ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE SCHÜLER DER VON JESUITEN GEFÜHRTEN SCHULEN
IN ITALIEN UND ALBANIEN
Aula Paolo VI
Freitag, 7. Juni 2013
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Zu Beginn der Audienz gab der Heilige Vater bekannt, dass er, statt die von ihm vorbereitete Ansprache zu verlesen, lieber ein Gespräch mit den Audienzteilnehmern führen wolle. Es versprach, die Ansprache danach weiterzuleiten, damit sie veröffentlicht werden könne.
Lesen Sie hier die Ansprache, die der Heilige Vater vorbereitet hat, und die Zusammenfassung, die sich aus dem improvisierten Dialog mit den anwesenden Gläubigen ergeben hat.
Liebe Jugendliche, liebe junge Menschen!
Ich freue mich, euch mit euren Familien, den Lehrern und den Freunden der großen Familie der Schulen der Jesuiten in Italien und Albanien zu empfangen. Von Herzen begrüße ich euch alle: Herzlich willkommen! Bei euch allen fühle ich mich wirklich zu Hause, wie »in der Familie«. Und es ist Grund zu besonderer Freude, dass unsere Begegnung mit dem Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu zusammenfällt.
Zunächst möchte ich euch etwas in Bezug auf den hl. Ignatius von Loyola, unseren Gründervater, sagen. Als er im Herbst 1537 mit der Gruppe seiner ersten Gefährten nach Rom ging, fragte er sich: Wenn man uns die Frage stellt, wer wir sind, was werden wir dann antworten? Sofort kam die Antwort: »Wir sagen, dass wir die ›Gesellschaft Jesu‹ sind!« (Fontes Narrativi Societatis Iesu, Bd. 1, S. 320–322). Ein anspruchsvoller Name, der eine sehr enge freundschaftliche Beziehung, die allumfassende Liebe zu Jesus, dem sie nachfolgen wollten, zum Ausdruck bringen sollte. Warum habe ich euch das erzählt? Weil der hl. Ignatius und seine Gefährten verstanden hatten, dass Jesus sie lehrte, wie man gut lebt, wie man ein Dasein verwirklicht, das einen tiefen Sinn hat, das Begeisterung, Freude und Hoffnung schenkt. Sie hatten verstanden, dass Jesus ein großer Meister des Lebens und ein Vorbild für das Leben ist und dass er sie nicht nur lehrte, sondern sie auch einlud, ihm auf diesem Weg nachzufolgen.
Liebe Jugendliche, wenn ich euch jetzt fragen würde: »Warum geht ihr zur Schule?«, was würdet ihr mir antworten? Wahrscheinlich gäbe es viele Antworten, je nach dem Empfinden des Einzelnen. Aber ich glaube, man könnte alles zusammenfassen, indem man sagt, dass die Schule einer der Bildungsbereiche ist, in denen man wächst, um leben zu lernen, um erwachsene und reife Männer und Frauen zu werden, die in der Lage sind, ihren Weg zu gehen, den Weg des Lebens zu beschreiten. Wie hilft euch die Schule zu wachsen? Sie hilft euch nicht nur, eure Intelligenz zu entwickeln, sondern sie verhilft euch zu einer ganzheitlichen Ausbildung aller Komponenten eurer Persönlichkeit.
Der Lehre des hl. Ignatius zufolge besteht das wichtigste Element in der Schule darin zu lernen, großherzig zu sein. Die Großherzigkeit: die Tugend des Großen und des Kleinen (»Non coerceri maximo contineri minimo, divinum est«), die uns immer zum Horizont blicken lässt. Was bedeutet es, großherzig zu sein? Es bedeutet, ein großes Herz zu haben, Geistesgröße zu haben, es bedeutet, große Ideale zu haben, den Wunsch, große Dinge zu tun, um auf das zu antworten, worum Gott uns bittet, und gerade deshalb die täglichen Dinge gut zu machen, alles tägliche Tun, die Arbeiten, die Begegnungen mit den Menschen – die kleinen Dinge des Alltags mit einem großen Herzen zu tun, das für Gott und für die anderen offen ist. Daher ist es wichtig, die auf die Großherzigkeit ausgerichtete menschliche Formung zu pflegen. Die Schule erweitert nicht nur eure intellektuelle, sondern auch eure menschliche Dimension. Und ich glaube, dass insbesondere die Schulen der Jesuiten darauf achten, die menschlichen Tugenden zu entwickeln: Loyalität, Achtung, Treue, Einsatz. Ich möchte über zwei grundlegende Werte sprechen: Freiheit und Dienst. Vor allem: Seid freie Menschen! Was will ich damit sagen? Vielleicht meint man, dass Freiheit darin besteht, alles zu tun, was man will – oder sich in Grenzerfahrungen vorzuwagen, um den Rausch zu spüren und die Langeweile zu überwinden. Das ist keine Freiheit. Freiheit heißt, über das nachzudenken, was wir tun, beurteilen zu können, was gut ist und was schlecht ist, welche Verhaltensweisen zum Wachstum beitragen. Das heißt, immer das Gute zu wählen. Wir sind frei für das Gute. Und habt in diesen Dingen keine Angst, gegen den Strom zu schwimmen, auch wenn es nicht einfach ist! Frei sein, um immer das Gute zu wählen, ist anspruchsvoll, aber es macht euch zu Menschen, die Rückgrat haben, die dem Leben zu begegnen wissen, Menschen mit Mut und Geduld (»parresia« und »hypomoné«).
Das zweite Wort ist Dienst. In euren Schulen nehmt ihr an verschiedenen Aktivitäten teil, die euch daran gewöhnen, euch nicht in euch selbst oder in eure kleine Welt zu verschließen, sondern euch den anderen zu öffnen, besonders den Ärmsten und Notleidenden, euch dafür einzusetzen, die Welt, in der wir leben, zu verbessern. Seid Männer und Frauen mit den anderen und für die anderen, wahre Meister im Dienst an den anderen!
Um großmütig zu sein mit innerer Freiheit und dem Geist des Dienstes, bedarf es der geistlichen Bildung. Liebe Jugendliche, liebe junge Menschen, liebt Jesus Christus immer mehr! Unser Leben ist eine Antwort auf seinen Ruf, und ihr werdet glücklich sein und euer Leben gut aufbauen, wenn ihr es versteht, auf diesen Ruf zu antworten. Ihr spürt die Gegenwart des Herrn in eurem Leben. Er ist einem jeden von euch nahe als Gefährte, als Freund, der euch helfen und verstehen kann, der euch in schwierigen Augenblicken ermutigt und euch nie verlässt. Im Gebet, im Dialog mit ihm, im Lesen der Bibel werdet ihr entdecken, dass er euch wirklich nahe ist. Und ihr lernt auch, die Zeichen Gottes in eurem Leben zu erkennen. Er spricht immer zu uns, auch durch die Gegebenheiten unserer Zeit und unseres täglichen Daseins; es ist an uns, ihm zuzuhören. Ich möchte mich kurz fassen, aber ein besonderes Wort will ich auch an die Erzieher richten: an die Jesuiten, an die Lehrer, an die Mitarbeiter eurer Schulen und an die Eltern. Lasst euch nicht entmutigen von den Schwierigkeiten, die die erzieherische Herausforderung mit sich bringt! Erziehen ist kein Beruf, sondern eine Haltung, eine Seinsweise. Um zu erziehen, muss man aus sich selbst herauskommen und mitten unter den jungen Menschen sein, sie auf den Etappen ihres Wachstums begleiten und sich an ihre Seite stellen.
Schenkt ihnen Hoffnung, Zuversicht für ihren Weg in der Welt! Lehrt sie, die Schönheit und die Güte der Schöpfung und des Menschen zu sehen, der stets die Spuren des Schöpfers trägt. Aber seid vor allem mit eurem Leben Zeugen für das, was ihr vermittelt! Ein Erzieher – Jesuit, Lehrer, Mitarbeiter, Elternteil – vermittelt Erkenntnisse, Werte mit seinen Worten, aber er prägt die Jugendlichen, wenn er die Worte mit seinem Zeugnis, mit einem konsequenten Leben begleitet. Ohne Konsequenz kann man nicht erziehen!
Ihr alle seid Erzieher, in diesem Bereich kann man nichts auf andere übertragen. Die Zusammenarbeit im Geist der Einheit und der Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Personen, die im Bereich der Erziehung tätig sind, ist also wesentlich und muss gefördert und genährt werden. Die Schule kann und muss als Katalysator dienen, muss Ort der Begegnung und der Versammlung der ganzen Erziehungsgemeinschaft sein, mit dem einzigen Ziel, die Menschen zu formen und dazu beizutragen, dass sie als reife, einfache, fähige und ehrliche Personen heranwachsen, die mit Treue lieben, die das Leben als Antwort auf den Ruf Gottes und den zukünftigen Beruf als Dienst an der Gesellschaft leben. Den Jesuiten möchte ich außerdem sagen, dass es wichtig ist, für ihren Einsatz im erzieherischen Bereich zu sorgen. Die Schulen sind ein kostbares Werkzeug, um einen Beitrag zum Weg der Kirche und der ganzen Gesellschaft zu leisten. Der erzieherische Bereich ist außerdem nicht auf die konventionelle Schule beschränkt. Fasst den Mut, neue, unkonventionelle Formen der Erziehung zu finden, gemäß »der Bedürfnissen der Orte, der Zeiten und der Personen«.
Abschließend grüße ich alle anwesenden ehemaligen Schüler, die Vertreter der italienischen Schulen und des Netzwerkes »Fe y Alegría«, das ich gut kenne aufgrund der großartigen Arbeit, die es in Südamerika leistet, besonders unter den ärmsten Schichten. Und ein besonderer Gruß geht an die Delegation des »Collegio Albanese di Scutari«, das nach langen Jahren der Unterdrückung der religiösen Einrichtungen seit 1994 seine Arbeit wieder aufgenommen hat und katholische, orthodoxe und muslimische Jugendliche aufnimmt und unterrichtet, und auch einige Schüler, die in einem agnostischen familiären Umfeld entstammen. So wird die Schule zu einem Ort des Dialogs und der friedlichen Auseinandersetzung, um Achtung, Zuhören, Freundschaft und einen Geist der Zusammenarbeit zu fördern.
Liebe Freunde, ich danke euch allen für diese Begegnung. Ich vertraue euch der mütterlichen Fürsprache Mariens an und begleite euch mit meinem Segen: Der Herr ist immer bei euch, er erhebt euch nach dem Fall und spornt euch an, zu wachsen und euch immer für das Höhere und Größere zu entscheiden, »con grande ánimo y liberalidad«, mit Großherzigkeit. Ad Maiorem Dei Gloriam.
Liebe Jugendliche,
liebe junge Menschen!
Ich habe diese Ansprache vorbereitet, um euch zu sagen… aber das sind ja fünf Seiten! Ein bisschen langweilig… Wir wollen Folgendes tun: Ich werde eine kleine Zusammenfassung machen, und dann gebe ich diese Ansprache hier schriftlich dem Pater Provinzial, ich gebe sie auch Pater Lombardi, damit ihr es alle schriftlich habt. Und dann gibt es jetzt die Möglichkeit, dass einige von euch eine Frage stellen, und wir können ein kleines Gespräch führen. Gefällt uns das oder nicht? Ja? Gut. Machen wir es so. Der erste Punkt dieses Textes ist, dass in der von uns Jesuiten vermittelten Ausbildung der wichtigste Punkt – für unsere Entwicklung als Person – die Großherzigkeit ist. Wir müssen großherzig sein, mit einem großen Herzen, ohne Furcht. Stets auf die großen Ideale setzen. Aber auch Großherzigkeit in den kleinen Dingen, in den alltäglichen Dingen. Das weite Herz, das große Herz. Und es ist wichtig, diese Großherzigkeit mit Jesus zu finden, in der Betrachtung Jesu. Jesus ist derjenige, der uns die Fenster zum Horizont hin öffnet. Großherzigkeit bedeutet, mit Jesus zu gehen, mit dem Herzen darauf zu achten, was Jesus uns sagt. Auf diesem Weg möchte ich etwas zu den Erziehern, den Mitarbeitern in den Schulen und zu den Eltern sagen. Erziehen. Bei der Erziehung muss man ein Gleichgewicht halten, die Schritte gut abwägen: ein fester Schritt im Rahmen der Sicherheit, aber der nächste in die Zone des Wagnisses. Und wenn dieses Wagnis zur Sicherheit wird, dann sucht der nächste Schritt einen anderen Bereich des Wagnisses. Man kann nicht nur in der Sicherheitszone erziehen, nein. Damit verhindert man das Wachstum der Persönlichkeit. Man kann auch nicht nur in der Zone des Wagnisses erziehen: Das ist zu gefährlich. Die Schritte abwägen: Daran sollt ihr denken.
Wir sind auf der letzten Seite angekommen. Und ich möchte euch, die Erzieher, auch ermutigen, nach neuen, unkonventionellen Formen der Erziehung zu suchen, gemäß den Bedürfnissen der Orte, der Zeiten und der Personen. Das ist wichtig in unserer Ignatianischen Spiritualität: Immer »mehr« zu gehen und sich nicht mit den konventionellen Dingen zufrieden zu geben. Nach neuen Formen zu suchen gemäß den Orten, den Zeiten und den Personen. Dazu ermutige ich euch. Und jetzt bin ich bereit, auf einige Fragen zu antworten, die ihr stellen wollt: die Jugendlichen, die Erzieher. Ich stehe zur Verfügung. Ich habe dem Pater Provinzial gesagt, dass er mir dabei helfen soll.
Ein Junge: Ich bin Francesco Bussani vom »Istituto Leone XIII«. Ich bin ein Junge, der – wie ich in meinem Brief an dich, den Papst, geschrieben habe – zu glauben versucht. Ich versuche … ja, ich versuche, gläubig zu sein. Aber ich habe Schwierigkeiten. Manchmal kommen mir Zweifel. Und ich glaube, dass das in meinem Alter absolut normal ist. Du bist der Papst, den ich wohl am längsten im Herzen, in meinem Leben haben werde, weil ich dir in meiner Jugend, in meiner Wachstumsphase begegne, und so möchte ich dich um ein Wort bitten, das mich und alle Jugendlichen wie mich in diesem Wachstum stützen kann.
Heiliger Vater: Gehen ist eine Kunst, denn wenn wir immer in Eile gehen, werden wir müde und können nicht am Ziel, am Ende des Weges ankommen. Wenn wir hingegen anhalten und nicht gehen, dann gelangen wir auch nicht ans Ziel. Gehen ist die Kunst, auf den Horizont zu blicken, daran zu denken, wohin ich gehen will, aber auch die Müdigkeit auf dem Weg auszuhalten. Und oft ist der Weg schwer, ist er nicht leicht. »Ich will diesem Weg treu bleiben, aber es ist nicht leicht, hörst du: Es gibt Dunkelheit, es gibt Tage der Dunkelheit, auch Tage des Scheiterns, auch Tage, an denen man fällt … man fällt, fällt…« Aber denkt immer daran: keine Angst zu haben vor dem Scheitern; keine Angst zu haben vor dem Fallen. In der Kunst des Gehens ist es nicht wichtig, nicht zu fallen, sondern nicht »ein Gefallener zu bleiben«. Bald, sofort wieder aufzustehen und weiterzugehen. Und das ist schön: Es bedeutet, jeden Tag zu arbeiten, es bedeutet, menschlich zu gehen. Aber auch: Es ist schlecht, allein zu gehen, schlecht und langweilig. In Gemeinschaft gehen, mit den Freunden, mit denen, die uns lieb haben: Das hilft uns, es hilft uns, am Ziel anzukommen, an dem wir ankommen sollen. Ich weiß nicht, ob ich deine Frage beantwortet habe. Bist du dabei? Wirst du keine Angst haben vor dem Weg? Danke.
Ein Mädchen: Also… ich bin Sofia Grattarola vom Institut »Massimiliano Massimo«. Und ich möchte Sie fragen: Sicher hatten Sie ja, wie alle Kinder, als Sie in der Grundschule waren, Freunde, nicht wahr? Und da Sie heute Papst sind, ob Sie diese Freunde noch sehen…
Heiliger Vater: Ich bin seit zweieinhalb Monaten Papst. Meine Freunde sind 14 Flugstunden von hier entfernt, sie sind weit weg. Aber ich will dir Eines sagen: Drei von ihnen sind gekommen, um mich zu besuchen und mich zu grüßen, und ich sehe sie, und sie schreiben mir, und ich habe sie sehr lieb. Man kann nicht ohne Freunde leben: Das ist wichtig, es ist wichtig.
Ein kleines Mädchen: Ich bin Teresa. Wolltest du denn Papst werden? Franziskus, wolltest du denn Papst werden?
Heiliger Vater: Weißt du, was es bedeutet, dass ein Mensch sich selbst nicht sehr mag? Ein Mensch, der Papst werden will, der Lust hat, Papst zu werden, der mag sich selbst nicht. Gott segnet ihn nicht. Nein, ich wollte nicht Papst werden. Ist das in Ordnung? Komm, komm, komm…
Eine Dame: Heiligkeit, wir sind Monica und Antonella aus dem Chor der »Alunni del Cielo dell’ Istituto Sociale di Torino«. Wir möchten Sie Folgendes fragen. Da wir, die wir an Schulen der Jesuiten erzogen wurden, oft eingeladen werden, über die Spiritualität des hl. Ignatius nachzudenken, möchten wir Sie fragen: Als Sie sich für das geweihte Leben entschieden haben, was hat Sie dazu veranlasst, Jesuit zu werden statt Diözesanpriester oder Angehöriger eines anderen Ordens? Danke.
Heiliger Vater: Ich habe oft im »Istituto Sociale di Torino« gewohnt. Ich kenne es gut. Was mir an der Gesellschaft Jesu am meisten gefallen hat, ist der Missionsgeist, und ich wollte Missionar werden. Und als ich Theologie studierte, habe ich dem General, es war Pater Arrupe, geschrieben, dass er mich nach Japan oder anderswohin senden sollte. Aber er hat gut nachgedacht und sehr liebevoll zu mir gesagt: »Sie hatten doch eine Lungenkrankheit, das ist nicht so gut für eine so harte Arbeit«, und ich bin in Buenos Aires geblieben. Aber Pater Arrupe war sehr gut, denn er hat nicht gesagt: »Sie sind nicht heilig genug, um Missionar zu werden«: Er war gut, er war liebevoll. Und was mir viel Kraft geschenkt hat, um Jesuit zu werden, ist der Missionsgeist: nach draußen gehen, in die Missionen gehen, um Jesus Christus zu verkündigen. Ich glaube, dass gerade das unsere Spiritualität ausmacht: nach draußen gehen, hinausgehen, immer hinausgehen, um Jesus Christus zu verkündigen, und nicht ein wenig in unseren Strukturen verschlossen bleiben, die oft vergängliche Strukturen sind. Das hat mich bewegt. Danke.
Eine Dame: Ich bin Caterina De Marchis vom »Istituto Leone XIII«, und ich habe mich gefragt: Warum haben Sie… Warum hast du auf all die Reichtümer eines Papstes verzichtet, wie eine luxuriöse Wohnung oder ein riesiges Auto und bist stattdessen in eine kleine Wohnung in der Nähe gezogen und bist im Bus mit den Bischöfen gefahren? Wieso hast du auf den Reichtum verzichtet?
Heiliger Vater: Ich glaube, dass es nicht nur um Reichtum geht. Für mich ist es eine Frage der Persönlichkeit: Das ist es. Ich brauche es, unter Menschen zu leben, und wenn ich allein leben würde, vielleicht ein wenig isoliert, dann würde es mir nicht gut tun. Ein Professor hat mir diese Frage gestellt: »Warum wollen Sie denn nicht dort wohnen?« Ich habe geantwortet: »Hören Sie, Herr Professor, aus psychiatrischen Gründen«. Es ist meine Persönlichkeit. Auch die Wohnung [im Apostolischen Palast] ist nicht so luxuriös, da kann ich dich beruhigen… Aber ich kann nicht allein leben, verstehst du? Und außerdem glaube ich ja: Die Zeiten sprechen zu uns von so viel Armut in der Welt, und das ist ein Skandal. Die Armut der Welt ist ein Skandal. In einer Welt, in der es so viele Reichtümer gibt, so viele Ressourcen, um allen zu essen zu geben, kann man nicht verstehen, wieso es so viele hungernde Kinder gibt, warum es so viele Kinder ohne Schulbildung gibt, so viele Arme! Die Armut ist heute ein Schrei. Wir alle müssen darüber nachdenken, ob wir ein wenig ärmer werden können: auch das, wir alle müssen es tun. Wie ich ein wenig ärmer werden kann, um Jesus ähnlicher zu sein, der der arme Meister war. Das ist es. Es ist aber keine Frage meiner persönlichen Tugend, es ist nur, dass ich nicht allein leben kann. Und auch das mit dem Auto, was du sagst: nicht so viele Dinge haben und ein wenig ärmer werden. Das ist es.
Ein Junge: Ich heiße Eugenio Serafini und komme vom »Istituto Cei: Centro Educativo Ignaziano «. Ich möchte Ihnen eine kurze Frage stellen: Wie haben Sie es gemacht, als sie sich entschlossen haben, nicht Papst, sondern Pfarrer zu werden, Jesuit zu werden? Wie haben Sie das gemacht? War es nicht schwer für Sie, die Familie, die Freunde zu verlassen oder zurückzulassen?
Heiliger Vater: Hör mal, das ist immer schwer, immer. Für mich war es schwer. Es ist nicht leicht. Es gibt schöne Augenblicke, und Jesus hilft dir, er schenkt dir etwas Freude. Aber es gibt schwere Augenblicke, wo du dich allein fühlst, wo du Trockenheit verspürst, ohne innere Freude. Es gibt dunkle Augenblicke, Augenblicke der inneren Dunkelheit. Es gibt Schwierigkeiten. Aber es ist so schön, Jesus nachzufolgen, auf dem Weg Jesu zu gehen, dass du dann ins Gleichgewicht kommst und vorangehst. Und dann kommen schönere Augenblicke. Aber niemand darf meinen, dass es im Leben keine Schwierigkeiten geben wird. Auch ich möchte jetzt eine Frage stellen: Wie wollt ihr mit den Schwierigkeiten vorangehen? Das ist nicht einfach. Wir müssen aber energisch und im Vertrauen auf den Herrn vorangehen. Mit dem Herrn kann man alles.
Eine junge Frau: Guten Tag, ich heiße Federica Iaccarino und komme vom »Istituto Pontano« in Neapel. Ich wollte um ein Wort bitten für die jungen Menschen von heute, für die Zukunft der jungen Menschen von heute, denn Italien befindet sich in einer sehr schwierigen Situation. Und ich möchte um Hilfe bitten, um Besserung herbeizuführen, eine Hilfe für uns, um die jungen Menschen, uns junge Menschen voranbringen zu können.
Heiliger Vater: Du sagst, dass Italien sich in einem schwierigen Augenblick befindet. Ja, es gibt eine Krise. Aber ich sage dir: nicht nur Italien. Die ganze Welt befindet sich in diesem Augenblick in einer Krise. Und die Krise, die Krise ist nichts Schlechtes. Es stimmt, dass wir unter der Krise leiden, aber wir – und vor allem ihr jungen Menschen – müssen die Bedeutung der Krise erkennen. Was bedeutet diese Krise? Was muss ich tun, um dazu beizutragen, die Krise zu überwinden?
Die Krise, die wir momentan erleben, ist eine menschliche Krise. Man sagt: Es ist doch eine wirtschaftliche Krise, eine Krise der Arbeit. Ja, das stimmt. Aber warum? Weil dieses Problem der Arbeit, dieses Problem in der Wirtschaft Folgen des großen menschlichen Problems sind. Der Wert des Menschen befindet sich in einer Krise, und wir müssen den Menschen verteidigen. In diesem Augenblick… Ich habe das schon dreimal erzählt, aber ich erzähle es noch ein viertes Mal. Einmal habe ich eine Geschichte gelesen über einen mittelalterlichen Rabbiner aus dem Jahr 1200. Dieser Rabbiner erklärte den Juden jener Zeit die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Den Turm in Babel zu bauen war nicht einfach: Man musste Ziegel herstellen. Und wie stellt man Ziegel her? Lehm und Stroh suchen, sie vermischen, zum Ofen bringen: Das war eine harte Arbeit. Und nach dieser Arbeit wurde ein Ziegel zu einem wahren Schatz! Dann brachten sie die Ziegel nach oben für den Bau des Turmes in Babel. Wenn ein Ziegel herunterfiel, war es eine Tragödie; sie bestraften den Arbeiter, der ihn fallen gelassen hatte, es war eine Tragödie! Wenn aber ein Mensch herunterfiel, dann passierte nichts! Das ist die Krise, die wir heute erleben: Es ist die Krise des Menschen. Der Mensch zählt heute nicht, das Geld zählt. Und Jesus, Gott hat die Welt, die ganze Schöpfung dem Menschen gegeben, dem Mann und der Frau, damit sie sie voranbringen, nicht dem Geld. Es ist eine Krise, der Mensch ist in der Krise, denn der Mensch ist heute – hört gut zu, das ist wahr – Sklave! Und wir müssen uns befreien von den wirtschaftlichen und sozialen Strukturen, die uns versklaven. Und das ist eure Aufgabe.
Ein Kind: Hallo, ich bin Francesco Vin und komme vom »Collegio Sant’Ignazio« in Messina. Ich wollte dich fragen, ob du schon einmal auf Sizilien gewesen bist.
Heiliger Vater: Nein. Ich kann zwei Dinge sagen: nein oder noch nicht.
Das Kind: Wenn du kommst, warten wir auf dich!
Heiliger Vater: Aber ich sage dir etwas: Über Sizilien kenne ich einen wunderschönen Film, den ich vor zehn Jahren gesehen habe. Er hieß »Kaos«, mit »K«: »Kaos«. Es ist ein Film, der nach vier Erzählungen von Pirandello gemacht wurde, und dieser Film ist sehr schön. Ich konnte all die Schönheit von Sizilien sehen. Das ist das Einzige, was ich von Sizilien kenne. Aber es ist schön!
Ein Lehrer: Ich bin Spanischlehrer, denn ich bin Spanier: Ich komme aus San Sebastián. Ich bin auch Religionslehrer, und ich kann sagen, dass wir Lehrer Sie sehr lieben: Das ist sicher. Ich spreche nicht im Namen von irgend jemandem, aber wenn ich so viele ehemalige Schüler sehe, auch viele Persönlichkeiten, und auch uns Erwachsene, Lehrer, die von den Jesuiten erzogen wurden, dann frage ich mich nach unserem politischen und sozialen Einsatz in der Gesellschaft, als Erwachsene in den Schulen der Jesuiten. Sagen Sie uns etwas dazu: Wie unser Einsatz, unsere Arbeit heute, in Italien, in der Welt jesuitisch sein kann, dem Evangelium entsprechen kann.
Heiliger Vater: Sehr gut. Sich in die Politik einzubringen ist eine Pflicht für einen Christen. Wir Christen können nicht »Pilatus spielen«, uns die Hände waschen: Wir können das nicht. Wir müssen uns in die Politik einbringen, denn die Politik ist eine der höchsten Formen der Nächstenliebe, da sie das Gemeinwohl sucht. Und die christlichen Laien müssen in der Politik tätig sein. Sie werden mir sagen: »Das ist aber nicht einfach! « Es ist aber auch nicht einfach, Priester zu werden. Es gibt nichts Einfaches im Leben. Es ist nicht einfach, die Politik ist zu schmutzig geworden; aber ich frage mich: Warum ist sie schmutzig geworden? Weil die Christen sich nicht mit dem Geist des Evangeliums in die Politik eingebracht haben? Über eine Frage solltest du nachdenken: Es ist einfach zu sagen: »Der da hat Schuld!« Aber was tue ich? Es ist eine Pflicht! Sich für das Gemeinwohl einzusetzen ist eine Pflicht für einen Christen! Und oft ist der Weg zum Einsatz die Politik. Es gibt andere Wege: Lehrer, zum Beispiel, ist an anderer Weg. Aber die politische Tätigkeit für das Gemeinwohl ist ein Weg. Das ist klar.
Ein junger Mann: Heiliger Vater, ich heiße Giacomo. In Wirklichkeit bin ich heute hier nicht allein, sondern ich bringe eine große Schar von Jugendlichen mit, die Jugend der »Lega Missionaria Studenti«. Es ist eine umfassende Bewegung, das heißt, wir haben so ziemlich in allen Kollegien die »Lega Missionaria Studenti«. Heiliger Vater, zunächst gilt ihnen mein Dank und der Dank aller Jugendlichen, mit denen ich in diesen Tagen gesprochen habe, denn endlich haben wir bei Ihnen jene Botschaft der Hoffnung gefunden, die wir vorher gezwungenermaßen in der Welt suchen mussten, um sie zu finden. Sie jetzt bei uns zu Hause hören zu können, hat für uns eine große Bedeutung. Vor allem, Heiliger Vater, gestatten Sie mir zu sagen: Von einem Platz, von einem Ort her wurde das Licht entzündet an diesem Ort, an dem wir jungen Menschen wirklich begonnen hatten, die Hoffnung zu verlieren. Ich danke ihnen also, denn es ist wirklich bis auf den Grund gelangt. Meine Frage ist diese, Heiliger Vater: Wie Sie aus Ihrer Erfahrung gut wissen, haben wir gelernt, viele Formen der Armut zu erfahren, mit ihnen zu leben: materielle Armut – ich denke an die Armut unserer Partnerstadt in Kenia; geistliche Armut – ich denke an Rumänien, ich denke an die Missstände von politischen Ereignissen, ich denke an den Alkoholismus. Darum, Heiliger Vater, möchte ich Sie fragen: Wie können wir jungen Menschen mit dieser Armut leben? Wie sollen wir uns verhalten?
Heiliger Vater: Vor allem möchte ich euch allen, allen jungen Menschen sagen: Lasst euch die Hoffnung nicht rauben! Bitte, lasst sie euch nicht rauben! Und wer raubt dir die Hoffnung? Der Geist der Welt, die Reichtümer, der Geist der Eitelkeit, der Hochmut, der Stolz. All diese Dinge rauben dir die Hoffnung. Wo finde ich die Hoffnung? Im armen Jesus, in Jesus, der für uns arm geworden ist. Du hast von der Armut gesprochen.
Die Armut ruft uns auf, Hoffnung zu säen, damit auch ich mehr Hoffnung habe. Das ist vielleicht ein bisschen schwer zu verstehen, aber ich erinnere mich, dass Pater Arrupe einmal einen guten Brief geschrieben hat an die Sozialforschungszentren, an die Sozialzentren der Gesellschaft Jesu. Er sprach davon, wie man die soziale Frage untersuchen kann. Aber am Ende sagte er zu uns, sagte er zu uns allen: »Seht, man kann nicht über Armut sprechen, ohne Erfahrung mit den Armen zu haben.« Du hast von der Partnerstadt in Kenia gesprochen: die Erfahrung mit den Armen. Man kann nicht über Armut sprechen, über abstrakte Armut, die gibt es nicht! Die Armut ist das Fleisch des armen Jesus, in dem Kind, das Hunger hat, in dem, das krank ist, in den Sozialstrukturen, die ungerecht sind. Hingehen und dort unten das Fleisch Jesu betrachten.
Aber lasst euch nicht die Hoffnung vom Wohlstand rauben, vom Geist des Wohlstands, der dich am Ende dahin bringt, ein Nichts zu werden im Leben! Der junge Mensch muss auf hohe Ideale setzen: Das ist der Rat. Aber wo finde ich die Hoffnung? Im Fleisch des leidenden Jesus und in der wahren Armut. Es gibt eine Verbindung zwischen beiden. Danke. Jetzt erteile ich allen, euch allen, euren Familien, allen, den Segen des Herrn.
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