ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE MITGLIEDER DER UNION DER GENERALOBEREN
(U.S.G.)
Synodenhalle
Samstag, 26. November 2022
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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag und willkommen!
Ich freue mich, euch alle zu empfangen, die Mitglieder der Union der Generaloberen, gemeinsam mit dem Erzbischof und Sekretär des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens. Für seine freundlichen Worte danke ich P. Arturo Sosa.
Bei eurer Versammlung habt ihr auf der Grundlage der Enzyklika Fratelli tutti das Thema der Berufung, Friedensstifter zu sein, behandelt. Das ist ein dringender Appell an uns alle, insbesondere an die geweihten Personen: Friedensstifter zu sein, jenes Friedens, den der Herr uns geschenkt hat, und der uns spüren lässt, dass wir alle Geschwister sind: »Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch« (Joh 14,27).
Welchen Frieden gibt Jesus uns und inwiefern unterscheidet er sich vom Frieden, wie die Welt ihn gibt? Wenn wir das Wort »Frieden« hören, denken wir in der heutigen Zeit vor allem an eine Situation, wo es keinen Krieg gibt oder der Krieg zu Ende ist, einen Zustand der Ruhe und des Wohlstands. Aber wir wissen, dass dies nicht ganz der Sinn des hebräischen Wortes Shalom ist, das im biblischen Kontext eine reichere Bedeutung hat.
Der Friede Jesu ist vor allem anderen sein Geschenk, Frucht der Liebe. Er ist nie eine Errungenschaft des Menschen; ausgehend von dieser Gabe ist er das harmonische Ganze der Beziehungen zu Gott, zu sich selbst, zu den anderen und zur Schöpfung. Frieden ist auch die Erfahrung der Barmherzigkeit, der Vergebung und des Wohlwollens Gottes, die uns unsererseits fähig macht, Barmherzigkeit und Vergebung zu üben und jede Form von Gewalt und Unterdrückung abzulehnen. Daher ist der Friede Gottes als Gabe untrennbar verbunden damit, Stifter und Zeugen des Friedens zu sein, wie es in Fratelli tutti heißt: »Es sind Friedensstifter vonnöten, die bereit sind, einfallsreich und mutig Prozesse zur Heilung und zu neuer Begegnung einzuleiten« (Nr. 225).
Der heilige Paulus erinnert uns daran, dass Jesus die trennende Wand der Feindschaft zwischen den Menschen niedergerissen und sie in Gott miteinander versöhnt hat (vgl. Eph 2,14-16). Diese Versöhnung bestimmt die Art und Weise, wie man »Frieden stiftet« (Mt 5,9), denn dieser ist, wie wir bereits gesagt haben, nicht bloß die Abwesenheit von Krieg und ebenso wenig das bloße Gleich-gewicht entgegengesetzter Kräfte (vgl. Gaudium et spes , 78). Er ist vielmehr gegründet auf die Anerkennung der Würde des Menschen und erfordert eine Ordnung, zu der untrennbar voneinander Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit beitragen (vgl. Fratelli tutti, 227).
»Frieden stiften«, das ist aus diesem Grund eine handwerkliche Arbeit, die mit Leidenschaft, Geduld und Beharrlichkeit vorangebracht werden muss, weil sie ein fortdauernder Prozess ist (vgl. ebd., 226). Der Friede ist kein Industrieprodukt, sondern ein handwerklich gestaltetes Objekt. Er verwirklicht sich nicht auf mechanische Weise, sondern benötigt den klugen Beitrag des Menschen. Er wird nicht in Serie hergestellt, durch technischen Fortschritt, sondern er erfordert menschliche Entwicklung. Daher darf man die Friedensprozesse nicht den Diplomaten oder Militärs überlassen: der Friede liegt in der Verantwortung aller und jedes einzelnen.
»Selig, die Frieden stiften« (Mt 5,9). Selig sind wir, die Gottgeweihten, wenn wir uns dafür einsetzen, mit unserem täglichen Tun, mit Haltungen und Gesten des Dienens, der Geschwisterlichkeit, des Dialogs, der Barmherzigkeit die Samen des Friedens zu säen, und wenn wir die Gabe des Friedens im Gebet unaufhörlich von Jesus Christus erflehen, der »unser Friede« (Eph 2,14) ist. So kann das geweihte Leben zu einer Prophetie dieser Gabe werden, wenn die Geweihten lernen, sie zu ihrem Handwerk zu machen, angefangen bei den eigenen Gemeinschaften, indem sie in und außerhalb der Gemeinschaft Brücken bauen und keine Mauern. Wenn jeder dazu beiträgt, indem er mit Liebe seine Pflichten erfüllt, dann herrscht Frieden in der Gemeinschaft. Die Welt braucht uns Gottgeweihte auch als Friedensstifter!
Diese Reflexion über den Frieden, Brüder und Schwestern, führt mich zum Nachdenken über ein weiteres Merkmal des geweihten Lebens: die Synodalität, diesen Prozess, in den wir alle als Glieder des heiligen Gottesvolkes eintreten sollen. Als Geweihte sind wir in besonderer Weise gehalten, daran teilzunehmen, insofern das geweihte Leben von seinem Wesen her synodal ist. Es verfügt auch über viele Strukturen, die die Synodalität unterstützen können: Ich denke an die General-, Provinzial- oder Regionalkapitel, an die brüderlichen Besuche oder kanonischen Visitationen, an die Versammlungen, Kommissionen und weitere Strukturen der einzelnen Institute.
Ich danke allen, die zu diesem Weg beigetragen haben und dies weiterhin tun, auf unterschiedlichen Ebenen und den verschiedenen Bereichen der Teilnahme. Danke, dass ihr eure Stimme als Geweihte zu Gehör bringt. Aber wie wir wissen, reicht es nicht aus, über synodale Strukturen zu verfügen: es ist notwendig, sie zu »überprüfen« und sich dabei vor allem zu fragen: Wie werden diese Strukturen vorbereitet und genutzt? In diesem Zusammenhang muss die Ausübung des Dienstes der Autorität ebenfalls überprüft und vielleicht auch korrigiert werden. Denn es ist notwendig, wachsam zu sein in Bezug auf die Gefahr, dass dieser zu autoritären, zuweilen despotischen Formen degeneriert, mit Missbrauch des Gewissens oder spirituellem Missbrauch, die auch ein Terrain für sexuellen Missbrauch sind, weil man die Person und ihre Rechte nicht mehr respektiert. Und darüber hinaus gibt es das Risiko, dass Autorität als Privileg ausgeübt wird, und zwar durch den, der sie besitzt, oder den, der sie unterstützt, das heißt auch als eine Art Komplizenschaft zwischen den Beteiligten, damit jeder letztendlich tun kann, was er will, wodurch paradoxerweise eine Art Anarchie begünstigt wird, die der Gemeinschaft sehr großen Schaden zufügt.
Ich wünsche, dass der Dienst der Autorität immer in einem synodalen Stil ausgeübt werden soll, unter Achtung des eigenen Rechts und der von ihm vorgesehenen Mediation, um sowohl Autoritarismus als auch Privilegien und ebenso ein »Laisser-faire« zu vermeiden, und verbunden mit einem Klima des Hörens, der Achtung des anderen, des Dialogs, der Teilnahme und des Teilens. Die Gottgeweihten können mit ihrem Zeugnis die Kirche bereichern in diesem Prozess der Synodalität, den wir erleben. Unter der Bedingung, dass ihr die ersten seid, die ihn leben: indem ihr gemeinsam vorangeht, aufeinander hört, die Verschiedenheit der Gaben wertschätzt, einladende Gemeinschaften seid.
Das schließt auch das Vorgehen zur Bewertung von Tauglichkeit und Fähigkeit ein, damit in der Leitung der Institute auf bestmögliche Weise eine Erneuerung durch einen Generationswechsel stattfinden kann. Ohne Improvisation. Denn das Verstehen der häufig neuartigen und komplexen aktuellen Fragen erfordert eine angemessene Ausbildung, andernfalls weiß man nicht recht, in welche Richtung der Weg gehen soll, und man »fährt auf Sicht«. Darüber hinaus muss eine Neuorganisation und Neugestaltung des Instituts immer unter Wahrung der Gemeinschaft geschehen, um nicht alles auf die Eingliederung von Provinzen zu reduzieren, deren Leitung sich dann als nicht einfach erweisen oder Anlass zu Auseinandersetzungen geben könnte. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Oberen darauf achten, dass niemand ohne eine ihm entsprechende Beschäftigung ist, denn dies schadet nicht nur dem Einzelnen, sondern verursacht auch Spannungen in der Gemeinschaft.
Liebe Brüder und Schwestern, danke für diese Begegnung! Ich wünsche euch, dass ihr mit Zuversicht und Fruchtbarkeit euren Dienst voranbringen und dass ihr Friedensstifter sein könnt. Die Muttergottes begleite euch. Ich segne euch von Herzen. Und ich bitte euch, für mich zu beten.
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