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TREFFEN MIT DEN ITALIENISCHEN BISCHÖFEN ZUM ABSCHLUSS
DER 81. VOLLVERSAMMLUNG DER ITALIENISCHEN BISCHOFSKONFERENZ
[17.-20. November 2025]

ANSPRACHE VON PAPST LEO XIV.

Basilika Santa Maria degli Angeli in Assisi
Donnerstag, 20. November 2025

[Multimedia]

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Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, guten Tag!

Herzlich danke ich dem Kardinal und Vorsitzenden für seine Worte der Begrüßung und für die Einladung, heute zum Abschluss der 81. Vollversammlung bei euch zu sein. Und ich freue mich über meinen ersten, wenn auch nur sehr kurzen Aufenthalt in Assisi, ein sehr bedeutsamer Ort für die Botschaft des Glaubens, der Geschwisterlichkeit und des Friedens, die er ausstrahlt und die die Welt dringend braucht.

Hier hat der heilige Franziskus vom Herrn die Offenbarung empfangen, dass er »nach der Vorschrift des heiligen Evangeliums leben« soll (Test  14: FF  116). Denn Christus »wollte, obwohl er reich war, über alle Maßen, selber in der Welt mit der seligsten Jungfrau Maria, seiner Mutter, die Armut erwählen« (2BrGl  5: FF  182).

Auf Jesus zu blicken, das ist auch das Erste, wozu wir berufen sind. Der Grund für unser Hiersein ist in der Tat der Glaube an Ihn, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Wie ich euch bereits im Juni gesagt habe, geht es in der heutigen Zeit mehr denn je darum, »Jesus Christus in den Mittelpunkt zu stellen und den Menschen, dem in Evangelii gaudium  aufgezeigten Weg entsprechend, zu helfen, eine persönliche Beziehung zu Ihm zu leben, um die Freude des Evangeliums zu entdecken. In einer Zeit tiefer Zerrissenheit ist es notwendig, zu den Grundlagen unseres Glaubens, zum Kerygma  zurückzukehren« (Ansprache an die Bischöfe der Italienischen Bischofskonferenz, 17. Juni 2025). Und das gilt vor allem für uns: neu ausgehen vom Akt des Glaubens, der uns in Christus den Erlöser erkennen lässt und der in allen Bereichen des täglichen Lebens umgesetzt wird.

Wenn wir den Blick auf das Antlitz Jesu richten, können wir auch den Brüdern und Schwestern ins Angesicht blicken. Seine Liebe ist es, die uns drängt, auf sie zuzugehen (vgl. 2 Kor  5,14). Und der Glaube an Ihn, der unser Friede ist (vgl. Eph  2,14), fordert uns auf, allen das Geschenk seines Friedens anzubieten. Wir leben in einer von Spaltungen geprägten Zeit, und das sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext: Oft werden von Feindseligkeit und Gewalt geprägte Botschaften und Ausdrucksweisen verbreitet; beim Streben nach Effizienz bleiben die Schwächsten zurück; die Allmacht der Technologie schränkt die Freiheit ein; Einsamkeit mindert die Hoffnung, während zahlreiche Unsicherheiten als unbekannte Faktoren auf unserer Zukunft lasten. Und doch ermahnen uns das Wort und der Geist Gottes auch heute, Freundschaft, Geschwisterlichkeit und authentische Beziehungen in unseren Gemeinschaften aufzubauen, wo wir ohne Vorbehalte und Ängste zuhören und Spannungen ausgleichen müssen, um eine Kultur der Begegnung zu entwickeln und so eine Prophetie des Friedens für die Welt zu werden. Als der Auferstandene den Jüngern erscheint, sind seine ersten Worte: »Friede sei mit euch!« (Joh  20,19.21). Und sofort sendet er sie aus, wie der Vater ihn gesandt hat (V. 21): Das österliche Geschenk ist für sie bestimmt, damit es zu allen gelangt!

Meine Lieben, bei unserem letzten Treffen habe ich einige Koordinaten für eine Kirche abgesteckt, die das Evangelium lebt und Zeichen des Gottesreiches ist: Verkündigung der Heilsbotschaft, Frieden stiften, Förderung der Menschenwürde, Kultur des Dialogs, ein christliches Menschenbild. Heute möchte ich unterstreichen, dass diese Anforderungen den Perspektiven entsprechen, die auf dem syn-odalen Weg der Kirche in Italien zutage getreten sind. Euch als Bischöfen steht es jetzt zu, die pastoralen Leitlinien für die nächsten Jahre zu umreißen, und deshalb möchte ich euch einige Überlegungen anbieten, damit in und zwischen den Ortskirchen unseres Landes ein wahrhaft synodaler Geist wachsen und reifen kann.

Vor allem wollen wir nicht vergessen, was Synodalität ist: »Synodalität ist das gemeinsame Gehen der Christen mit Christus und auf das Reich Gottes zu, in Einheit mit der ganzen Menschheit« (Schlussdokument der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, 28). Vom Herrn empfangen wir die Gnade der Gemeinschaft, die unsere menschlichen und kirchlichen Beziehungen beseelt und ihnen Gestalt verleiht.

Was die Herausforderung einer wirksamen Gemeinschaft angeht, wünsche ich mir das Engagement aller, damit das Antlitz einer kollegialen Kirche Form annimmt, die gemeinsame Schritte und Entscheidungen teilt. Die Herausforderungen der Evangelisierung und die Veränderungen der letzten Jahrzehnte im demografischen, kulturellen und kirchlichen Bereich fordern uns demnach auf, beim Thema der Zusammenlegung von Diözesen keinen Rückzieher zu machen, vor allem dort, wo die Anforderungen der christlichen Verkündigung uns dazu einladen, gewisse territoriale Grenzen zu überwinden und unsere religiöse und kirchliche Identität offener zu gestalten, indem wir lernen, zusammenzuarbeiten und das pastorale Handeln durch die Bündelung unserer Kräfte neu zu denken. Mit dem Blick auf die Physiognomie der Kirche in Italien, verankert in den verschiedenen Territorien, und in Anbetracht der Anstrengungen und manchmal auch der Verunsicherung, die solche Entscheidungen mit sich bringen können, wünsche ich mir, dass die Bischöfe jeder Region eine sorgfältige Entscheidungsfindung vornehmen und vielleicht realistische Vorschläge für einige der kleinen Diözesen mit wenigen personellen Ressourcen unterbreiten, um zu prüfen, ob und wie sie ihren Dienst weiterhin anbieten können.

Was zählt ist, dass wir lernen, in diesem syn-odalen Stil zusammenzuarbeiten, und dass wir alle uns in den Ortskirchen dafür einsetzen, offene, gastfreundliche und aufnahmebereite Gemeinden aufzubauen, in denen die Beziehungen ihren Niederschlag finden in einer gegenseitigen Mitverantwortung zu-gunsten der Verkündigung des Evangeliums.

Synodalität, die die tatsächliche Ausübung der Kollegialität einschließt, erfordert nicht nur die Gemeinschaft unter euch und mit mir, sondern auch ein aufmerksames Zuhören und eine ernsthafte Unterscheidung bezüglich der Anliegen des Volkes Gottes. Mit dem Ziel einer gemeinsamen Mitverantwortung muss die Koordination zwischen dem Dikas-terium für die Bischöfe und der Apostolischen Nuntiatur eine umfassendere Teilnahme von Personen an der Konsultation im Hinblick auf die Ernennung neuer Bischöfe unterstützen können, zusätzlich zur Anhörung der amtierenden Ortsordinarien und derer, die sich anschicken, ihren Dienst zu beenden.

Erlaubt mir, euch auch zu diesem letzten Aspekt einige Hinweise zu geben. Eine synodale Kirche, die auf dem Boden der Geschichte vorangeht und sich den neuen Herausforderungen der Evangelisierung stellt, muss sich beständig erneuern. Es ist zu vermeiden, dass trotz guter Absichten Trägheit die notwendigen Veränderungen verlang-samt. In diesem Zusammenhang müssen wir alle die innere Haltung pflegen, die Papst Franziskus als »Lernen, Abschied zu nehmen« bezeichnet hat, eine wertvolle Haltung, wenn man sich darauf vorbereiten muss, sein Amt niederzulegen. Es ist gut, dass die Regel der 75 Jahre für das Ende des Dienstes der Ordinarien in den Diözesen eingehalten wird, und nur im Falle der Kardinäle kann eine Fortsetzung des Dienstes, gegebenenfalls für weitere zwei Jahre, in Betracht gezogen werden.

Liebe Brüder, auf die Sendung der Kirche in Italien zurückkommend, möchte ich euch bitten, euch an den Weg zu erinnern, der seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zurückgelegt wurde und der durch die nationalen kirchlichen Treffen geprägt war. Und ich fordere euch auf, dafür zu sorgen, dass eure Diözesan- und Pfarrgemeinden diese Erinnerung nicht verlieren, sondern sie lebendig bewahren, denn das ist für die Kirche wesentlich: sich an den Weg zu erinnern, den der Herr uns durch die Zeit in der Wüste zurücklegen lässt (vgl. Dtn  8).

So kann und muss die Kirche in Italien weiterhin einen ganzheitlichen Humanismus fördern, der den existenziellen Weg des Einzelnen und der Gesellschaft unterstützt und begleitet; ein Bewusstsein für das Menschliche, das den Wert des Lebens und die Sorge um jedes Geschöpf hervorhebt und prophetisch in die öffentliche Debatte eingreift, um eine Kultur der Legalität und Solidarität zu verbreiten.

In diesem Zusammenhang darf die Herausforderung, vor die uns die digitale Welt stellt, nicht vergessen werden. Die Pastoral kann sich nicht darauf beschränken, die Medien zu »nutzen«, sondern sie muss dazu erziehen, die digitale Welt auf menschliche Weise zu bewohnen, ohne dass die Wahrheit in der Vervielfachung der Vernetzungen verloren geht, damit das Internet wirklich ein Raum der Freiheit, der Verantwortung und der Geschwisterlichkeit sein kann.

Den Weg gemeinsam gehen, ihn mit allen zusammen gehen, bedeutet auch, eine Kirche zu sein, die unter den Menschen lebt, ihre Fragen aufgreift, ihre Leiden lindert, ihre Hoffnungen teilt. Bleibt weiterhin den Familien, den jungen und den älteren Menschen und denen, die in Einsamkeit leben, nahe. Engagiert euch weiter in der Sorge für die Armen: Die überall auf dem Territorium verwurzelten christlichen Gemeinschaften, die vielen pastoralen und ehrenamtlichen Mitarbeiter, die Diözesan- und Pfarrcaritas leisten bereits großartige Arbeit in diesem Sinne, und dafür bin ich euch dankbar.

Im Zusammenhang mit dieser Sorge möchte ich euch auch die Aufmerksamkeit für die Kleinsten und Schwächsten ans Herz legen, damit sich eine Kultur der Prävention gegen jede Form von Missbrauch entwickelt. Die Opfer aufnehmen und ihnen zuhören sind das authentische Merkmal einer Kirche, die in ihrer gemeinschaftlichen Bekehrung die Wunden zu erkennen weiß und die sich bemüht, sie zu lindern, denn »wo der Schmerz tief ist, muss die Hoffnung, die aus der Gemeinschaft entsteht, noch stärker sein« (Gebetsvigil aus Anlass des Jubiläums des Trostes, 15. September 2025). Ich danke euch für das, was ihr bereits getan habt, und ermutige euch, euer Engagement für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen fortzusetzen.

Liebe Brüder, an diesem Ort lebten der heilige Franziskus und die ersten Brüder in vollem Umfang das, was wir heute als »synodalen Stil« bezeichnen. Denn gemeinsam gingen sie die verschiedenen Etappen ihres Weges; gemeinsam begaben sie sich zu Papst Innozenz III.; gemeinsam vervollkommneten und bereicherten sie Jahr für Jahr den ursprünglichen Text, der dem Papst vorgelegt worden war und der, wie Thomas von Celano sagt, »vor allem aus Worten des Evangeliums« (1Cel  32: FF  372) zusammengesetzt war, bis er zu dem wurde, was wir heute als erste Regel kennen. Diese überzeugte Entscheidung für die Brüderlichkeit, die zusammen mit der Minorität das Herzstück des franziskanischen Charismas bildet, war von einem unerschrockenen und beharrlichen Glauben inspiriert.

Möge das Beispiel des heiligen Franziskus auch uns die Kraft geben, von einem authentischen Glauben inspirierte Entscheidungen zu treffen und als Kirche Zeichen und Zeugnis des Reiches Gottes in der Welt zu sein. Danke!