PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Petersplatz
7. Sonntag der Osterzeit, 17. Mai 2015
Die Apostelgeschichte hat uns die entstehende Kirche gezeigt, den Augenblick, in dem sie denjenigen wählt, den Gott berufen hat, den Platz des Judas im Apostelkollegium einzunehmen. Es geht nicht darum ein Amt zu übernehmen, sondern einen Dienst. Und in der Tat erhält Matthias, der gewählt wird, eine Sendung, die Petrus folgendermaßen beschreibt: »Einer […] muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein« (Apg 1,22), der Auferstehung Christi. Mit diesen Worten fasst er zusammen, was es bedeutet, zu den Zwölf zu gehören: es bedeutet, Zeuge der Auferstehung Jesu zu sein. Die Tatsache, dass er sagt: »zusammen mit uns«, macht deutlich, dass die Sendung, den auferstandenen Christus zu verkünden, kein individueller Auftrag ist: er muss gemeinsam gelebt werden, zusammen mit dem Apostelkolleg und der Gemeinschaft.
Die Apostel haben eine direkte und wunderbare Erfahrung der Auferstehung gemacht, sie sind Augenzeugen dieses Ereignisses. Dank ihres maßgeblichen Zeugnisses haben viele geglaubt; und aus dem Glauben an den auferstandenen Christus sind die christlichen Gemeinschaften entstanden und entstehen ohne Unterlass. Auch wir heute gründen unseren Glauben an den auferstandenen Herrn auf das Zeugnis der Apostel, das durch die Sendung der Kirche bis zu uns gelangt ist. Unser Glauben ist fest verbunden mit ihrem Zeugnis, wie mit einer ununterbrochenen Kette, ausgespannt im Laufe der Jahrhunderte nicht nur durch die Nachfolger der Apostel, sondern durch Generationen um Generationen von Christen. In der Nachfolge der Apostel ist nämlich jeder Jünger Christi berufen, Zeuge seiner Auferstehung zu werden, vor allem in jenen Lebensumfeldern, in denen die Gottvergessenheit und die Orientierungslosigkeit des Menschen am größten sind.
Damit das wahr wird, muss man im auferstandenen Christus und in seiner Liebe bleiben, wie es uns der erste Johannesbrief gesagt hat: »Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm« (1 Joh 4,16). Jesus hat dies immer wieder zu seinen Jüngern gesagt: »Bleibt in mir… Bleibt in meiner Liebe« (Joh 15,4.9). Das ist das Geheimnis der Heiligen: in Christus bleiben, mit ihm vereint sein wie die Reben mit dem Weinstock, um reiche Frucht zu bringen (vgl. Joh 15,1-8). Und diese Frucht ist nichts anderes als die Liebe. Diese Liebe erstrahlt im Zeugnis von Schwester Jeanne-Émilie de Villeneuve, die ihr Leben Gott und den Armen, den Kranken, den Gefangenen, den Ausgebeuteten gewidmet hat und für sie und für alle ein konkretes Zeichen der barmherzigen Liebe des Herrn geworden ist.
Die Beziehung zum auferstandenen Christus ist sozusagen die »Atmosphäre«, in der der Christ lebt und in der er die Kraft findet, dem Evangelium auch inmitten von Widerständen und Unverständnis treu zu bleiben. »In der Liebe bleiben «: Das hat auch Schwester Maria Cristina Brando getan. Sie war ganz ergriffen von brennender Liebe zum Herrn und aus dem Gebet, aus der Begegnung von Herz zu Herz mit dem in der Eucharistie gegenwärtigen Auferstandenen empfing sie die Kraft, das Leiden zu tragen und sich als gebrochenes Brot an viele Menschen hinzugeben, die weit von Gott entfernt waren und nach echter Liebe hungerten.
Ein wesentlicher Aspekt des Zeugnisses für den auferstandenen Herrn ist die Einheit unter uns, seinen Jüngern, als Abbild der Einheit, die zwischen ihm und dem Vater besteht. Heute erklang im Evangelium auch das Gebet Jesu am Vorabend seines Leidens: »…damit sie eins sind wie wir« (Joh 17,11). Aus dieser ewigen Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn, die durch den Heiligen Geist in uns ausgegossen wird (vgl. Röm 5,5), gewinnen unsere Sendung und unsere brüderliche Gemeinschaft ihre Kraft; aus ihr entspringt immer neu die Freude, dem Herrn auf dem Weg seiner Armut, seiner Jungfräulichkeit und seines Gehorsams nachzufolgen; und dieselbe Liebe ist es, die dazu aufruft, das kontemplative Gebet zu pflegen. Das hat in herausragender Weise Schwester Maria Baouardy erfahren, die einfach und ungebildet war und doch Ratschläge und theologische Erklärungen von äußerster Klarheit zu geben wusste, Frucht des beständigen Dialogs mit dem Heiligen Geist. Die Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist machte sie auch zu einem Werkzeug der Begegnung und der Gemeinschaft mit der muslimischen Welt. Ebenso hat Schwester Maria Alfonsina Danil Ghattas gut verstanden, was es bedeutet, die Liebe Gottes im Apostolat auszustrahlen, indem sie Zeugin der Sanftmut und der Einheit wurde. Sie ist ein klares Beispiel dafür, wie wichtig es ist, füreinander Verantwortung zu tragen, im gegenseitigen Dienst zu leben.
In Gott und seiner Liebe bleiben, um mit Wort und Tat die Auferstehung Jesu zu verkünden und dabei die Einheit unter uns und die Liebe zu allen zu bezeugen: Das haben die vier heute Heiliggesprochenen getan. Ihr leuchtendes Vorbild soll auch unser christliches Leben hinterfragen: Wie bin ich Zeuge des auferstandenen Christus? Das ist eine Frage, die wir uns stellen müssen. Wie bleibe ich in ihm, wie bleibe ich in seiner Liebe? Verstehe ich es, in der Familie, in der Arbeit, in meiner Gemeinschaft den Samen jener Einheit zu säen, die er uns geschenkt hat, indem er uns vom Leben der Dreifaltigkeit her an ihr teilhaben lässt?
Wenn wir heute nach Hause zurückkehren, wollen wir die Freude über diese Begegnung mit dem auferstandenen Herrn mitnehmen; pflegen wir im Herzen den Eifer, in der Liebe Gottes zu bleiben, indem wir mit ihm und untereinander vereint bleiben und den Spuren dieser vier Frauen folgen, Vorbilder der Heiligkeit, die die Kirche uns einlädt nachzuahmen.
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