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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE 36. GENERALKONGREGATION DER GESELLSCHAFT JESU

Generalkurie der Gesellschaft Jesu
Montag, 24. Oktober 2016

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Liebe Mitbrüder und Freunde im Herrn!

Als ich im Gebet darüber nachdachte, was ich euch sagen sollte, erinnerte ich mich mit besonderer innerer Bewegtheit an das, was der selige Paul VI. uns zum Abschluss unserer 32. Generalkongregation gesagt hat: »Genau so, Brüder und Söhne! Auf, in nomine Domini. Lasst uns gemeinsam gehen, frei, gehorsam, in der Liebe Christi vereint, zur größeren Ehre Gottes.«[1]

Auch der heilige Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben uns ermutigt, »unterwegs zu sein in einer Weise, die des Rufes würdig ist, der an euch erging (vgl. Eph 4,1)«[2], und »auf dem Weg dieser Sendung weiter voranzugehen, in voller Treue zu eurem ursprünglichen Charisma, in dem kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld, das den Beginn dieses Jahrtausends kennzeichnet.

Wie euch meine Vorgänger mehrmals gesagt haben: Die Kirche braucht euch, sie zählt auf euch und wendet sich weiterhin voll Vertrauen an euch, besonders um jene physischen und geistigen Orte zu erreichen, wo andere nicht oder nur schwer hingelangen.«[3] Gemeinsam unterwegs sein – frei und gehorsam –, bis in die Randgebiete gehen, in die andere nicht gelangen, »unter dem Blick Jesu [und] mit dem Blick auf den Horizont des immer größeren Ruhmes Gottes, der uns unaufhörlich überrascht«[4]. Der Jesuit ist berufen, wie Ignatius sagt, »in jedweder Gegend der Welt unterwegs zu sein und das Leben zu führen, wo mehr Dienst für Gott und Hilfe für die Seelen erhofft wird« (Satzungen 304). Denn »für die Gesellschaft Jesu ist die ganze Welt ihr Zuhause «, wie Nadal sagte.[5]

Ignatius schrieb an Borja im Zusammenhang mit einer Kritik von Seiten der Jesuiten (Oviedo und Onfroy), die als »engelsgleich« bezeichnet wurden, da sie sagten, dass die Gesellschaft Jesu nicht gut gegründet sei und man sie mehr im Geist gründen müsse: Der Geist, der sie antreibt – so Ignatius –, »kennt den Stand der Dinge der Gesellschaft [Jesu] nicht, die außer dem Notwendigen und Wesentlichen noch im Entstehen ist«.[6]

Mir gefällt es sehr, dass Ignatius alle Dinge im Werden, im Entstehen sieht, mit Ausnahme des Wesentlichen. Denn es nimmt der Gesellschaft Jesu alle Lähmungen und befreit sie von vielen Anwandlungen bloßen Wunschdenkens. Die Formula Instituti ist das »Notwendige und Wesentliche«, das wir jeden Tag vor Augen haben müssen, nachdem wir auf Gott, unseren Herrn, geschaut haben: »Die Seinsweise des Instituts, die ja ein Weg zu Ihm ist.« Dies galt für die ersten Gefährten, und so war es vorgesehen »für jene, die uns auf diesem Weg folgen«. Daher sind die Armut und der Gehorsam oder die Tatsache, nicht zu Dingen wie dem Chorgebet verpflichtet zu sein, weder Notwendigkeiten noch Privilegien, sondern Hilfsmittel, die zur Beweglichkeit der Gesellschaft beitragen, um stets bereit zu sein, »auf dem Weg Christi, unseres Herrn, zu eilen « (Satzungen 582). Und dank des Gehorsamsgelübdes gegenüber dem Papst haben sie eine »sicherere Leitung durch den Heiligen Geist« (Formula Instituti, 3). In der Formula Instituti ist die Eingebung des Ignatius enthalten, und aufgrund ihrer wesentlichen Bedeutung können die Satzungen hervorheben, dass stets »Orte, Zeiten und Personen« zu berücksichtigen sind und dass alle Regeln Hilfsmittel – und nichts weiter – für konkrete Dinge sein sollen.

Das Unterwegssein ist für Ignatius kein bloßes Kommen und Gehen, sondern es hat eine qualitative Bedeutung: Es ist Nutzen und Fortschritt; es bedeutet, voranzugehen und etwas für die anderen zu tun. So kommt es in der Formula Instituti – sowohl in der von Paul III. (1540) als auch in der von Julius III. (1550) approbierten Fassung – zum Ausdruck: Sie richtet die Aufgabe der Gesellschaft Jesu auf den Glauben – auf seine Verteidigung und Verbreitung – sowie auf das Leben und die Lehre der Menschen aus. Hier verwenden Ignatius und die ersten Gefährten das Wort »aprovechamiento« [Nutzen] (Ad profectum[7], vgl. Phil 1,12.25). Er ist das unserer Spiritualität eigene praktische Unterscheidungskriterium. Der Nutzen ist nicht individualistisch, sondern gemeinschaftlich: »Das Ziel dieser Gesellschaft ist, sich nicht nur mit der göttlichen Gnade der Rettung und Vervollkommnung der eigenen Seelen zu widmen, sondern sich mit derselben Gnade inständig zu bemühen, zur Rettung und Vervollkommnung der Seelen der Nächsten zu helfen« (Examen 1,2). Und wenn die Waage im Herzen des Ignatius sich einer bestimmten Seite zuneigte, dann zur Hilfe des Nächsten hin – er wurde sogar zornig, wenn man ihm sagte, dass jemand in der Gesellschaft Jesu sei, »um seine eigene Seele zu retten. Ignatius wollte keine Menschen, die, so gut sie an sich auch waren, sich nicht für den Dienst am Nächsten tauglich zeigten « (José Manuel Aicardo, Comentario a las Constituciones de la Compañia de Jesús, Bd. 1, Madrid 1919, 41).

Der Nutzen findet sich in allem. Ignatius’ Formulierung bringt eine Spannung zum Ausdruck: »nicht nur…, sondern auch …« Und dieses Denkschema – Spannungsfelder wie die eigene Erlösung und Vollkommenheit und die Erlösung und Vollkommenheit des Nächsten von der höheren Warte der Gnade aus zu vereinen – ist der Gesellschaft Jesu eigen. Der Ausgleich dieser und aller anderen Spannungsfelder (Kontemplation und Aktion, Glaube und Gerechtigkeit, Charisma und Institution, Gemeinschaft und Sendung…) gelingt nicht durch abstrakte Formulierungen, sondern wird im Laufe der Zeit erlangt durch das, was Faber »unsere Weise des Vorangehens « nannte.[8] Indem sie in der Nachfolge des Herrn unterwegs ist und »vorangeht«, gleicht die Gesellschaft Jesu jene Spannungen aus, die die Vielfalt der Menschen, die sie versammelt, und die Sendungen, die sie empfängt, unvermeidlich enthalten und erzeugen.

Der Nutzen ist nicht elitär. In der Formula Instituti beschreibt Ignatius die Mittel zur Erlangung eines allgemeineren Nutzens; dies sind priesterliche Mittel. Wir sehen jedoch, dass die Werke der Barmherzigkeit als selbstverständlich vorausgesetzt werden. In der Formula Instituti heißt es: »ohne dass dies ein Hindernis sei« für die Barmherzigkeit! Die Werke der Barmherzigkeit – die Krankenfürsorge in den Hospitälern, das Erbitten und Verteilen von Almosen, die Unterweisung der Kinder, das geduldige Ertragen von Unannehmlichkeiten… – waren der Lebensbereich, in dem Ignatius und seine ersten Gefährten sich bewegten, ihr täglich Brot: Sie gaben Acht, dass alles Übrige kein Hindernis dafür war!

Schließlich ist der Nutzen »das, was größeren Nutzen bringt«. Es geht um das »magis«, dieses Mehr, das Ignatius dazu bringt, Prozesse in Gang zu setzen, sie zu begleiten und ihre tatsächlichen Auswirkungen im Leben der Menschen zu bewerten – sei es in Fragen des Glaubens, der Gerechtigkeit oder der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe. Das »magis« ist das Feuer, der leidenschaftliche Eifer, der die Schlafenden aufrüttelt. Unsere Heiligen haben dies stets verkörpert. Vom heiligen Alberto Hurtado heißt es, dass er »ein spitzer Dorn war, der sich ins schläfrige Fleisch der Kirche bohrte«. Und das wirkt jener Versuchung entgegen, die Paul VI. als »spiritus vertiginis« und de Lubac als »geistliche Weltlichkeit « bezeichnete. Diese Versuchung ist nicht in erster Linie moralischer, sondern geistlicher Natur und lenkt uns vom Wesentlichen ab: nützlich zu sein und eine Spur in der Geschichte zu hinterlassen, besonders im Leben der Geringsten. »Die Gesellschaft Jesu ist Eifer«, sagte Nadal. [9]

Um den Eifer in der Sendung, den Menschen im Leben und in der Lehre Nutzen zu bringen, wieder neu zu beleben, möchte ich diese Überlegungen anhand von drei Punkten, die – sofern die Gesellschaft Jesu sich in den Missionsbereichen befindet, in denen sie sein soll – unserer Weise des Vorangehens gut tun, konkret erläutern. Sie betreffen die Freude, das Kreuz und die Kirche, unsere Mutter, und sind darauf ausgerichtet, einen Schritt nach vorn zu machen, indem wir die Hindernisse überwinden, die der Feind der menschlichen Natur uns in den Weg legt, wenn wir im Dienst Gottes vom Guten zum Besseren aufsteigen.

1. Inständig um Trost bitten

Immer kann man einen Schritt nach vorn machen, indem man inständig um Trost bittet. In den beiden Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium und Amoris laetitia und in der Enzyklika Laudato Si’ wollte ich die Freude hervorheben. Ignatius lässt uns, seine Freunde in den Exerzitien, »das Amt des Tröstens« betrachten, das Christus, den Auferstandenen, kennzeichnet (Geistliche Übungen, 224). Die Gesellschaft Jesu hat die Aufgabe, das gläubige Volk zu trösten und ihm bei der Unterscheidung zu helfen, damit der Feind der menschlichen Natur uns nicht die Freude raubt: die Freude zu evangelisieren, die Freude der Familie, die Freude der Kirche, die Freude der Schöpfung … Möge er sie uns nicht rauben, weder durch Entmutigung angesichts der Größe der Übel in der Welt und der Missverständnisse unter jenen, die Gutes tun wollen, noch dadurch, dass er sie uns durch eitle Freuden ersetzt, die bei jeder Unternehmung immer in Reichweite sind.

Dieser »Dienst der Freude und des geistlichen Trostes« wurzelt im Gebet. Er besteht darin, uns und alle Menschen zu ermutigen, »Gott inständig um Trost zu bitten«. Ignatius formuliert dies negativ in der sechsten Regel der Ersten Woche, wenn er sagt, dass »es doch sehr von Nutzen ist, sich intensiv gegen die Trostlosigkeit selbst zu ändern « (ebd., 319). Es ist von Nutzen, weil uns in der Zeit der Trostlosigkeit bewusst wird, wie wenig wir ohne jene Gnade und Tröstung taugen (vgl. ebd., 324). Dieses inständige Bittgebet, um den Trost zu praktizieren und zu lehren, ist der wichtigste Dienst an der Freude. Wenn jemand sich nicht für würdig hält (was in der Praxis sehr verbreitet ist), möge er wenigstens aus Liebe zur Botschaft immer wieder um diesen Trost bitten, denn die Freude ist ein fester Bestandteil der Botschaft des Evangeliums, und er möge auch aus Liebe zu den Nächsten, zu seiner Familie und zur Welt darum bitten. Eine gute Nachricht kann man nicht mit trauriger Miene überbringen. Die Freude ist kein schmückendes Beiwerk, sondern ein deutlicher Hinweis auf die Gnade: Sie verweist darauf, dass die Liebe tätig, wirksam, gegenwärtig ist. Deshalb darf die Suche nach ihr nicht verwechselt werden mit der Suche nach einem »Spezialeffekt«, den unsere gegenwärtige Zeit aus Gründen des Konsums zu erzeugen weiß. Vielmehr muss nach ihrem existenziellen Anzeichen gesucht werden, also nach »Beständigkeit «: Ignatius öffnet die Augen und erwacht zur Unterscheidung der Geister, als er den Wertunterschied zwischen dauerhaften und vergänglichen Freuden entdeckt (Bericht des Pilgers, 8). Die Zeit gibt ihm den Schlüssel, um das Wirken des Heiligen Geistes zu erkennen.

In den Geistlichen Übungen besteht der »Fortschritt « im geistlichen Leben im Trost: Er ist das »Aufsteigen vom Guten zum Besseren« und auch »aller Zuwachs an Glaube, Hoffnung und Liebe und alle innere Freudigkeit« (Geistliche Übungen, 316). Dieser Dienst der Freude führte die ersten Gefährten zu der Entscheidung, sich nicht mehr zu trennen, sondern die Gesellschaft zu errichten, die sie aus eigenem Antrieb gründeten und in der sie miteinander lebten. Ihr besonderes Merkmal war die Freude am gemeinsamen Gebet und daran, gemeinsam in die Mission aufzubrechen und sich wieder zu versammeln. So ahmten sie das Leben nach, das der Herr mit seinen Aposteln führte. Diese Freude, das Evangelium mit Nachdruck zu verkünden – durch die Verkündigung des Glaubens und die Übung von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit –, bringt die Gesellschaft Jesu dazu, in alle Randgebiete aufzubrechen.

Der Jesuit ist ein Diener der Freude des Evangeliums, wenn er in kleinem Rahmen sozusagen »in Handarbeit« tätig ist, indem er mit einer einzelnen Person spricht und sie in den Exerzitien leitet und ihr so hilft, »den inneren Ort zu finden, von dem sie die Kraft des Geistes empfängt, der sie führt, befreit und erneuert«[10], und ebenso, wenn er strukturell tätig ist und Bildungseinrichtungen, sowie Werke der Barmherzigkeit oder der Reflexion organisiert, die die institutionelle Erweiterung jenes Wendepunkts sind, an dem der eigene Wille endet und der Geist zu wirken beginnt. Sehr richtig sagte Michel de Certeau: Die Exerzitien sind »die apostolische Methode schlechthin«, denn sie ermöglichen die »Rückkehr zum Herzen als Grundlage einer Fügsamkeit gegenüber dem Geist, der den Exerzitanten weckt und ihn zur persönlichen Treue zu Gott drängt«[11].

2. Uns vom gekreuzigten Herrn innerlich bewegen lassen

Immer kann man einen weiteren Schritt machen, wenn man sich vom gekreuzigten Herrn innerlich noch stärker bewegen lässt, von ihm selbst und von seiner Gegenwart in so vielen unserer leidenden Brüder – in der großen Mehrheit  der Menschheit! Pater Arrupe sagte, dass dort, wo Schmerz ist, die Gesellschaft Jesu ist.

Das Jubiläum der Barmherzigkeit ist ein günstiger Augenblick, um über die Dienste der Barmherzigkeit nachzudenken. Ich sage es im Plural, weil die Barmherzigkeit kein abstraktes Wort ist, sondern ein Lebensstil, der dem Wort konkrete Gesten vorzieht, die das Fleisch des Nächsten berühren und in Werken der Barmherzigkeit konkreten Ausdruck finden. Für uns, die wir die Geistlichen Übungen machen, beginnt die Gnade, durch die Jesus uns gebietet, dem Vater ähnlich zu werden (vgl. Lk 6,36), mit jenem Gespräch der Barmherzigkeit, das die Fortsetzung des Gesprächs mit dem Herrn ist, der wegen meiner Sünden gekreuzigt wurde. Die ganze zweite Übung ist ein Gespräch voller Scham, Verwirrung, Schmerz und dankbaren Tränen, wenn ich sehe, wer ich bin – indem ich kleiner werde – und wer Gott ist – indem ich ihn groß werden lasse –, »der mir bis dahin Leben gegeben hat« (Geistliche Übungen, 61), wer Jesus ist, der für mich ans Kreuz geschlagen wurde.

Wie Ignatius seine Erfahrung der Barmherzigkeit lebt und formuliert, das ist von großem persönlichen und apostolischen Nutzen und verlangt eine kluge und umfassende Unterscheidungsgabe. Unser Vater sagte zum heiligen Francisco de Borja: »Aber ich bin doch für mich der Überzeugung, dass ich zuvor und danach ganz Hindernis bin. Und dessen verspüre ich größere Zufriedenheit und geistliche Freude in unserem Herrn, weil ich mir nichts zuschreiben kann, was gut scheint.«[12]

Ignatius lebt also bis in die kleinsten Dinge seines Lebens und seiner Person hinein aus der reinen Barmherzigkeit Gottes. Und er spürte: Je mehr er sich widersetzte, mit desto größerer Güte behandelte ihn der Herr: »So groß war die Barmherzigkeit des Herrn und so überreich die Sanftheit und Milde seiner Gnade mit ihm, dass Gott umso gütiger war und über ihn die Schätze seiner unendlichen Weitherzigkeit umso großzügiger ausstreute, je mehr er danach verlangte, auf diese Weise gezüchtigt zu werden. So sagte er, er glaube, es gäbe auf der Welt keinen Menschen, in dem diese beiden Dinge so sehr wie in ihm zusammenwirken: dass er sich einerseits gegenüber Gott so viel verfehle und andererseits so viele und so beständige Gnaden aus seiner Hand empfange.«[13] Indem Ignatius seine Erfahrung der Barmherzigkeit in diesen vergleichenden Begriffen formuliert – je mehr er seine Verfehlungen gegenüber dem Herrn verspürte, desto mehr kam dieser ihm mit dem Geschenk seiner Gnade entgegen –, befreit er die lebenspendende Kraft der Barmherzigkeit, die wir oft mit abstrakten Formulierungen und legalistischen Bedingungen verwässern. Der Herr, der uns barmherzig anschaut und uns erwählt, sendet uns aus, um eben diese Barmherzigkeit in all ihrer Wirkkraft zu den Armen, den Sündern, den Ausgegrenzten und den Gekreuzigten der heutigen Welt zu bringen, die Unrecht und Gewalt leiden. Nur wenn wir – als Personen ebenso wie als gemeinschaftlicher Leib – diese heilende Kraft an unseren eigenen Wunden erfahren, werden wir die Furcht verlieren, uns vom unermesslichen Leiden unserer Brüder bewegen zu lassen, und werden uns aufmachen, geduldig mit unserem Volk unterwegs zu sein und von ihm zu lernen, wie wir ihm am besten helfen und dienen können (Vgl. 32. Generalkongregation, Dekret 4, Nr. 50.).

3. Im guten Geist Gutes tun und mit der Kirche fühlen

Immer kann man einen Schritt nach vorn machen, indem man im im guten Geist Gutes tut und mit der Kirche fühlt, wie Ignatius sagt. Auch zu unterscheiden, wie wir die Dinge tun, ist Aufgabe der Gesellschaft Jesu. Faber formulierte dies, indem um die Gnade bat, dass »alles Gute, was ich je tun, denken, anordnen … werde, vom guten Geist angeregt werde und nicht vom bösen «[14]. Diese Gnade zu erkennen, dass es nicht genügt, das Gute zu denken, zu tun oder anzuordnen, sondern man es im guten Geist tun muss, lässt uns in der Kirche verwurzelt sein, in der der Geist wirkt und seine vielfältigen Charismen zum Wohl aller verteilt. Faber sagte, dass jene, die die Kirche reformieren wollten, in vielen Dingen Recht hatten, dass Gott die Kirche jedoch nicht auf deren Weise korrigieren wollte.

Es gehört zur Gesellschaft Jesu, im Fühlen mit der Kirche zu handeln. Dies mit Freude zu tun, ohne den Frieden zu verlieren angesichts der Sünden, die wir sowohl bei uns als Personen als auch in den von uns geschaffenen Strukturen sehen, bedeutet, das Kreuz auf uns zu nehmen und Armut und Demütigungen zu erfahren. In diesem Zusammenhang fordert Ignatius uns auf, sie entweder geduldig zu ertragen oder sie herbeizusehnen.[15]

Wo der Widerspruch am deutlichsten war, wirkte Ignatius als Vorbild, indem er sich in sich selbst zurückzog, bevor er etwas sagte oder tat, um im guten Geist zu handeln. Die Regeln zum Fühlen mit der Kirche dürfen wir nicht als präzise Anleitungen zu umstrittenen Punkten verstehen (einige könnten verfehlt sein), sondern als Beispiele, durch die Ignatius in seiner Zeit einlud, dem widerkirchlichen Geist entgegenzuwirken, indem man sich vollkommen und fest entschlossen auf die Seite unserer Mutter Kirche stellt – und zwar nicht, um eine zweifelhafte Position zu rechtfertigen, sondern um einen Raum zu öffnen, in dem der Geist wirken wird, wenn seine Zeit kommt.

Der Dienst des guten Geistes und der Unterscheidung macht uns zu Männern der Kirche – nicht klerikalistisch, sondern kirchlich –, zu Männern »für die anderen«, ohne etwas Eigenes, das uns absondert, sondern indem wir alles, was wir haben, in die Gemeinschaft und in den Dienst einbringen. Wir sind weder allein unterwegs noch machen wir es uns bequem, wir sind unterwegs mit »einem Herzen, das es sich nicht bequem macht, sich nicht in sich selbst verschließt, sondern im Rhythmus eines Weges schlägt, der gemeinsam mit dem ganzen gläubigen Volk Gottes zu gehen ist«16. Wir sind unterwegs und werden allen alles, um anderen zu helfen. Diese Selbstentäußerung sorgt dafür, dass die Gesellschaft Jesu immer mehr das Gesicht, den Akzent und die Wesensart aller Völker, jeder Kultur annimmt und annehmen kann, indem sie sich in sie alle einfügt, tief ins Herz eines jeden Volkes, um dort mit jedem einzelnen Kirche zu werden, indem sie das Evangelium inkulturiert und jede Kultur evangelisiert.

Bitten wir Unsere Liebe Frau vom Weg im vertrauten Zwiegespräch als Söhne oder wie Knechte vor ihrer Herrin, dass sie Fürsprache für uns halten möge beim »Vater des Erbarmens und dem Gott allen Trostes« (2 Kor 1,3), auf dass er uns stets aufs Neue neben seinen Sohn, neben Jesus, stellen möge, der das Kreuz der Welt auf sich nimmt und uns einlädt, es mit ihm zu tragen. Ihr vertrauen wir unsere »Weise des Vorangehens« an, auf dass sie kirchlich, inkulturiert, arm, dienend und frei von allen weltlichen Ambitionen sein möge. Bitten wir unsere Mutter, dass sie jeden Jesuiten aussenden und begleiten möge, zusammen mit dem Teil des gläubigen Volkes Gottes, zu dem er gesandt wurde auf den Wegen des Trostes, des Mitgefühls und der Unterscheidung.

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[1] Ansprache an die Teilnehmer an der 32. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu, 3. Dezember 1974.

[2] Predigt bei der Eröffnungsfeier der 33. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu, 2. September 1983.

[3] Ansprache an die Teilnehmer an der 35. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu, 21. Februar 2008.

[4] Franziskus, Predigt in der Messe am Fest des Allerheiligsten Namens Jesu und zum Dank für die Heiligsprechung von Peter Faber in der Kirche »Il Gesù« 3. Januar 2014.

[5] Monumenta Nadal V, 364-365.

[6] Brief 51, Ignatius von Loyola, Briefe und Unterweisungen, Würzburg 1993, Brief 686aF.

[7] Ad profectum animarum in vita et doctrina Christiana, in: Monumenta Ignatiana, Constitutiones I, 26 und 376.

[8] Vgl. Monumenta Fabri 50, 69, 111, 114 u.a.

[9] Vgl. Monumenta Nadal V, 310.

[10] Michel de Certeau, Introduction, in: P. Favre, Mémorial, Paris 1960, 74.

[11] Ebd., 76.

[12] Ignatius von Loyola, Briefe und Unterweisungen, Brief 101.

[13] Pedro de Ribadeneira, Vita di S. Ignazio di Loiola, Rom 1863, 336.

[14] Petrus Faber, Memoriale. Das geistliche Tagebuch des ersten Jesuiten in Deutschland, Einsiedeln-Trier 1989, S. 71.

[15] Vgl. Ignatius von Loyola, Direktorium zu den Geistlichen Übungen (Autograph), Nr. 23. 16 Franziskus, Predigt in der Messe am Fest des Allerheiligsten Namens Jesu und zum Dank für die Heiligsprechung von Peter Faber in der Kirche »Il Gesù« 3. Januar 2014.

 



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