APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH ECUADOR, BOLIVIEN UND PARAGUAY
(5.-13. JULI 2015)
EUCHARISTIEFEIER
PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Platz vor dem Marienheiligtum von Caacupé, Paraguay
Samstag, 11. Juli 2015
Hier bei euch zu sein ist so, als fühlte ich mich zu Hause, zu Füßen unserer Mutter, der Jungfrau der Wunder von Caacupé. In so einem Heiligtum begegnen wir als Söhne und Töchter unserer Mutter. Und untereinander erinnern wir uns daran, dass wir Geschwister sind. Es ist ein Ort des Festes, der Begegnung, der Familie. Wir kommen, um unsere Nöte vorzubringen; wir kommen, um Dank zu sagen, um Verzeihung zu erflehen und um wieder neu anzufangen. Wie viele Taufen, wie viele Priester- und Ordensberufungen, wie viele Verlobungen und Hochzeiten sind zu Füßen unserer Mutter geboren! Wie viele Tränen und wie viele Abschiede! Wir kommen immer mit unserem Leben; denn hier sind wir zu Hause, und die beste Sache ist zu wissen, dass es jemanden gibt, der auf uns wartet.
Wie viele andere Male sind wir gekommen, weil wir unsere Kräfte erneuern wollten, um die Freude des Evangeliums zu leben.
Wie sollten wir nicht anerkennen, dass dieses Heiligtum ein lebendiger Teil des paraguayischen Volkes – von euch – ist? So empfinden die Menschen hier, so beten sie, so singen sie: „In deinem Eden von Caacupé wohnt dein Volk, o reine Jungfrau, das dir seine Liebe und seinen Glauben bringt.“ Und heute sind wir es hier als Volk Gottes zu Füßen unserer Mutter, um ihr unsere Liebe und unseren Glauben zu bringen.
Im Evangelium haben wir soeben die Verkündigung des Engels an Maria gehört, der ihr sagt: „Freue dich, du Begnadete, der Herr ist mit Dir“ (vgl. Lk 1,28). Freue dich, Maria, freue dich! Angesichts dieses Grußes war sie verwirrt und fragte sich, was das zu bedeuten habe. Sie verstand nicht viel von dem, was da ablief. Aber sie begriff, dass es von Gott kam und sagte „Ja“. Ja zur Traum Gottes, ja zum Plan Gottes und ja zu Gottes Willen.
Wie wir wissen, war es ein „Ja“, dass keinesfalls leicht zu leben war. Ein „Ja“, das ihr nicht Privilegien oder Auszeichnungen gewährte, sondern, wie Simeon in seiner Prophetie sagen wird: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,35). Es hat sie durchbohrt! Deshalb lieben wir sie so sehr und finden in ihr eine wahre Mutter, die uns hilft, den Glauben und die Hoffnung zu leben auch inmitten der kompliziertesten Situationen. Auf der Linie der Prophetie des Simeon tut es uns gut, drei schwierige Momente des Lebens Marias kurz in der Erinnerung vorüberziehen zu lassen:
1. Die Geburt Jesu. Es war kein Platz für sie (vgl. Lk 2,7). Sie hatten kein Haus, keine Wohnstätte, um ihren Sohn willkommen zu heißen. Es gab keinen Platz, wo sie ihn zur Welt bringen konnten. Und es war auch keine Familie in der Nähe, sie waren allein. Der einzige verfügbare Ort war ein Viehstall. Und in ihrem Gedächtnis klangen die Worte des Engels nach: „Freue dich, Maria, der Herr ist mit dir“. Und sie hätte sich fragen können: Wo ist er jetzt?
2. Die Flucht nach Ägypten. Sie mussten wegziehen, ins Exil gehen. Sie hatten nicht nur keine Bleibe, keine Familie, sondern ihr Leben war sogar in Gefahr. Sie mussten sich auf den Weg machen und in ein fremdes Land gehen. Sie wurden zu Nichtsesshaften wegen der Gier und der Missgunst des Herrschers. Und da hätte sie sich fragen können: Wo ist jener, von dem mir der Engel gesprochen hat?
3. Der Tod am Kreuz. Es wird keine schwierigere Situation für eine Mutter geben, als dem Tod eines Sohnes oder einer Tochter beizuwohnen. Es sind herzzerreißende Momente. Und hier sehen wir Maria am Fuß des Kreuzes, unerschütterlich wie jede Mutter. Sie gibt nicht auf. Sie begleitet ihren Sohn bis zum Äußersten des Todes, bis zum Tod am Kreuz. Und dann ist sie es, die die Jünger zusammenhält und stützt.
Wir sehen ihr Leben, und wir fühlen uns verstanden. Wir können uns zum Beten niederlassen und eine gemeinsame Sprache verwenden angesichts einer Reihe von Situationen, die wir jeden Tag erfahren. Wir können uns mit vielen Situationen ihres Lebens identifizieren, ihr unsere Wirklichkeit erzählen, weil sie uns versteht.
Sie ist die Frau des Glaubens, ist die Mutter der Kirche; sie hat geglaubt. Ihr Leben ist Zeugnis dafür, dass Gott nicht enttäuscht, sein Volk nicht verlässt, auch wenn es Augenblicke oder Situationen gibt, in denen es scheint, als wäre er nicht da. Sie ist die erste Jüngerin gewesen, die ihren Sohn begleitet und die Hoffnung der Apostel in den schwierigen Momenten gestützt hat. Sie ist die Frau gewesen, die Acht gegeben hat und – als es schien, dass die Festfreude zu erlöschen begann – zu sagen wusste: „Sie haben keinen Wein mehr“ (Joh 2,3). Sie ist die Frau gewesen, die zu ihrer Verwandten Elisabet ging und „etwa drei Monate bei ihr“ (Lk 1,56) blieb, damit sie während der Geburt nicht allein sei.
Das alles wissen wir aus dem Evangelium, aber wir wissen auch, dass es auf dieser Erde unsere Mutter ist, die uns in so vielen schwierigen Situationen zur Seite gestanden hat. Dieses Heiligtum hütet und bewahrt das Gedächtnis eines Volkes, das weiß, dass Maria Mutter ist und immer an der Seite ihrer Söhne und Töchter ist und bleibt.
Sie ist und bleibt in unseren Krankenhäusern, in unseren Schulen, in unseren Häusern. Sie ist und bleibt bei uns in der Arbeit und auf dem Weg. Sie ist und bleibt am Tisch in jedem Haus. Sie ist und bleibt in der Bildung des Vaterlandes, indem sie uns zu einer Nation macht. Immer mit einer unaufdringlichen und leisen Gegenwart. Im Blick auf ein Marienbild, auf ein Andachtsbildchen oder auf eine Medaille. Unter dem Zeichen eines Rosenkranzes wissen wir, dass wir nicht allein sind.
Warum? Warum wollte Maria inmitten ihres Volkes bleiben, mit ihren Söhnen und Töchtern, mit ihrer Familie. Indem sie immer Jesus folgte, auf der Seite der Menge. Als gute Mutter wollte sie die Ihren nicht verlassen, sondern war im Gegenteil immer dort zu finden, wo ihr Sohn sie nötig haben könnte. Das tat sie, weil sie Mutter ist.
Eine Mutter, die gelernt hat zuzuhören und in so vielen Schwierigkeiten von jenem „Fürchte dich nicht“, „der Herr ist mit dir (Lk 1,30.28) zu leben. Eine Mutter, die uns immer wieder sagt: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Das ist ihre beständige und fortwährende Einladung: „Was er euch sagt, das tut“. Sie hat kein eigens Programm, sie kommt nicht um uns etwas Neues zu sagen, nur ihr Glaube begleitet unseren Glauben.
Ihr wisst das, ihr habt davon Erfahrung gemacht, was wir hier miteinander besprechen. Ihr alle, alle Paraguayer haben das lebendige Gedächtnis eines Volkes, das diese Worte des Evangeliums haben zu Fleisch werden lassen. Und ich möchte mich in besonderer Weise an euch paraguayische Frauen und Mütter wenden, die ihr mit großem Mut und Opferbereitschaft ein vom Krieg zerstörtes, versunkenes und überschwemmtes Land wieder aufgerichtet habt. Ihr habt das Gedächtnis, das Erbgut jener Frauen, die das Leben, den Glauben und die Würde eures Volkes wieder hergestellt haben. Wie Maria habt ihr sehr, wirklich sehr schwere Situationen gemeistert, die einer allgemeinen Logik entsprechend gegen jeden Glauben gewesen wären. Ihr habt dagegen wie Maria, getrieben und getragen von ihrem Beispiel, weiter geglaubt, auch voll Hoffnung gegen alle Hoffnung (vgl. Röm 4,18). Als alles zusammenzubrechen schien, habt ihr euch mit Maria gesagt: Wir fürchten uns nicht, der Herr ist mit uns, er ist mit unserem Volk, mit unseren Familien, tun wir, was er uns sagt. Und daher habt ihr in der Vergangenheit die Kraft gefunden, um nicht zuzulassen, dass diese Erde im Chaos versinkt. Und ihr findet sie auch heute. Gott segne diese Ausdauer, Gott segne und stärke euren Glauben, Gott segne die paraguayische Frau, die ruhmreichste Amerikas.
Als Volk sind wir zu unserem Haus gekommen, zum Haus des paraguayischen Vaterlandes, um noch einmal diese Worte zu hören, die uns so gut tun: „Freue dich, … der Herr ist mit dir“. Es ist ein Appell, nicht das Gedächtnis zu verlieren, die Wurzeln, die so vielen Zeugnisse, die ihr von gläubigen Menschen empfangen habt, die in den Kämpfen des Lebens verstrickt waren. Ein Glaube, der zum Leben geworden ist, ein Leben, das zur Hoffnung wurde, und eine Hoffnung, die uns dazu führt, in der Liebe vorauszugehen. Ja, nach der Art Jesu, vorauszugehen in der Liebe. Seid Träger dieses Glaubens, dieses Lebens, dieser Hoffnung! Seid Erbauer des Heute und des Morgen Paraguays!
Nochmal betrachte ich das Bild Marias und lade euch ein, gemeinsam zu sprechen: „In deinem Eden von Caacupé wohnt dein Volk, o reine Jungfrau, das dir seine Liebe und seinen Glauben bringt.“ Bitte für uns, heilige Gottesmutter, auf dass wir würdig werden, die Verheißungen und die Gnaden unseres Herrn Jesus Christus zu empfangen. Amen.
Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana