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MESSAGGIO DEL SANTO PADRE ALL’ARCIVESCOVO DI HAMBURG, S.E. MONS. LUDWIG AVERKAMP, 02.06.2000


MESSAGGIO DEL SANTO PADRE ALL’ARCIVESCOVO DI HAMBURG, S.E. MONS. LUDWIG AVERKAMP

Pubblichiamo di seguito il Messaggio che Giovanni Paolo II ha inviato all’Arcivescovo di Hamburg, S.E. Mons Ludwig Averkamp, in occasione del 94mo Katholikentag:

Meinem verehrten Bruder

Ludwig Averkamp

Erzbischof von Hamburg

Verehrter Mitbruder!

Liebe Schwestern und Brüder!

1. "Sein ist die Zeit." Unter diesem Leitwort seid Ihr zum 94. Deutschen Katholikentag in Hamburg zusammengekommen. Aus Rom grüße ich alle, die zum Festgottesdienst auf dem Fischmarkt in der alten Hansestadt versammelt sind, und jene, die über Radio und Fernsehen an dieser Eucharistiefeier Anteil nehmen. Der Friede des Auferstandenen sei mit Euch! Ein besonderer Gruß gilt Ihnen, lieber Herr Erzbischof Averkamp. Sie haben sich bereit erklärt, in diesem Jahr den Katholikentag zu beherbergen, und sich auch inhaltlich in dessen Gestaltung eingebracht. Zusammen mit Ihnen grüße ich alle Bischöfe aus Deutschland und vielen Ländern der Erde, besonders die anwesenden Herren Kardinäle und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Karl Lehmann.

2. "Sein ist die Zeit." Ich freue mich, daß Ihr Euch mit diesem Motto in den großen Rahmen stellen wollt, den ich für das Jubeljahr 2000 abgesteckt habe: "Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit" (Hebr 13,8). Auch das gewählte Logo ist sehr passend: Ihr habt Euch für das Symbol der Sanduhr entschieden, um dem Thema des Katholikentages eine augenfällige Prägung zu geben.

Unsere Vorfahren haben mit der Sanduhr die Zeit gemessen. Heute gebraucht der Mensch Quarz- und Digitaluhren. Ihr Vorteil liegt darin, daß sie bis auf die Sekunde genau die Zeit angeben. Doch gleichzeitig lassen die modernen Uhren eine Botschaft in den Hintergrund treten, die gerade die Sanduhr in sprechender Weise zu vermitteln vermag: Der Sand rinnt aus dem oberen Glas in das untere. Das Los des Sandes gleicht dem Schicksal der Zeit. Die Zeit vergeht, sie hat ein Ende. Sie läuft ab und wird weniger. Sie ist wie ein begrenzter Vorrat an Jahren, der uns geschenkt ist.

3. Erst vor wenigen Wochen durfte ich meinen achtzigsten Geburtstag feiern. Ich möchte die Gelegenheit nützen, an dieser Stelle für die vielen guten Worte, ermutigenden Gesten und aufmerksamen Zeichen zu danken, die mir Katholiken, Christen und Menschen guten Willens aus Deutschland zukommen ließen. Die festlichen Tage, die mir bereitet wurden, waren für mich vor allem ein Anlaß, Dank zu sagen an Gott, meinen Schöpfer, der mich ins Leben gerufen hat. Zugleich haben sie mich erneut in der Erkenntnis bestärkt, daß Gott ein großzügiger Geber ist: Indem er das Leben einhaucht, schenkt er auch Zeit. Die Zeit, die uns zur Verfügung steht, ist ein Geschenk, das Gott uns anbietet.

Es hängt von uns ab, was wir aus diesem Geschenk machen. Der Mensch kann die Zeit vertreiben oder verlieren, er kann sie vertun oder sogar totschlagen. Doch es gibt noch andere Möglichkeiten. Die Zeit ist uns geschenkt, damit wir sie nützen und füllen. Erfüllte Zeit ist so wertvoll, daß wir sie als kostbare Gabe weiterschenken können. Wenn das Sprichwort sagt: "Zeit ist Geld", dann antwortet der Christ: "Zeit ist mit Geld nicht zu bezahlen. Zeit ist mehr als Gold wert".

Ich wünsche Euch, liebe Schwestern und Brüder: Seid großzügig im Schenken von Zeit! Schenkt einander Zeit: die Hirten ihren Gemeinden und die Gemeinden ihren Hirten, die Männer ihren Frauen und umgekehrt, die Kinder den Eltern, die Jungen den Alten, die Gesunden den Kranken, einer dem anderen. Wer dem anderen Zeit gibt, schenkt ihm Leben.

4. Der Umgang mit der Zeit hat viel mit dem Glauben zu tun. Gott hat Zeit. Er hat sich Zeit gelassen für uns Menschen. Indem er sich durch die Menschwerdung seines Sohnes in die Zeit eingelassen hat, ist er unser Zeit-Genosse geworden. In Jesus Christus ist die Zeit erfüllt. Sie hat eine Mitte bekommen. Im Ablauf des Chronos schlägt die Stunde des großen Kairos: "Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt" (Gal 4,4). Zweitausend Jahre nach diesem Ereignis haben wir Grund zum Jubel. In diesem Heiligen Jahr will uns die Erkenntnis neu durchdringen, daß "Christus derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit" (Hebr 13,8). "Denn die Kirche respektiert die Zeitmaße: Stunden, Tage, Jahre, Jahrhunderte. (...) Sie macht gleichzeitig einem jeden bewußt, daß jedes dieser Zeitmaße erfüllt ist von der Gegenwart Gottes und seinem Heilswirken" (Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 16). Sein ist also jede Zeit, die wir von Ihm füllen lassen.

Gerade deshalb kommt der Kirche ein Dienst zu, den sie für die Menschen unserer Tage stellvertretend tut. Die Kirche hat ein Wächteramt inne. Sie ist beauftragt, unablässig an das Kommen des Herrn zu erinnern und die Zeitgenossen aufzuwecken aus dem Schlaf der Sicherheit und Bequemlichkeit. Ich bin sicher, daß die Katholiken in Deutschland diesem Weckdienst treu bleiben werden. Es gibt verschiedene Themen, bei denen ihre Stimme gefragt ist. Der Schutz des menschlichen Lebens in jeder Phase von der Zeugung bis zum natürlichen Tod; die Verteidigung der unveräußerlichen Werte von Ehe und Familie, wie sie der Schöpfungsordnung entsprechen; die Wahrung der Sonntagskultur in einer von ökonomischen Interessen bestimmten Gesellschaft; die Gastfreundschaft gegenüber Fremden in Eurer Heimat; der Einsatz für das christliche Menschenbild in Eurem wiedervereinigten Vaterland: Das sind nur einige der vielen Anliegen, über deren Erfüllung wir gerade heute wachen müssen.

In diesem Zusammenhang lege ich Euch ein besonderes Anliegen ans Herz: Die Einheit sei Euch ein hohes Gut! Laßt Euch in Euren Initiativen von keiner irdischen Macht auseinanderdividieren! Wenn die Kirche das pilgernde Volk Gottes ist, dann gibt es für alle, die zu diesem Volk gehören, nur einen einzigen Weg durch die Zeit, den Weg des Miteinander. Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien - wir alle sind Kirche. Nur gemeinsam sind wir stark. Jesus Christus hat nur eine einzige Kirche gegründet, erbaut auf dem Fundament der Apostel und geeint um Petrus den Fels (vgl. Mt 16,18). Ich bete für Euch, daß sich erfüllt, was der heilige Paulus einst an die Römer geschrieben hat: "Der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preist" (Röm 15,5).

5. Das Programm des Katholikentages ist ein Spiegel für die Vielfalt und Lebendigkeit der Kirche in Eurem Land. Mit Dankbarkeit und Wertschätzung betrachte ich das bunte Bild, das dieser Spiegel darbietet. Neben den zahlreichen Gottesdiensten und Veranstaltungen mit spirituellem Charakter finden sich auch Begegnungen und Gesprächsrunden, die zeigen, daß die Kirche in Deutschland bereit ist, auf die Zeichen der Zeit zu hören und sie im Lichte Gottes zu deuten. Der Katholikentag will eine Art Areopag sein zur Prüfung und zum Austausch, zum Dialog und zum gemeinsamen Handeln. Für diese geistliche Unternehmung, der Ihr in diesem Jahr eine besondere ökumenische Note geben wolltet, wünsche ich Euch den Heiligen Geist, der auch der Geist der Unterscheidung ist.

6. Liebe Schwestern und Brüder!

Gern komme ich noch einmal auf die Sanduhr zurück, die eine weitere wertvolle Botschaft birgt. Der Sand, der aus dem oberen Glas nach unten rinnt, deutet nicht nur darauf hin, daß die Zeit vergeht. Der Sand ist gleichsam ein Botschafter der christlichen Hoffnung. Denn er läuft nicht ins Leere. Im unteren Glas wird er aufgefangen und gesammelt. Die Schale der Sanduhr erinnert mich an Gottes Hände, die er uns hinhält. In seine Hände dürfen wir uns fallen lassen. Sie fangen unsere Zeit auf. Die Zeit liegt in Gottes guten Händen. Jeden Abend beten wir in der Komplet: "Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben". Diese Bitte betrifft nicht nur einzelne; sie ist ein Abendgebet, das sich alle zu eigen machen können, die das Gelingen ihrer täglichen Mühen und Arbeiten letztlich Gott anheimstellen, dem Herrn der Zeiten.

"Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben". Wer so betet, dessen Zeit wird von Gott gesegnet. Maria, die ihr Leben wie kein anderer Mensch in die Hand Gottes gelegt hat, rufe ich als Wegbegleiterin an. Sie schütze und geleite die Kirche in Deutschland auf ihrem

Weg durch die Zeit. Euch allen, die Ihr in Hamburg versammelt seid, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 23. Mai 2000

IOANNES PAULUS PP. II

[01282-05.01] [Originalsprache: Deutsch]