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BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER AM SYMPOSIUM ZUR ÖKONOMISCHEN
VERWALTUNG DER KLÖSTER

[Päpstliche Universität Antonianum, 25.-27. November 2016]

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich danke euch für eure Bereitschaft, euch zu versammeln, um über ein so lebensnotwendiges Thema für das geweihte Leben wie die ökonomische Verwaltung eurer Werke nachzudenken. Ich danke der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens für die Vorbereitung dieses zweiten Symposiums. Und bei dem, was ich euch sage, lasse ich mich von den Worten leiten, die den Titel eurer Begegnung bilden: Charisma, Treue, die Wirtschaft neu überdenken.

Charisma

Die Charismen in der Kirche sind nichts Statisches und Starres; es sind keine »Museumsstücke«. Vielmehr sind es Ströme von lebendigem Wasser (vgl. Joh 7,37-39), die im Erdreich der Geschichte fließen, um es zu tränken und Samen des Guten aufkeimen zu lassen. In bestimmten Augenblicken können wir unter dem Einfluss einer gewissen unfruchtbaren Nostalgie versucht sein, »charismatische Archäologie« zu betreiben. Wir dürfen dieser Versuchung nicht nachgeben! Das Charisma ist immer eine lebendige Wirklichkeit, und gerade deshalb ist es aufgerufen, Früchte zu tragen – wie uns das Gleichnis vom Geld, das der Herr seinen Dienern anvertraut, zeigt (vgl. Lk 19,11-26) – und sich in schöpferischer Treue zu entfalten, wie die Kirche uns beständig in Erinnerung ruft (vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 37).

Das geweihte Leben ist seinem Wesen nach Zeichen und Prophezeiung des Reiches Gottes. Dieses zweifache Wesensmerkmal darf also in keiner seiner Formen fehlen. Das setzt voraus, dass wir als geweihte Personen weiterhin wachsam und aufmerksam die Horizonte unseres Lebens und des gegenwärtigen Augenblicks erforschen. Diese Haltung sorgt dafür, dass die Charismen, die der Herr seiner Kirche durch unsere Gründer und Gründerinnen geschenkt hat, lebendig bleiben und auf die konkreten Situationen der Orte und Zeiten antworten können, in denen wir berufen sind, die Schönheit der »sequela Christi« zu teilen und zu bezeugen.

Von Charisma zu sprechen heißt, von Geschenk, von Unentgeltlichkeit und von Gnade zu sprechen; es heißt, sich in einem Bedeutungsfeld zu bewegen, das von der Wurzel »charis« erleuchtet ist. Ich weiß wohl, dass vielen, die im wirtschaftlichen Bereich tätig sind, diese Worte irrelevant erscheinen und sie sie in die private und religiöse Sphäre verbannen möchten. Mittlerweile ist jedoch auch unter den Ökonomen sehr gut bekannt, dass eine Gesellschaft ohne »charis« nicht gut funktionieren kann und am Ende entmenschlicht wird. Die Wirtschaft und ihre Verwaltung sind nie ethisch und anthropologisch neutral. Entweder tragen sie dazu bei, gerechte und solidarische Beziehungen aufzubauen, oder sie schaffen Situationen der Ausgrenzung und der Ablehnung. Als geweihte Personen sind wir aufgerufen, zur Prophezeiung zu werden, ausgehend von unserem Leben, das von der »charis«, von der Logik des Geschenks, von der Unentgeltlichkeit beseelt ist. Wir sind aufgerufen, Brüderlichkeit, Gemeinschaft, Solidarität mit den Armen und Notleidenden zu schaffen. Wie Papst Benedikt XVI. gut in Erinnerung gerufen hat, müssen wir, wenn wir wirklich menschlich sein wollen, »dem Prinzip der Unentgeltlichkeit als Ausdruck der Brüderlichkeit Raum geben« (Enzyklika Caritas in veritate, 34).

Die Logik des Geschenks, die dem Evangelium entspricht, muss begleitet sein von einer inneren Haltung der Offenheit gegenüber der Wirklichkeit und vom Hören auf Gott, der in ihr zu uns spricht. Wir müssen uns fragen, ob wir bereit sind, uns »die Hände schmutzig zu machen«, um in der heutigen Geschichte tätig zu sein; ob unsere Augen die Zeichen des Reiches Gottes erkennen können in den Geschehnissen, die gewiss komplex und widersprüchlich sind, die Gott jedoch segnen und retten will; ob wir wirklich Wegbegleiter der Männer und Frauen unserer Zeit sind, besonders derer, die verwundet an unseren Straßenrändern liegen, denn mit ihnen teilen wir die Erwartungen, die Ängste, die Hoffnungen und auch das, was wir empfangen haben und was allen gehört; ob wir uns überwältigen lassen von der diabolischen Logik des Profits (der Teufel kommt oft durch den Geldbeutel oder die Kreditkarte); ob wir uns vor dem, was wir nicht verstehen, schützen, indem wir davor fliehen, oder ob wir darin verharren kraft der Verheißung des Herrn, mit seinem wohlwollenden Blick und seiner tiefen Barmherzigkeit, und zu barmherzigen Samaritern für die Armen und die Ausgegrenzten werden.

Die Fragen erkennen, um zu antworten; das Weinen hören, um zu trösten; das Unrecht erkennen, um auch unsere Wirtschaft zu teilen; die Unsicherheiten erkennen, um Frieden zu stiften; die Ängste betrachten, um zu beruhigen: Das sind verschiedene Gesichter des polyedrischen Schatzes, der das geweihte Leben ist. Wir müssen akzeptieren, nicht alle Antworten zu haben und manchmal in Stille zu verharren – vielleicht selbst zuweilen unsicher, aber niemals, niemals ohne Hoffnung.

Treue

Treu zu sein bedeutet, sich zu fragen, was der Herr von uns heute verlangt, was wir in dieser Situation sein und tun sollen. Treu zu sein verpflichtet uns zu einem beständigen Bemühen um Entscheidungsfindung, damit die Werke, den Charismen entsprechend, auch weiterhin wirkkräftige Mittel sein können, um vielen Menschen die Zärtlichkeit Gottes zu bringen.

Die eigenen Werke, mit denen sich dieses Symposium befasst, sind nicht nur ein Mittel, das die Nachhaltigkeit des eigenen Instituts gewährleisten soll, sondern sie sind Teil der Fruchtbarkeit des Charismas. Daher müssen wir uns fragen, ob unsere Werke das Charisma, zu dem wir uns durch unsere Profess bekannt haben, zum Ausdruck bringen oder nicht, ob sie der Sendung, die uns von der Kirche anvertraut ist, entsprechen oder nicht. Das wichtigste Kriterium zur Bewertung der Werke ist nicht ihre Rentabilität, sondern ob sie dem Charisma und der Sendung entsprechen, die zu erfüllen das Institut berufen ist.

Die Treue zum Charisma verlangt oft mutiges Handeln: Es geht nicht darum, alles zu verkaufen oder alle Werke aufzugeben, sondern um eine ernsthafte Entscheidungsfindung, den Blick fest auf Christus und die Ohren aufmerksam auf sein Wort und die Stimme der Armen gerichtet. Auf diese Weise können unsere Werke für den Weg des Instituts fruchtbar sein und gleichzeitig die besondere Liebe Gottes zu den Armen zum Ausdruck bringen.

Die Wirtschaft neu überdenken

All das bringt es mit sich, die Wirtschaft neu zu überdenken, durch aufmerksames Lesen des Wortes Gottes und der Geschichte. Auf Gottes sanftes Flüstern und den Schrei der Armen zu hören, der Armen aller Zeiten und der neuen Armen; zu verstehen, worum der Herr heute bittet, und, wenn man es verstanden hat, zu handeln, mit jenem mutigen Vertrauen auf die Vorsehung des Vaters (vgl. Mt 6,19ff), das unsere Gründer und Gründerinnen hatten. In bestimmten Fällen kann die Entscheidungsfindung nahelegen, ein Werk am Leben zu erhalten, das Verluste hervorbringt – wobei man gut darauf achten muss, dass diese nicht durch Unfähigkeit oder mangelnde Sachkenntnis erzeugt werden –, aber ausgesonderten, schwachen und zerbrechlichen Menschen die Würde zurückerstattet: ungeborenen Kindern, armen, alten und kranken Menschen, Schwerbehinderten. Es ist wahr, dass es Probleme gibt, die mit dem hohen Alter vieler geweihter Personen sowie mit der Komplexität der Verwaltung einiger Werke verbunden sind, aber die Bereitschaft, Gottes Willen zu tun, wird uns Lösungen finden lassen. Es kann sein, dass die Entscheidungsfindung uns nahelegt, ein Werk, das vielleicht zu groß und komplex geworden ist, neu zu überdenken, aber dann können wir Formen der Zusammenarbeit mit anderen Instituten finden oder vielleicht das Werk selbst so umgestalten, dass es, wenngleich in anderer Form, als Werk der Kirche weiterbesteht. Auch dafür ist die Kommunikation und die Zusammenarbeit innerhalb der Institute, mit den anderen Instituten und mit der Ortskirche wichtig. Innerhalb der Institute dürfen die verschiedenen Provinzen weder selbstbezogen sein, so als lebte jede für sich selbst, noch dürfen die Generalleitungen die verschiedenen Besonderheiten außer Acht lassen.

Die Logik des Individualismus kann auch unseren Gemeinschaften Schaden zufügen. Die Spannung zwischen der örtlichen und der allgemeinen Wirklichkeit, die es auf der Ebene der Inkulturation des Charismas gibt, gibt es auch auf wirtschaftlicher Ebene, aber sie darf keine Angst machen, sondern muss gelebt und konfrontiert werden. Man muss die Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Instituten wachsen lassen, und auch die legislativen, rechtlichen und wirtschaftlichen Mittel kennen, durch die heute Netzwerke hergestellt, neue Antworten gefunden und Kräfte, Fachwissen und Fähigkeiten der Institute im Dienste des Reiches Gottes und der Menschheit vereint werden können. Es ist sehr wichtig, auch mit der Ortskirche im Gespräch zu stehen, damit die kirchlichen Güter so weit wie möglich Güter der Kirche bleiben.

Die Wirtschaft neu überdenken soll Ausdruck der Entscheidungsfindung sein, die in diesem Zusammenhang auf die Ausrichtung, die Ziele, die Bedeutung sowie auf die gesellschaftlichen und kirchlichen Auswirkungen der wirtschaftlichen Entscheidungen der Institute des geweihten Lebens schaut. Diese Entscheidungsfindung beginnt bei der Abwägung der wirtschaftlichen Möglichkeiten, die von den finanziellen und personalen Ressourcen ausgehen. Sie macht sich die Tätigkeit von Fachleuten zunutze, um Mittel zu gebrauchen, die eine umsichtige Verwaltung sowie eine Kontrolle über die Verwaltung gestatten, die nicht improvisiert sind, gesetzeskonform arbeiten und sich in den Dienst einer ganzheitlichen Ökologie stellen. Eine Entscheidungsfindung, die vor allem gegen den Strom schwimmt, weil sie sich das Geld zu Dienste macht und nicht – aus keinem Grund, auch nicht dem gerechtesten und heiligsten – dem Geld dient. In diesem Fall wäre es der Mist des Teufels, wie die Kirchenväter sagten.

Die Wirtschaft neu überdenken erfordert besondere Kompetenzen und Fähigkeiten, aber es ist eine Dynamik, die das Leben aller und jedes einzelnen betrifft. Es ist keine Aufgabe, die irgendjemandem übertragen werden kann, sondern sie umfasst die volle Verantwortung einer jeden Person. Auch hier stehen wir einer erzieherischen Herausforderung gegenüber, die die geweihten Personen nicht ausschließen kann. Diese Herausforderung betrifft natürlich in erster Linie die Verwalter und jene, die persönlich an den Entscheidungen des Instituts beteiligt sind. Von ihnen wird die Fähigkeit verlangt, klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben zu sein (vgl. Mt 10,16). Und die christliche Klugheit gestattet es, zwischen einem Wolf und einem Schaf zu unterscheiden, denn es gibt viele als Schafe verkleidete Wölfe, besonders wenn Geld im Spiel ist! Es darf auch nicht verschwiegen werden, dass die Institute geweihten Lebens nicht ausgenommen sind von einigen Gefahren, auf die in der Enzyklika Laudato si’ verwiesen wird: »Das Prinzip der Gewinnmaximierung, das dazu neigt, sich von jeder anderen Betrachtungsweise abzukapseln, ist eine Verzerrung des Wirtschaftsbegriffs« (Nr. 195). Wie viele geweihte Personen meinen auch heute noch, dass die Gesetze der Wirtschaft von jeder ethischen Betrachtung unabhängig sind? Wie oft wird die Umgestaltung eines Werkes oder der Verkauf einer Immobilie nur auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse und des Marktwertes erwägt? Gott bewahre uns vor dem Geist des Funktionalismus und davor, in die Falle der Habsucht zu geraten! Außerdem müssen wir uns zu einer verantwortlichen Austerität erziehen.

Es genügt nicht, die Ordensprofess abgelegt zu haben, um arm zu sein. Es genügt nicht, mich hinter der Behauptung zu verschanzen, dass ich nichts besitze, weil ich Ordensmann, Ordensfrau bin, wenn mein Institut es mir gestattet, alle Güter, die ich haben will, zu verwalten oder zu genießen, und die zivilen Stiftungen zu kontrollieren, die errichtet wurden, um eigene Werke zu unterstützen und sich so der Kontrolle durch die Kirche zu entziehen. Die Heuchelei der geweihten Personen, die im Reichtum leben, verletzt das Gewissen der Gläubigen und schadet der Kirche. Man muss bei den kleinen täglichen Entscheidungen beginnen. Jeder ist aufgerufen, seinen Teil dazu beizutragen, die Güter zu gebrauchen, um solidarische Entscheidungen zu treffen, die Schöpfung zu bewahren, sich an der Armut der Familien zu messen, die gewiss in ihrem Umfeld leben. Es geht darum, einen »habitus« zu erlangen, einen Stil im Zeichen der Gerechtigkeit und des Teilens, indem man sich die Mühe macht – denn oft wäre das Gegenteil bequemer –, ehrliche Entscheidungen zu treffen, im Wissen, dass es einfach das ist, was wir tun sollten (vgl. Lk 17,10).

Brüder und Schwestern, mir kommen zwei biblische Texte in den Sinn, die ich euch zur Reflexion überlassen möchte. Johannes schreibt in seinem Ersten Brief: »Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben? Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit « (3,17-18). Der andere Text ist sehr bekannt. Ich meine Matthäus 25,31-46: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. […] Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.« In der Treue zum Charisma sollt ihr eure Wirtschaft neu überdenken. Ich danke euch. Vergesst nicht, für mich zu beten. Der Herr segne euch, und die allerseligste Jungfrau Maria möge für euch Sorge tragen.

Aus dem Vatikan, am 25 November 2016,

Franziskus

 



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