APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
IN DIE REPUBLIK KOREA AUS ANLASS DES
6. ASIATISCHEN JUGENDTAGES
(13.-18. AUGUST 2014)
BEGEGNUNG MIT ASIATISCHEN JUGENDLICHEN
ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
Heiligtum von Solmoe
Freitag, 15. August 2014
Liebe junge Freunde,
„Es ist gut, dass wir hier sind!“ (Mt 17,4). Diese Worte sprach der heilige Petrus auf dem Berg Tabor, als er vor dem in Herrlichkeit verklärten Jesus stand. Wahrlich, es ist gut, dass wir hier sind, gemeinsam in diesem Heiligtum der koreanischen Märtyrer, in denen die Herrlichkeit des Herrn zu Beginn des Lebens der Kirche in diesem Land offenbart wurde. In dieser großen Versammlung, die junge Christen aus ganz Asien zusammenführt, können wir die Herrlichkeit Jesu gleichsam greifen – die Herrlichkeit Jesu, der gegenwärtig ist in unserer Mitte, gegenwärtig ist in seiner Kirche, die alle Nationen, Sprachen und Völker umfasst, gegenwärtig ist in der Kraft seines Heiligen Geistes, der alles neu, jung und lebendig macht!
Ich danke euch für euren herzlichen Empfang. Sehr herzlich, sehr herzlich! Und für das Geschenk eurer Begeisterung, für eure freudigen Gesänge, eure Glaubenszeugnisse und eure schönen Darbietungen der Vielfalt und des Reichtums eurer unterschiedlichen Kulturen. In besonderer Weise sage ich Mai, Giovanni und Marina Dank, den drei jungen Freunden, die mich an euren Hoffnungen, euren Problemen und euren Sorgen haben teilhaben lassen. Ich habe ihnen aufmerksam zugehört und werde sie im Gedächtnis behalten. Ich danke Bischof Lazzaro You Heung-sik für seine einführenden Worte und begrüße euch alle von Herzen.
Heute Nachmittag möchte ich mit euch über einen Teil des Themas vom Sechsten Asiatischen Jugendtag nachdenken: „Die Herrlichkeit der Märtyrer erstrahlt über euch.“ Genauso wie der Herr seine Herrlichkeit im heroischen Zeugnis der Märtyrer weiterleuchten ließ, möchte er seine Herrlichkeit auch in eurem Leben und durch euch aufscheinen lassen, um das Leben dieses weiten Kontinents hell zu machen. Heute klopft Christus an die Tür eures Herzens, meines Herzens. Er fordert euch und mich auf, uns zu erheben, ganz wach und aufmerksam zu sein und die Dinge im Leben zu sehen, die wirklich von Bedeutung sind. Mehr noch: Er bittet euch und mich, hinauszugehen auf die Straßen und Gassen dieser Welt und an die Türen der Herzen anderer zu klopfen mit der Einladung, ihn in ihrem Leben willkommen zu heißen.
Dieses große Treffen junger Asiaten ermöglicht uns ebenfalls, etwas von dem zu sehen, was die Kirche selbst in Gottes ewigem Plan sein soll. Gemeinsam mit jungen Menschen von überall her möchtet ihr dazu beitragen, eine Welt aufzubauen, wo wir alle in Frieden und Freundschaft zusammenleben, indem wir Barrieren überwinden, Zerwürfnisse heilen sowie Gewalt und Vorurteile zurückweisen. Und genau das ist es, was Gott uns wünscht. Die Kirche soll ein Same der Einheit für die gesamte Menschheitsfamilie sein. In Christus sind alle Nationen und Völker in eine Einheit gerufen, welche die Vielfalt nicht zerstört, sondern sie anerkennt, versöhnt und bereichert.
Wie weit entfernt erscheint der Geist der Welt von dieser wunderbaren Vorstellung und diesem großartigen Plan! Wie oft scheint der Same der Güte und Hoffnung, den wir zu säen versuchen, erstickt zu werden vom Unkraut des Egoismus, der Feindseligkeit und der Ungerechtigkeit nicht nur in unserer Umgebung, sondern auch in unserem eigenen Herzen! Wir sind beunruhigt durch die wachsende Kluft zwischen reich und arm in unseren Gesellschaften. Wir sehen Zeichen einer Vergötterung von Besitz, Macht und Vergnügen, was Menschen großen Schaden zufügt. In unserer näheren Umgebung gibt es so viele unserer eigenen Freunde und Altersgenossen, die sogar inmitten von immensem materiellen Reichtum unter geistlicher Armut, Einsamkeit und stiller Hoffnungslosigkeit leiden. Gott scheint von der Bildfläche verschwunden zu sein. Es ist beinahe, als beginne eine geistige Wüste, sich über unsere ganze Welt auszubreiten. Es wirkt sich auch auf die jungen Menschen aus, indem es ihnen ihre Hoffnung nimmt und in allzu vielen Fällen sogar ihr Leben selbst.
Doch das ist die Welt, in die ihr hinausgehen und Zeugnis bringen sollt für das Evangelium der Hoffnung, für das Evangelium Jesu Christi und die Verheißung seines Reiches – das ist dein Thema, Marina. Ich werde darüber sprechen… In den Gleichnissen sagt Jesus uns, dass das Reich friedlich in die Welt kommt, indem es still, aber sicher wächst, wo immer es von Herzen empfangen wird, die für seine Botschaft der Hoffnung und des Heils offen sind. Das Evangelium lehrt uns, dass der Geist Jesu jedem menschlichen Herzen neues Leben bringen und jede Situation – sogar die scheinbar hoffnungsloseste – verwandeln kann. Jesus kann verwandeln, kann alle Situationen verwandeln! Das ist die Botschaft, die ihr mit euren Altersgenossen teilen sollt: in der Schule, am Arbeitsplatz, in euren Familien, euren Universitäten und euren Gemeinden. Weil Jesus vom Tod erstanden ist, wissen wir, dass er „Worte des ewigen Lebens“ hat (Joh 6,68), dass sein Wort die Macht hat, jedes Herz zu berühren, Böses mit Gutem zu überwinden und die Welt zu verändern und zu erlösen.
Liebe junge Freunde, in dieser Generation zählt der Herr auf euch! Er zählt auf euch! Er kam in euer Herz am Tag eurer Taufe, schenkte euch seinen Geist am Tag eurer Firmung und stärkt euch ständig durch seine Gegenwart in der Eucharistie, so dass ihr seine Zeugen sein könnt vor der Welt. Seid ihr bereit, „Ja“ zu sagen? Seid ihr bereit? [Die Jugendlichen rufen: „Ja!“] – Danke!
Seid ihr müde? [„Nein!“] Sicher? [„Ja!“] – Ein lieber Freund sagte mir gestern: „Du kannst zu den Jugendlichen nicht sprechen, indem du vom Papier abliest; du musst die jungen Leute spontan ansprechen, aus dem Herzen. [Applaus] Aber ich habe eine große Schwierigkeit: Mein Englisch ist schlecht. [„Nein, nein!“] – Doch, doch! Aber wenn ihr wollt, kann ich spontan noch andere Dinge sagen. Seid ihr müde? [„Nein!“] Kann ich weitermachen? [„Ja!“] Aber ich tue es auf Italienisch [großer Applaus – Er wendet sich an den Übersetzer] Würden Sie es übersetzen? Danke! Also los!
Ich habe sehr stark empfunden, was Marina gesagt hat: ihren Konflikt in ihrem Leben. Was tun? Den Weg zu einem gottgeweihten Leben, zum Ordensleben einschlagen, oder studieren, um besser vorbereitet zu sein, den anderen zu helfen.
Das ist ein scheinbarer Konflikt, denn wenn der Herr ruft, dann ruft er immer, um den anderen Gutes zu tun, sei es im Ordensleben, sei es im gottgeweihten Leben, sei es im Laienstand als Vater und Mutter der Familie. Aber der Zweck ist der gleiche: Gott anzubeten und den anderen Gutes zu tun. Was sollen Marina und viele von euch, die sich dieselbe Frage stellen, tun? Auch ich habe sie mir seinerzeit gestellt: Welchen Weg soll ich wählen? – Aber du sollst überhaupt keinen Weg wählen! Der Herr muss ihn wählen! Jesus hat ihn gewählt! Du musst ihn hören und fragen: Herr, was soll ich tun?
Das ist das Gebet, das ein junger Mensch sprechen muss: „Herr, was willst du von mir?“ Und mit dem Gebet und dem Rat einiger wirklicher Freunde – Laien, Priester, Schwestern, Bischöfe, Päpste – auch der Papst kann einen guten Rat geben – mit dem Rat von diesen Menschen den Weg finden, den der Herr für mich will.
Lasst uns zusammen beten! [Er wendet sich an den Übersetzer] Lasse du sie auf Koreanisch wiederholen: „Herr, was willst du von meinem Leben?“ Dreimal. Lasst uns beten! [Die Jugendlichen sprechen die Bitte dreimal im Chor.]
Ich bin sicher, dass der Herr euch erhören wird. Auch dich, Marina, bestimmt. Danke für dein Zeugnis. Entschuldige! Ich habe die Namen verwechselt: Die Frage kam von Mai, nicht von Marina.
Mai hat noch von etwas anderem gesprochen: von den Märtyrern, den Heiligen, den Zeugen. Und mit etwas Kummer, ein wenig Sehnsucht hat sie uns gesagt, dass es in ihrem Land, in Kambodscha, noch keine Heiligen gibt, doch wir hoffen… Heilige gibt es, und viele! Aber die Kirche hat noch keinen anerkannt, hat noch keinen seliggesprochen, noch keinen heiliggesprochen. Und ich danke dir sehr dafür, Mai. Ich verspreche dir, dass ich mich, wenn ich nach Hause zurückkomme, darum kümmern werde, mit dem Zuständigen zu sprechen – es ist ein fähiger Mann und er heißt Angelo – das ist ein guter Name: Angelo – und ich werde ihn bitten, in der Sache Nachforschungen anzustellen, um sie voranzubringen. Danke, vielen Dank!
Es ist Zeit, aufzuhören. Seid ihr müde? [„Nein!“] Sollen wir noch ein bisschen weitermachen? [„Ja!“]
Kommen wir jetzt zu Marina. Marina hat zwei Fragen gestellt… nicht zwei Fragen, sie hat zwei Überlegungen vorgetragen und eine Frage über das Glück. Sie hat uns etwas Wahres gesagt: Das Glück kann man nicht kaufen. Und wenn du ein Glück kaufst, dann merkst du, dass dieses Glück sich verflüchtigt hat… Das Glück, das man kauft, ist nicht von Dauer. Nur das Glück der Liebe, das ist es, was andauert.
Und der Weg der Liebe ist einfach: Liebe Gott und liebe den Nächsten, deinen Mitmenschen, den, der in deiner Nähe ist, den, der Liebe braucht und viele andere Dinge. – „Aber Pater, wie kann ich wissen, ob ich Gott liebe?“ – Einfach, wenn du den Nächsten liebst, wenn du nicht hasst, wenn du keinen Hass in deinem Herzen hast, liebst du Gott. Das ist der sichere Beweis.
Und dann hat Marina eine Frage gestellt – ich verstehe – eine schmerzliche Frage, und ich danke ihr, dass sie sie gestellt hat: die Spaltung zwischen den Brüdern und Schwestern der beiden Koreas. Aber gibt es zwei Koreas? Nein, es gibt ein Korea, aber es ist gespalten, die Familie ist gespalten. Und da ist dieser Schmerz… Wie kann man helfen, dass diese Familie sich vereint? Ich sage zweierlei: zuerst ein Rat und dann eine Hoffnung.
Vor allem der Rat: beten; für unsere Brüder und Schwestern im Norden beten: „Herr, wir sind eine Familie, hilf uns, verhilf uns zur Einheit, du kannst das tun. Dass es weder Sieger noch Besiegte gibt, sondern nur eine Familie, dass es nur die Geschwister gibt.“ Und jetzt lade ich euch ein, gemeinsam zu beten – nach der Übersetzung – schweigend zu beten für die Einheit der beiden koreanischen Staaten.
Beten wir im Schweigen. [Stille]
Und nun die Hoffnung. Welche Hoffnung? Es gibt so viele Hoffnungen, aber eine darunter ist besonders schön. Korea ist eins, ist eine Familie: Ihr sprecht die gleiche Sprache, die Sprache der Familie; ihr seid Geschwister, die die gleiche Sprache sprechen. Als [in der biblischen Erzählung] Josefs Brüder nach Ägypten zogen, um Nahrung zu kaufen – denn sie hatten Hunger; sie hatten Geld, aber nichts zu essen – kamen sie dort an, um Lebensmittel zu kaufen, und fanden einen Bruder! Wieso? Weil Josef gemerkt hatte, dass sie die gleiche Sprache sprachen. Denkt an eure Geschwister im Norden: Sie sprechen die gleiche Sprache, und wenn in der Familie die gleiche Sprache gesprochen wird, gibt es auch eine menschliche Hoffnung.
Eben haben wir etwas Schönes gesehen, diesen Sketch des „verlorenen Sohns“, jenes Sohnes, der fortgegangen war, der sein Geld und alles verschwendet hatte, der seinen Vater, die Familie und alles verraten hatte. Zu einem bestimmten Zeitpunkt – aus Not, aber tief beschämt – hat er sich entschieden zurückzukehren. Und er hatte auch überlegt, wie er seinen Vater um Verzeihung bitten wollte: „Vater, ich habe gesündigt, ich habe dieses Böse getan, aber ich will nun ein Knecht sein, nicht dein Sohn.“ Dies und viele andere schöne Worte hatte er sich zurechtgelegt. Aber das Evangelium erzählt uns, dass der Vater ihn von ferne sah. Und warum sah er ihn? Weil er jeden Tag auf die Dachterrasse stieg, um zu sehen, ob der Sohn heimkehrte. Und er hat ihn umarmt. Und er hat ihn kaum zu Wort kommen lassen, hat ihn jene vorbereiteten Worte gar nicht ausreden und nicht einmal um Verzeihung bitten lassen … und hat ein Fest gefeiert. Er hat ein Fest gefeiert! Und das ist das Fest, das Gott gefällt: Wenn wir nach Hause zurückkehren, zu ihm zurückkehren. – „Aber Pater, ich bin ein Sünder, ich bin eine Sünderin…“ – Umso besser, er erwartet dich! Umso besser, er wird ein Fest feiern! Denn Jesus selbst sagt uns, dass im Himmel für einen Sünder, der umkehrt, ein größeres Fest gefeiert wird, als für hundert Gerechte, die zu Hause bleiben.
Niemand von uns weiß, was uns im Leben erwartet. Und ihr Jugendlichen: „Aber was erwartet mich?“… Wir können üble Dinge tun, sehr üble… aber, bitte, nicht verzweifeln: Da ist immer der Vater, der auf uns wartet! Zurückkehren, zurückkehren! Das ist das Wort. Come back! Nach Hause zurückkehren, denn der Vater wartet auf mich. Und wenn ich ein großer Sünder bin, wird er ein großes Fest feiern. Und ihr Priester, bitte, umarmt die Sünder und seid barmherzig! Und das zu spüren, ist schön! Mich macht das glücklich, denn Gott wird niemals müde, uns zu verzeihen; er wird niemals müde, auf uns zu warten.
Ich hatte drei Vorschläge aufgeschrieben, aber ich habe schon darüber gesprochen: Gebet, Eucharistie und Arbeit für die anderen, für die Armen.
Nun ist es Zeit für mich, zu gehen. [„Nein!“] Ich freue mich darauf, euch in diesen Tagen zu sehen und wieder zu euch zu sprechen, wenn wir uns am Sonntag zur heiligen Messe versammeln. Für jetzt lasst uns dem Herrn danken für den Segen dieser gemeinsamen Zeit und ihn bitten um die Kraft, treue und frohe Zeugen seiner Liebe überall in Asien und in der ganzen Welt zu sein.
Möge Maria, unsere Mutter, über euch wachen und euch immer in der Nähe Jesu, ihres Sohnes bewahren. Und auch der heilige Johannes Paul II., der die Weltjugendtage eingeführt hat, sei euch vom Himmel aus ein ständiger Begleiter. In großer Liebe erteile ich euch meinen Segen. [Er segnet die Versammlung.]
Und bitte, betet für mich, vergesst es nicht, für mich zu beten! Vielen Dank!
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