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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DES KOORDINIERUNGSRATS DER VORSITZENDEN
DES SYSTEMS DER VEREINTEN NATIONEN (CEB)

Konistoriensaal
Freitag, 9. Mai 2014

 

Herr Generalsekretär,
meine Damen und Herren,

es ist mir eine Freude, Sie, Herr Generalsekretär, sowie die Vorsitzenden der Agenturen, Fonds und Programme der Vereinten Nationen und der Sonderorganisationen hier in Rom aus Anlass Ihres halbjährig stattfindenden Treffens zur strategischen Koordination des »Rats der Vorstandsvorsitzenden des Systems der Vereinten Nationen« zu begrüßen.

Es ist bedeutsam, dass die heutige Begegnung kurz nach der feierlichen Heiligsprechung meiner Vorgänger, der Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II., stattfindet. Diese neuen Heiligen sind durch ihr leidenschaftliches Interesse an der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen und am gegenseitigen Verständnis der Völker eine Quelle der Inspiration für uns. Dieses Anliegen drückte sich ganz konkret in den zahlreichen Besuchen aus, die Johannes Paul II. den Hauptquartieren der in Rom angesiedelten Organisationen abstattete, wie auch in seinen Reisen nach New York, Genf, Wien, Nairobi und Den Haag.

Ich danke Ihnen, Herr Generalsekretär, für die herzlichen Worte, die Sie zur Einleitung gesagt haben. Ich danke Ihnen allen, die Sie die Hauptverantwortlichen des internationalen Systems sind, für die enormen Anstrengungen, die unternommen werden, um den Weltfrieden und die Achtung der Menschenwürde, den Schutz der Menschen, gerade auch der Ärmsten oder Schwächsten und eine harmonische wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu ermöglichen. Die Ergebnisse der Millenniums-Entwicklungsziele, die gerade auch auf dem Gebiet der Erziehung und des Rückgangs der äußersten Armut erreicht wurden, bestätigen den Wert der Koordinierungsarbeit dieses Rats der Vorstandsvorsitzenden. Zugleich darf aber nie außer Acht gelassen werden, dass die Völker der Erde noch weitaus bessere Ergebnisse verdienen und erwarten.

Ein grundlegendes Prinzip der Führungsaufgabe besteht gerade darin, niemals mit den errungenen Ergebnissen zufrieden zu sein, sondern weiterzustreben, in der Überzeugung, dass die errungenen Resultate nur dadurch konsolidiert werden können, dass man dafür arbeitet, noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Im Falle der politischen und wirtschaftlichen weltweiten Dachorganisation gilt es, noch sehr viel Arbeit zu leisten, in Anbetracht der Tatsache, dass ein bedeutender Teil der Menschheit nach wie vor von den Segnungen des Fortschritts ausgeschlossen ist und de facto dazu verurteilt sind, Menschen zweiter Klasse zu sein. Die künftigen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung sollten daher großzügig und mutig formuliert werden, damit sie effektive Auswirkungen auf die strukturell bedingten Ursachen der Armut und des Hungers haben und weitere, noch wesentlichere Ergebnisse auf dem Gebiet des Umweltschutzes erzielen können, allen Menschen eine menschenwürdige und ertragreiche Arbeit und einen angemessenen Schutz der Familie zusichern, was eine grundlegende Komponente einer nachhaltigen menschlichen und sozialen Entwicklung ist. Es geht dabei vor allem darum, allen Formen der Ungerechtigkeit den Kampf anzusagen und sich der »Wirtschaft der Ausgrenzung«, der »Wegwerfkultur« und der »Kultur des Todes« zu widersetzen, die heutzutage leider zu Geisteshaltungen werden könnten, die stillschweigend hingenommen werden.

Aus diesem Grund ist es mir ein Anliegen, Sie in ihrer Eigenschaft als Vertreter der wichtigsten Führungsgremien für die weltweite Zusammenarbeit an ein Ereignis zu erinnern, das sich vor ungefähr zweitausend Jahren zugetragen hat und über das im Lukasevangelium(19,1-10) berichtet wird: die Begegnung zwischen Jesus Christus und dem reichen Zöllner Zachäus, der daraufhin die radikale Entscheidung traf, mit den Anderen zu teilen und der Gerechtigkeit Genüge zu tun, nachdem der Blick Jesu sein Gewissen wachgerüttelt hatte. Das ist der Geist, der der Ausgangs- und Endpunkt einer jeden politischen und wirtschaftlichen Tätigkeit sein sollte. Der oft schweigende Blick jenes Teils der Menschheitsfamilie, der abgeschrieben und hinter uns gelassen wird, sollte das Gewissen derer wachrütteln, die in Politik und Wirtschaft Verantwortung tragen und sie dazu bringen, großzügige und mutige Entscheidungen zu treffen, die zu unmittelbaren Resultaten führen, wie es bei der Entscheidung des Zachäus der Fall war. Ich frage mich, ob dieser Geist der Solidarität und des Miteinander-Teilens all unsere Gedanken und Taten lenkt?

Heute muss uns vor allem das Bewusstsein für die Würde jedes einzelnen unserer Brüder und Schwestern, deren Leben vom Augenblick der Empfängnis bis an das natürliche Lebensende heilig und unantastbar ist, dazu bringen, absolut unentgeltlich jene Güter zu teilen, die Gottes Vorsehung in unsere Hände gelegt hat, seien diese nun materieller oder intellektueller und geistlicher Art, und großzügig und in Fülle das zurückzuerstatten, was wir zuvor den anderen unrechtmäßig vorenthalten haben.

Der Bericht über Jesus und Zachäus lehrt uns, dass die Förderung einer großzügigen, effizienten und konkreten Öffnung den Bedürfnissen anderer Menschen gegenüber stets den Vorrang vor allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen und Theorien haben muss. Jesus fordert Zachäus keineswegs dazu auf, seine Arbeit zu wechseln, noch verurteilt er dessen Tätigkeit im Finanzwesen; er regt ihn lediglich dazu an, alles, was er hat, aus freien Stücken, aber unverzüglich und ganz unzweideutig zu Gunsten anderer Menschen zu verwenden. Ich zögere daher nicht, ebenso wie meine Vorgänger (vgl. Johannes Paul II., Sollicitudo rei socialis, 42-43; Centesimus annus, 43; Benedikt XVI., Caritas in veritate, 6; 24-40) zu erklären, dass ein fairer wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt nur dadurch erreicht werden kann, dass der wissenschaftliche und technische Fortschritt einhergeht mit der Verpflichtung zu unermüdlicher Solidarität, die auf allen Ebenen begleitet wird von einem großzügigen und uneigennützigen Geist der Unentgeltlichkeit. Zu dieser fairen Entwicklung tragen sowohl internationale Aktivitäten bei, die darauf abzielen, eine ganzheitliche menschliche Entwicklung aller Völker der Welt zu fördern, als auch die legitime Umverteilung der wirtschaftlichen Gewinne durch den Staat und der unverzichtbaren Zusammenarbeit zwischen der Privatwirtschaft und der bürgerlichen Gesellschaft.

Während ich Euch dazu ermutige, Eure Bemühungen fortzusetzen, die Aktivitäten der internationalen Organisationen zu koordinieren  was ein Dienst ist, der für die gesamte Menschheit geleistet wird –, lade ich Euch auch dazu ein, für die Förderung einer echten weltweiten ethischen Mobilisierung zusammenzuarbeiten, die jenseits aller religiösen oder politischen Differenzen das Ideal der Brüderlichkeit und Solidarität verbreitet und in Anwendung bringt, vor allem den ärmsten und am stärksten ausgegrenzten Menschen gegenüber.

Ich bitte Gott darum, Euch in der Arbeit Eures Rates zu führen, und rufe den besonderen Segen Gottes auf Sie herab, Herr Generalsekretär, sowie auf alle Präsidenten, Direktoren und Generalsekretäre, die hier unter uns weilen, wie auch auf das gesamte Personal der Vereinten Nationen und der anderen internationalen Organisationen einschließlich ihrer jeweiligen Familien. Herzlichen Dank!

 



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