HEILIGE MESSE UND HEILIGSPRECHUNG
PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Petersplatz
Sonntag, 15. Oktober 2017
Das Gleichnis, das wir soeben gehört haben, erzählt uns vom Reich Gottes als einem Hochzeitsfest (vgl. Mt 22,1-14). Hauptperson ist der Sohn des Königs, der Bräutigam, in dem wir mit Leichtigkeit Jesus erkennen können. Im Gleichnis wird jedoch nie von der Braut gesprochen, sondern von den vielen Eingeladenen, die ersehnt und erwartet wurden: Sie sind diejenigen, die das Brautgewand tragen. Jene Eingeladenen sind wir, wir alle, weil der Herr sich danach sehnt, mit einem jedem von uns »Hochzeit zu feiern «. Die Hochzeit leitet die Gemeinschaft für das ganze Leben ein: Das ist es, was Gott mit einem jeden von uns zu unternehmen wünscht. Unsere Beziehung zu ihm kann also nicht nur die der ergebenen Untertanen zum König, der treuen Diener zum Hausherrn oder der fleißigen Schüler zu ihrem Lehrer sein, sondern sie ist vor allem die der geliebten Braut zum Bräutigam. Mit anderen Worten: Der Herr sehnt sich nach uns, er sucht uns auf und lädt uns ein. Er gibt sich nicht damit zufrieden, dass wir unsere Pflichten gut erfüllen und seine Gesetze beobachten, sondern er will mit uns eine wahre und eigentliche Lebensgemeinschaft, eine aus Dialog, Vertrauen und Vergebung bestehende Beziehung führen.
Das ist das christliche Leben, eine Liebesgeschichte mit Gott, in der der Herr grundlos die Initiative ergreift und sich niemand von uns mit der Ausschließlichkeit der Einladung rühmen kann: Niemand wird vor den anderen bevorzugt, aber vor Gott ist jeder bevorzugt. Aus dieser grundlosen, zärtlichen und bevorzugten Liebe ersteht immer wieder neu das christliche Leben. Wir können uns fragen, ob wir wenigstens einmal am Tag dem Herrn unsere Liebe zu ihm bekennen; ob wir uns unter den vielen Worten erinnern, ihm jeden Tag zu sagen: »Ich liebe dich Herr. Du bist mein Leben.« Wenn man nämlich die Liebe verliert, wird das christliche Leben steril, es wird zu einem seelenlosen Körper, zu einer unmöglichen Moral, zu einer Gesamtheit von Prinzipien und Gesetzen, die man ohne ein Warum unter einen Hut bringen muss. Stattdessen erwartet der Gott des Lebens eine Antwort des Lebens, der Herr der Liebe erwartet eine Antwort der Liebe. Wenn er sich im Buch der Offenbarung des Johannes an eine Gemeinde wendet, spricht er einen scharfen Vorwurf aus, nämlich »dass du deine erste Liebe verlassen hast« (2,4). Hier ist die Gefahr: ein routinemäßiges christliches Leben, in dem man sich mit »Normalität« begnügt, ohne Elan, ohne Enthusiasmus und mit kurzem Gedächtnis. Beleben wir die Erinnerung unserer ersten Liebe neu: Wir sind die Geliebten, die zur Hochzeit Geladenen und unser Leben ist ein Geschenk, weil jeden Tag die wunderbare Gelegenheit ist, der Einladung zu folgen.
Aber das Evangelium warnt uns davor: Die Einladung kann abgelehnt werden. Viele Eingeladene haben abgesagt, weil sie von anderen Interessen vereinnahmt waren: »Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden«, sagt der Text (Mt 22,5). Ein Wort kehrt immer wieder: seiner; es ist der Schlüssel, um die Ablehnung zu verstehen. Die Eingeladenen dachten nämlich nicht, dass die Hochzeit öde oder langweilig würde, sondern sie »kümmerten sich nicht darum«: Sie waren durch ihre Interessen abgelenkt, sie zogen es vor, etwas zu haben anstatt sich einzubringen, wie es die Liebe erfordert. So entfernt man sich von der Liebe, nicht aus Bosheit, sondern weil man das Seine vorzieht: die Sicherheiten, die Selbstbestätigung, die Bequemlichkeiten…
Dann kann man es sich auf den Sesseln der Gewinne, der Genüsse, eines Hobbys, das uns etwas fröhlich sein lässt, bequem machen, aber so altert man früh und schlecht, weil man im Inneren altert: Wenn das Herz sich nicht weitet, verschließt es sich. Und wenn alles vom Ich abhängt – von dem, was mir passt, von dem, was ich brauche, von dem, was ich will – wird man auch hart und böse, reagiert man wegen Nichtigkeiten auf üble Weise wie die Eingeladenen im Evangelium, die die Überbringer der Einladung beschimpften und sogar umbrachten (vgl. V. 6), nur weil sie ihnen ungelegen waren. Das Evangelium fragt uns also, auf welcher Seite wir stehen: auf der Seite des Ich oder auf der Seite Gottes? Denn Gott ist das Gegenteil des Egoismus, des Selbstbezugs. Er, so sagt uns das Evangelium, schreitet voran; er verschiebt das Fest nicht angesichts der stetigen Absagen, die er erhält, angesichts der Verschlossenheit gegenüber seinen Einladungen. Er gibt nicht auf, sondern lädt weiter ein. Angesichts des »Neins«, schlägt er die Tür nicht zu, sondern bezieht noch mehr Menschen ein. Gott antwortet in Anbetracht des erlittenen Unrechts mit einer größeren Liebe. Wir hegen, wenn wir von ungerechten Behandlungen oder Ablehnungen getroffen werden, oft Unzufriedenheit und Groll. Gott hingegen leidet wegen unseres »Neins« und fährt doch fort, immer wieder die Initiative zu ergreifen, er stellt weiter das Gute auch demjenigen bereit, der Böses tut. Denn so macht es die Liebe; denn nur so besiegt man das Böse. Heute möchte uns dieser Gott, der niemals die Hoffnung aufgibt, darin einbeziehen, es so wie er zu machen, gemäß der wahren Liebe zu leben, die Resignation und die Launen unseres überempfindlichen und trägen Ichs zu überwinden. Es gibt einen letzten Aspekt, den das Evangelium unterstreicht:
das unverzichtbar ist. Es genügt in der Tat nicht, einmal auf die Einladung zu antworten, »ja« zu sagen und fertig! Es ist vielmehr notwendig, mit dem rechten Gewand bekleidet zu sein, es bedarf der Gewohnheit, die Liebe jeden Tag zu leben. Denn man kann nicht sagen: »Herr, Herr«, ohne den Willen Gottes zu leben und in die Praxis umzusetzen (vgl. Mt 7,21). Uns tut es not, uns jeden Tag mit seiner Liebe zu bekleiden, jeden Tag unsere Entscheidung für Gott zu erneuern. Die heute Heiliggespochenen, vor allem die vielen Märtyrer, zeigen diesen Weg auf. Sie haben nicht nur mit Worten und für eine Weile »Ja« zur Liebe gesagt, sondern mit dem Leben und bis zum Ende. Ihre tägliche Kleidung war die Liebe zu Jesus, auf jene »verrückte« Liebe, die uns bis zum Ende geliebt hat; auf die Liebe dessen, der seine Vergebung und sein Gewand denen, die ihn kreuzigten, zurückgelassen hat.
Auch wir haben in der Taufe das weiße Gewand erhalten, das Brautgewand für Gott. Bitten wir ihn auf die Fürsprache dieser unserer heiligen Brüder und Schwestern um die Gnade, uns jeden Tag dafür zu entscheiden, dieses Gewand zu tragen und es rein zu halten. Wie sollen wir das tun? Vor allem indem wir ohne Angst hingehen, um die Vergebung des Herrn zu empfangen: Dies ist der entscheidende Schritt, um in den Hochzeitssaal einzutreten und das Fest der Liebe mit ihm zu feiern.
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