APOSTOLISCHE REISE NACH RIO DE JANEIRO
AUS ANLASS DES
XXVIII. WELTJUGENDTAGS
PRESSEKONFERENZ DES HEILIGEN VATERS
AUF DEM RÜCKFLUG AUS BRASILIEN
Sonntag, 28. Juli 2013
Nach dem einleitenden Gruß des Pressesprechers, Pater Lombardi, eröffnete Papst Franziskus die Pressekonferenz mit einer kurzen Einführung, in der er einige Aspekte der Reise beleuchtete und eine erste Bilanz zog. Er gab zu, „ziemlich müde“ zu sein, betonte aber zugleich: „Es war eine schöne Reise; sie hat mir geistlich gut getan … Die Menschen zu treffen, tut gut, denn der Herr wirkt in jedem von uns, er wirkt im Herzen, und der Reichtum des Herrn ist so groß, dass wir immer viel Schönes von den anderen empfangen können ... Die Güte, das Herz des brasilianischen Volkes ist groß, wirklich groß. Es ist ein so liebenswürdiges Volk, ein Volk, das Feste liebt, das auch im Leiden immer einen Weg findet, irgendwo das Gute zu suchen … Die Fröhlichkeit der Brasilianer ist ansteckend, wirklich ansteckend!“
Dann lobte der Heilige Vater die Organisatoren „sowohl auf unserer als auch auf brasilianischer Seite“ für die gute Planung und Durchführung des Programms der Reise.
In humorvoller Weise erwähnte er das Problem des Schutzes seiner Person: „Sicherheit hier, Sicherheit da… es hat in diesen Tagen in ganz Rio de Janeiro keinen einzigen Zwischenfall gegeben, und alles war spontan. Mit weniger ,Sicherheit‘ habe ich bei den Menschen sein können, sie umarmen, sie begrüßen, ohne gepanzerte Autos… das ist die Sicherheit, einem Volk zu vertrauen. Es stimmt, immer besteht die Gefahr, … dass da ein Verrückter ist, der irgendetwas tut; aber auch der Herr ist da! Doch einen Raum der Panzerung zwischen dem Bischof und dem Volk zu schaffen, das ist ein Wahnsinn, und ich ziehe diese Verrücktheit vor: hinaus und die Gefahr der anderen Verrücktheit eingehen …Die Nähe tut allen gut.“
Ein umfassendes, allgemeines Lob sprach Papst Franziskus für die Veranstaltung des Weltjugendtags aus: „Nichts Bestimmtes, sondern einfach alles: der künstlerische Aspekt, der religiöse Aspekt, der katechetische Aspekt, der liturgische Aspekt… es war wunderschön!“. Er ließ dabei durchblicken, dass für ihn persönlich der Besuch in Aparecida „eine starke religiöse Erfahrung“ und somit eine innere Vorbereitung auf die Großveranstaltung war, die – wie er sichtlich verwundert feststellte – am letzten Tag 3 Millionen Teilnehmer aus 187 Ländern zählte.
In diesem Zusammenhang versäumte der Heilige Vater nicht, auch den Journalisten, die ihn begleiteten, seine Anerkennung und seinen Dank auszusprechen.
Juan de Lara (Efe):
Nach einigen Worten des Dankes für die Tage in Rio de Janeiro wie auch für die Gebete und Gesten anlässlich des Eisenbahnunglücks von Santiago de Compostela trägt er die Frage vor: „Heiligkeit, in diesen vier Monaten des Pontifikats haben wir gesehen, dass Sie verschiedene Kommissionen gebildet haben, um die Kurie zu reformieren. Ich möchte Sie fragen: Welche Art von Reform haben Sie im Sinn, denken Sie über die Möglichkeit nach, das IOR, die sogenannte Bank des Vatikans, aufzuheben?“
Papst Franziskus:
„Die Schritte, die ich in diesen viereinhalb Monaten getan habe, gehen von zwei Seiten aus: Der Inhalt dessen, was getan werden musste, ist ganz und gar aus den Generalkongregationen der Kardinäle hervorgegangen. Es waren Dinge, die wir Kardinäle von dem verlangt haben, der der neue Papst werden würde. Ich erinnere mich, dass ich vieles verlangte und dachte, ein anderer würde es werden.“
Als erstes ging der Heilige Vater auf die Kommission der acht Kardinäle ein: „Wir wissen, dass es wichtig ist, einen Beraterstab von Außenstehenden zu haben, nicht die bereits bestehenden Beraterstäbe, sondern outsider.“ Dies liegt, wie er erklärte, „auf der Linie der Reifung der Beziehung zwischen Synodalität und Primat. Das heißt, diese acht Kardinäle fördern die Synodalität, helfen den verschiedenen Episkopaten der Welt, sich in der Leitung der Kirche selbst auszudrücken.“
Dann erwähnte er weitere Vorschläge, „die jedoch noch nicht umgesetzt worden sind, wie die Reform des Synoden-Sekretariats in ihrer Methodologie; die nachsynodale Kommission, die ständig den Charakter eines Beirats haben soll; die Kardinals-Konsistorien mit weniger formellen Themenkreisen – wie zum Beispiel die Heiligsprechung, aber auch andere Thematiken…“
Die „zweite Seite“, von der der Papst in seinen ersten Schritten ausging, war „die Opportunität“ Dabei gestand er, dass er den wirtschaftlichen Aspekt eigentlich erst im kommenden Jahr in Angriff nehmen wollte, sich aber durch die allgemein bekannten Entwicklungen gezwungen sah, dies sofort zu tun. „Das erste: das Problem des IOR, das heißt, wie soll man es ankurbeln, wie es umreißen, wie es reformieren, wie soll man sanieren, was saniert werden muss…“ Um all diesen Fragen auf den Grund zu gehen, setzte Papst Franziskus die sogenannte „Kommission zur Berichterstattung“ ein. „Dann hatten wir die Versammlung der Kommission der 15 Kardinäle, die sich mit den wirtschaftlichen Aspekten des Heiligen Stuhls beschäftigen. Sie kommen aus allen Teilen der Welt. Und dort, bei der Vorbereitung dieser Versammlung, sah man die Notwendigkeit, eine einzige Kommission zur Berichterstattung für die gesamte Ökonomie des Heiligen Stuhls zu bilden. Das heißt, das wirtschaftliche Problem wurde außerplanmäßig in Angriff genommen. Doch diese Dinge passieren, wenn jemand im Regierungsamt in eine Richtung geht, der Ball dann aber von der anderen Seite geschossen kommt, und du musst ihn abfangen … Also, so ist das Leben, aber auch das ist das Schöne am Leben.“
In Bezug auf die Zukunft des IOR sagte der Papst: „Ich weiß nicht, worauf es hinauslaufen wird. Einige sagen, dass es vielleicht besser ist, wenn es eine Bank ist, andere, wenn es ein Hilfsfonds ist, wieder andere raten, es zu schließen … Ich vertraue der Arbeit der Personen des IOR, die diese Fragen bearbeiten, und auch der Kommission … wir müssen die beste Lösung finden. Doch eines ist klar: Die Merkmale des IOR – sei es nun eine Bank, ein Hilfsfonds oder was auch immer – müssen Transparenz und Ehrlichkeit sein.“
Andrea Tornielli:
„Heiliger Vater, ich hätte eine vielleicht etwas indiskrete Frage: Eine Fotografie von Ihnen, wie Sie bei unserer Abreise die Treppe des Flugzeugs hinaufsteigen mit einer schwarzen Tasche in der Hand, ist um die Welt gegangen … Warum haben Sie Ihre schwarze Tasche getragen und nicht ein Mitarbeiter – und zweitens, ob Sie uns wohl sagen können, was darin war…“
Papst Franziskus:
„Es war nicht der Schlüssel für die Atombombe darin! Nun, ich habe sie getragen, weil ich das immer so getan habe: Wenn ich reise, trage ich sie. Und was ist darin? Der Rasierapparat, das Brevier, der Terminkalender, ein Buch zum Lesen – ich habe eines über die heilige Teresina mitgenommen, die ich verehre. Ich bin immer mit der Tasche gegangen, wenn ich reise: Das ist normal … Wir müssen uns doch daran gewöhnen, normal zu sein.“
Aura Miguel (Radio Renascença):
„Heiligkeit, ich wollte fragen, warum Sie so nachdrücklich darum bitten, dass man für Sie betet. Es ist nicht normal bzw. gewöhnlich, zu hören, dass ein Papst so sehr darum bittet, für ihn zu beten.“
Papst Franziskus:
„Ich habe immer darum gebeten“, schon als Priester, besonders aber seit der Bischofsweihe, „denn ich spüre: Wenn der Herr bei dieser Arbeit, dem Volk Gottes voranzuhelfen, nicht hilft, ist man machtlos … Auch die Muttergottes bitte ich, für mich zum Herrn zu beten. Es ist eine Gewohnheit … die mir aus dem Herzen kommt und auch aus der Notwendigkeit für meine Arbeit entspringt.“
Philip Pullella (Reuters):
„Heiligkeit … ich erinnere mich, dass Sie bei dem Versuch, Änderungen herbeizuführen, zu einer Gruppe aus Lateinamerika gesagt haben, dass es viele Heilige gibt, die im Vatikan arbeiten, doch auch Menschen, die ein bisschen weniger heilig sind, nicht wahr? Sind Sie in diesem Ihrem Wunsch, die Dinge im Vatikan zu verändern, auf Widerstand gestoßen? … Die zweite Frage lautet: Sie leben sehr schlicht, sind in Santa Marta geblieben … Wollen Sie, dass Ihre Mitarbeiter, auch die Kardinäle, diesem Beispiel folgen und eventuell in Gemeinschaft leben, oder ist das etwas nur für Sie?“
Papst Franziskus:
„Die Änderungen kommen ebenfalls von zwei Seiten: Sie betreffen das, was wir Kardinäle gefordert haben, und das, was in meiner Persönlichkeit begründet ist. Sie sprechen davon, dass ich in Santa Marta geblieben bin: Aber ich könnte nicht alleine im Palazzo wohnen … Das Päpstliche Appartement ist nicht luxuriös! Es ist weitläufig, es ist groß, aber es ist nicht luxuriös. Doch ich kann nicht alleine leben oder mit einem kleinen Grüppchen! Ich brauche Menschen, muss Menschen begegnen, mit den Menschen sprechen. Und darum habe ich, als die Jungen aus den Jesuitenschulen mich nach dem Warum gefragt haben … geantwortet: ,Aus psychiatrischen Gründen, einfach weil ich das psychologisch nicht schaffe.‘ Jeder muss sein Leben so führen, wie es seiner Art zu leben und zu sein entspricht. Die Kardinäle, die in der Kurie arbeiten, leben nicht in Reichtum und Prunk … Jeder muss so leben, wie es der Herr von ihm verlangt. Doch die Schlichtheit – eine allgemeine Schlichtheit –, glaube ich, ist für uns alle nötig, die wir im Dienst der Kirche arbeiten. Es gibt viele Nuancen der Schlichtheit… jeder muss seinen eigenen Weg suchen.
Was die Heiligen betrifft, das ist wahr, es gibt sie: heilige Kardinäle, Priester, Bischöfe, Schwestern und Laien; Leute, die beten, Leute, die sehr viel arbeiten, und auch, die zu den Armen gehen, im Verborgenen. Ich weiß von einigen, die sich darum kümmern, den Armen zu essen zu geben; und dann, in der Freizeit, gehen sie, um in der einen oder anderen Kirche Dienst zu tun… Das sind Priester. Es gibt Heilige in der Kurie. Und es gibt auch einige, die nicht so sehr heilig sind, und das sind diejenigen, die mehr von sich reden machen. Sie wissen, dass ein Baum, der fällt, mehr Lärm macht als ein Wald, der wächst. Und das ist für mich schmerzlich, wenn diese Dinge vorkommen.
Ob ich auf Widerstand stoße? Nun, falls es Widerstand gibt: Ich habe ihn noch nicht gesehen … aber man kann sagen, dass ich sehr wohl Hilfe gefunden habe, und ich habe auch aufrichtige Menschen angetroffen. Es gefällt mir zum Beispiel, wenn jemand zu mir sagt: ,Ich bin nicht einverstanden‘ … Das ist ein wirklicher Mitarbeiter. Und so etwas habe ich in der Kurie angetroffen. Das ist gut so … Widerstand – in vier Monaten kann man nicht sehr viel davon finden…“
Patricia Zorzan:
„Ich spreche im Namen der Brasilianer. Die Gesellschaft hat sich verändert, die Jugendlichen sind anders, und in Brasilien sieht man viele Jugendliche. Sie haben nicht über Abtreibung gesprochen, nicht über Ehen zwischen Gleichgeschlechtlichen. In Brasilien ist ein Gesetz verabschiedet worden, das das Recht zur Abtreibung erweitert und die Ehe Gleichgeschlechtlicher erlaubt. Warum haben Sie darüber nicht gesprochen?“
Papst Franziskus:
„Die Kirche hat sich dazu bereits umfassend geäußert. Es war nicht nötig, darauf zurückzukommen, wie ich auch nicht über Betrug, Lüge oder anderes gesprochen habe, über das die Kirche eine klare Lehre hat!“
Patricia Zorzan:
„Aber es ist ein Thema, das die Jugendlichen interessiert…“
Papst Franziskus:
„Ja, aber es war nicht nötig, darüber zu sprechen, sondern über positive Dinge, die den jungen Menschen den Weg öffnen. Nicht wahr? Überdies wissen die Jugendlichen bestens, welches die Position der Kirche ist!“
Patricia Zorzan:
„Welches ist die Position Eurer Heiligkeit, können Sie darüber sprechen?“
Papst Franziskus:
„Die der Kirche. Ich bin ein Sohn der Kirche!“
Antoine-Marie Izoard:
„Schon vom 13. März an stellten Sie sich als Bischof von Rom vor, mit großem, starkem Nachdruck. Wir möchten also begreifen, welches der tiefe Sinn dieser Eindringlichkeit ist, ob vielleicht zufällig mehr von Ökumene als von Kollegialität die Rede ist, davon, in der Kirche der Primus inter pares zu sein.“
Papst Franziskus:
„Ja, in dieser Sache darf man nicht über das hinausgehen, was gesagt wird. Der Papst ist Bischof, Bischof von Rom; und weil er Bischof von Rom ist, ist er Nachfolger Petri, Vicarius Christi – das sind weitere Titel, doch der erste Titel ist „Bischof von Rom“, und von dort leitet sich alles ab.“ Darin eine bewusste Betonung der Rolle des Papstes als Primus inter pares zu sehen, lehnt der Heilige Vater ab, auch wenn er nicht ausschließt, dass die Bezeichnung „Bischof von Rom“ in der Ökumene hilfreich sein könnte.
Dario Menor Torres (La Razón) knüpft an eine frühere Aussage des Papstes an, wonach man wohl “verrückt” sein müsse, um sich zu wünschen, Papst zu sein. „Nach Ihrer ersten Erfahrung inmitten der Menschenmenge, wie während dieser Tage in Rio: Können Sie erzählen, wie Sie sich als Papst fühlen, ob es sehr hart ist, ob Sie glücklich dabei sind und ob es in gewisser Weise Ihren Glauben noch vermehrt hat, oder ob Sie im Gegenteil Zweifel empfunden haben?“
Papst Franziskus:
„Die Arbeit eines Bischofs zu tun, ist etwas wirklich Schönes. Das Problem ist, wenn einer diese Arbeit sucht: Das ist nicht so schön, das kommt nicht vom Herrn. Aber wenn der Herr einen Priester beruft, Bischof zu werden – das ist schön. Es besteht immer die Gefahr zu meinen, dass man mehr ist als die anderen … ein wenig Fürst. Das sind Gefahren und Sünden. Aber die Arbeit des Bischofs ist schön: den Brüdern zu helfen, voranzugehen. Der Bischof vor den Gläubigen, um den Weg anzuzeigen; der Bischof inmitten der Gläubigen, um die Gemeinschaft zu fördern; der Bischof hinter den Gläubigen, weil die Gläubigen oft den Spürsinn für den Weg haben: So muss der Bischof sein. Die Frage hieß, ob es mir gefällt? Es gefällt mir, Bischof zu sein, es gefällt mir. In Buenos Aires war ich so glücklich…! Der Herr ist mir darin beigestanden. Doch als Priester bin ich glücklich gewesen, und als Bischof bin ich glücklich gewesen. In diesem Sinn sage ich: Es gefällt mir!“
Frage aus dem Hintergrund:
„Und Papst sein?“
Papst Franziskus:
„Auch, auch! Wenn der Herr dich dorthin setzt, wenn du tust, was der Herr will, dann bist du glücklich.“
Salvatore Mazza (Avvenire) erkundigt sich nach eventuellen Plänen für weitere Reisen des Papstes: „Man spricht von Asien, von Jerusalem, von Argentinien. Haben Sie schon einen mehr oder weniger endgültigen Terminkalender für das nächste Jahr, oder ist das alles noch offen?“
Papst Franziskus:
Der Heilige Vater betont, dass außer einem Besuch in Cagliari am 22. September und einem in Assisi am 4. Oktober noch nichts endgültig festgelegt ist. Er spricht von seinem Wunsch, für einen Tag einen Privatbesuch bei seinen Verwandten in Norditalien zu machen: „Hinreise am Morgen mit dem Flugzeug und Rückkehr am Abend mit einem anderen.“ Hinsichtlich möglicher Auslandsreisen erwähnt er eine Einladung des Patriarchen Bartholomäus I. anlässlich des 50. Jahrestags der Begegnung zwischen Athenagoras und Paul VI. in Jerusalem; auch die israelische Regierung hat nach Jerusalem eingeladen. „Ich wollte am 30. September nach Konstantinopel gehen, um Bartholomäus I. zu besuchen, doch es ist nicht möglich … aufgrund meines Terminkalenders. Wenn wir uns begegnen, werden wir das in Jerusalem tun.“ Eine weitere Reise nach Lateinamerika schließt er – zumindest vorläufig – aus, denkt aber über eine Asienreise nach. „Ich habe eine Einladung nach Sri Lanka bekommen und auch in die Philippinen ... Papst Benedikt hat nicht die Zeit gehabt, nach Asien zu reisen, und es ist wichtig. Er ist nach Australien gegangen und hat außerdem Europa und Amerika bereist, aber Asien…“
Fragen aus dem Hintergrund:
„Fatima?“
Papst Franziskus:
„Fatima, auch nach Fatima besteht eine Einladung.“
Fragen aus dem Hintergrund:
„30. September oder 30. November?“
Papst Franziskus:
„November, November: Sankt Andreas.“
Ada Messia (CNN):
„Bei Ihrem Treffen mit den argentinischen Jugendlichen haben Sie, ein wenig im Scherz, ein wenig vielleicht auch im Ernst zu ihnen gesagt, dass auch Sie sich manchmal eingesperrt fühlen: Wir wollten wissen, worauf genau sich das bezog…“
Papst Franziskus:
„Sie wissen, wie oft ich den Wunsch hatte, durch die Straßen Roms zu gehen, denn … in Buenos Aires durch die Straßen zu gehen, hat mir so sehr gefallen! In diesem Sinn fühle ich mich etwas eingesperrt. Doch ich muss sagen … die von der vatikanischen Gendarmerie sind sehr gut, und ich bin ihnen dankbar: Jetzt lassen sie mich etwas mehr machen.“
Marcio Campos:
„Heiligkeit … in Brasilien hat die Katholische Kirche in diesen letzten Jahren Gläubige verloren. Ist die Bewegung der Charismatischen Erneuerung eine Möglichkeit, um zu vermeiden, dass die Gläubigen in die Pfingstlerkirche oder andere pentekostale Kirchen abwandern?“
Papst Franziskus:
„Es ist sehr wahr, was Sie über den Rückgang der Gläubigen sagen … Wir haben mit den brasilianischen Bischöfen darüber gesprochen, in einer Versammlung, die gestern stattfand. Sie haben nach der Bewegung der Charismatischen Erneuerung gefragt; ich sage Ihnen eins: In der Zeit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Jahre konnte ich sie nicht ausstehen. Einmal habe ich, als ich über sie sprach, diesen Satz gesagt: ,Die verwechseln eine liturgische Feier mit einer Samba-Schule!‘ Das habe ich gesagt, und ich habe es bereut. Dann habe ich es besser erkannt. Es stimmt auch, dass die Bewegung mit guten Referenten einen guten Weg eingeschlagen hat. Und jetzt glaube ich, dass diese Bewegung der Kirche sehr gut tut, ganz allgemein. In Buenos Aires habe ich sie oft versammelt, und einmal im Jahr feierte ich eine Messe mit ihnen allen in der Kathedrale. Ich habe sie immer gefördert, nachdem ich mich „bekehrt“ hatte, als ich das Gute gesehen habe, das sie taten. Denn ich glaube, in diesem Moment der Kirche – und hier weite ich die Antwort ein wenig aus – sind die Bewegungen notwendig. Die Bewegungen sind eine Gnade des Geistes.“ Auf den häufigen Einwand, wie man denn eine Bewegung lenken könne, die so frei ist, antwortet der Heilige Vater: „Auch die Kirche ist frei! Der Heilige Geist tut, was er will. Und dann vollbringt er die Arbeit der Harmonie, aber ich glaube, dass die Bewegungen eine Gnade sind, jene Bewegungen, die den Geist der Kirche haben. Darum meine ich, dass die Charismatische Erneuerung nicht nur nützlich ist, um zu vermeiden, dass einige zu den pfingstlerischen Bekenntnissen übergehen. Nein: Sie nützt der Kirche selbst! Sie erneuert uns. Und jeder suche sich seine Bewegung, entsprechend dem persönlichen Charisma, wohin der Geist ihn führt.“
Jean-Marie Guénois (Le Figaro gemeinsam mit dem Kollegen von La Croix):
„Sie haben gesagt, dass die Kirche ohne die Frau an Fruchtbarkeit verliert. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen? Zum Beispiel das weibliche Diakonat oder eine Frau an der Spitze eines Dikasteriums? – Und eine ganz kleine technische Frage: Sie haben gesagt, dass Sie müde sind. Haben Sie eine Sonderausstattung für die Rückreise?“
Papst Franziskus:
„Beginnen wir mit dem Letzten. Dieses Flugzeug hat keine Sonderausstattungen. Ich bin vorn, ein schöner Sessel, bequem, aber gewöhnlich: der, den alle haben. Ich habe einen Brief schreiben und einen Telefonanruf machen lassen, um zu sagen, dass ich keine Sonderausstattungen im Flugzeug haben will. Ist das klar?
Zweitens: die Frau. Eine Kirche ohne die Frauen ist wie das Apostel-Kollegium ohne Maria. Die Rolle der Frau in der Kirche ist nicht nur die Mutterschaft, die Mutter der Familie, sondern sie ist stärker: Sie ist wirklich die Ikone der Jungfrau Maria, der Gottesmutter; diejenige, die der Kirche hilft zu wachsen! Aber bedenkt, dass die Madonna wichtiger ist als die Apostel! … Die Kirche ist weiblich: Sie ist Kirche, Braut, Mutter. Aber … die Rolle der Frau in der Kirche darf nicht nur auf die der Mutter, der Arbeiterin hinauslaufen, eine eingeschränkte Rolle… Nein! Es ist etwas anderes! … Paul VI. hat etwas Wunderschönes über die Frauen geschrieben, doch ich glaube, dass man in der Verdeutlichung dieser Rolle und dieses Charismas der Frau noch weiter gehen muss. Man kann eine Kirche ohne Frauen nicht verstehen – aber Frauen, die in der Kirche aktiv sind, mit ihrem eigenen Profil, die alles voranbringen … In der Kirche muss man … an die Frauen denken aus der Perspektive riskanter, aber fraulicher Entscheidungen. Das muss noch besser verdeutlicht werden. Ich glaube, wir haben in der Kirche noch keine vertiefte Theologie der Frau entwickelt. Nur dass sie dies oder jenes tun kann: Jetzt ist sie Ministrantin, jetzt liest sie die Lesung, ist die Präsidentin der Caritas… Aber, es gibt mehr! Es muss eine tiefe Theologie der Frau entwickelt werden. Das ist es, was ich denke.“
Pablo Ordas (El Pais)
„Wir möchten wissen, welches Ihre Arbeitsbeziehung zu Benedikt XVI. ist, nicht nur die der Freundschaft und der Zusammenarbeit – es hat nie zuvor einen ähnlichen Umstand gegeben –, und ob Sie häufig Kontakt haben und er Ihnen bei dieser Arbeit hilft.
Papst Franziskus:
„Ich glaube, als es zuletzt zwei Päpste – oder drei Päpste – gab, haben sie nicht miteinander gesprochen, sondern kämpften, um zu sehen, wer der echte Papst sei …
Es gibt etwas, das meine Beziehung zu Benedikt kennzeichnet: Ich habe ihn sehr gern. Ich mochte ihn immer. Für mich ist er ein Mann Gottes, ein demütiger Mann, ein Mann, der betet. Ich war sehr glücklich, als er zum Papst gewählt wurde. Auch als er zurückgetreten ist, war das für mich ein Vorbild an Größe! … Nur ein Großer tut das! Ein Mann Gottes und ein Mann des Gebetes. Er wohnt jetzt im Vatikan, und einige sagen mir: Aber wie geht das? Zwei Päpste im Vatikan! Steht er dir nicht im Weg? Schürt er nicht eine Revolution gegen dich?“ Auf all das hat Papst Franziskus eine einzige Antwort: „Es ist wie den Großvater im Hause zu haben – aber den weisen Großvater … Er ist ein so vorsichtiger, besonnener Mann! Er mischt sich nicht ein. Ich habe ihm viele Male gesagt: ,Heiligkeit, empfangen Sie [Besuche], leben Sie Ihr Leben, kommen Sie zu uns!‘ Er ist zur Einweihung und Segnung der Statue des heiligen Michael gekommen. Sehen Sie, dieser Satz sagt alles: Für mich ist es wie den Großvater im Hause zu haben – meinen Vater. Wenn ich eine Schwierigkeit hätte oder etwas, das ich nicht verstanden habe, dann würde ich anrufen: ,Aber, sagen Sie mir, kann ich das so machen?‘ Und als ich gegangen bin, um über dieses große Problem, über Vatileaks, zu sprechen, hat er mir alles mit einer Einfachheit gesagt… im Dienst … Als er in der Abschiedsrede am 28. Februar zu uns sprach, hat er gesagt: ,Unter euch ist der nächste Papst: Ich verspreche ihm Gehorsam.‘ Das ist wirkliche Größe – er ist ein Großer!“
Ana Fereira fragt noch einmal nach, wie sich die Beteiligung der Frauen in der Kirche gestalten soll: „Ich möchte wissen … ob Sie auch an die Priesterweihe der Frauen denken, bzw. was Sie davon halten.“
Papst Franziskus:
„Ich möchte ein wenig erklären, was ich über die Beteiligung der Frauen in der Kirche gesagt habe: Sie darf nicht darauf beschränkt werden, dass sie Ministrantin oder Präsidentin der Caritas oder Katechetin ist… Nein! Es muss mehr sein, aber zutiefst mehr, auch mystisch mehr: Das ist es, warum ich von der Theologie der Frau gesprochen habe.
In Bezug auf die Priesterweihe der Frauen hat die Kirche gesprochen, und sie sagt: Nein – Johannes Paul II. hat das gesagt, doch in definitiver Form. Diese Tür ist verschlossen, doch dazu möchte ich dir etwas sagen – ich habe es schon gesagt, aber ich wiederhole es –: Die Muttergottes, Maria, war wichtiger als die Apostel, die Bischöfe, die Diakone und die Priester. Die Frau ist in der Kirche wichtiger als die Bischöfe und die Priester – wie: das ist es, was wir versuchen müssen besser zu klären, denn ich denke, es fehlt hier eine theologische Klärung.“
Gianguido Vecchi (Corriere della Sera):
„Heiliger Vater, auch auf dieser Reise haben Sie mehrmals von Barmherzigkeit gesprochen. Besteht die Möglichkeit, dass sich für wiederverheiratete Geschiedene in Bezug auf die Zulassung zu den Sakramenten in der Disziplin der Kirche etwas ändert? Dass diese Sakramente eine Gelegenheit sind, diese Menschen in die Nähe zu holen, anstatt eine Barriere, die sie von den anderen Gläubigen trennt?“
Papst Franziskus:
„Das ist ein Thema, nach dem immer gefragt wird. Die Barmherzigkeit ist größer als jener Fall, den Sie vorstellen. Ich glaube, dass dies die Zeit der Barmherzigkeit ist. Dieser Epochenwechsel, auch viele Probleme der Kirche – wie ein ungutes Zeugnis einiger Priester, Korruption in der Kirche, Klerikalismus, um nur einige Beispiele zu nennen – haben viele Verwundete hinterlassen, viele Verwundete. Und die Kirche ist Mutter: Sie muss hingehen und die Verwundeten pflegen, mit Barmherzigkeit. Wenn aber der Herr nicht müde wird zu verzeihen, haben wir keine andere Wahl als diese: vor allem, die Verwundeten zu pflegen. Sie ist Mutter, die Kirche, und sie muss diesen Weg der Barmherzigkeit gehen und eine Barmherzigkeit für alle finden. Ich denke, als der ,verlorene Sohn‘ nach Hause kam, hat der Vater nicht zu ihm gesagt: ,Aber du, hör mal, komm herein: Was hast du denn mit dem Geld gemacht?‘ Nein! Er hat ein Fest gefeiert! Später, vielleicht, als der Sohn sprechen wollte, hat er gesprochen. So muss es die Kirche machen. Wenn da einer ist… nicht nur auf ihn warten: hingehen und ihn aufsuchen! Das ist die Barmherzigkeit! Und ich glaube, dass dies ein Kairós ist: Diese Zeit ist ein Kairós der Barmherzigkeit.“ In diesem Zusammenhang erinnerte der Heilige Vater an den Impuls, den Johannes Paul II. der Kirche gegeben hat durch die Betonung der Göttlichen Barmherzigkeit – ein Impuls, den er selbst aus der Spiritualität der Schwester Faustina Kowalska empfangen hatte.
„In Bezug auf das Problem der Kommunion für Personen in zweiter Verbindung – denn Geschiedene können die Kommunion empfangen, da gibt es kein Problem, wenn sie aber in zweiter Verbindung leben, können sie das nicht – glaube ich, dass es nötig ist, dies in der Gesamtheit der Ehe-Pastoral zu sehen … Eines der Themen, die mit diesen acht Mitgliedern des Kardinal-Rates, mit denen wir uns am 1., 2. und 3. Oktober versammeln, zu behandeln sein werden, ist die Frage, wie es in der Ehe-Pastoral weitergehen soll, und dieses Problem wird dort zur Sprache kommen … Wir sind unterwegs zu einer etwas vertieften Ehe-Pastoral … Und auch das rechtliche Problem der Nichtigkeits-Erklärung der Ehen muss überprüft werden, denn die kirchlichen Gerichte reichen dafür nicht aus. Es ist komplex, das Problem der Ehe-Pastoral…“
Carolina Pigozzi (Paris Match):
„Heiliger Vater. Ich möchte wissen, ob Sie sich, seit Sie Papst sind, noch als Jesuit fühlen.“
Papst Franziskus:
„Das ist eine theologische Frage, denn die Jesuiten geloben den Gehorsam gegenüber dem Papst. Doch wenn der Papst Jesuit ist, muss er vielleicht geloben, dem Jesuiten-General gegenüber gehorsam zu sein… Ich weiß nicht, wie das zu lösen ist… Ich fühle mich als Jesuit in meiner Spiritualität: in der Spiritualität der Exerzitien; das ist die Spiritualität, die ich im Herzen habe. So sehr fühle ich mich als Jesuit, dass ich in drei Tagen mit den Jesuiten das Fest des heiligen Ignatius feiern werde: Ich werde am Morgen die Messe zelebrieren. Ich habe meine Spiritualität nicht geändert, nein. Franziskus – Franziskaner: nein. Ich fühle mich als Jesuit und denke als Jesuit.“
Nicole Winfield (Associated Press):
„Heiligkeit, im vierten Monat Ihres Pontifikats wollte ich Sie bitten, eine kleine Bilanz zu ziehen. Können Sie uns sagen, was das Beste am Papst-Sein war – eine Anekdote – und was das Schlimmste, und was Sie in dieser Zeit am meisten überrascht hat?“
Papst Franziskus:
„Aber ich weiß wirklich nicht, wie ich darauf antworten soll. Schlimme, schwerwiegende Dinge hat es nicht gegeben. Schöne ja; zum Beispiel die Begegnung mit den italienischen Bischöfen war sehr, sehr schön. Als Bischof der Hauptstadt Italiens habe ich mich bei ihnen zu Hause gefühlt. Das war schön, aber ich weiß nicht, ob es das Schönste war.
Dann gab es auch etwas Schmerzliches, das mir ziemlich zu Herzen gegangen ist: der Besuch in Lampedusa. Das ist zum Weinen … wenn diese Boote ankommen, verlassen sie [die Verantwortlichen] sie einige Meilen von der Küste entfernt, und die Menschen müssen allein mit dem Boot ans Ufer gelangen. Das schmerzt mich, denn ich denke, dass diese Menschen Opfer eines weltweiten sozioökonomischen Systems sind.
Aber das Schlimmste, was mir passiert ist – entschuldigen Sie –, das war ein Ischiassyndrom – ja, wirklich! –, das ich im ersten Monat hatte, denn für die Gespräche setzte ich mich in einen Sessel, und der hat mir ein bisschen geschadet. Eine Ischialgie ist eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit! Ich wünsche sie niemandem!
Aber diese Dinge – mit den Menschen sprechen, die Begegnung mit den Seminaristen und den Ordensleuten – waren sehr, sehr schön. Auch die Begegnung mit den Schülern der Jesuiten-Kollegien war sehr schön. Das waren die guten Seiten.“
Frage:
„Was hat Sie am meisten überrascht?“
Papst Franziskus:
„Die Menschen, die guten Menschen, denen ich begegnet bin. Ich habe so viele gute Menschen im Vatikan angetroffen!“
Elisabetta Piqué:
„Haben Sie sich erschrocken, als Sie den Bericht über Vatileaks gesehen haben?“
Papst Franziskus:
„Nein! ich erzähle dir eine Anekdote zum Vatileaks-Bericht. Als ich Papst Benedikt besucht habe, sind wir, nachdem wir in der Kapelle gebetet hatten, in seinem Büro gewesen, und ich habe eine große Schachtel und einen dicken Briefumschlag gesehen. Benedikt sagte mir: ,In dieser großen Schachtel sind alle Erklärungen, alles, was die Zeugen ausgesagt haben, alles ist dort. Aber die Zusammenfassung und das abschließende Urteil sind in diesem Umschlag. Und darin heißt es ta-ta-ta…‘ Er hatte alles im Kopf! Was für eine Intelligenz! Alles aus dem Gedächtnis, alles! – Aber nein, ich habe mich nicht erschrocken, nein. Doch es ist ein gewichtiges Problem! Aber ich habe mich nicht erschrocken.“
Sergio Rubín:
„Heiligkeit, zwei Dinge. Das erste ist: Sie haben sehr darauf bestanden, den Verlust an Gläubigen aufzuhalten. In Brasilien war er sehr stark. Hoffen Sie, dass diese Reise dazu beiträgt, dass die Menschen zur Kirche zurückkehren, sich näher fühlen? Und das zweite, etwas vertraulicher: Sie hatten Argentinien sehr gern, und Buenos Aires lag Ihnen sehr am Herzen. Die Argentinier fragen sich, ob Ihnen dieses Buenos Aires nicht sehr fehlt; Sie durchquerten es per Autobus, per Kleinbus, gingen durch die Straßen…“
Papst Franziskus:
Der Heilige Vater ist überzeugt, dass nicht nur der Besuch des Papstes, sondern der Weltjugendtag als solcher – „ein wunderbares Ereignis“ – positive Auswirkungen haben wird, auch auf so manche, die die Kirche verlassen haben, denn „viele von ihnen sind nicht glücklich, weil sie sich eigentlich als zur Kirche gehörend fühlen“.
„Und was Buenos Aires betrifft, ja, manchmal fehlt es mir. Und das spürt man. Aber es ist ein Mangel, den ich mit Gelassenheit trage, mit großer Gelassenheit.“
Alexey Buklalov:
„Heiliger Vater, zurück zur Ökumene: Heuer feiern die Orthodoxen die 1025 Jahre Christentum, es gibt sehr große Feierlichkeiten in vielen Hauptstädten. Wenn Sie etwas dazu sagen wollen, wäre ich sehr froh.“
Papst Franziskus:
„In den orthodoxen Kirchen haben sie diese so schöne alte Liturgie bewahrt. Wir haben ein wenig das Empfinden für die Anbetung verloren. Sie bewahren es, sie loben Gott, sie beten Gott an, singen – die Zeit spielt dabei keine Rolle. Der Mittelpunkt ist Gott, und das ist ein Reichtum, den ich bei dieser Gelegenheit, da Sie mir diese Bitte vortragen, erwähnen möchte. Einmal, als von der westlichen Kirche, von Westeuropa, vor allem von der stärker angewachsenen Kirche die Rede war, wurde mir dieser Satz gesagt: „Lux ex oriente; ex occidente luxus“. Der Konsumismus und der Wohlstand haben uns sehr geschadet. Ihr hingegen bewahrt diese Schönheit: Gott im Mittelpunkt – der Bezugspunkt … Wir brauchen diese Erneuerung, diese frische Luft aus dem Osten, dieses Licht aus dem Osten … Aber oftmals lässt uns der Luxus des Westens den Horizont verlieren.“
Valentina Alazraki:
„Die Frage aller Mexikaner wäre: Wann gehen Sie nach Guadalupe?... Das ist jedoch die Frage der Mexikaner. Die meine wäre: Sie werden zwei große Päpste heilig sprechen: Johannes XXIII. und Johannes Paul II. Ich möchte wissen, was ist Ihrer Meinung nach das Vorbild an Heiligkeit, das sich aus dem einen und dem anderen ergibt, und welche Wirkung haben sie in der Kirche und auf Sie ausgeübt?“
Papst Franziskus:
„Johannes XXIII. ist ein wenig die Gestalt des ,Landpriesters‘: der Priester, der jeden der Gläubigen liebt, der es versteht, für die Gläubigen zu sorgen, und das hat er als Bischof, als Nuntius getan. Wie viele falsche Taufzeugnisse hat er in der Türkei für die Juden ausgestellt! Er war ein mutiger, ein guter Landpfarrer, mit einem sehr, sehr ausgeprägten Sinn für Humor und einer großen Heiligkeit. Als er Nuntius war, gab es im Vatikan einige, die ihn nicht besonders liebten, und in gewissen Büros ließ man ihn warten, wenn er kam, um etwas zu bringen oder zu fragen. Niemals hat er sich beklagt – er betete dann den Rosenkranz und das Brevier – niemals! Ein milder, demütiger Mann, auch einer, der sich um die Armen sorgte. Als Kardinal Casaroli von einer Auslandsmission zurückkam – aus Ungarn, glaube ich, oder aus der damaligen Tschechoslowakei; ich erinnere mich nicht, aus welchem der beiden Länder – ging er zu ihm, um ihm zu erklären, wie die Mission verlaufen war – in jener Zeit der „kleinen Schritte“. Die Audienz fand statt – 20 Tage später sollte Johannes XXIII. sterben –, und als Casaroli wegging, hielt der Papst ihn zurück: ,Ach … Exzellenz, eine Frage: Gehen Sie immer noch zu diesen Jugendlichen?‘ Casaroli ging nämlich regelmäßig zur Jugendhaftanstalt von Casal del Marmo … ,Ja, ja!‘, antwortete Casaroli – ,Verlassen Sie sie nie!‘ – Und das zu einem Diplomaten, der von einer so anspruchsvollen diplomatischen Reise zurückkam! ,Verlassen Sie nie die jungen Leute!‘ – Ein wirklich großer Mensch!
Und dann die Sache mit dem Konzil: Er war ein Mensch, der auf die Stimme Gottes hörte, denn das war eine Eingebung des Heiligen Geistes; sie ist ihm gekommen, und er hat darauf gehört. Pius XII. hatte schon daran gedacht, doch die Umstände waren nicht reif, ein Konzil einzuberufen. Ich glaube, dass dieser [Johannes XXIII] nicht an die Umstände gedacht hat: Er hat es gespürt und hat es ausgeführt. Ein Mann, der sich vom Herrn leiten ließ.
Johannes Paul II. würde ich als den ,großen Missionar der Kirche‘ bezeichnen: ein Missionar, ein Mensch, der das Evangelium überallhin gebracht hat – Sie wissen das besser als ich … Er ging! Er spürte dieses Feuer, das Wort des Herrn weiterzutragen. Er ist ein Paulus, ein Mensch wie der heilige Paulus; das empfinde ich als etwas Großes.
Und die Feier der Heiligsprechung beider zusammenzulegen, scheint mir eine Botschaft an die Kirche zu sein: Diese beiden sind gute, vorbildliche Menschen. Aber es läuft auch der Prozess [für die Seligsprechung] Pauls VI. und ebenfalls für Papst Luciani.“
Zum Datum der Heiligsprechung sagt der Papst: „Es wurde an den 8. Dezember dieses Jahres gedacht, aber da gibt es ein großes Problem: die Armen aus Polen. Diejenigen, die nämlich die entsprechenden Mittel haben, können mit dem Flugzeug kommen, aber die anderen, die kommen, die Armen, reisen mit dem Bus an, und im Dezember sind die Straßen schon vereist. So glaube ich, dass man das Datum noch einmal überdenken muss. Ich habe mit Kardinal Dziwisz gesprochen, und er hat mir zwei Möglichkeiten vorgeschlagen: entweder in diesem Jahr am Christkönigsfest oder im nächsten Jahr am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit. Ich glaube, für Christkönig in diesem Jahr ist die Zeit zu knapp, denn das Konsistorium ist am 30. September, und von da bis Ende Oktober ist wenig Zeit. Doch ich weiß es nicht, ich muss darüber mit Kardinal Amato sprechen. Aber ich glaube, dass aus dem 8. Dezember nichts wird.“
Frage:
„Aber werden sie zusammen heilig gesprochen?“
Papst Franziskus:
„Zusammen, ja beide gemeinsam.“
Ilze Scamparini:
„Ich möchte um Erlaubnis bitten, eine etwas heikle Frage zu stellen: Noch ein anderes Bild ist gewissermaßen um die Welt gegangen, und zwar das von Mons. Ricca mit den Nachrichten über seinen Umgang. Ich möchte wissen, Heiligkeit, was sie in dieser Frage zu tun gedenken. Wie ist diese Frage anzugehen, und wie gedenkt Seine Heiligkeit, die ganze Frage der Gay-Lobby anzugehen?“
Papst Franziskus:
„Was Mons. Ricca betrifft: Ich habe getan, was das Kanonische Recht zu tun vorschreibt, nämlich die Investigatio previa durchgeführt. Und aus dieser Investigatio geht nichts von dem hervor, was ihm vorgeworfen wird; wir haben nichts dergleichen gefunden. Aber ich möchte dazu noch etwas anderes sagen: Ich sehe, dass man häufig in der Kirche – außerhalb dieses Falles und auch in diesem Fall – zum Beispiel nach „Jugendsünden“ sucht und das dann veröffentlicht. Nicht nach Straftaten, die Straftaten sind eine andere Sache – der Missbrauch von Minderjährigen ist eine Straftat. Nein, nach Sünden. Aber wenn ein Mensch – Laie, Priester oder Schwester – eine Sünde begangen und sich dann bekehrt hat, vergibt sie der Herr, und wenn der Herr vergibt, dann vergisst er, und das ist für unser Leben wichtig. Wenn wir zum Beichten gehen und wirklich sagen: ,Darin habe ich gesündigt‘, dann vergisst der Herr, und wir haben nicht das Recht, nicht zu vergessen, denn dann laufen wir Gefahr, dass der Herr seinerseits unsere [Sünden] nicht vergisst. Das ist eine Gefahr. Dies ist wichtig: eine Theologie der Sünde. Oftmals denke ich an den heiligen Petrus: Er hat eine der schlimmsten Sünden begangen, nämlich Christus zu verleugnen, und mit dieser Sünde haben sie ihn zum Papst gemacht. Darüber müssen wir sehr nachdenken. Doch, um zu Ihrer konkreteren Frage zurückzukehren: In diesem Fall haben wir die Investigatio previa durchgeführt, und wir haben nichts gefunden. Soviel zur ersten Frage.
Dann sprachen Sie von der Gay-Lobby. Ach, es wird so viel über die Gay-Lobby geschrieben … Ich glaube, wenn jemand sich einem solchen Menschen gegenüber sieht, muss er das Faktum, „Gay“ zu sein, von dem Faktum unterscheiden, daraus eine Lobby zu machen. Denn die Lobbies – alle Lobbies – sind nicht gut … Wenn einer Gay ist und den Herrn sucht und guten Willen hat – wer bin dann ich, ihn zu verurteilen? Der Katechismus der Katholischen Kirche erklärt das sehr schön, aber er sagt: Halt! Diese Menschen dürfen nicht an den Rand gedrängt werden, sie müssen in die Gesellschaft integriert werden. Das Problem liegt nicht darin, diese Tendenz zu haben, nein, wir müssen Brüder und Schwestern sein, denn das ist nur ein Problem von vielen. Das eigentliche Problem ist, wenn man aus dieser Tendenz eine Lobby macht: Lobby der Geizhälse, Lobby der Politiker, Lobby der Freimaurer – so viele Lobbies. Das ist für mich das schwerwiegendere Problem. Und ich danke Ihnen sehr, dass Sie diese Frage gestellt haben.“
Pater Lombardi:
„Danke. Mir scheint, mehr als das konnte man nicht tun. Wir haben sogar den Papst ausgenutzt, der gesagt hatte, er sei schon ein bisschen müde. Und jetzt wünschen wir ihm, dass er sich ein bisschen ausruht.“
Papst Franziskus:
„Danke Ihnen, gute Nacht, gute Reise und gute Ruhe.“
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