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BEGEGNUNG VON PAPST FRANZISKUS
MIT KRANKEN KINDERN UND IHREN FAMILIEN 

Kapelle der Domus Sanctae Marthae
Freitag, 29. Mai 2015

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Guten Abend, alle miteinander!

Bitte nehmt Platz, setzt euch doch!

Fangen wir an mit einem Gebet zum Herrn (Der Heilige Vater betet das Vaterunser).

Als man uns im Katechismus-Unterricht über die Heiligste Dreifaltigkeit unterwiesen hat, hat man uns gesagt, dass wir es da mit einem Geheimnis zu tun hätten: Ja, es gibt den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, aber auch, dass man das nicht alles so ganz begreifen könne. Es ist wahr, wir haben die Beweise dafür, dass es wahr ist, aber es begreifen ist noch mal etwas anderes.

Und auch hier, wenn wir Jesus betrachten, die Eucharistie: in diesem Stückchen Brot ist Jesus präsent, das ist wahr. Aber warum ist das so? Wir verstehen nicht, wie das möglich ist… aber es stimmt, es ist er. Das ist ein Geheimnis, sagen wir. Und genau so kommt es vor, dass man, wenn wir einige andere Fragen aus dem Bereich der Katechese stellen, sie nicht bis auf den Grund beantworten können, aber wir haben die Beweise.

Es gibt auch eine Frage, auf die man im Katechismus-Unterricht keine Antwort lernt. Es handelt sich dabei um jene Frage, die ich mir sehr oft stelle, ebenso wie viele von euch, ja die viele Leute sich stellen: »Warum müssen die Kinder leiden? « Und darauf gibt es keine Antworten. Auch das ist ein Geheimnis. Ich schaue nur auf Gott und frage: »Aber warum?« Und schaue auf das Kreuz und frage: »Warum hängt dein Sohn da? Warum?« Das ist das Geheimnis des Kreuzes. Ich denke sehr oft an die Muttergottes, an den Augenblick, als man ihr den toten Körper ihres Sohnes übergeben hat, voller Wunden, angespuckt, blutüberströmt und schmutzig. Und was hat die Muttergottes da getan? »Schafft ihn weg?« Nein, sie hat ihn umarmt, sie hat ihn gestreichelt.

Und auch die Muttergottes hat nicht verstanden. Denn in jenem Augenblick dachte sie zurück an das, was der Engel zu ihr gesagt hatte: »Er wird König sein, er wird groß sein, er wird ein Prophet  sein…«; und innerlich hätte sie, mit diesem so verwundeten Leichnam in ihren Armen, der vor seinem Tod so viel gelitten hatte, dem Engel sicherlich gerne gesagt: »Du Lügner! Ich bin getäuscht worden.« Auch sie wusste keine Antwort. Wenn die Kinder größer werden, dann erreichen sie ein bestimmtes Alter, in dem sie nicht so gut verstehen, wie die Welt beschaffen ist, so ungefähr im Alter von zwei Jahren. Und sie fangen an, Fragen zu stellen: »Warum, Papa? Warum, Mama? Warum?« Und wenn der Papa oder die Mama anfangen, es ihnen zu erklären, dann hören sie nicht zu. Sie haben noch ein weiteres »warum?« auf Lager. »Und warum dies?« Und sie wollen die Erläuterung nicht hören. Das Einzige, worum es ihnen mit diesem »warum?« geht, ist, dass sie damit die Aufmerksamkeit von Papa und der Mama auf sich lenken. Wir können den Herrn fragen: »Aber warum, Herr? Warum leiden die Kinder? Warum gerade dieses Kind?« Der Herr wird nichts sagen, aber wir spüren, dass sein Blick auf uns ruht, und das schenkt uns Kraft.

Scheut euch nicht, zu fragen, geniert euch nicht, den Herrn auch herauszufordern. »Warum?« Vielleicht erhältst du keinerlei Antwort, aber sein väterlicher Blick wird dir die Kraft schenken weiterzumachen. Und er wird dir auch diese seltsame Sache schenken, von der dieser Bruder in seiner doppelten Erfahrung gesprochen hat: ein anderes Gefühl, ein seltsames Gefühl [der Papst bezieht sich auf das Zeugnis, das der Vater eines kranken Kindes unmittelbar zuvor abgelegt hatte]. Und vielleicht wird dieses Gefühl der Zärtlichkeit, das du für dein krankes Kind empfindest, die Antwort sein, weil es der Blick des Vaters ist. Habt keine Angst davor, Gott zu fragen: »Warum?«, ihn herauszufordern: »Warum?«, vorausgesetzt, dass euer Herz dafür offen ist, Seinen väterlichen Blick zu empfangen. Die einzige Erklärung, die er dir geben kann, lautet: »Auch mein Sohn hat gelitten«. Das aber ist die Erläuterung. Das wichtigste ist der Blick. Und da liegt eure Stärke: im liebevollen Blick des Vaters.

»Aber Sie als Bischof – Sie können die Frage stellen –, Sie haben so viel Theologie studiert, haben Sie uns weiter nichts zu sagen?« Nein. Die Dreifaltigkeit, die Eucharistie, die Gnade Gottes, das Leiden der Kinder sind ein Geheimnis. Und man kann nur dann in das Geheimnis vordringen, wenn uns der Vater liebevoll anschaut. Ich weiß wirklich nicht, was ich euch sagen soll, denn ich bewundere eure Stärke, euren Mut sehr. Du hast gesagt, dass man dir zur Abtreibung geraten hat. Du hast gesagt: »Nein, es soll geboren werden, es hat das Recht, zu leben.« Niemals, absolut niemals kannman ein Problem dadurch lösen, dass man einen Menschen umbringt. Niemals. Das ist eine Mafia-Regel: »Es gibt ein Problem, bringen wir ihn um…« Niemals.

Ich begleite euch so, wie ich nun einmal bin, ich folge dem Gefühl. Und ich fühle wirklich nicht nur ein vorübergehendes Mitleid, nein! Ich begleite euch mit meinem Herzen auf diesem Weg, einem Weg, der Mut erfordert, der ein Weg des Kreuzes ist, aber auch ein Weg, der mir gut tut, euer Vorbild tut mir gut. Und ich danke euch dafür, dass ihr so mutig seid. Ich bin in meinem Leben sehr oft ein Feigling gewesen, und euer Vorbild hat mir gut getan, es tut mir gut. Warum leiden die Kinder? Das ist ein Geheimnis. Man muss so nach Gott rufen, wie ein Kind nach seinem Papa ruft und sagt: »Warum? Warum?«, um die Aufmerksamkeit Gottes auf uns zu lenken, der nur eines zu uns sagen wird: »Schau auf meinen Sohn: auch er.«

Die Tatsache, dass in einer Welt, wo es ganz alltäglich ist, mit der Mentalität der Wegwerf-Kultur zu leben, das, was nicht funktioniert, weggeworfen wird: Ihr erduldet das, ich erlaube mir, das so auszudrücken – aber ich will euch nicht schmeicheln, nein, das kommt mir von Herzen – das ist Heldenmut! Ihr seid die kleinen Helden des Lebens. Ich habe sehr oft die großen Sorgen von Papas und Mamas wie ihr es seid vernommen, und bin mir sicher, dass ihre Sorge auch die eure ist: dass [mein Sohn] im Leben nicht allein zurückbleibt, dass [meine Tochter] im Leben nicht allein zurückbleibt. Vielleicht ist das der einzige Anlass, weshalb Eltern den Herrn darum bitten, zuerst ihr Kind zu sich zu rufen, damit es im Leben nicht alleine zurückbleibt. Und das ist Liebe. Ich danke euch vor das Vorbild, das ihr seid. Ich weiß wirklich nicht, was ich dem noch hinzufügen könnte, denn diese Dinge berühren mich sehr. Auch ich habe keine Antworten. »Aber Sie sind Papst, Sie müssen alles wissen!« Nein, bei diesen Dingen gibt es keine Antworten, nur den Blick des Vaters. Und was mache ich dann? Ich bete: für euch, für diese Kinder, für dieses  Gefühl der Freude, des Schmerzes, die sich miteinander vermengen, von dem unser Bruder gesprochen hat. Und der Herr versteht es, diesen Schmerz auf ganz besondere Art zu trösten. Möge Er einem jeden von euch die richtige Art von Trost spenden, den Trost, dessen ihr bedürft. Danke für euren Besuch, danke, danke!

Pater Joannis [Msgr. Gaid, einer der beiden Privatsekretäre des Papstes, der die Gruppe begleitete], der ein ganz eigener Typ ist – ihr kennt ihn –, hat mir den Rat gegeben, euch eine Geschichte zu erzählen. Vielleicht kann sie euch dabei helfen, den Herrn anzuschauen. Es gab da ein Kind, das beim Spielen war. Sein Papa schaute ihm vom Fenster im dritten Stock aus zu, und das Kind wollte einen großen Stein verschieben, war aber nicht dazu imstande, denn er war sehr schwer. Da ging das Kind, das intelligent war, hin und nahm ein eisernes Werkzeug, um ihn fortzubewegen, und das gelang nicht, da rief es nach seinen Freunden und wollte ihn zusammen mit  seinen Freunden wegrollen, und es ging nicht, weil es ein sehr schwerer Stein war. Und sie wollten ihn wegrollen, um genau an diesem Punkt zu spielen, und schließlich kam der Papa, der vom Fenster aus zugeschaut hatte, herunter und schaffte den Stein mit sehr viel Kraft und mit einem eisernen Werkzeug weg. Und das Kind schimpfte seinen Papa: »Aber Papa, hast du gesehen, dass ich es nicht geschafft habe?« – »Ja« – »Und warum bist du nicht schon früher gekommen? « – »Weil du mich nicht gerufen hast.« Vergesst nicht: Den Herrn rufen. Er weiß, wie er kommen wird, wann er kommen wird, und das mag euer Trost sein. Betet auch für mich. Danke.

Beten wir zur Muttergottes: »Gegrüßet seist du, Maria…«

 



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