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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Kontemplation und Dienst

Dienstag, 9. Oktober 2018
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 44, 2. November 2018)

 

»Kontemplation und Dienst«: Das ist »der Weg«, den es im Leben zu wählen gilt, um nicht der Versuchung jener zu verfallen, die die »Religion des ›ständigen Beschäftigtseins‹ praktizieren«, die »auch Gutes tut, aber nichts christlich Gutes: menschlich Gutes«. Das ist die Lehre, die Papst Franziskus aus dem Evangeliumsabschnitt über Marta und Maria zog, den die Liturgie am Dienstag, 9. Oktober, unterbreitete.

Mit Bezug auf das Lukasevangelium (10,38-42) stellte der Papst zu Beginn der Predigt fest, dass »Jesus die Art und Weise des Handelns dieser beiden Schwestern nutzt, um uns zu lehren, wie der Christ in seinem Leben vorangehen muss«. Denn in dem Haus, in dem Jesus zu Gast gewesen sei, »war da Maria, die dem Herrn zuhörte«, während ihre Schwester Marta »ganz davon in Anspruch genommen war zu dienen, sie ging von einer Seite zur anderen, ›in Anspruch genommen‹, wie das Evangelium sagt«. Sie selbst, bemerkte Franziskus, »beklagte sich bei Jesus und sagte zu ihm: ›Aber nein, Herr, die da tut nichts, die da schaut auf dich, sie hört dir zu, aber da ist die Arbeit…« Und sie habe dies »mutig« getan. Marta sei im Übrigen »eine jener starken Frauen« gewesen. Und so sei es kein Zufall, dass »sie vor ihn hintrat und zu ihm sprach«, wie Lukas berichte.

Sie sei »eine jener Frauen, die es verstehen, sich Gehör zu verschaffen«, unterstrich der Papst, der auch einen weiteren Abschnitt aus dem Evangelium zitierte und in Erinnerung rief, dass »sie selbst nach dem Tod des Lazarus zu Jesus ging, als sie hörte, dass er ankam, und ihn tadelte: ›Wenn du hier gewesen wärest, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Doch ich weiß, dass der Vater alles tun wird, worum du ihn bittest.‹« Auch bei jener Gelegenheit »trat sie an Jesus heran« und habe gezeigt, eine jener »Frauen zu sein, die den Mut haben, immer voran zu gehen«. Und dennoch »war sie zu beschäftigt: Die Arbeit nahm sie ganz in Anspruch. Sie war immer und jederzeit beschäftigt.« Und »sie hatte keine Zeit, um auf Jesus zu blicken, um Jesus zu betrachten«.

Indem der Herr die Unterschiede zwischen Marta und Maria hervorhebe, wolle »er uns lehren, wie das Leben der Christen sein soll«. Denn, so der Papst, »es gibt viele Christen, die zwar am Sonntag zur Messe gehen, dann aber immer sehr beschäftigt sind«, was so weit gehe, dass »sie keine Zeit für ihre Kinder haben, auch nicht, um mit ihnen zu spielen. Das ist schlimm: ›Ich habe so viel zu tun, ich bin beschäftigt.‹« Diese Personen würden letztendlich die »Religion des ›ständigen Beschäftigtseins‹ praktizieren. Sie gehören zur Gruppe der ewig Beschäftigten, die immer etwas zu tun haben.« Zu diesen könnte man sagen: »Nun, jetzt halt doch einmal inne! Schau auf den Herrn, nimm das Evangelium, höre das Wort des Herrn, öffne dein Herz!« Doch sie zögen »immer die Sprache der Hände vor, immer«. Und auch wenn sie »Gutes tun«, handle es sich nicht um »christlich Gutes«, sondern um »menschlich Gutes«.

Im Grunde sei es folgendermaßen, bekräftigte der Papst: »Es fehlt diesen Leuten an Kontemplation. « Marta »fehlte dies«. Sie sei »mutig« gewesen, »sie ging immer voran, sie nahm die Sachen in die Hand«, doch »es fehlte ihr der Friede: Zeit verlieren und auf den Herrn blicken«. Maria gebe sich ihrerseits keineswegs dem »süßen Nichtstun« hin. Sie »blickte auf den Herrn, weil der Herr an ihr Herz rührte, und von dort, aus der Inspiration durch den Herrn, kommt die Arbeit, die man nachher verrichten muss«. Zur Bestätigung verwies der Papst auf das Beispiel der Mönche und Klausurschwestern, die »nicht den ganzen Tag nur zum Himmel schauen. Sie beten und arbeiten«, nach »dem Motto des heiligen Benedikt Ora et labora, bete und arbeite, beides zusammen, Kontemplation und Aktion«. Daher die Frage von Franziskus »an einen jeden von uns: ›Ich aber, zu welcher Seite gehöre ich? Bin ich zu kontemplativ… oder zu beschäftigt?‹«

Um seine Betrachtungen zu vervollständigen, verwies der Papst auch auf das »Beispiel des Christen Paulus«, wie es in der ersten Lesung aus dem Brief an die Galater (1,13-24) beschrieben werde. Dort »erzählt der Apostel sein Leben: wie er die Kirche grausam verfolgte, verwüstete«. Doch »als Gott ihn berührte, als Gott ihn erwählte, empfing er die Gabe der Kontemplation Jesu«.

Auf den ersten Blick sei seine Haltung »merkwürdig «: Er habe nämlich »seine Tätigkeit als Prediger « nicht sofort begonnen, denn im Brief berichte er: »Ich ging auch nicht sogleich nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und kehrte dann wieder nach Damaskus zurück.« Also »zog er sich zum Gebet zurück, um das Geheimnis Jesu Christi zu betrachten, das ihm offenbart worden war«. Denn »alles, was Paulus tat, tat er in diesem Geist der Kontemplation, mit dem Blick auf den Herrn. Es war der Herr, der zu seinem Herzen sprach, denn Paulus war in den Herrn verliebt.«

Das sei laut Franziskus »das Schlüsselwort, um keine Fehler zu machen: verliebt sein«. Daher müssten wir, »um zu wissen, auf welcher Seite wir stehen, wenn wir übertreiben, weil wir uns auf eine zu abstrakte, auch gnostische Kontemplation einlassen, oder wenn wir zu beschäftigt sind, uns die Frage stellen: ›Bin ich in den Herrn verliebt, bin ich sicher, dass er mich erwählt hat? Oder lebe ich mein Christentum auf diese Weise, indem ich Dinge tue… ja, ich tue dies, ich tue das…« Aber, so die Mahnung, »schau auf das Herz, betrachte!«

Um seine Überlegungen mit einem Beispiel zu erläutern, lud der Papst dazu ein, »an eine verheiratete Frau« zu denken. »Ihr Mann kehrt von der Arbeit heim, müde… Sie haben sich gern.« Und »sie sagt: ›Wie ist es gegangen?‹ – ›Gut, gut.‹ – ›So, jetzt setz dich, mach es dir bequem: ich habe noch zu tun.‹« Das aber, erklärte Franziskus, »ist keine Liebe«, denn »eine verliebte Frau umarmt ihren Mann, wenn er von der Arbeit kommt, sie küsst ihn, sie nimmt sich Zeit, um bei ihm zu sein; und so auch der Ehemann mit seiner Frau«. Das bedeute, dass man sich »vor dem Herrn Zeit nehmen muss, in der Kontemplation, und im Dienst an den anderen alles für den Herrn tun muss. Kontemplation und Dienen: Das ist der Weg unseres Lebens.«

Abschließend regte der Papst eine Gewissenserforschung an. »Ein jeder von uns soll nachdenken «, sagte er: »Wie viel Zeit widme ich am Tag der Betrachtung des Geheimnisses Jesu? Und dann: Wie arbeite ich? Arbeite ich so viel, dass es den Anschein einer Entfremdung hat, oder arbeite ich in Übereinstimmung mit meinem Glauben, arbeite ich im Sinne eines Dienstes, der dem Evangelium entspringt? Es wird uns gut tun, darüber nachzudenken.«

 



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