UNSERE LIEBE FRAU VON GUADALUPE
HEILIGE MESSE FÜR LATEINAMERIKA
PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Vatikanische Basilika
Donnerstag, 12. Dezember 2019
Die heutige Liturgiefeier, die biblischen Texte, die wir gehört haben, und das Bild Unserer Lieben Frau von Guadalupe, das uns an den Nican mopohua erinnert, lassen mich an drei Bezeichnungen für sie denken: Frau [»señora-mujer«], Mutter und Mestizin. Maria ist Frau. Sie ist Frau, sie ist Señora, wie der Nican mopohua sagt. Frau mit der Hoheit der Frau. Sie zeigt sich als Frau, und sie zeigt sich auch mit einer Botschaft von etwas anderem, das heißt sie ist Frau, Señora und Jüngerin. Der heilige Ignatius nannte sie gern »Nuestra Señora«.
Und so einfach ist es, sie behauptet nichts anderes: Sie ist Frau, sie ist Jüngerin. Die christliche Frömmigkeit hat sich im Laufe der Jahrhunderte stets bemüht, sie mit neuen Titeln zu ehren: Es waren Titel aus kindlicher Liebe, Titel der Liebe des Volkes Gottes, die aber an dieses Frau- und Jüngerin-Sein nicht heranreichten. Der heilige Bernhard sagt uns, dass das Lob, die Lobestitel niemals ausreichen, wenn wir von Maria sprechen, aber sie reichen nicht heran an ihre demütige Jüngerschaft. Jüngerin. Ihrem Meister gehorsam, der ihr Sohn ist, der einzige Erlöser, hat sie nie etwas von ihrem Sohn für sich selbst beanspruchen wollen. Sie hat sich nie als Mit-Erlöserin präsentiert. Nein, Jüngerin. Und es gibt einen Kirchenvater, der sagt, dass die Jüngerschaft würdiger ist als die Mutterschaft. Das sind Fragen der Theologen, wichtig ist: Jüngerin. Sie hat niemals etwas von ihrem Sohn für sich genommen. Sie hat ihm gedient, weil sie Mutter ist. Sie schenkt in der Fülle der Zeit diesem Sohn das Leben, geboren von einer Frau.
Maria ist unsere Mutter. Sie ist die Mutter unserer Völker. Sie ist Mutter von uns allen. Sie ist Mutter der Kirche. Aber sie ist auch Bild der Kirche. Und sie ist Mutter unseres Herzens, unserer Seele. Es gibt einen Kirchenvater, der sagt: Was man von Maria sagt, kann man auf gewisse Weise von der Kirche sagen und auf andere Weise auch von unserer Seele. Denn die Kirche ist weiblich und unsere Seele hat diese Fähigkeit, von Gott die Gnade zu empfangen, und in einem gewissen Sinn sahen die Kirchenväter sie als weiblich. Wir können die Kirche nicht ohne dieses marianische Prinzip denken, das sich ausbreitet.
Wenn wir die Rolle der Frau in der Kirche zu bestimmen suchen, können wir dem Weg der Funktionalität folgen, weil die Frau in der Kirche Funktionen zu erfüllen hat. Aber damit bleiben wir auf halbem Weg stehen. Die Frau in der Kirche geht darüber hinaus mit diesem marianischen Prinzip, das die Kirche »vermütterlicht« und sie in die heilige Mutter Kirche verwandelt. Maria als Frau, Maria als Mutter, ohne andere grundlegende Titel. Die anderen Titel – denken wir an die Lauretanische Litanei – sind Titel von verliebten Kindern, die sie ihrer Mutter singen, aber sie erreichen nicht das Wesentliche des Seins von Maria: Frau und Mutter.
Und das dritte, das ich ihr sagen würde, wenn ich auf sie blicke: Sie wollte für uns Mestizin sein, sie ist zur Mestizin geworden. Und nicht nur bei Juan Dieguito, sondern beim ganzen Volk. Sie ist Mestizin geworden, um die Mutter aller zu sein. Sie ist Mestizin geworden, sie ist Mestizin geworden mit der Menschheit. Warum? Weil sie Gott »mestiziert« hat. Und das ist das große Geheimnis: Maria, die »mestizische« Mutter Gottes, des wahren Gottes und wahren Menschen in ihrem Sohn.
Wenn man uns sagt, dass man sie zu etwas erklären müsste oder noch ein Dogma verkünden sollte, dann sollen wir uns nicht in Lappalien verlieren: Maria ist Frau, sie ist »Nuestra Señora«. Maria ist Mutter ihres Sohnes und der heiligen hierarchischen Mutter Kirche. Und Maria ist Mestizin, Frau unserer Völker, die aber Gott »mestiziert « hat.
Auf dieselbe Weise wie sie zu Juan Diego gesprochen hat, möge sie auch zu uns über diese drei Titel sprechen: mit Zärtlichkeit, mit weiblicher Wärme und mit der Nähe einer Mestizin. So sei es.
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