HEILIGE MESSE ZUM BEGINN DES GENERALKAPITELS DES AUGUSTINERORDENS
PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Basilika "Sant'Agostino", Rom
Mittwoch, 28. August 2013
»Du hast uns auf dich hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir« (Bekenntnisse, I,1,1). Mit diesen berühmt gewordenen Worten wendet sich der hl. Augustinus in seinen Bekenntnissen an Gott, und in diesen Worten liegt die Synthese seines ganzen Lebens.
»Ruhelosigkeit«. Dieses Wort beeindruckt mich und führt mich zum Nachdenken. Ich möchte von einer Frage ausgehen: Welche grundlegende Ruhelosigkeit lebt Augustinus in seinem Leben? Oder vielleicht müsste ich besser sagen: Welche Arten von Unruhe lädt uns dieser große Mann und Heilige ein, zu erwecken und in unserem Leben lebendig zu erhalten? Ich möchte drei vorschlagen: die Ruhelosigkeit der geistlichen Suche, die Ruhelosigkeit der Begegnung mit Gott, die Ruhelosigkeit der Liebe.
1. Die erste: die Ruhelosigkeit der geistlichen Suche. Augustinus macht eine Erfahrung, die heutzutage ziemlich verbreitet ist: ziemlich verbreitet unter den Jugendlichen von heute. Er wird von der Mutter Monika im christlichen Glauben erzogen, auch wenn er nicht die Taufe empfängt, aber als er größer wird, entfernt er sich davon, er findet in ihm keine Antwort auf seine Fragen, auf die Wünsche seines Herzens und wird von anderen Angeboten angezogen. Er schließt sich der Gruppe der Manichäer an, er widmet sich mit Hingabe seinem Studium, verzichtet nicht auf gedankenloses Vergnügen, auf die Schauspiele jener Zeit, intensive Freundschaften, er erlebt eine tiefe Liebe und schlägt eine brillante Karriere als Rhetoriklehrer ein, die ihn bis an den kaiserlichen Hof nach Mailand führt. Augustinus ist ein »gemachter« Mann, er hat alles, aber in seinem Herzen bleibt die Unruhe der Suche nach dem tiefen Sinn des Lebens; sein Herz schläft nicht, ich würde sagen, es ist nicht betäubt vom Erfolg, von den Dingen, von der Macht. Augustinus verschließt sich nicht in sich selbst, er macht es sich nicht bequem, er fährt fort, die Wahrheit zu suchen, den Sinn des Lebens, er hört nicht auf, das Antlitz Gottes zu suchen. Sicherlich begeht er einige Fehler, schlägt auch falsche Wege ein, sündigt, er ist ein Sünder; aber er verliert die Ruhelosigkeit der geistlichen Suche nicht. Und auf diese Weise entdeckt er Gott, der auf ihn wartete, ja der vielmehr nie aufgehört hatte, ihn als Erster zu suchen.
Denen, die sich Gott, dem Glauben gegenüber gleichgültig fühlen; denen, die weit von Gott entfernt sind oder ihn aufgegeben haben, und auch uns mit unserem »Abstandnehmen« und unserem »Im-Stich-Lassen« Gott gegenüber, das gering sein mag, von dem es aber so viel im täglichen Leben gibt, möchte ich sagen: Blicke in die Tiefe deines Herzens, blicke in dein Inneres und frage dich: Hast du ein Herz, das etwas Großes will, oder ein Herz, das von den Dingen eingeschläfert ist? Hat dein Herz die Ruhelosigkeit der Suche bewahrt oder hast du zugelassen, dass es von den Dingen erstickt wird, die es letztlich schrumpfen lassen? Gott wartet auf dich, er sucht dich: Was antwortest du ihm? Bist du dir dieser Situation deiner Seele bewusst? Oder schläfst du? Glaubst du, dass Gott auf dich wartet, oder besteht diese Wahrheit für dich nur aus »Worten«?
2. Bei Augustinus ist es gerade diese Unruhe des Herzens, die ihn zur persönlichen Begegnung mit Christus führt, die ihn dazu führt zu verstehen, dass jener Gott, den er weit weg von sich suchte, vielmehr der jedem Menschen nahe Gott ist, der unserem Herzen nahe Gott, innerlicher als unser Innerstes (vgl. ebd., III,6,11). Aber auch in der Entdeckung und Begegnung mit Gott bleibt Augustinus nicht stehen, macht es sich nicht bequem, verschließt sich nicht in sich selbst, wie jemand, der bereits angekommen ist, sondern er setzt den Weg fort. Die Unruhe der Suche nach der Wahrheit, der Suche nach Gott, wird zur Unruhe, ihn immer mehr kennenzulernen und aus sich herauszugehen, um ihn anderen bekannt zu machen. Das ist gerade diese Ruhelosigkeit der Liebe. Er würde sich ein ruhiges Leben des Studiums und des Gebets wünschen, aber Gott beruft ihn, Hirte von Hippo zu sein, in einem schwierigen Augenblick, mit einer gespaltenen Gemeinschaft und dem Krieg vor den Toren. Und Augustinus lässt sich von Gott beunruhigen, er wird nicht müde, ihn zu verkünden, mutig zu evangelisieren, ohne Furcht, er bemüht sich, das Bild des Guten Hirten Jesus zu sein, der seine Schafe kennt (vgl. Joh 10,14), ja der, wie ich gerne zu sagen pflege, »den Geruch seiner Herde riecht« und hinausgeht, um die Verlorenen zu suchen.
Augustinus lebt das, worauf der hl. Paulus Timotheus und jeden von uns hinweist: Verkünde das Wort, unermüdlich, ob man es hören will oder nicht, verkünde das Evangelium mit dem großmütigen, großen Herzen (vgl. 2 Tim 4,2) eines Hirten, der keine Ruhe hat wegen seiner Schafe. Der Schatz des hl. Augustinus ist gerade diese Haltung: immer zu Gott hin hinausgehen, immer zur Herde hinausgehen Er ist ein Mann in der Spannung zwischen diesen beiden Arten des Hinausgehens; die Liebe nicht »privatisieren« immer auf dem Weg! Immer auf dem Weg, sagten Sie, Pater. Immer ruhelos! Und das ist der Friede der Ruhelosigkeit. Wir können uns fragen: Bin ich ruhelos für Gott, um ihn zu verkünden, ihn bekannt zu machen? Oder lasse ich mich von der geistlichen Weltlichkeit faszinieren, die dazu verleitet, alles aus Liebe zu sich selbst zu tun? Wir Geweihte, wir denken an die persönlichen Interessen, an die Funktionalität der Werke, an das Karrierestreben. So Vieles können wir denken Habe ich es mir sozusagen »bequem« gemacht in meinem Leben als Christ, als Priester, in meinem religiösen Leben, auch in meinem Gemeinschaftsleben, oder bewahre ich die Kraft der Ruhelosigkeit für Gott, für sein Wort, die mich dazu führt »hinauszugehen«, auf die anderen zuzugehen?
3. Kommen wir zur letzten Unruhe, die Unruhe der Liebe. Hier ist es unmöglich, nicht auf die Mutter zu blicken: diese Monika! Wie viele Tränen hat diese heilige Frau vergossen für die Bekehrung ihres Sohnes! Und wie viele Mütter vergießen auch heute Tränen, damit ihre Kinder zu Christus zurückkehren! Verliert nicht die Hoffnung auf die Gnade Gottes! In den Bekenntnissen lesen wir den folgenden Satz, den ein Bischof zur hl. Monika gesagt hat, die darum bat, ihrem Sohn zu helfen, den Weg des Glaubens wiederzufinden: »Es ist unmöglich, dass ein Sohn solcher Tränen verlorengehe « (III,12,21). Augustinus selbst schreibt nach seiner Bekehrung, indem er sich an Gott wendet: »da für mich meine Mutter, deine Getreue, zu dir weinte, mehr als sonst die Mütter über den leiblichen Tod ihrer Kinder weinen« (ebd., III,11,19). Eine ruhelose Frau, diese Frau, die schließlich jenes schöne Wort sagt: »cumulatius hoc mihi Deus praestitit! [Über mein Hoffen hinaus hat Gott mir meine Bitte erfüllt] (ebd., IX,10,26). Das, worum sie geweint hatte, hatte Gott ihr in überreichem Maße geschenkt! Und Augustinus ist der Erbe von Monika, von ihr empfängt er den Samen der Ruhelosigkeit.
Das ist sie, die Unruhe der Liebe: immer, unermüdlich das Wohl des anderen suchen, des geliebten Menschen, mit jener Intensität, die auch zu Tränen führt. Ich denke an Jesus, der vor dem Grab des Freundes Lazarus weint; an Petrus, der, nachdem er Jesus verleugnet hat, seinem Blick voller Barmherzigkeit und Liebe begegnet und der bitterlich weint; an den Vater, der auf der Terrasse des Hauses die Rückkehr des Sohnes erwartet und ihm entgegenläuft, als er noch weit weg ist; ich denke an die Jungfrau Maria, die ihrem Sohn liebevoll bis zum Kreuz folgt. Wie stehen wir zur Unruhe der Liebe? Glauben wir an die Liebe zu Gott und zu den anderen? Oder sind wir diesbezüglich Nominalisten? Nicht abstrakt, nicht nur Worte, sondern den konkreten Bruder, dem wir begegnen, der Bruder, der an unserer Seite ist! Lassen wir uns beunruhigen von seinen Bedürfnissen und Nöten oder bleiben wir in uns selbst verschlossen, in unsere Gemeinschaft, die oftmals für uns »Kommunität der Bequemlichkeit« [ital. »comunità-comodità«] ist? Zuweilen kann man in einem Mietshaus wohnen, ohne denjenigen zu kennen, der neben uns lebt; oder man kann in einer Gemeinschaft sein, ohne seinen eigenen Mitbruder wirklich zu kennen: mit Schmerz denke ich an die Gottgeweihten, die nicht fruchtbar sind, die »vertrocknete Junggesellen « sind. Die Ruhelosigkeit der Liebe treibt immer dazu an, dem anderen entgegenzugehen, ohne darauf zu warten, dass der andere sein Bedürfnis zum Ausdruck bringt. Die Ruhelosigkeit der Liebe schenkt uns die Gabe der pastoralen Fruchtbarkeit, und wir müssen uns fragen, jeder von uns: Wie ist es um meine geistliche Fruchtbarkeit bestellt, meine pastorale Fruchtbarkeit?
Bitten wir den Herrn für euch, liebe Augustiner, die ihr das Generalkapitel beginnt, und für uns alle, dass er in unserem Herzen die geistliche Unruhe erhalten möge, ihn immer zu suchen, die Unruhe, ihn mutig zu verkünden, die Ruhelosigkeit der Liebe zu jedem Bruder und zu jeder Schwester. So sei es.
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