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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH
SRI LANKA UND AUF DIE PHILIPPINEN

(12.-19. JANUAR 2015)

BEGEGNUNG MIT DEN FAMILIEN

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS

Mall of Asia Arena, Manila
Freitag, 16. Januar 2015

[Multimedia]


 

Liebe Familien,
liebe Freunde in Christus,

ich bin dankbar für eure Anwesenheit hier heute Abend und für das Zeugnis eurer Liebe zu Jesus und seiner Kirche. Ich danke Bischof Reyes, dem Vorsitzenden der bischöflichen Kommission für Familie und Leben, für seinen Willkommensgruß in eurem Namen. Und in besonderer Weise danke ich denen, die ihre Zeugnisse vorgetragen und ihr Glaubensleben mit uns geteilt haben. Danke! Die Kirche in den Philippinen ist gesegnet durch das Apostolat vieler Bewegungen, die sich um die Familie kümmern, und ich danke ihnen für ihr Zeugnis!

Die Heilige Schrift spricht selten vom heiligen Josef, doch wenn sie es tut, finden wir ihn oft ruhend, während ein Engel ihm im Traum Gottes Willen offenbart. In dem Evangelienabschnitt, den wir eben gehört haben, treffen wir Josef nicht einmal, sondern gleich zweimal ruhend an. Heute Abend möchte ich mit euch allen im Herrn ruhen. Ich habe es nötig, mit den Familien im Herrn zu ruhen, und ich erinnere mich an meine Familie: meinen Vater, meine Mutter, meinen Großvater, meine Großmutter… Heute ruhe ich mit euch und möchte mit euch über das Geschenk der Familie nachdenken.

Doch vorher möchte ich etwas über den Traum sagen. Mein Englisch ist aber so schlecht! Wenn ihr erlaubt, werde ich Monsignore Miles bitten zu übersetzen, und ich spreche spanisch. Mir gefällt das Träumen in der Familie sehr. Alle Mütter und alle Väter haben neun Monate lang von ihrem Kind geträumt. Stimmt das, oder nicht? [„Ja!“] Träumen, wie das Kind wohl sein wird… Eine Familie ohne Traum ist gar nicht möglich. Wenn in einer Familie die Fähigkeit zu träumen verloren geht, wachsen die Kinder nicht und wächst die Liebe nicht, wird das Leben schwächer und erlischt. Darum empfehle ich euch, dass ihr euch am Abend, wenn ihr die Gewissenserforschung macht, auch fragt: Habe ich heute von der Zukunft meiner Kinder geträumt? Habe ich heute von der Liebe meines Mannes bzw. meiner Frau geträumt? Habe ich heute von meinen Eltern, von meinen Großeltern geträumt, die die Geschichte bis zu mir weitergeführt haben? Es ist so wichtig zu träumen! Vor allem, in einer Familie zu träumen. Bitte verliert nicht diese Fähigkeit zu träumen!

Und wie viele Schwierigkeiten im Leben der Eheleute lassen sich lösen, wenn wir einen Raum bewahren für den Traum, wenn wir innehalten und an den Ehepartner denken und von der Güte, den guten Seiten träumen, die er bzw. sie hat. Darum ist es sehr wichtig, die Liebe wiederzugewinnen durch den Traum eines jeden Tages. Hört nie auf, Brautleute zu sein!

Josefs Ruhe offenbart ihm Gottes Willen. In diesem Moment der Ruhe im Herrn, da wir innehalten und all unsere vielen täglichen Pflichten und Aktivitäten unterbrechen, spricht Gott auch zu uns. Er spricht zu uns in der Lesung, die wir eben gehört haben, in unserem Gebet und Zeugnis und in der Ruhe unseres Herzens. Lasst uns darüber nachdenken, was der Herr uns sagt, besonders in dem Evangelium von heute Abend. Es gibt drei Aspekte in diesem Abschnitt, die zu bedenken ich euch bitte. Erstens: ruhen im Herrn; zweitens: mit Jesus und Maria aufstehen; drittens: eine prophetische Stimme sein.

Ruhen im Herrn. Die Ruhe ist so notwendig für die Gesundheit unseres Geistes und unseres Leibes und oft so schwer zu erlangen wegen der vielen Anforderungen, die an uns gestellt werden. Aber Ruhe ist auch wesentlich für unsere spirituelle Gesundheit, damit wir Gottes Stimme hören und verstehen können, was er von uns verlangt. Josef war von Gott erwählt, Jesu Pflegevater und Marias Gemahl zu sein. Als Christen seid auch ihr berufen, wie Josef ein Heim für Jesus zu bereiten. Ein Heim für Jesus zu bereiten! Ihr bereitet ihm ein Heim in euren Herzen, euren Familien, euren Pfarreien und euren Gemeinschaften.

Um Gottes Ruf, Jesus ein Heim zu bereiten, zu hören und anzunehmen, müsst ihr fähig sein, im Herrn zu ruhen. Ihr müsst jeden Tag Zeit schaffen, um im Herrn zu ruhen, ja, um zu beten. Gebet ist Ruhen in Gott. Nun könnt ihr einwenden – ich weiß es: Heiliger Vater, ich möchte beten, aber es ist so viel Arbeit zu erledigen! Ich muss mich um meine Kinder kümmern; ich habe Pflichten im Hause; ich bin sogar zu müde, um gut zu schlafen. Das stimmt. Das mag wahr sein, aber wenn wir nicht beten, werden wir das Wichtigste von allem nicht erkennen: Gottes Willen für uns. Und trotz all unseres Tuns, unserer Betriebsamkeit, werden wir ohne Gebet sehr wenig vollbringen.

In Ruhe zu beten ist besonders wichtig für Familien. Die Familie ist der erste Ort, wo wir beten lernen. Vergesst nicht: Wenn die Familie zusammen betet, bleibt sie zusammen. Das ist wichtig. Dort lernen wir Gott kennen, zu gläubigen Menschen heranzuwachsen, uns selbst als Glieder einer größeren Familie, der Kirche, zu sehen. In der Familie lernen wir, wie man liebt, wie man vergibt, wie man großherzig und offen ist, nicht verschlossen und selbstsüchtig. Wir lernen, über unsere eigenen Bedürfnisse hinauszugehen, anderen zu begegnen und unser Leben mit ihnen zu teilen. Das ist der Grund, warum es so wichtig ist, als Familie zu beten! So wichtig! Das ist der Grund, warum die Familien so wichtig sind in Gottes Plan für die Kirche! Ruhen im Herrn ist beten. Gemeinsam beten in der Familie.

Ich möchte euch heute Abend auch etwas ganz Persönliches sagen. Ich liebe den heiligen Josef sehr, denn er ist ein starker und ein schweigsamer Mann. Auf meinem Schreibtisch habe ich ein Bild des heiligen Josefs, der schläft. Und schlafend leitet er die Kirche! Ja! Er kann es, wir wissen das. Und wenn ich ein Problem habe, eine Schwierigkeit, dann schreibe ich es auf ein kleines Blatt und schiebe es unter den heiligen Josef, damit er davon träumt! Das bedeutet: damit er für dieses Problem betet!

Der zweite Aspekt: mit Jesus und Maria aufstehen. Diese kostbaren Momente des Ausruhens, der Ruhe beim Herrn im Gebet, sind Momente, die wir vielleicht gerne verlängern würden. Doch wie der heilige Josef müssen wir, wenn wir die Stimme Gottes vernommen haben, uns vom Schlummer erheben; wir müssen aufstehen und handeln (vgl. Röm 13,11). In der Familie müssen wir aufstehen und handeln! Der Glaube entfernt uns nicht von der Welt, sondern er zieht uns tiefer in sie hinein. Das ist sehr wichtig! Wir müssen tief in die Welt eindringen, aber mit der Kraft des Gebetes. Jeder von uns hat nämlich eine spezielle Rolle bei der Vorbereitung der Ankunft von Gottes Reich in unserer Welt.

Genauso wie das Geschenk der Heiligen Familie dem heiligen Josef anvertraut war, ist das Geschenk der Familie und ihr Platz in Gottes Plan uns anvertraut. Das ist dasselbe wie beim heiligen Josef. Das Geschenk der Heiligen Familie wurde dem heiligen Josef anvertraut, damit er sie voranbringen sollte. Jedem von euch und von uns – denn auch ich bin Sohn einer Familie – wird der Plan Gottes anvertraut, um ihn voranzubringen. Der Engel des Herrn offenbarte Josef die Gefahren, die Jesus und Maria bedrohten und sie zwangen, nach Ägypten zu fliehen und sich danach in Nazareth niederzulassen. So fordert Gott in unserer Zeit auch uns auf, die Gefahren zu erkennen, die unsere eigenen Familien bedrohen, und sie vor Schaden zu bewahren.

Passen wir auf, nehmen wir uns in Acht vor den neuen ideologischen Kolonisierungen! Es gibt ideologische Kolonisierungen, die versuchen, die Familie zu zerstören. Sie gehen nicht aus dem Traum, aus dem Gebet, aus der Begegnung mit Gott hervor, aus dem Auftrag, den Gott uns gibt; sie kommen von außen, und darum sage ich, dass es Kolonisierungen sind. Verlieren wir nicht die Freiheit des Auftrags, den Gott uns gibt, den Auftrag der Familie! Und wie unsere Völker in einem bestimmten Moment ihrer Geschichte zu der Reife gelangten, „nein“ zu sagen zu jeglicher politischer Kolonisierung, so müssen wir als Familie sehr, sehr klug, sehr geschickt, sehr stark sein, um „nein“ zu sagen zu jeglichem Versuch ideologischer Kolonisierung der Familie. Und den heiligen Josef, der ein Freund des Engels ist, müssen wir um seine Fürsprache bitten, damit wir wissen, wann wir „ja“ sagen können und wann wir „nein“ sagen müssen.

Heute liegt vielfältiger Druck auf dem Familienleben. Hier auf den Philippinen leiden noch unzählige Familien unter den Folgen der Naturkatastrophen. Die wirtschaftliche Situation hat dazu geführt, dass Familien aufgrund von Migration und Arbeitsplatzsuche getrennt sind, und viele Haushalte sind durch finanzielle Probleme belastet. Während allzu viele Menschen in schrecklicher Armut leben, sind andere gefangen in Materialismus und in Lebensstilen, die das Familienleben zerstören und gegen die grundlegendsten Ansprüche christlicher Moral verstoßen. Das sind die ideologischen Kolonisierungen. Die Familie ist außerdem bedroht durch zunehmende Bemühungen einiger, die Institution der Ehe selbst neu zu definieren, durch Relativismus, durch die Kultur der Kurzlebigkeit und durch mangelnde Offenheit für das Leben.

Ich denke an den seligen Paul VI. In einem Moment, in dem sich das Problem des Bevölkerungswachstums stellte, hatte er den Mut, die Offenheit für das Leben in der Familie zu verteidigen. Er wusste um die Schwierigkeiten, die es in jeder Familie gab, und darum war er in seiner Enzyklika sehr barmherzig gegenüber den Sonderfällen. Und er bat die Beichtväter, mit den Sonderfällen sehr barmherzig und verständnisvoll umzugehen. Doch sein Blick reichte darüber hinaus: Er schaute auf die Völker der Erde und sah diese Bedrohung der Zerstörung der Familie durch Kinderlosigkeit. Paul VI. war mutig, er war ein guter Hirte und warnte seine Schafe vor den kommenden Wölfen. Möge er uns heute Abend vom Himmel her segnen!

Unsere Welt braucht gute und starke Familien, um diese Gefahren zu überwinden! Die Philippinen brauchen heilige und liebende Familien, um die Schönheit und die Wahrheit der Familie in Gottes Plan zu schützen und um anderen Familien Unterstützung und Vorbild zu sein. Jede Gefährdung der Familie ist eine Gefährdung der Gesellschaft selbst. Die Zukunft der Menschheit geht – wie der heilige Johannes Paul II. oft betonte – über die Familie (vgl. Familiaris Consortio, 86). Die Zukunft geht über die Familie. Schützt also eure Familien! Schützt eure Familien! Seht in ihnen den größten Schatz eures Landes, und nährt sie stets durch das Gebet und die Gnade der Sakramente! Die Familien werden immer ihre Prüfungen haben, aber fügt ihnen nie weitere hinzu! Seid stattdessen lebendige Beispiele von Liebe, Vergebung und Fürsorge. Seid Heiligtümer der Achtung vor dem Leben, indem ihr die Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens von der Zeugung bis zum natürlichen Tod verkündet. Welch ein Geschenk wäre es für die Gesellschaft, wenn jede christliche Familie ihre edle Berufung ganz und gar leben würde! Steht also auf mit Jesus und Maria, brecht auf und macht euch auf den Weg, den der Herr jedem von euch vorzeichnet.

Und schließlich erinnert uns das Evangelium, das wir gehört haben, an unsere christliche Pflicht, prophetische Stimmen inmitten unserer Gemeinschaften zu sein. Josef hörte auf den Engel des Herrn und kam dem Ruf Gottes, für Jesus und Maria zu sorgen, nach. Auf diese Weise spielte er seine Rolle in Gottes Plan und wurde zum Segen nicht nur für die Heilige Familie, sondern für die gesamte Menschheit. Gemeinsam mit Maria diente Joseph dem Jesusknaben als Vorbild, als dieser heranwuchs, seine Weisheit zunahm und er bei Gott und den Menschen Gefallen fand (vgl. Lk 2,52). Wenn Familien Kinder zur Welt bringen, sie im Glauben und in gesunden Werten erziehen und sie lehren, ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, werden sie zum Segen in unserer Welt. Die Familie kann der Welt zum Segen werden! Gottes Liebe wird gegenwärtig und wirksam durch die Art, wie wir lieben, und durch die guten Werke, die wir vollbringen. Wir breiten Christi Königreich in dieser Welt aus. Und indem wir das tun, erweisen wir uns als treu gegenüber der prophetischen Sendung, die wir in der Taufe erhalten haben.

Während dieses Jahres, das eure Bischöfe als das Jahr der Armen ausersehen haben, möchte ich euch als Familien bitten, unserer Berufung, missionarische Jünger Jesu zu sein, besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das bedeutet bereit zu sein, aus euren Häusern herauszugehen und für unsere Brüder und Schwestern zu sorgen, die am meisten in Not sind. Ich bitte euch speziell, euch derer anzunehmen, die keine eigene Familie haben, besonders der älteren Menschen und der elternlosen Kinder. Lasst nie zu, dass sie sich isoliert, allein und verlassen fühlen, sondern helft ihnen zu erkennen, dass Gott sie nicht vergessen hat. Heute nach der Messe war ich zutiefst bewegt, als ich dieses Haus für einsame Kinder ohne Familie besucht habe. Wie viele Menschen arbeiten in der Kirche, damit dieses Haus eine Familie ist! Das heißt, auf prophetische Weise zu fördern, was Familie bedeutet.

Ihr mögt vielleicht selber materiell arm sein, aber ihr habt ihnen einen Überfluss an Geschenken zu bieten, wenn ihr ihnen Christus und die Gemeinschaft seiner Kirche anbietet. Versteckt euren Glauben nicht, versteckt Jesus nicht, sondern tragt ihn in die Welt und gebt das Zeugnis eures Familienlebens!

Liebe Freunde in Christus, ihr sollt wissen, dass ich immer für euch bete! Ich bete heute für die Familien. Das ist wahr, ich tue es! Ich bete, dass der Herr weiter eure Liebe zu ihm vertiefe und dass diese Liebe in eurer Liebe zueinander und zur Kirche offenbar werde. Vergesst nicht den schlafenden Jesus! Vergesst nicht den ruhenden Josef! Jesus hat im Schutz des heiligen Josef geschlafen. Vergesst nicht: Die Ruhe der Familie ist das Gebet. Vergesst nicht, für die Familie zu beten! Betet oft und tragt die Früchte eures Gebetes in die Welt, damit alle Jesus Christus und seine barmherzige Liebe kennen lernen. Und bitte, „ruht“ auch für mich, betet auch für mich, denn ich habe eure Gebete wirklich nötig und werde immer von ihnen abhängen! Vielen Dank!

 



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