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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Nicht dem Scheitern nachgeben

Dienstag, 9. April 2019

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(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 18, 3. Mai 2019)

Kann man das »Scheitern«, die »Trostlosigkeit« oder die »Müdigkeit« der »Heilung«, dem »Trost« und der »Hoffnung« vorziehen? Es mag seltsam erscheinen, aber gerade dies geschehe oft im Leben des Christen, der sich dem Klagen und der »Unzufriedenheit« hingibt. Und es handle sich dabei um eine regelrechte »spirituelle Krankheit«, wie Franziskus bei der Predigt in Santa Marta am Dienstagmorgen, 9. April, betonte.

Ausgehend von der ersten Lesung (Num 21,4-9) – mit der Erzählung von der analogen Erfahrung, die die Israeliten während der harten Zeiten des Exodus und der Wüste erlebt hatten – analysierte der Papst diese spannungsgeladene Haltung des menschlichen Herzens, indem er sie in unsere Tage zurückführte. Der Abschnitt aus der Bibel lasse nämlich »über die Müdigkeit« des Volkes Gottes »nachdenken«, das unterwegs in das Gelobte Land »den Weg nicht ertrug«. In dieser Hinsicht vollzog der Papst Schritt für Schritt vor allem die psychologische und spirituelle Entwicklung der aus Ägypten flüchtenden Israeliten nach. Sie »hatten mit Begeisterung begonnen« und dem Mose geglaubt: »Sie bereiteten das Lamm, das Brot und alles, um zu fliehen: sie hatten Hoffnung.« Dann kam »die Freude über den Auszug aus Ägypten«, dann »am Ufer des Meeres die Angst«. Denn »die Israeliten sahen das Heer kommen und begannen, Mose zu beleidigen: ›Du hast uns hierher gebracht, um uns töten zu lassen!‹ « Doch kurz gesagt habe sich die Angst dank des »Wunders des Meeres« in die »Freude über die Befreiung« verwandelt, »und sie gingen weiter«.

Dann seien die harten Zeiten der Wüste gekommen, und mit ihnen die »Müdigkeit: das Volk ertrug den Weg nicht«. Wenn also zuerst, »in der Zeit der Befreiung, alle glücklich waren«, so »begann in diesem Moment das Murren gegen Mose: ›Na, der brachte uns hierher, um uns in der Wüste sterben zu lassen, aber in Ägypten waren wir glücklicher: Wir haben dieses gute Zwiebelomelett gegessen, und hier nur dieses seltsame Zeug…‹« Diese Entwicklung erklärte der Papst mit folgenden Worten: »Sie hatten die Erinnerung verloren. Die Müdigkeit ist selektiv: Sie lässt uns immer das Hässliche des Augenblicks sehen, den wir erleben, und die guten Dinge vergessen, die wir erhalten haben.« Mit dem Gemunkel komme auch »die Ablösung von Gott«. Die Israeliten vergäßen auch, dass es gerade der Herr gewesen sei, der sie befreit habe: »Sie sind verärgert über Mose, sie beklagen sich beim Herrn und kommen sogar zum Abfall.« Sogar jene »Juwelen, die die israelitischen Frauen – sagen wir es mal so – mit List und böswilliger Absicht den ägyptischen Frauen gestohlen hatten, enden dabei, für ein Götzenbild benutzt zu werden«. So werde »das Geschenk Gottes« in ein »Götzenbild« verwandelt. All dies, unterstrich der Papst, weil »der Geist der Müdigkeit uns die Hoffnung nimmt«.

Franziskus fügte hinzu: »Was mit unseren Vätern in der Wüste geschehen ist, geschieht uns in den Zeiten der Trostlosigkeit, wenn die Ergebnisse der Verheißung nicht sofort sichtbar werden «. Damals »ertrug das Volk den Weg nicht«; und auch heute, »wenn wir in Verzweiflung sind, ertragen wir den Weg nicht und suchen Zuflucht entweder bei den Götzen oder im Gemunkel, oder in vielen Dingen«. Im Übrigen bringe dieser »Geist der Müdigkeit« auch »den Geist der Unzufriedenheit mit sich. Nichts gelingt, alles geht schief…« Auch Jesus, so der Papst, habe auf diesen »Geist der Unzufriedenheit« Bezug genommen (vgl. Lk 7,32) und ihn mit dem verglichen, was spielenden Kindern geschieht: »Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt. Wir haben die Totenklage angestimmt und ihr habt nicht geweint: Ja passt euch denn gar nichts?« In gleicher Weise komme die »Unzufriedenheit des Christen« zum Ausdruck, der sich immer beklage: »Nein, aber das geht nicht, es geht nicht…« Eine innere Haltung, die, so Franziskus, »ein perfekter Acker für die Aussaat des Teufels ist«. In dieser Situation werde der Mensch unfähig, »ein Zeichen der Hoffnung« zu erfassen.

Um diesen Zustand besser verstehen zu lassen, fügte der Papst als Beispiel hinzu, was den Jüngern von Emmaus geschehen sei, die Jerusalem verlassen hätten, nachdem die Frauen gesagt hätten, der Herr sei auferstanden: »Lass uns weggehen, das geht nicht.« Sie kämen also so weit, dass sie der »Verzweiflung« den Vorzug gäben, wie aus ihren Worten hervorgehe: ›Ah, wir hofften, aber…‹ Es gibt kein ›aber‹: Wir gehen«. Genau das, erklärte der Papst, sei die »christliche Verzweiflung«: versucht zu sein, »sich dem Scheitern hinzugeben«, »Angst vor den Tröstungen, Angst vor der Hoffnung, Angst vor den Liebkosungen des Herrn« zu haben. Und so, fügte er hinzu, führten viele Christen »ein Leben wie verhinderte Klageweiber«: Sie »leben, indem sie sich beschweren, sie leben, indem sie kritisieren, sie leben im Gemunkel, sie leben unzufrieden«. Die Erzählung aus der Bibel unterstreiche: »Das Volk verlor auf dem Weg die Geduld.« Und auch »wir Christen ertragen oftmals den Weg nicht. Unsere Präferenz besteht darin, dem Versagen verhaftet zu sein, das heißt der Trostlosigkeit.

Und die Trostlosigkeit stammt von der Schlange: von der alten Schlange, der des irdischen Paradieses«. Die Schlange, erklärte der Papst in Bezug auf die von Mose erhöhte kupferne Schlange, sei ein Symbol: »Dieselbe Schlange, die Eva verführt hatte, und dies ist eine Möglichkeit, die Schlange zu zeigen, die sie in ihrem Innern haben« und die »immer in der Trostlosigkeit beißt«. Auch die Christen »ertragen bisweilen sogar die Auferstehung Jesu nicht. Manchmal können die Christen keine Hoffnung ertragen. Manchmal bevorzugen die Christen das Scheitern. Das geschieht auch uns.« Was Gott dem Mose sage, »eine Schlange zu machen und sie zu erhöhen, ist eine Prophezeiung «, denn auch Jesus – so sei es im Abschnitt des Tagesevangeliums zu lesen (Joh 8,21-30) – »wird wie die Schlange erhöht werden. Er hat alles Böse auf sich genommen.«

Es sei daher notwendig, so der Rat des Papstes, sich gut des Satzes aus dem Abschnitt aus der Bibel zu entsinnen – »das Volk aber verlor auf dem Weg die Geduld« –, um uns klar zu werden, dass auch »die Christen den Weg nicht ertragen. Die Christen ertragen die Hoffnung nicht. Die Christen ertragen die Heilung nicht. Die Christen ertragen die Tröstung nicht« und »hängen mehr an der Unzufriedenheit, der Müdigkeit und dem Scheitern«. Daher die abschließende Bitte des Papstes: »Der Herr befreie uns von dieser Krankheit.«

 



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