ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DER INTERNATIONALEN KONFERENZ ZUM THEMA
"DIE KULTUR DER SALUS UND DER ANNAHME IM DIENST AM MENSCHEN"
DES PÄPSTLICHEN RATS FÜR DIE PASTORAL IM KRANKENDIENST
Regia-Saal
Donnerstag, 19. November 2015
Liebe Brüder und Schwestern!
Danke für euren herzlichen Empfang! Ich danke Erzbischof Zygmunt Zimowski für seine freundlichen Begrüßungsworte, die er auch im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat, und heiße euch herzlich willkommen, die Organisatoren und Teilnehmer an dieser 30. Internationalen Konferenz zum Thema »Die Kultur der salus und der Annahme im Dienst am Menschen und an der Erde«. Ein herzlicher Dank gilt allen Mitarbeitern des Dikasteriums. Vielfältige Fragestellungen werden bei diesem jährlich stattfindenden Treffen behandelt werden, das diesmal im Zeichen des 30-jährigen Bestehens des Päpstlichen Rats für die Pastoral im Krankendienst steht und mit dem 20. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Evangelium vitae durch den heiligen Johannes Paul II. zusammenfällt.
Gerade die Achtung vor dem Wert des Lebens und mehr noch die Liebe zu ihm finden unersetzliche Verwirklichung im Nahe-Sein, in der Begleitung und in der Sorge für denjenigen, der an Leib und Seele leidet: all dieses Tun zeichnet die Pastoral im Gesundheitswesen aus. Taten und mehr noch Haltungen, die die Kirche besonders unterstreichen wird während des Jubiläums der Barmherzigkeit, das uns alle aufruft, den am meisten leidenden Brüdern und Schwestern nahe zu sein. In der Enzyklika Evangelium vitae können wir die tragenden Elemente der »Kultur der salus« finden: Annahme, Mitleid, Verständnis und Vergebung. Es ist die gewöhnliche Haltung Jesu gegenüber den Scharen von bedürftigen Menschen, die Tag für Tag zu ihm kamen: Kranke aller Art, öffentliche Sünder, Besessene, Ausgegrenzte, Arme, Fremde… Und interessanterweise werden sie in unserer heutigen Wegwerfkultur zurückgewiesen, ausgegrenzt. Sie zählen nicht. Das ist interessant… Was bedeutet das? Dass die Wegwerfkultur nicht von Jesus ist. Sie ist nicht christlich.
Diese Haltungen bezeichnet die Enzyklika als »positive Forderungen des Gebots von der Unantastbarkeit des Lebens«, die in Jesus »in ihrer ganzen Weite und Tiefe offenbar werden« und die heute noch ein Merkmal der Pastoral im Gesundheitswesen sein können, ja müssen: »Sie reichen von der Sorge um das Leben des Bruders (des Familienangehörigen, des Angehörigen desselben Volkes, des Ausländers, der im Land Israel wohnt) zur Sorge um den Fremden bis hin zur Liebe des Feindes« (Nr. 41).
Diese Nähe zum Anderen, eine echte, keine vorgespielte Nähe, die so weit geht, zu spüren, dass er zu mir gehört – auch der Feind gehört als Bruder zu mir –, überwindet alle Barrieren der Nationalität, der sozialen Herkunft, der Religion…, wie es uns der »barmherzige Samariter« aus dem Gleichnis des Evangeliums lehrt. Sie überwindet auch jene Kultur in negativem Sinn, nach der sowohl in den reichen als auch in den armen Ländern die Menschen aufgrund von utilitaristischen Kriterien, insbesondere nach sozialem oder wirtschaftlichem Nutzen, angenommen oder zurückgewiesen werden. Diese Mentalität ist verwandt mit der sogenannten »Wunschmedizin«: eine Gewohnheit, die sich in den reichen Ländern immer weiter verbreitet und die gekennzeichnet ist von der Suche nach körperlicher Vollkommenheit um jeden Preis in der Illusion ewiger Jugend; eine Gewohnheit, die eben dazu führt, denjenigen der »ineffizient« ist, der als Last, als störend oder einfach als etwas Hässliches empfunden wird, auszugrenzen oder an den Rand zu drängen. Dieses »zum Nächsten werden« schließt ebenso ein – wie ich in meiner kürzlich veröffentlichten Enzyklika Laudato si’ gesagt habe –, die unumgänglichen Verantwortlichkeiten gegenüber der Schöpfung und dem »gemeinsamen Haus« zu übernehmen, das allen gehört und der Sorge aller anvertraut ist, und das auch für die künftigen Generationen.
Die Sorge der Kirche gilt in der Tat dem Schicksal der Menschheitsfamilie und der ganzen Schöpfung. Es geht darum, uns alle zu erziehen, die Schöpfung in ihrer Gesamtheit zu »hüten« und zu »verwalten« als Gabe, die der Verantwortung jeder Generation übergeben wird, damit sie diese so weit wie möglich unversehrt und menschlich lebbar an die kommenden Generationen weitergibt. Diese Bekehrung des Herzens zum »Evangelium der Schöpfung« schließt ein, dass wir uns den Schrei nach Menschenwürde zu eigen machen und ihm Ausdruck verleihen, der sich vor allem von Seiten der Ärmsten und der Ausgeschlossenen erhebt, zu denen die Kranken und Leidenden häufig gehören. Möge dieser Schrei im nunmehr unmittelbar bevorstehenden Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit in unseren Herzen ein aufrichtiges Echo finden, so dass wir auch in der Übung der Werke der leiblichen und geistlichen Barmherzigkeit, die uns je nach Verantwortlichkeit aufgetragen sind, das Geschenk der göttlichen Gnade annehmen können, während wir selbst zu »Kanälen« und Zeugen der Barmherzigkeit werden.
Ich wünsche, dass ihr in diesen Tagen vertiefender Diskussion – in denen ihr auch über die mit dem leiblichen, psychischen, geistlichen und sozialen Wohl des Menschen enger zusammenhängenden Umweltfaktoren nachdenkt – zu einem neuen Fortschritt der Kultur der »salus« auch in ganzheitlichem Sinn beitragen könnt. In dieser Hinsicht ermutige ich euch, bei eurer Arbeit stets die Situation der Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen, die am meisten von den durch die Umweltzerstörung verursachten Schäden betroffen sind, von schweren und häufig dauerhaften Schäden für die Gesundheit. Gerade bei der Frage hinsichtlich der von der Umweltzerstörung verursachten Schäden, überrascht es mich – wenn ich Mittwochs in der Generalaudienz bin oder in die Pfarreien gehe –, so viele Kranke anzutreffen, vor allem Kinder… Die Eltern sagen mir: »Es ist eine seltene Krankheit! Man weiß nicht, was es ist.« Diese seltenen Krankheiten sind die Folgen der Krankheit, die wir in der Umwelt auslösen. Und das ist gravierend!
Bitten wir die allerseligste Jungfrau Maria, Heil der Kranken, die Arbeiten eurer Konferenz zu begleiten. Ihr vertrauen wir die Aufgaben an, die die verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen Tag für Tag im Dienst an den Leidenden erfüllen. Von Herzen segne ich euch, eure Familien, eure Gemeinschaften wie auch alle, denen ihr in den Krankenhäusern und Pflegeheimen begegnet. Ich bete für euch; und bitte betet für mich. Danke.
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