PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Wenn sich der Teufel »höflich« verhält
Freitag, 12. Oktober 2018
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 9. November 2018)
Vor der Strategie des Teufels, der »sich höflich gibt« und sogar an der Haustür klingelt, wobei er sich als Freund präsentiert, warnte Papst Franziskus bei der Messe in Santa Marta am 12. Oktober. Das Gebet, die Gewissenserforschung sowie »Wachsamkeit und Ruhe« seien, wie Jesaja lehre, die richtigen Antworten, um die Hinterlist des Teufels zu entlarven und nicht »auf dem Weg der Mittelmäßigkeit und der Weltlichkeit« zu enden.
»Wenn der Satan vom Herzen einer Person Besitz ergreift, dann bleibt er dort, als sei er bei sich zuhause, und will nicht mehr herausgehen«, erklärte der Papst. »Aus diesem Grund ist es so: Wenn Jesus die Dämonen austreibt, dann versuchen diese, den Menschen zu ruinieren, Böses zu tun, auch in einem physischen Sinn«, sagte er und riet, »an jenes Kind« zu denken, »das der Vater zu Jesus bringt, damit es geheilt werde, das heißt: damit der Dämon ausgetrieben werde. Und als der Dämon ausfährt, lässt er es wie tot auf dem Boden liegen. Er will nicht aus uns ausfahren, wenn er in uns ist. Er will nicht ausfahren.«
»Oft hat Jesus in den Evangelien Dämonen ausgetrieben, seine und unsere wahren Feinde«, so Franziskus. »Der Kampf zwischen Gut und Böse erscheint bisweilen zu abstrakt: der wahre Kampf ist der erste Kampf zwischen Gott und der alten Schlange, zwischen Jesus und dem Teufel«. Und »dieser Kampf findet in uns statt. Jeder von uns kämpft, vielleicht ohne unser Wissen, aber wir sind im Kampf.«
Bezug nehmend auf den Abschnitt aus dem Evangelium nach Lukas (11, 15-26) in der heutigen Liturgie, wies der Papst darauf hin, dass »Jesus diesen Dämon austreibt«, aber »immer gibt es Leute, die schlecht reden und zu sagen beginnen: ›Aber das ist ein Heiler, auch er hat einen geheimen Pakt mit dem Teufel. Das ist eine Farce: er treibt sie mit der Erlaubnis ihres Anführers, Beelzebùl, aus.‹«
Gerade so, rief der Papst in Erinnerung, »beginnt dieser Abschnitt aus dem Evangelium mit einer Diskussion zwischen Jesus und diesen Leuten«. Aber »lassen wir diese Diskussion beiseite«, fuhr der Papst fort, »und gehen wir zum Ende der Passage aus dem Evangelium. Was geschieht? Am Ende wird der Teufel verjagt und geht weg. Und dieser Mann, diese Frau, dieser Junge, dieses Mädchen, wird frei, befreit, glücklich, geheilt, gerade in der tiefsten Wunde der Seele geheilt.«
An diesem Punkt jedoch, »was macht da der Teufel? Manche richten ein Massaker an; denken wir an diejenigen, die ›Legion‹ genannt wurden, weil sie viele waren, und als Jesus sie wegtreibt, bitten sie ihn, in die Schweine fahren zu dürfen, und dort richten sie unter den Schweinen ein Massaker an, weil die Aufgabe des Teufels darin besteht, zu zerstören. Das ist seine Berufung: das Werk Gottes zu zerstören.« In Wirklichkeit, so Franziskus erneut, »kann niemand sagen: ›Nein, ich kenne einen Teufel, der sich nicht so benimmt‹ «, denn »das Wesen des Teufels ist es, zu zerstören«. Und dennoch »sind wir wie Kinder, oft lutschen wir am Daumen und glauben: ›Nein, aber es ist nicht so, das sind Erfindungen der Priester, nein, es ist nicht wahr.‹«
»Im Evangelium will der Teufel zerstören«, erklärte der Papst, »und wenn er nicht von Angesicht zu Angesicht zerstören kann, weil er vor einer Kraft Gottes steht, die den Menschen verteidigt, dann ist der Teufel schlauer als ein Fuchs. Er ist hinterlistig und sucht einen Weg, um wieder in den Besitz dieses Hauses, dieser Seele, dieser Person zu kommen.« Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium unterbreite die Worte Jesu: »Wenn der unreine Geist aus dem Menschen ausfährt, durchwandert er wasserlose Gegenden, um eine Ruhestätte zu suchen – das heißt: er weiß nicht, was er tun soll, er hat nichts zum Zerstören –, findet aber keine. Dann sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe – aus dem er von Jesus vertrieben wurde.«
Der Teufel, darauf machte der Papst aufmerksam, »präsentiert sich höflich auch beim Reden«, was so weit gehe, dass er sage: »Ich habe es verlassen. « Nein, in Wirklichkeit »wurdest du verjagt «. Der Abschnitt aus dem Evangelium gehe weiter und mache darauf aufmerksam: »Und er kommt und findet es sauber und geschmückt – oh ja, es gefällt ihm! –, dann geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind als er selbst.« Denn, so betonte Franziskus, »zuerst war er sozusagen ein Besessener, weil der Teufel in ihm war und nicht von ihm abließ; jetzt fährt er fort, ein Besessener zu sein, doch ohne davon zu wissen«.
»Wenn der Teufel sich nicht mit Gewalt durchsetzen kann, wenn er jemanden nicht durch eindeutige Laster zerstören kann, wenn er ein Volk nicht durch Kriege, Verfolgungen vernichten kann, dann denkt er an eine andere Strategie, die er bei uns allen benutzt, und, liebe Brüder und Schwestern, das ist die Strategie, die er gegnüber uns allen anwendet.« Und in der Tat: »Wir sind Christen, Katholiken, wir gehen zur Messe, wir beten: alles scheint in Ordnung zu sein. Ja, wir haben unsere Fehler, unsere kleinen Sünden, aber alles scheint in Ordnung zu sein.« So »gibt sich der Teufel ›höflich‹: Er geht, er sieht sich um, er sucht eine nette Bande, er klopft an die Tür: ›Gestatten? Kann ich reinkommen?‹ Er klingelt an der Tür, und diese höflichen Dämonen sind schlimmer als die ersten, weil du nicht merkst, dass du sie im Haus hast.« Und »das ist der weltliche Geist, der Geist der Welt«.
»Der Teufel zerstört entweder direkt mit Lastern, mit Kriegen, mit Ungerechtigkeiten«, erklärte der Papst, »oder er zerstört höflich, diplomatisch auf diese Weise, von der Jesus spricht«. Also: »Sie machen keinen Lärm, sie werden zu Freunden, sie überzeugen dich. ›Nein, es geht, es macht nicht so viel, nein, aber bis hier ist es in Ordnung.‹ Und sie bringen dich auf den Weg der Mittelmäßigkeit, sie machen dich zu einem ›Lauen‹ auf dem Weg der Weltlichkeit.«
Es sei nicht leicht, dies zu erkennen: »›Pater, ich habe keinen Feind zu Hause.‹ – ›Aber schau, wenn du zu Bett gehst, da ist der Skorpion zwischen den Laken.‹ – ›Aber es ist ein Skorpionfreund, er tut nichts Böses.‹« Und so »verfallen wir dieser geistlichen Mittelmäßigkeit, diesem Geist der Welt: ›Aber diese Dinge sind nicht so schlecht.‹« Und »der Geist der Welt ruiniert uns, er verdirbt uns von Innen«. »Ich sage euch: Ich habe mehr Angst vor diesen Dämonen als vor den ersten«, so Franziskus.
Und »wenn sie mir sagen: ›Wir brauchen einen Exorzisten, weil ein Mensch vom Teufel besessen ist‹, mache ich mir weniger Sorgen, als wenn ich diese Menschen erblicke, die den höflichen Dämonen die Tür öffnen, denen, die von Innen heraus überzeugen, keine großen Feinde zu sein: ›Wir sind Freunde.‹« Denn, wie das heutige Evangelium sage, »der letzte Zustand jenes Mannes wird schlimmer sein als der erste«. So betonte der Papst erneut: »Ich frage mich oft: Was ist schlimmer im Leben eines Menschen? Eine klare Sünde oder leben im Geist der Welt, der Weltlichkeit? Dass der Teufel dich auf eine Sünde stößt – nicht nur eine, auch zwanzig, dreißig Sünden, die aber klar sind, so dass du dich schämst –, oder dass der Teufel bei dir zu Tisch sitzt ist und bei dir lebt, dass er bei dir wohnt und alles normal ist, dir dort aber etwas einflüstert und dich in Besitz nimmt mit dem Geist der Weltlichkeit?«
»Mir kommt das Gebet Jesu beim Letzten Abendmahl in den Sinn«, fügte der Papst hinzu: »Vater, ich bitte dich für sie, verteidige sie vor dem Geist der Welt.« Und »der Geist der Weltlichkeit ist das, was die höflichen Dämonen bringen«. »Wir wollen ohne Angst beten«, so die Einladung des Papstes, der die Mahnung Jesajas an Ahas in Erinnerung rufen wollte. »Als das Volk Israel einmal sah, wie eine große Armee gegen es kam und alles zerstören konnte, erschrak es und der Prophet sagte im Namen Gottes: ›Wachsamkeit und Ruhe.‹« Und »vor diesen höflichen Dämonen, die als Hochzeitsgäste hereinkommen wollen, sagen wir: ›Wachsamkeit und Ruhe‹«.
Also: »Wachsamkeit ist die Botschaft Jesu, die christliche Wachsamkeit.« Abschließend riet der Papst dazu, sich für eine Gewissenserforschung einige Fragen zu diesem Punkt zu stellen: »Was geschieht in meinem Herzen? Warum bin ich so mittelmäßig? Warum bin ich so lau? Wie viele ›Höfliche‹ wohnen bei mir, ohne Miete zu zahlen?«
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