PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Dreidimensionale Zeit
Montag, 3. Dezember 2018
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 51/52, 21. Dezember 2018)
Ein dreidimensionaler Advent, der »Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft« umfasst, um nicht zu vergessen, dass wir an Weihnachten nicht etwa einen geschmückten Baum feiern, sondern die Geburt Jesu: ein Ereignis, das jeden Menschen und sein konkretes Leben betrifft, sowohl »heute« als auch im Moment der Begegnung mit dem Herrn »von Angesicht zu Angesicht«. In der heiligen Messe am 3. Dezember rief Papst Franziskus die Gläubigen eindringlich auf, nicht der Weltlichkeit und einem »Glauben als Gewohnheit« nachzugeben.
»Die Adventszeit, die gestern begonnen hat, ist sozusagen eine dreidimensionale Zeit, eine Zeit, um den Geist »zurechtzurücken«, den Geist zu läutern und den Glauben durch diese Läuterung wachsen zu lassen«, sagte der Papst in seiner Predigt. Unter Bezugnahme auf den Abschnitt aus dem Matthäusevangelium (8, 5-11) fuhr er fort: »Wir sind so an den Glauben gewöhnt, dass wir die Lebendigkeit des Glaubens vergessen, und oft könnte der Herr mit Blick auf einige unserer Gemeinschaften das sagen, was wir gehört haben: Nun, ich sage euch, viele werden von anderen Orten kommen, denn ich sage euch, in dieser Pfarrei, in diesem Viertel, in dieser Diözese, ich weiß nicht, habe ich niemanden mit einem so großen Glauben gefunden.
« Dies sind Worte, die »der Herr oft sagen kann, nicht weil wir böse wären, sondern weil wir daran gewöhnt sind, und wenn wir daran gewöhnt sind, verlieren wir diese Kraft des Glaubens, jene Neuheit des Glaubens, der sich immer erneuert«.
»Der Advent dient gerade dazu, den Glauben zu erneuern, den Glauben zu läutern, damit er freier, authentischer wird«, betonte der Papst und fügte hinzu: »Ich sagte, dass er dreidimensional ist, weil der Advent eine Zeit der Erinnerung ist, er ist die Läuterung der Erinnerung.« Es gehe darum, »die Erinnerung an die Vergangenheit zu läutern, die Erinnerung an das, was an jenem Weihnachtstag geschehen ist: Was bedeutet es, dem gerade geborenen Jesus zu begegnen?« Eine Frage, die man sich selbst stellen solle, »weil das Leben uns daran gewöhnt«, Weihnachten als »ein Fest« zu betrachten: »Wir kommen in der Familie zusammen. Das ist sehr schön. Wir gehen zur Messe – schön, schön –, aber erinnerst du dich auch an das, was an diesem Tag geschehen ist? Ist deine Erinnerung klar und deutlich?«
»Der Advent läutert die Erinnerung an die Vergangenheit, an das, was an diesem Tag geschehen ist: Der Herr wurde geboren, der Erlöser wurde geboren, um uns zu retten«, so der Papst. »Ja, das Fest.« Doch »wir laufen immer Gefahr, wir werden immer die Versuchung in uns haben, Weihnachten zu verweltlichen«. Und dazu komme es, »wenn das Fest« keine »Betrachtung« mehr sei, »eine schöne Familienfeier mit Jesus in der Mitte. Dann beginnt es, ein weltliches Fest zu werden: Einkaufen, Geschenke, dies und das. Und der Herr bleibt dort allein, vergessen.« All dies geschehe »auch in unserem Leben: Ja, er wurde in Bethlehem geboren«, doch wir liefen Gefahr, die Erinnerung daran zu verlieren. Und der Advent sei die günstige Zeit, »um die Erinnerung an jene vergangene Zeit, an jene Dimension, zu läutern«.
Der Papst fuhr fort: Der Advent »hat auch eine weitere Dimension: er soll die Erwartung läutern, die Hoffnung läutern, denn jener Herr, der dort gekommen ist, wird wiederkommen, er wird wiederkommen«. »Er wird zurückkommen und uns fragen: ›Wie war dein Leben?‹ Es wird eine persönliche Begegnung sein: Wir werden heute eine persönliche Begegnung mit dem Herrn haben, wir werden sie in der Eucharistie haben, und wir können keine so persönliche Begegnung mit Weihnachten wie vor 2000 Jahren haben«, aber »wir haben die Erinnerung an dieses Ereignis«. Franziskus unterstrich: »Wenn er zurückkommt, werden wir diese persönliche Begegnung erleben.« Das »heißt es, die Hoffnung zu läutern: Wohin gehen wir, wohin führt uns der Weg? Nun, ich weiß nicht, hast du gehört, er ist tot, der Ärmste! Beten wir für ihn. Er ist gestorben.
Ja, aber morgen werde auch ich sterben, ich werde dem Herrn begegnen, diese persönliche Begegnung, und der Herr wird dann wiederkommen, um die Welt ›zurechtzurücken‹.« Der Papst forderte deshalb auf, »die Erinnerung an das, was in Betlehem geschehen ist, zu läutern, die Hoffnung zu läutern, das Ziel zu läutern«. Denn »wir sind keine Tiere, die sterben, ein jeder von uns wird dem Herrn von Angesicht zu Angesicht begegnen: von Angesicht zu Angesicht«. Und es sei angebracht, sich zu fragen: »Denkst du daran? Was wirst du sagen?« Franziskus erklärte: »Der Advent dient dazu, an jenen Moment zu denken, an die endgültige Begegnung mit dem Herrn.« Und das sei »die zweite Dimension«.
Dagegen, so der Papst weiter, »ist die dritte Dimension alltäglicher: die Wachsamkeit läutern«. »Wachsamkeit und Gebet sind zwei Worte für den Advent, weil der Herr in Betlehem in die Geschichte gekommen ist und am Ende der Welt und auch am Ende des Lebens eines jeden von uns kommen wird.« Aber, erklärte der Papst, der Herr »kommt jeden Tag, jeden Moment in unser Herz mit der Inspiration des Heiligen Geistes«. Und so sei es gut, sich zu fragen: »Höre ich, weiß ich, was jeden Tag in meinem Herzen geschieht? Oder bin ich jemand«, der nach »den Neuheiten sucht«, mit der »Erwartungshaltung« der »Athener, die auf den Platz gingen, als Paulus ankam: Was gibt es heute Neues?« Das bedeutet »immer von Neuheiten leben, nicht von dem Neuen«.
»Diese Erwartung zu läutern bedeutet, die Neuheiten in Überraschung zu verwandeln«, unterstrich der Papst und erklärte: »Unser Gott ist der Gott der Überraschungen: er überrascht uns immer.« Über diese Themen müsse mit klaren Worten nachgedacht werden: »›Ist dein Tag für heute beendet?‹ – ›Ja, ich bin müde, ich habe viel gearbeitet und ich hatte dieses Problem, und jetzt schaue ich fern und gehe ins Bett.‹ – ›Aber du weißt nicht, was heute in deinem Herzen geschehen ist?‹« Der Wunsch laute, »dass der Herr uns in dieser dritten Dimension jeden Tages läutern möge: Was geschieht in meinem Herzen? Ist der Herr gekommen? Hat er mich inspiriert? Hat er mich wegen etwas getadelt?«
Im Grunde, so erklärte der Papst, gehe es darum, »uns unseres inneren Hauses anzunehmen; und der Advent ist auch ein bisschen dafür da«. Daher sei es wichtig, alle drei Dimensionen des Advents in Fülle zu leben, die der Papst erneut aufzeigte: Vor allem »die Erinnerung läutern, um sich gut daran zu erinnern, dass dort nicht etwa der Weihnachtsbaum geboren wurde. Nein! Jesus Christus wurde geboren! Der Baum ist ein schönes Zeichen, aber geboren wurde Jesus Christus, es ist ein Geheimnis.« Dann »die Zukunft läutern: eines Tages werde ich Jesus Christus von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, und was werde ich ihm sagen? Werde ich ihm gegenüber schlecht über die anderen reden? « Schließlich die »dritte Dimension: das Heute«. Und das bedeute: »Was geschieht heute in meinem Herzen, wenn der Herr kommt und an die Tür klopft? Es ist die tagtägliche Begegnung mit dem Herrn.«
Abschließend schlug Franziskus vor, zu beten, »dass der Herr uns diese Gnade der Läuterung der Vergangenheit, der Zukunft und der Gegenwart schenke, um immer die Erinnerung, die Hoffnung und die tägliche Begegnung mit Jesus Christus zu finden«.
Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana