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BRIEF VON PAPST FRANZISKUS
AN DEN GROSSKANZLER DER "PONTIFICIA UNIVERSIDAD CATÓLICA ARGENTINA"
ZUM HUNDERTJÄHRIGEN JUBILÄUM
 DER THEOLOGISCHEN FAKULTÄT

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An den verehrten Bruder                                                                                                                            Aus dem Vatikan, am 3. März 2015
Kardinal Mario Aurelio Poli,
Großkanzler der Katholischen Universität Argentiniens

 

Lieber Bruder,

die Feier des hundertjährigen Bestehens der theologischen Fakultät der Katholischen Universität ist ein bedeutender Moment für die Kirche in Argentinien. Das Jubiläum fällt mit dem fünfzigsten Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils zusammen, das eine Aktualisierung, eine Relecture des Evangeliums aus der Perspektive der gegenwärtigen Kultur war. Es hat eine irreversible, vom Evangelium ausgehende Erneuerungsbewegung hervorgebracht. Und jetzt muss man vorangehen.

Wie aber soll man vorangehen? Theologie lehren und studieren bedeutet, in einem Grenzbereich zu leben, dort, wo das Evangelium auf die Nöte der Menschen trifft – ihnen ist es in verständlicher und signifikanter Weise zu verkünden. Wir müssen uns vor einer Theologie hüten, die sich im akademischen Disput erschöpft oder die die Menschheit von einem Glaspalast aus betrachtet. Man lernt für das Leben: Theologie und Heiligkeit gehören untrennbar zusammen.

Die Theologie, die ihr ausarbeitet, soll also in der Offenbarung und der Tradition verwurzelt und auf sie gegründet sein, aber auch die kulturellen und gesellschaftlichen Prozesse begleiten, besonders die schwierigen Übergänge. In dieser Zeit muss die Theologie sich auch der Konflikte annehmen: nicht nur jener, die wir innerhalb der Kirche erleben, sondern auch jener, die die ganze Welt betreffen und die auf den Straßen Lateinamerikas zu finden sind. Gebt euch nicht mit einer am Reißbrett entworfenen Theologie zufrieden. Der Ort eures Nachdenkens sollen die Grenzbereiche sein. Und verfallt nicht der  Versuchung, sie zu lackieren, zu parfümieren, sie ein wenig zurechtzurücken und sie einzufrieden. Auch die guten Theologen riechen wie die guten Hirten nach Volk und nach Straße und gießen mit ihren Überlegungen Öl und Wein auf die Wunden der Menschen.

Die Theologie soll Ausdruck einer Kirche sein, die „Feldlazarett“ ist und ihre Sendung des Heils und der Heilung in der Welt lebt. Die Barmherzigkeit ist nicht nur eine seelsorgliche Haltung, sondern sie ist das eigentliche Wesen des Evangeliums Jesu. Ich ermutige euch zu studieren, wie sich in den verschiedenen Disziplinen – Dogmatik, Moral, Spiritualität, Recht usw. – die Zentralität der Barmherzigkeit widerspiegeln kann.

Ohne die Barmherzigkeit laufen unsere Theologie, unsere Rechtslehre und unsere Seelsorge Gefahr, in die bürokratische Engstirnigkeit abzurutschen oder in die Ideologie, die von Natur aus dem Mysterium die Flügel stutzen will. Die Theologie verstehen heißt Gott verstehen, der die Liebe ist.

Was ist also der Typ des Theologen, der an der Katholischen Universität Argentiniens ausgebildet werden soll? Sicher kein „Museumstheologe“, der Daten und Informationen über die Offenbarung anhäuft, ohne jedoch zu wissen, was er eigentlich damit anfangen soll. Und ebenso wenig ein „Zaungast“ der Geschichte. Der an der Katholischen Universität Argentiniens ausgebildete Theologe soll ein Mensch sein, der fähig ist, Menschlichkeit um sich zu verbreiten, die göttliche Wahrheit des Christentums unter wahrhaft menschlichem Aspekt zu vermitteln, und nicht ein Intellektueller ohne Talent, ein Moralist ohne Güte oder ein Bürokrat des Heiligen.

Ich bitte die Muttergottes, Sitz der Weisheit und Mutter der göttlichen Gnade, uns bei dieser Jahrhundertfeier zu begleiten. Bitte grüße die Studenten, die Angestellten, die Professoren und die Verantwortlichen der Fakultät; sie sollen nicht vergessen, für mich zu beten. Jesus segne Dich, und die heilige Jungfrau beschütze Dich.

In brüderlicher Verbundenheit,

Franziskus

 

 



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