laien – in diese ,Kunst der Begleitung‘ einführen müssen, damit alle stets lernen, vor dem heiligen Boden des anderen sich die Sandalen von den Füßen zu streifen (vgl. Ex 3,5). Wir müssen unserem Wandel den heilsamen Rhythmus der Zuwendung geben, mit einem achtungsvollen Blick voll des Mitleids, der aber zugleich heilt, befreit und zum Reifen im christlichen Leben ermuntert“ (EG, 169). Den wichtigsten Beitrag zur Familienpastoral leistet die Pfarrgemeinde, eine Familie von Familien, in der die Beiträge der kleinen Gemeinschaften, Bewegungen und kirchlichen Vereinigungen harmonisch aufeinander abgestimmt werden. Die Begleitung erfordert spezifisch ausgebildete Priester und die Einrichtung spezialisierter Zentren, in denen Priester, Ordensleute und Laien lernen, sich um jede Familie zu kümmern, mit besonderem Augenmerk auf diejenigen, die sich in Schwierigkeiten befinden. .

78.  Ein Dienst, der sich denen widmet, deren eheliche Beziehung zerbrochen ist, erscheint besonders dringend. Das Drama der Trennung steht oft am Ende einer langen Zeit von Konflikten, unter der die Kinder am meisten leiden. Die Einsamkeit des verlassenen Ehepartners oder desjenigen, der gezwungen war, ein Zusammenleben zu unterbrechen, das vom Erleiden beständiger und schwerer Misshandlungen gekennzeichnet war, macht eine besondere Fürsorge seitens der christlichen Gemeinschaft erforderlich. Prävention und Fürsorge angesichts von Fällen familiärer Gewalt erfordern eine enge Zusammenarbeit mit der Justiz, um gegen die Verantwortlichen vorzugehen und die Opfer auf angemessene Weise zu beschützen. Darüber hinaus ist es wichtig, den Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch zu fördern. In der Kirche ist in diesen Fällen die Haltung von null Toleranz sowie die Begleitung der Familien beizubehalten. Dann scheint es angemessen, die Familien zu berücksichtigen, in denen einige Mitglieder Tätigkeiten nachgehen, die besondere Erfordernisse mit sich bringen, wie zum Beispiel Soldaten, die sich in einer Lage faktischer Trennung und längerer physischer Abwesenheit von der Familie befinden, mit allen Folgen, die dies mit sich bringt. Wenn sie aus einem Kriegsgebiet zurückkehren, leiden sie nicht selten unter einem posttraumatischen Syndrom und werden von ihrem Gewissen gequält, das sie mit schwerwiegenden moralischen Fragen konfrontiert. Hier ist eine besondere pastorale Aufmerksamkeit erforderlich.       

79.  Die Erfahrung des Scheiterns in der Ehe ist immer schmerzhaft für alle. Dieses Scheitern kann andererseits Gelegenheit zum Nachdenken und zur Umkehr sein, sowie dafür, sich Gott anzuvertrauen: jeder, der sich seiner eigenen Verantwortung bewusst ist, kann in Ihm wieder Hoffnung und Zuversicht finden. „Aus dem Herzen der Dreifaltigkeit, aus dem tiefsten Inneren des göttlichen Geheimnisses entspringt und quillt ununterbrochen der große Strom der Barmherzigkeit. Diese Quelle kann niemals versiegen, seien es auch noch so viele, die zu ihr kommen. Wann immer jemand das Bedürfnis verspürt, kann er sich ihr nähern, denn die Barmherzigkeit Gottes ist ohne Ende“  (MV, 25). Die Vergebung des erlittenen Unrechts ist nicht leicht, sie ist aber ein Weg, den die Gnade möglich macht. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Pastoral der Umkehr und der Versöhnung, auch durch besondere Beratungs- und Schlichtungsstellen, die in den Diözesen einzurichten sind. In jedem Fall muss Gerechtigkeit gegenüber allen Beteiligten am Scheitern der Ehe (Eheleuten und Kindern) hergestellt werden. Die christliche Gemeinschaft und ihre Hirten haben die Pflicht, die getrennten Eheleute zu bitten, sich mit Respekt und Barmherzigkeit zu behandeln, vor allem um des Wohles der Kinder willen, die nicht weiterem Leid ausgesetzt werden sollen. Die Kinder dürfen nicht zum „Streitobjekt“ werden; stattdessen gilt es, die besten Wege zu finden, damit sie das Trauma der familiären Spaltung überwinden und möglichst unbeschwert aufwachsen können. In jedem Fall wird die Kirche immer das Unrecht hervorheben müssen, das sehr oft aus der Situation der Scheidung entsteht.

80.  Ein-Eltern-Familien entstehen aus verschiedenen Gründen: leibliche Mütter oder Väter, die sich nie in das Familienleben einfügen wollten; Situationen der Gewalt, aus der eines der Elternteile mit den Kindern fliehen musste; Tod eines Elternteils; Verlassen der Familie seitens eines Elternteils oder ähnliche Situationen. Welches auch immer der Grund ist, der Elternteil, der mit dem Kind zusammenwohnt, muss Unterstützung und Trost bei den anderen Familien finden, welche die christliche Gemeinschaft bilden, sowie auch bei den pastoralen Einrichtungen der Pfarrei. Diese Familien werden oftmals zusätzlich durch schwere wirtschaftliche Probleme, eine unsichere Arbeitssituation, die Schwierigkeit, für den Unterhalt der Kinder zu sorgen, oder das Fehlen einer Wohnung belastet. Dieselbe pastorale Sorge muss gegenüber verwitweten Menschen und minderjährigen Müttern und ihren Kindern gezeigt werden.

81.  Wenn die Eheleute in ihren Beziehungen Schwierigkeiten begegnen, müssen sie auf die Hilfe und Begleitung der Kirche zählen können. Die Erfahrung zeigt, dass ein großer Prozentsatz der Ehekrisen durch eine angemessene Hilfe und die versöhnende Kraft der Gnade des Heiligen Geistes in zufriedenstellender Weise überwunden werden. Vergeben können und Vergebung erfahren ist eine grundlegende Erfahrung des Familienlebens. Die gegenseitige Vergebung der Eheleute erlaubt es, die Wahrheit einer Liebe wiederzuentdecken, die für immer ist und nie vergeht (vgl. 1 Kor 13,8). Im Bereich der familiären Beziehungen ist die Notwendigkeit der Versöhnung eine praktisch alltägliche. Die Missverständnisse, die auf die Beziehungen zu den Herkunftsfamilien zurückgehen; der Konflikt zwischen verschiedenen kulturellen und religiösen Gewohnheiten; unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Erziehung der Kinder; die Beunruhigung auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten; die Spannung, die durch Abhängigkeiten oder den Verlust des Arbeitsplatzes entsteht: Dies sind einige der wiederkehrenden Gründe für Spannungen und Konflikte. Die mühevolle Kunst der Versöhnung, die der Unterstützung der Gnade bedarf, erfordert die großherzige Mitarbeit von Verwandten und Freunden und manchmal auch einer professionellen Hilfe von außen. In den schmerzlichsten Fällen, wie dem der ehelichen Untreue, ist ein wirkliches und eigentliches Wiederaufbauwerk erforderlich, zu dem man bereit sein muss. Ein gebrochener Bund kann wieder geheilt werden: zu dieser Hoffnung hin muss man sich von der Ehevorbereitung an erziehen. Im Hinblick auf die Sorge um die verwundeten Menschen und Familien sind das Wirken des Heiligen Geistes, der Empfang des Sakraments der Versöhnung und die Notwendigkeit geistlicher, von erfahrenen Seelsorgern begleiteter Wege grundlegend.

82.  Für viele Gläubige, die eine unglückliche Ehe erlebt haben, stellt die Überprüfung der Gültigkeit der Ehe einen Weg dar, dem es zu folgen gilt. Die kürzlich erschienenen Motu proprios Mitis Iudex Dominus Iesus und Mitis et Misericors Iesus haben zu einer Vereinfachung der Verfahren für die eventuelle Ehenichtigkeitserklärung geführt. Mit diesen Texten wollte der Heilige Vater auch deutlich machen, „dass der Bischof selbst in seiner Kirche, für die er zum Hirten und zum Haupt bestellt ist, Richter der ihm anvertrauten Gläubigen ist“ (MI, Präambel, III). Die Umsetzung dieser Dokumente stellt folglich eine große Verantwortung für die Diözesanbischöfe dar, die aufgerufen sind, selbst einige Verfahren zu beurteilen und in jedem Fall den Gläubigen einen einfacheren Zugang zur Justiz zu gewährleisten. Das impliziert die Ausbildung von genügend Fachpersonal – bestehend aus Geistlichen und Laien –, das sich vorrangig diesem kirchlichen Dienst widmet. Es wird daher erforderlich sein, den Menschen, die getrennt leben, oder den Paaren, die eine Krise durchleben, einen mit der Familienpastoral verbundenen Informations-, Beratungs- und Schlichtungsdienst zur Verfügung zu stellen, der auch hinsichtlich der Voruntersuchung (vgl. MI, Art. 2-3) zur Verfügung steht.

83.  Das Zeugnis derer, die auch unter schwierigen Umständen keine neue Verbindung eingehen und dem sakramentalen Band treu bleiben, verdient Wertschätzung und Unterstützung seitens der Kirche. Sie will ihnen das Antlitz eines Gottes zeigen, der seiner Liebe treu ist und immer neue Kraft und Hoffnung zu geben vermag. Getrennt lebende Menschen oder nicht wieder verheiratete Geschiedene, die oft Zeugen der ehelichen Treue sind, werden ermutigt, in der Eucharistie die Nahrung zu finden, die sie in ihrer Lebensform stärkt.

Unterscheidung und Integration

84.  Getaufte, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, müssen auf die verschiedenen möglichen Weisen stärker in die Gemeinschaft integriert werden, wobei zu vermeiden ist, jedwelchen Anstoß zu erregen. Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer pastoralen Begleitung, damit sie nicht nur wissen, dass sie zum Leib Christi, der die Kirche ist, gehören, sondern dies als freudige und fruchtbare Erfahrung erleben können. Sie sind Getaufte, sie sind Brüder und Schwestern, der Heilige Geist gießt Gaben und Charismen zum Wohl aller auf sie aus. Ihre Teilnahme kann in verschiedenen kirchlichen Diensten zum Ausdruck kommen: es ist daher zu unterscheiden, welche der verschiedenen derzeit praktizierten Formen des Ausschlusses im liturgischen, pastoralen, erzieherischen und institutionellen Bereich überwunden werden können. Sie sollen sich nicht nur als nicht exkommuniziert fühlen, sondern können als lebendige Glieder der Kirche leben und reifen, indem sie diese wie eine Mutter empfinden, die sie immer aufnimmt, sich liebevoll um sie kümmert und sie auf dem Weg des Lebens und des Evangeliums ermutigt. Diese Integration ist auch notwendig für die Sorge und die christliche Erziehung ihrer Kinder, die als das Wichtigste anzusehen sind. Für die christliche Gemeinschaft bedeutet es keine Schwächung ihres Glaubens und ihres Zeugnisses im Hinblick auf die Unauflöslichkeit der Ehe, sich um diese Menschen zu kümmern. Im Gegenteil, die Kirche bringt gerade in dieser Fürsorge ihre Nächstenliebe zum Ausdruck.

85.   Der heilige Johannes Paul II. hat einen Gesamtmaßstab vorgelegt, welcher die Grundlage zur Bewertung solcher Situationen bleibt: „Die Hirten mögen beherzigen, dass sie um der Liebe willen zur Wahrheit verpflichtet sind, die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden. Es ist ein Unterschied, ob jemand trotz aufrichtigen Bemühens, die frühere Ehe zu retten, völlig zu Unrecht verlassen wurde oder ob jemand eine kirchlich gültige Ehe durch eigene schwere Schuld zerstört hat. Wieder andere sind eine neue Verbindung eingegangen im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und haben manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung, dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war“ (FC, 84). Es ist also Aufgabe der Priester, die betroffenen Menschen entsprechend der Lehre der Kirche und der Richtlinien des Bischofs auf dem Weg der Unterscheidung zu begleiten. In diesem Prozess wird es hilfreich sein, durch Momente des Nachdenkens und der Reue eine Erforschung des Gewissens vorzunehmen. Die wiederverheirateten Geschiedenen sollten sich fragen, wie sie sich ihren Kindern gegenüber verhalten haben, seit ihre eheliche Verbindung in die Krise geriet;  ob es Versöhnungsversuche gegeben hat; wie die Lage des verlassenen Partners ist; welche Folgen die neue Beziehung auf den Rest der Familie und die Gemeinschaft der Gläubigen hat; welches Beispiel sie den jungen Menschen gibt, die sich auf die Ehe vorbereiten. Ein ernsthaftes Nachdenken kann das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes stärken, die niemandem verwehrt wird.

Außerdem kann nicht geleugnet werden, dass unter bestimmten Umständen  „die Anrechenbarkeit einer Tat und die Verantwortung für sie“ aufgrund verschiedener Faktoren „gemindert, ja sogar aufgehoben sein“ könnte (KKK, 1735). Folglich muss das Urteil über eine objektive Situation nicht zum Urteil über eine „subjektive Anrechenbarkeit“  (Päpstlicher Rat für die Gesetzestexte, Erklärung vom 24. Juni 2000, 2a) führen. Unter bestimmten Umständen kann es für Menschen eine große Schwierigkeit darstellen, anders zu handeln. Daher ist es auch bei Aufrechterhaltung einer allgemeinen Norm erforderlich, anzuerkennen, dass die Verantwortung hinsichtlich bestimmter Handlungen oder Entscheidungen nicht in allen Fällen gleich ist. Die pastorale Bemühung, die Geister zu unterscheiden, muss sich, auch unter Berücksichtigung des  recht geformten Gewissens der Menschen, dieser Situationen annehmen. Auch die Folgen der vorgenommenen Handlungen sind nicht in allen Fällen notwendigerweise dieselben.

86.  Der Weg der Begleitung und der Unterscheidung richtet diese Gläubigen darauf aus, sich ihrer Situation vor Gott bewusst zu werden. Das Gespräch mit dem Priester im Forum internum trägt zur Bildung einer rechten Beurteilung dessen bei, was die Möglichkeit einer volleren Teilnahme am Leben der Kirche behindert, und kann helfen, Wege zu finden, diese zu begünstigen und wachsen zu lassen. Da es im Gesetz selbst keine Gradualität gibt (vgl. FC, 34), wird diese Unterscheidung niemals von den Erfordernissen der Wahrheit und der Liebe des Evangeliums, die die Kirche vorlegt, absehen können. Damit dies geschieht, müssen bei der aufrichtigen Suche nach dem Willen Gottes und in dem Verlangen, diesem auf vollkommenere Weise zu entsprechen, die notwendigen Voraussetzungen der Demut, der Diskretion, der Liebe zur Kirche und ihrer Lehre verbürgt sein.

 

IV.   Kapitel
Familie und Evangelisierung

Die Spiritualität der Familie

87. Die Familie in ihrer Berufung und Sendung ist ein wirklicher Schatz der Kirche. Dennoch gilt auch hier, was der heilige Paulus über das Evangelium sagt: „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,7). Auf der Eingangstür zum Leben der Familie, so erklärt Papst Franziskus, „stehen drei Worte geschrieben: ,bitte‘, ,danke‘, ,Entschuldigung‘. Denn diese Worte öffnen den Weg zu einem guten Familienleben, um in Frieden zu leben. Es sind einfache Worte, aber sie sind nicht einfach zu praktizieren! Sie enthalten eine große Kraft: die Kraft, das Haus zu schützen, auch durch zahlreiche Schwierigkeiten und Prüfungen hindurch; ihr Fehlen dagegen öffnet nach und nach Risse, die es sogar zum Einsturz bringen können“ (Papst Franziskus, Generalaudienz 13. Mai 2015). Die Lehre der Päpste lädt dazu ein, ausgehend von der Wiederentdeckung des Gebetes in der Familie und dem gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes, aus dem der karitative Einsatz hervorgeht, die spirituelle Dimension des Familienlebens zu vertiefen. Die Hauptstärkung des geistlichen Lebens der Familie ist die Eucharistie, vor allem am Tag des Herrn, als Zeichen der tiefen Verwurzelung in der kirchlichen Gemeinschaft (vgl. Johannes Paul II., Dies Domini, 52; 66). Das häusliche Gebet, die Teilnahme an der Liturgie und die Praxis der Volksfrömmigkeit und der Marienverehrung sind wirksame Mittel der Begegnung mit Jesus Christus und der Evangelisierung der Familie. Dadurch wird die besondere Berufung der Eheleute herausgestellt, mit der Gnade des Heiligen Geistes durch das Eheleben ihre Heiligkeit zu verwirklichen, auch dadurch, dass sie am Geheimnis des Kreuzes Christi teilhaben, das Schwierigkeiten und Leiden in ein Opfer der Liebe verwandelt.

88.  Die Zärtlichkeit ist das Band, das in der Familie die Eltern untereinander und mit ihren Kindern vereint. Zärtlichkeit heißt, mit Freude zu geben und im Anderen die Freude hervorzurufen, sich geliebt zu fühlen. Sie drückt sich in besonderer Weise darin aus, sich den Grenzen des Anderen mit vorzüglicher Achtsamkeit zuzuwenden, besonders dann, wenn diese Begrenzungen offensichtlich hervortreten. Jemand mit Feingefühl und Respekt behandeln bedeutet, Wunden zu heilen und neue Hoffnung zu schenken, damit im Anderen das Vertrauen neu belebt wird. Die Zärtlichkeit in den familiären Beziehungen ist jene alltägliche Tugend, die dabei hilft, innere Konflikte und Konflikte in den Beziehungen zu überwinden. Diesbezüglich lädt uns Papst Franziskus zum Nachdenken ein: „Haben wir den Mut, mit Zärtlichkeit die schwierigen Situationen und die Probleme des Menschen neben uns mitzutragen, oder ziehen wir es vor, sachliche Lösungen zu suchen, die vielleicht effizient sind, aber der Glut des Evangeliums entbehren? Wie sehr braucht doch die Welt von heute Zärtlichkeit! – Geduld Gottes, Nähe Gottes, Zärtlichkeit Gottes“  (Predigt in der Mitternachtsmette, 24. Dezember 2014).

Die Familie, Subjekt der Pastoral

89. Wenn die Familie ihrer Sendung treu sein will, muss sie gut verstehen, woraus diese hervorgeht: sie kann nicht evangelisieren, ohne evangelisiert zu sein. Die Sendung der Familie umfasst die fruchtbare Vereinigung der Eheleute, die Kindererziehung, das Bezeugen des Sakraments, die Vorbereitung anderer Paare auf die Ehe und die freundschaftliche Begleitung jener Ehepaare oder Familien, die Schwierigkeiten begegnen. Hieraus ergibt sich die Bedeutung eines evangelisierenden und katechetischen Bemühens, das auf das Innere der Familie gerichtet ist. Diesbezüglich muss dafür Sorge getragen werden, die Ehepaare, die Mütter und Väter, in Zusammenarbeit mit den Priestern, den Diakonen, den Personen gottgeweihten Lebens und den Katecheten als aktive Subjekte der Katechese wertzuschätzen, vor allem im Hinblick auf die Kinder. Dieses Bemühen beginnt, sobald das Paar eine ernsthafte Beziehung miteinander eingeht. Von großer Hilfe ist die Familienkatechese als wirksame Methode, um die jungen Eltern auszubilden und ihnen ihre Sendung als Verkünder des Evangeliums in ihrer eigenen Familie bewusst zu machen. Außerdem ist es sehr wichtig, die Verbindung der Erfahrung von Familie und christlicher Initiation hervorzuheben. Die ganze christliche Gemeinschaft muss zu einem Ort werden, an dem die Familien entstehen, sich begegnen, miteinander auseinandersetzen, im Glauben unterwegs sind und Wege des Wachstums und des gegenseitigen Austausches miteinander teilen.

90.  Die Kirche muss in den Familien einen Sinn kirchlicher Zugehörigkeit wecken, einen Sinn für das „wir“, wo kein Glied vergessen ist. Alle sollen ermutigt werden, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und das Projekt des eigenen Lebens im Dienst am Reich Gottes zu verwirklichen. In den kirchlichen Kontext eingebunden, soll jede Familie die Freude der Gemeinschaft mit anderen Familien erfahren, um dem Gemeinwohl der Gesellschaft zu dienen, indem sie auch durch die Nutzung der sozialen Netzwerke und der Medien eine Politik, eine Wirtschaft und eine Kultur im Dienst der Familie fördert. Es ist wünschenswert, Möglichkeiten zu schaffen, um kleine Gemeinschaften von Familien als lebendige Zeugen der Werte des Evangeliums entstehen zu lassen. Es wird das Bedürfnis verspürt, einige Familien vorzubereiten, auszubilden und in die Verantwortung zu nehmen, um andere Familien dabei begleiten zu können, christlich zu leben. Auch die Familien, die sich für die Mission ad gentes zur Verfügung stellen, sollen bedacht und ermutigt werden. Schließlich sei darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, Jugendpastoral und Familienpastoral miteinander zu verbinden.

Die Beziehung zu den Kulturen und zu den Institutionen

91.  „Die Kirche, die im Lauf der Zeit in je verschiedener Umwelt lebt, (nimmt) die Errungenschaften der einzelnen Kulturen in Gebrauch, um die Botschaft Christi in ihrer Verkündigung bei allen Völkern zu verbreiten und zu erklären, um sie zu erforschen und tiefer zu verstehen, um sie in der liturgischen Feier und im Leben der vielgestaltigen Gemeinschaft der Gläubigen besser Gestalt werden zu lassen“ (GS, 58). Es ist also wichtig, diese Kulturen zu berücksichtigen und jede von ihnen in ihrer Besonderheit zu respektieren. Man muss auch in Erinnerung rufen, was der selige Paul VI. geschrieben hat: „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist. Man muss somit alle Anstrengungen machen, um die Kultur, genauer die Kulturen, auf mutige Weise zu evangelisieren“ (EN, 20). Die Ehe- und Familienpastoral muss die positiven Elemente hervorheben, denen man in den verschiedenen religiösen und kulturellen Erfahrungen begegnet und die eine „praeparatio evangelica“ darstellen. Bei der Begegnung mit den Kulturen wird sich eine Evangelisierung, die auf die Erfordernisse der menschlichen Förderung der Familie achtet, nicht der Aufgabe entziehen können, die kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zwänge offen anzuprangern. Die wachsende Vorherrschaft der Logik des Marktes, welche die Räume und Zeiten eines authentischen Familienlebens beschneidet, trägt auch dazu bei, Diskriminierungen, Armut, Ausgrenzung und Gewalt zu verschlimmern. Unter den Familien, die auf Grund von Arbeitslosigkeit oder des unsicheren Arbeitsmarktes, der hohen Kinderzahl oder des Mangels an sozialer und medizinischer Assistenz in wirtschaftlicher Armut leben, kommt es nicht selten vor, dass einige, weil sie keinen Zugang zu Krediten haben, Opfer von Wucher werden und manchmal gezwungen sind, ihr Heim und sogar ihre Kinder zu verlassen. Diesbezüglich wird vorgeschlagen, wirtschaftliche Strukturen zur Unterstützung zu schaffen, die diesen Familien zu helfen vermögen oder in der Lage sind, die Solidarität in der Familie und der Gesellschaft zu fördern.

92.   Die Familie ist „Grund und Lebenszelle der Gesellschaft“ (AA, 11). Sie muss ihre Berufung zur Unterstützung des sozialen Lebens in allen seinen Aspekten wiederentdecken. Es ist unerlässlich, dass die Familien durch Zusammenschlüsse Möglichkeiten finden, mit den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Institutionen zusammen zu wirken, mit dem Ziel, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Deshalb müssen ein Dialog und eine Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Strukturen entwickelt werden, und es gilt, jene Laien zu ermutigen und zu unterstützen, die sich als Christen im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich engagieren. Die Politik muss in besonderer Weise das Prinzip der Subsidiarität respektieren und darf die Rechte der Familie nicht beschneiden. In dieser Hinsicht ist es wichtig, die „Charta der Familienrechte“ (vgl. Päpstlicher Rat für die Familie, 22. Oktober 1983) und die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ (10. Dezember 1948) zu beachten. Für Christen, die in der Politik tätig sind, muss das Engagement für das Leben und für die Familie Vorrang haben, da eine Gesellschaft, die die Familie vernachlässigt, ihre Offenheit für die Zukunft verliert. Zu den Hauptzielen der Familienvereinigungen, die in der gemeinschaftlichen Arbeit zusammen mit Gruppen anderer christlicher Traditionen engagiert sind, zählt unter anderem die Förderung und der Schutz des Lebens und der Familie, der Erziehungs- und Religionsfreiheit, der Balance von Arbeitszeit und Zeit für die Familie, der Schutz der Frauen in der Arbeit, die Wahrung der Gewissensfreiheit.

Die Öffnung für die Mission

93. Die Familie der Getauften ist ihrer Natur nach missionarisch und bringt den eigenen Glauben zum Wachsen, indem sie ihn zunächst und vor allem an die eigenen Kinder weitergibt. Die Tatsache an sich, familiäre Gemeinschaft zu leben, ist ihre erste Form der Verkündigung. In der Tat beginnt die Evangelisierung ausgehend von der Familie, in der nicht nur das leibliche, sondern auch das geistliche Leben weitergegeben wird. Die Rolle der Großeltern in der Weitergabe des Glaubens und der religiösen Praxis darf nicht vergessen werden: sie sind die Zeugen des Bandes zwischen den Generationen, Bewahrer von Traditionen der Weisheit, des Gebets und des guten Beispiels. Die Familie konstituiert sich so als Subjekt pastoralen Handelns, über die ausdrückliche Verkündigung des Evangeliums und das Erbe vielfältiger Formen des Zeugnisses: die Solidarität gegenüber den Armen, die Offenheit für die Verschiedenheit der Personen, die Bewahrung der Schöpfung, die moralische und materielle Solidarität gegenüber den anderen Familien, vor allem den bedürftigsten, der Einsatz für die Förderung des Gemeinwohls, auch durch die Überwindung ungerechter sozialer Strukturen, ausgehend von der Umgebung, in der man lebt, indem Werke leiblicher und geistlicher Barmherzigkeit geübt werden.

 

SCHLUSS

 

94.  Versammelt um Papst Franziskus, haben wir Synodenväter im Laufe dieser Versammlung die Zärtlichkeit und das Gebet der ganzen Kirche erfahren. Wir waren wie die Jünger von Emmaus unterwegs und haben die Gegenwart Christi erkannt im Brechen des Brots am eucharistischen Tisch, in der brüderlichen Gemeinschaft, im Austausch pastoraler Erfahrungen. Wir wünschen uns, dass die Frucht dieser Arbeit, die jetzt den Händen des Nachfolgers Petri übergeben wird, vielen Familien in der Welt Hoffnung und Freude, den Hirten und pastoralen Mitarbeitern Orientierung und der Evangelisierungsarbeit einen Ansporn schenken möge. Zum Abschluss dieses Berichts bitten wir den Heiligen Vater in Demut, die Zweckmäßigkeit zu erwägen, ein Dokument über die Familie vorzulegen, auf dass in ihr, der Hauskirche, Christus, das Licht der Welt, immer mehr aufleuchte.

Gebet zur Heiligen Familie

Jesus, Maria und Josef,
in Euch betrachten wir
den Glanz der wahren Liebe.
Mit Vertrauen wenden wir uns an Euch.

Heilige Familie von Nazareth,
lass auch unsere Familien
zu einem Ort der Gemeinschaft und zu Zellen des Gebets werden
zu echten Schulen des Evangeliums
und kleinen Hauskirchen.

Heilige Familie von Nazareth,
in den Familien soll nicht mehr die Erfahrung
der Gewalt, der Abschottung und der Teilung gemacht werden:
wer immer verletzt oder schockiert wurde,
dem sei bald Trost und Heilung geschenkt.

Heilige Familie von Nazareth,
wecke in allen in allen das Bewusstsein dafür,
dass die Familie heilig und unverletzlich ist,
und ihre Schönheit im Plan Gottes begründet liegt.

Jesus, Maria und Josef,
hört unsere Bitte an und erhört uns. Amen.