ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER PÄPSTLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
Konsistoriensaal
Montag, 28. November 2016
Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist mir eine Freude, aus Anlass Ihrer Vollversammlung mit Ihnen zusammenzutreffen, und ich danke dem Präsidenten, Professor Werner Arber, für seine freundlichen Worte. Ich möchte Ihnen allen meinen Dank aussprechen für Ihren Beitrag, der sich im Laufe der Zeit als immer wertvoller erweist sowohl für den Fortschritt der Wissenschaft als auch für das Anliegen der Zusammenarbeit unter den Menschen und insbesondere für die Bewahrung der Erde, auf die uns Gott gestellt hat und wo wir leben.
Nie zuvor ist die Sendung der Wissenschaft im Dienst an einem neuen globalen ökologischen Gleichgewicht so klar hervorgetreten wie in unserer Zeit. Und zugleich wird ein erneuertes Bündnis zwischen der Gemeinschaft der Wissenschaft und der Gemeinschaft der Christen erkennbar, deren verschiedene Ansätze gegenüber der Wirklichkeit sich einander annähern im Hinblick auf das von allen geteilte Ziel, das gemeinsame Haus zu schützen, das bedroht ist vom ökologischen Kollaps und dem daraus resultierenden Anstieg der Armut und der sozialen Ausgrenzung. Ich freue mich über die Tatsache, dass Sie ein tiefes Gespür haben für die Solidarität, die Sie mit der Menschheit von heute und morgen im Zeichen dieser Sorge um die Mutter Erde verbindet.
Ein Einsatz, der um so mehr Wertschätzung verdient, als er ganz ausgerichtet ist auf die Förderung einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung sowie auf den Frieden, die Gerechtigkeit, die Würde und Freiheit des Menschen. Neben dem in der Vergangenheit Geleisteten sind auch die vielfältigen Themen, die Sie in dieser Vollversammlung behandeln wollen, ein Beweis dafür: Sie reichen von den großen Neuheiten im Bereich der Kosmologie über erneuerbare Energiequellen und die Nahrungssicherheit bis hin zu einem sehr interessanten Seminar über Macht und Grenzen der künstlichen Intelligenz.
In der Enzyklika Laudato si’ habe ich unterstrichen, dass »wir berufen sind, die Werkzeuge Gottes des Vaters zu sein, damit unser Planet das sei, was Er sich erträumte, als Er ihn erschuf, und seinem Plan des Friedens, der Schönheit und der Fülle entspreche« (Nr. 53). In der Neuzeit sind wir mit dem Gedanken aufgewachsen, wir seien die Eigentümer und Herren der Natur und berechtigt, sie auszubeuten, ohne im Geringsten ihr verborgenes Potential und die Gesetze ihrer Entwicklung zu berücksichtigen, so als handle es sich um lebloses Material zu unserer freien Verfügung, was unter anderem einen großen Verlust an Biodiversität zur Folge hatte. In Wirklichkeit sind wir nicht die Hüter eines Museums und seiner Meisterwerke, die wir allmorgendlich abzu stauben hätten, sondern Mitarbeiter in der Bewahrung und Entwicklung des Seins und der Biodiversität der Erde und des auf ihr vorhandenen menschlichen Lebens. Die ökologische Umkehr, die eine nachhaltige Entwicklung unterstützen kann, umfasst untrennbar sowohl die volle Übernahme unserer menschlichen Verantwortung für die Schöpfung und ihre Ressourcen als auch das Streben nach sozialer Gerechtigkeit und die Überwindung eines ungerechten Systems, das Elend, Ungleichheit und Ausgrenzung hervorbringt.
Kurz, ich würde sagen, dass es vor allem Aufgabe der von politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Interessen unbeeinflusst arbeitenden Wissenschaftlern ist, ein kulturelles Modell zu entwickeln, um die Krise des Klimawandels und seiner sozialen Folgen in Angriff zu nehmen, damit das enorme produktive Potential nicht nur einigen wenigen vorbehalten bleibt. So wie die wissenschaftliche Gemeinschaft durch einen internen interdisziplinären Dialog die Krise unseres Planeten zu untersuchen und zu belegen wusste, ist sie heute aufgerufen, eine Führungsrolle einzunehmen, indem sie auf generelle Lösungen hinweist, insbesondere hinsichtlich der in Ihrer Vollversammlung behandelten Themen Wasser, erneuerbare Energien und Nahrungssicherheit. Es erweist sich als unerlässlich mit Ihrer Mitwirkung ein Regelsystem zu schaffen, das nicht zu überschreitende Grenzen einschließt und den Schutz der Ökosysteme gewährleistet, bevor die aus dem technisch-ökonomischen Paradigma abgeleiteten neuen Formen der Macht nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Zusammenleben, der Demokratie, der Gerechtigkeit und der Freiheit irreversible Schäden zufügen.
Zu erwähnen sind in diesem allgemeinen Rahmen die schwache Reaktion der internationalen Politik – auch wenn es löbliche Ausnahmen gibt – hinsichtlich der konkreten Absicht, das Gemeinwohl und die globalen Güter zu fördern, sowie die Leichtigkeit, mit der wohlbegründete Ratschläge der Wissenschaft zur Situation der Erde ignoriert werden. Die Unterordnung der Politik unter Technologie und Finanzwirtschaft, die vor allem nach Profit streben, wird deutlich durch die »Vergesslichkeit« oder Verspätung bei der Umsetzung der globalen Umweltvereinbarungen und auch durch die beständigen Kriege um Vorherrschaft, getarnt durch hehre Ansprüche, die der Umwelt und dem sittlichen und kulturellen Reichtum der Völker immer schwerere Schäden zufügen.
Trotz allem aber wollen wir nicht die Hoffnung verlieren und die uns von Gott geschenkte Zeit nützen. Es gibt auch viele ermutigende Zeichen einer Menschheit, die reagieren, sich für das Gemeinwohl einsetzen und sich in einer Haltung der Verantwortung und Solidarität erneuern will. Gemeinsam mit den sittlichen Werten kann das Projekt der nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung allen und insbesondere den gläubigen Wissenschaftlern einen starken Impuls zur Forschung geben.
Ich wünsche Ihnen gute Arbeit. Auf die Tätigkeit der Akademie, auf jeden von Ihnen und auf Ihre Familien rufe ich die Fülle des himmlischen Segens herab. Und ich bitte Sie, nicht zu vergessen, für mich zu beten. Danke.
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