VIDEOBOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE PÄPSTLICHE THEOLOGISCHE FAKULTÄT VON SIZILIEN ZUM 43. JAHRESTAG DES BEGINNS DER AKADEMISCHEN AKTIVITÄTEN
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Ich freue mich, zur Eröffnung eures neuen akademischen Jahres 2024/2025 einige Worte zu sagen. Der ganze Beitrag wird euch später überreicht werden. Ich folge im Geiste den Spuren des heiligen Johannes Paul II., der die Fakultät von Sizilien am 21. November 1982 im Rahmen seines Pastoralbesuchs im Belice-Tal und in Palermo besucht hat.
Eure Fakultät, die mit einer starken ekklesiologischen Berufung entstanden ist, ist aus der Geschichte heraus und im Hören auf den Glaubenssinn, den das Gottesvolk besitzt, aufgerufen, zum Protagonisten zu werden, um den Herausforderungen zu begegnen, die der Mittelmeerraum der Theologie stellt: der ökumenische Dialog mit dem Osten; der interreligiöse Dialog mit dem Islam und dem Judentum; die Verteidigung der Menschenwürde des »Mare nostrum«, das durch die Logik des Todes oft zum »Monstrum« wird; die kulturelle und soziale Kraft der Volksreligiosität – der »Volksfrömmigkeit«, wie der heilige Paul VI. gesagt hat; die Ressource der Literatur für die Freisetzung der kulturellen Würde des Volkes; und vor allem die Herausforderungen der Befreiung, die vom Schrei der Mafiaopfer kommen.
Es geht darum, das Handwerk der Theologie als ein Knüpfen von Netzen des Heils zu verstehen, die dem Evangelium entsprechen, entlang der sizilianischen Mittelmeerküste; es ist eine geduldige Arbeit, die versucht, von der Liebe des Meisters zu berichten, und die in der Lage ist, das Staunen über die Begegnung und die Freundschaft zu wecken. Das Staunen, das der Nerv ist, der den Glauben weckt. Stellt euch also jenen Augenblick vor, in dem der Meister am See von Galiläa innegehalten hat, um jene Fischer zu betrachten, die die Netze herrichteten (vgl. Mt 4,18-22). Was hat ihn veranlasst, sie um sich zu scharen, sich mit ihrer Menschheit zu gürten, sie als Menschenfischer auszusenden? Und warum werden die Netze im Geiste Jesu, in seiner Art zu denken, zum Zeichen und Werkzeug des Heils? Das ist die Aufgabe der Theologie aus dem Mittelmeerraum: Netze des Heils, Netze des Evangeliums zu knüpfen, Jesu Art zu denken und zu lieben treu, gewoben aus Fäden der Gnade und geflochten mit der Barmherzigkeit Gottes, mit denen die Kirche weiterhin, auch im Mittelmeerraum, Zeichen und Werkzeug des Heils der Menschheit sein kann (vgl. Lumen gentium, 2). Auf diese Weise kann die Theologie lieben, kann sie zur Liebe werden.
Es geht um eine echte »analogia crucis«: »Vom Kreuz herab ist der Theologe aufgefordert, die menschliche Wirklichkeit mit den Augen dessen zu betrachten, der sich so sehr erniedrigt hat, dass er der Kleinste unter den Menschen geworden ist, indem er auf seine göttlichen Vorrechte verzichtet und sich zum Diener gemacht hat«1 . Ich stelle mir daher gern einen Fortschritt der Nähe vor, der den Fortschritt des Glaubens vervollständigt, um kein »Zaungast« der Geschichte zu sein, sondern ein Knüpfer von Netzen, der es versteht, die Menschheit Christi und seines Evangeliums um sich herum zu verflechten.
Brüder, Schwestern, Netze werden auf dem Boden sitzend und oft kniend geknüpft und hergerichtet. Vergessen wir nicht, dass dies die beste Haltung ist, um den Herrn zu lieben: kniend. Es bedeutet, den Stil der Fußwaschung anzunehmen und den des barmherzigen Samariters, der sich über die Wunden des Unglücklichen beugt, der in die Hände der Räuber gefallen ist. Die Hände der Theologen können wir uns so vorstellen: Hände, die von der Umarmung Gottes erzählen, Hände, die Zärtlichkeit anbieten – vergesst dieses Wort nicht, Zärtlichkeit, das der Stil Gottes ist –, Hände, die den Gefallenen aufheben und auf die Hoffnung ausrichten. Und vergessen wir nicht, dass es nur in einem Fall erlaubt ist, jemanden von oben nach unten anzuschauen: nur um ihm zu helfen, sich zu erheben.
So verlangt und enthält die Theologie das Zeugnis bis hin zur Aufopferung des Lebens, zur Selbsthingabe durch das Martyrium. Diese Gegend kennt große Zeugen und Märtyrer, vom Priester Pino Puglisi bis hin zum Richter Rosario Livatino, ohne die Richter Paolo Borsellino und Giovanni Falcone sowie viele weitere Staatsdiener zu vergessen. Sie sind »wahre Lehrstühle« der Gerechtigkeit, die die Theologie einladen, mit den Worten des Evangeliums zur kulturellen Befreiung eines Territoriums beizutragen, das immer noch dramatisch von der Plage der Mafia gezeichnet ist. Vergessen wir das nicht. Im Mittelmeerraum Theologie zu betreiben, bedeutet also, daran zu denken, dass die Verkündigung des Evangeliums durch den Einsatz für die Förderung der Gerechtigkeit, die Überwindung der Ungleichheiten und die Verteidigung der unschuldigen Opfer geht, damit das Evangelium des Lebens stets erstrahlt und das Böse in all seinen Formen zurückgewiesen wird.
Es bedarf einer »sich einlassenden« Theologie, die in die Geschichte eintaucht und in ihr die Liebe Christi erstrahlen lässt. In diesem Sinne möchte ich, dass die Fakultät Prozesse der theologischen und sozialen Forschung über die Vergebung in Gang setzt, am Kreuzungspunkt zwischen Legalität, Widerstand und Heiligkeit. Beginnt mit Kreativität eine echte theologische und soziale Werkstatt der Vergebung, für eine wahre Revolution der Gerechtigkeit!
Und das, so möchte ich sagen, ist die Berufung eurer Insel. Sie ist jedoch auch ein Ort, wo verschiedene Kulturen, Geschichten und Gesichter einander begegnen, die die Theologie verpflichten, den Dialog mit den Schwesterkirchen des Ostens, die ebenfalls am Mittelmeer gelegen sind, zu pflegen. Die Route des ökumenischen und interreligiösen Dialogs, so schwierig sie auch ist, ist die, die immer wieder angeboten und gestützt werden muss durch Erfahrungen der Begegnung, Erfahrungen auch der Auseinandersetzung und Zusammenarbeit im gemeinsamen Hören auf den Heiligen Geist. Sie ist das Erbe vieler Märtyrer des Dialogs im Mittelmeerraum. Euch ist daher die Sendung anvertraut, Werkstatt einer Theologie des ökumenischen Dialogs und einer Theologie der Religionen zu werden, die in eine Theologie des interreligiösen Dialogs einmündet. Immer das Wort Dialog, Dialog, Offenheit.
Abschließend erscheint mir diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung zwischen Theologie und Literatur fruchtbar, ein Merkmal, das in diesen Jahren auch die Forschung eurer Theologischen Fakultät geprägt hat, vor allem aufgrund der Entscheidung, jenen Glaubenssinn anzuerkennen, der zur Erfahrung des Volkes gehört. Die Literatur erzählt oft davon und erlaubt eine Auslegung der Wirklichkeit Siziliens und des Mittelmeerraums, die euch allen hilft, eure Identität im Zeichen des Dialogs neu zu entdecken, und euch befähigt, »vor dem heiligen Boden des anderen sich die Sandalen von den Füßen zu streifen (vgl. Ex 3,5)« (Evangelii gaudium, 169). Wie sollte man sonst das polyedrische sizilianische Denken verstehen, ohne Pirandello, Verga, Sciascia und ohne die existentiellen Themen, über die sie denkwürdige Seiten geschrieben haben?
Liebe Brüder und Schwestern, der Mittelmeerraum braucht eine lebendige Theologie, die ihre kontextuelle Dimension bis ins Letzte pflegt und zum Appell an alle wird. Pflegt diese Theologie, die sich auf die Geschichte einlässt, so wie Gott sich im Fleisch seines Sohnes auf unsere Tränen und unsere Hoffnungen eingelassen hat. Fördert eine Theologie, die vom Kreuz herab und vor dem anderen kniend demütige, nüchterne und radikale Worte benutzt, um allen zu helfen, sich der Barmherzigkeit zuzuwenden; und Worte, die uns lehren sollen, Netze des Heils und der Liebe zu knüpfen, um eine neue Geschichte hervorzubringen, die in der Geschichte des Volkes verwurzelt ist.
Ich umarme euch, und ich bitte euch, für mich zu beten. Danke.
Fußnote
1 Vgl. M. Naro, Protagonista è l’abbraccio. La piccola teologia di Francesco.
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