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VIDEOBOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DER VORSTELLUNG DER GESAMMELTEN WERKE
VON DON MILANI AUF DER ITALIENISCHEN BUCHMESSE IN MAILAND
 

»Ich werde mich niemals gegen die Kirche auflehnen, denn ich brauche mehrmals in der Woche die Vergebung meiner Sünden, und ich wüsste nicht, bei wem ich sie sonst suchen gehen sollte, wenn ich die Kirche verlassen würde.« Das schrieb Lorenzo Milani, der Prior von Barbiana, am 10. Oktober 1958. Ich möchte diesen Akt der Hingabe an die Barmherzigkeit Gottes und die Mütterlichkeit der Kirche als Perspektive vorschlagen, aus der man das Leben, die Werke und das Priestertum von Don Lorenzo Milani sehen kann.

Alle haben wir die vielen Werke dieses toskanischen Priesters gelesen, der im Alter von nur 44 Jahren gestorben ist, und mit besonderer Zuneigung erinnern wir uns an seinen Brief an eine Lehrerin, geschrieben zusammen mit den Kindern seiner Schule in Barbiana, wo er Pfarrer war. Als Erzieher und Lehrer hat er zweifellos originelle, zuweilen vielleicht zu fortschrittliche Wege gewählt, die daher zunächst schwer zu verstehen und zu akzeptieren waren. Seine eigene familiäre Erziehung – er stammte aus einem nicht-gläubigen und antiklerikalen Elternhaus –, hatte ihn an eine intellektuelle Dialektik und eine Offenheit gewöhnt, die manchmal etwas barsch wirken mochte oder sogar den Eindruck der Auflehnung erweckte. Er behielt diese in der Familie erworbenen Charakteristiken auch nach seiner Bekehrung 1943 und in der Ausübung seines priesterlichen Dienstes bei. Verständlicherweise hat dies einige Reibereien und Spannungen verursacht wie auch bei kirchlichen und zivilen Strukturen einiges Unverständnis hervorgerufen aufgrund seines Erziehungsansatzes, seiner Vorliebe für die Armen und seiner Verteidigung der Wehrdienstverweigerung.

Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Ich möchte, dass wir an ihn vor allem als gläubigen Menschen denken, der zwar verletzt und doch in die Kirche verliebt war, als leidenschaftlicher Erzieher mit einer Sicht von Schule, die mir die Antwort auf die Anforderungen des Herzens und des Verstandes unserer Kinder und Jugendlichen zu sein scheint.

Mit folgenden Worten habe ich mich an die Welt der italienischen Schule gewandt und dabei ebenfalls Don Milani zitiert: »Ich liebe die Schule, weil sie für Öffnung zur Realität steht. Zumindest sollte sie das! Aber es gelingt ihr nicht immer, und das bedeutet dann, dass man den Ansatz ein bisschen ändern muss. In die Schule zu gehen bedeutet, Herz und Geist für die Realität zu öffnen, mit ihrem ganzen Reichtum an Aspekten, all ihren Dimensionen! Und wir haben kein Recht, Angst vor der Realität zu haben! Die Schule lehrt uns, die Realität zu verstehen. Und das ist wunderschön!

In den ersten Jahren ist es ein 360-Grad-Lernen, und dann, nach und nach, vertieft man eine Richtung, und am Ende spezialisiert man sich. Aber wenn man gelernt hat, wie man lernt – und das ist das Geheimnis: zu lernen, wie man lernt! –, dann bleibt das für immer, man bleibt ein Mensch, der offen ist für die Realität! Das hat auch ein großer italienischer Erzieher gelehrt, der ein Priester war: Don Lorenzo Milani.« Das habe ich am 10. Mai 2014 zu den Repräsentanten des italienischen Erziehungswesens, der italienischen Schule gesagt.

Seine Sorge aber war nicht Frucht der Auflehnung, sondern der Liebe und Zuneigung zu seinen Jugendlichen, zu seiner Herde, für die er litt und stritt, um ihr die Würde zurückzuerstatten, die ihr zuweilen verweigert wurde. Es war eine geistliche Sorge, genährt von der Liebe zu Christus, zum Evangelium, zur Kirche, zur Gesellschaft und zur Schule, die er immer mehr als »Feldlazarett « zu sehen wünschte, um den Verletzten zu Hilfe zu kommen, um die an den Rand Gedrängten und Ausgegrenzten zurückzuholen. Lernen, kennen, wissen, freimütig sprechen, um die eigenen Rechte zu verteidigen: das waren Tätigkeitsworte, die Don Lorenzo ausgehend von der Lesung des Wortes Gottes und der Feier der Sakramente täglich deklinierte, so dass ein Priester, der ihn sehr gut kannte, über ihn sagte, dass er Christus »bis zum Gehtnichtmehr« hatte. Der Herr war das Licht des Lebens von Don Lorenzo und ich möchte, dass dasselbe Licht auch unsere Erinnerung an ihn erleuchtet. Der Schatten des Kreuzes ist oft auf sein Leben gefallen, aber er fühlte stets, dass er am Ostergeheimnis Christi und der Kirche teilhatte, so dass er gegenüber seinem geistlichen Vater sogar den Wunsch zum Ausdruck bringen konnte, seine Angehörigen sollten sehen, »wie ein christlicher Priester stirbt«. Das Leid, die erlittenen Wunden, das Kreuz haben in ihm nie das österliche Licht des auferstandenen Christus verdunkelt, weil er nur eine Sorge hatte, dass nämlich seine Jugendlichen mit einem offenen Geist und einem aufnahmebereiten und mitleidsvollen Herzen aufwachsen sollten, bereit, sich zu den Schwächsten hinabzubeugen und den Bedürftigen zu Hilfe zu eilen, wie es Jesus lehrt (vgl. Lk 10,29-37), ohne auf Hautfarbe, Sprache, Kultur oder Religionszugehörigkeit zu achten.

Wie am Anfang möchte ich zum Abschluss Don Lorenzo selbst zu Wort kommen lassen, und zwar mit einem Zitat aus dem, was er einem seiner Jungen geschrieben hat. Pipetta, dem jungen Kommunisten, der ihm sagte, »wenn alle Priester so wären wie Sie, ja dann…«, antwortete Don Milani: »An dem Tag, an dem wir gemeinsam das Gitter irgendeines Parks durchbrochen und das Haus der Armen im Palast des Reichen errichtet haben werden, dann, Pipetta, denke daran, dass ich dich an jenem Tag verraten werde, an jenem Tag werde ich endlich den einzigen Siegesruf singen können, der eines Priesters würdig ist: Selig die Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich. An jenem Tag werde ich nicht bei dir bleiben. Ich werde in deine regennasse, übelriechende Hütte zurückkehren, um vor meinem gekreuzigten Herrn für dich zu beten« (Brief an Pipetta, 1950). Nähern wir uns also den Werken von Don Lorenzo Milano mit der Zuneigung dessen, der auf ihn als einen Zeugen Christi und des Evangeliums blickt, der im Bewusstsein, dass er ein Sünder war, dem vergeben worden ist, stets das Licht und die Zärtlichkeit, die Gnade und den Trost gesucht hat, die nur Christus uns schenkt und die wir in der Kirche, unserer Mutter, finden können.

 



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