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FEST DER DARSTELLUNG DES HERRN
XIX. WELTTAG DES GEWEIHTEN LEBENS

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Vatikanische Basilika
Sonntag, 2. Februar 2015

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Halten wir uns innerlich das Bild der Mutter Maria vor Augen, wie sie geht mit dem Jesuskind im Arm. Sie führt ihn in den Tempel ein, sie gliedert ihn ein in das Volk, sie bringt ihn zur Begegnung mit seinem Volk.

Die Arme der Mutter sind gleichsam die „Treppe“, auf der der Sohn Gottes zu uns herabsteigt, die Treppe des Entgegenkommens Gottes. Wir haben es in der ersten Lesung aus dem Hebräerbrief gehört: Christus musste » in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein « (2,17). Es ist der zweifache Weg Jesu: Er ist herabgestiegen und hat sich auf unsere Ebene begeben, um gemeinsam mit uns zum Vater aufzufahren und uns auf seine Ebene zu heben.

Wir können diese Bewegung im Herzen betrachten, wenn wir uns die Szene aus dem Evangelium vorstellen, in der Maria mit dem Kind auf dem Arm in den Tempel eintritt. Die Muttergottes geht voran, doch ihr voran geht der Sohn. Sie trägt ihn, doch er ist es, der sie trägt auf diesem Weg Gottes, der zu uns kommt, damit wir zu ihm kommen können.

Jesus ist unseren Weg gegangen, um uns den neuen Weg zu zeigen, nämlich den » neuen und lebendigen Weg « (Hebr 10,20), der er selber ist. Und für uns geweihte Personen ist dies der einzige Weg, den wir konkret und ohne Alternativen gehen müssen, mit Freude und Ausdauer.

Das Evangelium kommt beharrlich fünfmal auf den Gehorsam von Maria und Josef gegenüber dem „Gesetz des Herrn“ zurück (vgl. Lk 2,22.23.24.27.39). Jesus ist nicht gekommen, um seinen eigenen Willen zu tun, sondern den des Vaters, und das – sagte er – war seine „Speise“ (vgl. Joh 4,34). So schlägt derjenige, der Jesus nachfolgt, den Weg des Gehorsams ein, indem er das „Entgegenkommen“ des Herrn nachahmt, sich beugt und sich den Willen des Vaters zu Eigen macht, auch bis zur Selbstentäußerung und Selbsterniedrigung (vgl. Phil 2,7-8). Für einen Ordensbruder bzw. eine Ordensschwester bedeutet vorankommen, sich im Dienst zu erniedrigen, das heißt den gleichen Weg zu gehen wie Jesus, der nicht daran festhielt, wie Gott zu sein (vgl. Phil 2,6). Sich erniedrigen und zum Knecht werden, um zu dienen.

Und dieser Weg gestaltet sich entsprechend der Regel, die vom Charisma des Gründers geprägt ist – ohne zu vergessen, dass die unersetzliche Regel für alle immer das Evangelium ist. Doch der Heilige Geist übersetzt es dann in seiner unendlichen Kreativität auch in die verschiedenen Regeln des geweihten Lebens, die alle aus der Nachfolge Christi hervorgehen, das heißt aus diesem Weg der Selbsterniedrigung im Dienen.

Durch dieses „Gesetz“ können die geweihten Personen zur Weisheit gelangen, die keine abstrakte Haltung ist, sondern Werk und Geschenk des Heiligen Geistes. Und ein deutliches Zeichen dieser Weisheit ist die Freude. Ja, die evangeliumsgemäße Fröhlichkeit der Ordensleute ist eine Folge des Weges der Erniedrigung mit Jesus… Und wenn wir traurig sind, wenn wir uns beklagen, wird es uns gut tun, uns zu fragen: „Wie leben wir diese Dimension der Kenosis?“

In der Erzählung von der Darstellung Jesu im Tempel ist die Weisheit durch zwei alte Menschen verkörpert, Simeon und Hanna – Menschen, die auf den Heiligen Geist hören – der dreimal erwähnt wird –, die von ihm geführt, vom ihm angetrieben sind. Der Herr hat ihnen die Weisheit geschenkt durch einen langen Weg, den sie im Gehorsam gegenüber seinem Gesetz gegangen sind – ein Gehorsam, der einerseits erniedrigt und entäußert, andererseits aber die Hoffnung entzündet und bewahrt und so die beiden kreativ werden lässt, denn sie waren erfüllt vom Heiligen Geist. Sie feiern sogar eine Art Liturgie um das göttliche Kind, das in den Tempel kommt: Simeon lobt den Herrn, und Hanna „predigt“ das Heil (vgl. Lk 2,28-32.38). Wie im Fall Marias nimmt auch der alte Simeon das Kind in die Arme, ist es aber in Wirklichkeit das Kind, das den Alten ergreift und ihn führt. Die Liturgie der ersten Vesper des heutigen Festes bringt das klar und schön zum Ausdruck: » Senex puerum portabat, puer autem senem regebat. « Sowohl Maria, die junge Mutter, als auch Simeon, der alte „Großvater“, tragen das Kind auf dem Arm, doch beide werden von ebendiesem Kind geführt.

Es ist interessant festzustellen, dass in dieser Geschichte die Kreativen nicht die Jugendlichen sind, sondern die Alten: Die jungen Menschen wie Maria und Josef folgen dem Gesetz des Herrn auf dem Weg des Gehorsams; die Alten wie Simeon und Hanna sehen in dem Kind die Erfüllung des Gesetzes und der Verheißungen Gottes. Und sie sind fähig, das zu feiern: Sie sind kreativ in der Freude, in der Weisheit. Den Gehorsam aber verwandelt der Herr in Weisheit durch das Wirken seines Heiligen Geistes.

Manchmal kann Gott das Geschenk der Weisheit auch einem jungen, unerfahrenen Menschen gewähren; er muss nur bereit sein, den Weg des Gehorsams und der Gelehrigkeit gegenüber dem Heiligen Geist zu gehen. Dieser Gehorsam und diese Gelehrigkeit sind nicht etwas Theoretisches, sondern sie unterliegen der Logik der Inkarnation des Wortes Gottes: Gelehrigkeit und Gehorsam gegenüber einem Gründer, Gelehrigkeit und Gehorsam gegenüber einer konkreten Regel, Gelehrigkeit und Gehorsam gegenüber einem Vorgesetzten, Gelehrigkeit und Gehorsam gegenüber der Kirche. Es geht um konkrete Gelehrigkeit und konkreten Gehorsam.

Durch den beharrlich verfolgten Weg im Gehorsam reift die persönliche und die gemeinschaftliche Weisheit, und so wird es dann auch möglich, die Regeln mit der jeweiligen Zeit in Beziehung zu setzen: Die wahre „Aktualisierung“ ist nämlich ein Werk der Weisheit, die in der Gelehrigkeit und im Gehorsam gewachsen ist.

Die Stärkung und die Erneuerung des geweihten Lebens erfolgen durch eine große Liebe zur Regel wie auch durch die Fähigkeit, auf die Alten der Kongregation zu schauen und auf sie zu hören. So wird das jeder Ordensfamilie „anvertraute Gut“, ihr spezielles Charisma, zugleich durch Gehorsam und durch Weisheit gehütet. Und durch diesen Weg werden wir davor bewahrt, unsere Weihe gleichsam light zu leben, entleiblicht, als sei sie eine Gnosis. Das würde das Ordensleben zu einer „Karikatur“ machen – zu einer Karikatur, in der eine Nachfolge ohne Verzicht, ein Gebet ohne Begegnung, ein brüderliches Leben ohne Gemeinschaft, ein Gehorsam ohne Vertrauen und eine Nächstenliebe ohne Transzendenz  gelebt wird.

Wie Maria und wie Simeon wollen heute auch wir Jesus in die Arme nehmen, damit er seinem Volk begegnet. Und das werden wir sicher nur erreichen, wenn wir uns vom Geheimnis Christi ergreifen lassen. Führen wir das Volk zu Jesus hin, indem wir selber uns von ihm führen lassen. Das ist es, was wir sein müssen: geführte Führer.

Auf die Fürsprache Marias, unserer Mutter, des heiligen Josef und der heiligen Simeon und Hanna gewähre uns der Herr, um was wir ihn im Tagesgebet ersucht haben: dass wir im Geist von Grund auf erneuert vor sein Antlitz treten. Amen.

 



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