PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Beim Evangelisieren darf man nicht im Sessel bleiben
Donnerstag, 19. April 2018
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 19, 11. Mai 2018)
»Man evangelisiert nicht vom Sessel aus« und stützt sich dabei auf »Theorien«, sondern man lässt den Heiligen Geist wirken. Der rechte Stil besteht darin, auf die Menschen zuzugehen und ihnen nahe zu sein, wobei man immer von den »konkreten Situationen« ausgeht: fast wie ein Ringen »von Mann zu Mann«, wobei man das Leben und das Wort einsetzt. Eine einfache und konkrete »Abhandlung« über die Evangelisierung legte Papst Franziskus bei der Messe in Santa Marta am Donnerstag, 19. April, vor.
»Nach dem Martyrium des Stephanus«, so Franziskus, der auf die Berichte aus der Apostelgeschichte Bezug nahm, die in diesen Tagen im Wortgottesdienst gelesen werden, »brach eine schwere Verfolgung über die Kirche in Jerusalem herein. Die Christen wurden verfolgt. Auch Paulus beteiligte sich und holte die Christen aus den Häusern, von hier bis dort.« So »wurden die Jünger ein wenig überallhin verstreut, in alle Gegenden von Judäa und Samarien«.
Gerade »jener Wind der Verfolgung« habe es ermöglicht, »dass die Jünger weiter gingen«, erklärte der Papst, um dann ein wirksames Bild vorzubringen: »Wie dies der Wind mit den Samen der Pflanzen tut, denn er bringt sie weiter und sät. So ist es hier geschehen. Sie sind weiter gegangen, zusammen mit dem Samen des Wortes, und sie haben das Wort Gottes gesät.« Auf diese Weise, »so könnten wir ein wenig scherzend sagen, ist die Propaganda fide entstanden«. »Durch eine Verfolgung, durch einen Wind« sei es geschehen, dass »die Jünger die Evangelisierung brachten«. Dies bestätige im übrigen der »Abschnitt aus der Apostelgeschichte, den wir heute gelesen haben« (8,26-40). Ein Abschnitt, der »von einer großen Schönheit ist«, stellte der Papst fest, der ihn als »eine wahre Abhandlung über die Evangelisierung« bezeichnete: »So evangelisiert der Herr, so verkündet der Herr, so will der Herr, dass wir evangelisieren.«
Franziskus verwies auf »drei Schlüsselworte«, um den Sinn und die Art und Weise der Evangelisierung verständlich zu machen. Vor allem »ist es der Geist, der drängt« und »zu Philippus sagt: ›Steh auf!‹, das erste Wort. ›Trete näher!‹, das zweite Wort. Und das dritte Wort lautet: ›Geh von der Situation aus!‹« »Mit diesen drei Worten erhält die Evangelisierung eine Struktur«, erklärte der Papst. Es sei nämlich der Heilige Geist, »der die Evangelisierung beginnt und trägt«. Denn »die Evangelisierung ist kein gut durchgeführter Plan eines Proselytismus: ›Wir wollen dort hingehen und viele Proselyten machen, wir wollen da hingehen, und wieder viele…‹« In Wirklichkeit, präzisierte Franziskus, »ist es der Geist, der dir sagt, wie du hingehen musst, um das Wort Gottes zu bringen, um den Namen Jesu zu bringen«. Deshalb »beginnt er, indem er sagt: ›Steh auf und geh‹« in jene Richtung. In dem Bewusstsein, dass »es keine Evangelisierung ›vom Sessel‹ aus gibt«. Also: »›Steh auf und geh‹, immer im Aufbruch, ›geh‹, in Bewegung, geh an den Ort, wo du das Wort sagen musst«.
Der Papst wollte »die vielen Männer und Frauen« in Erinnerung rufen, »die ihre Heimat und die Familie verlassen haben und in ferne Länder gezogen sind, um das Wort Gottes dorthin zu bringen«. Viele von ihnen seien oft nicht einmal »körperlich vorbereitet« gewesen, »da ihnen die Antikörper fehlten, um den Krankheiten, die es in jenen Ländern gab, zu widerstehen, und sie starben jung, im Alter von vierzig Jahren, oder sie starben als Märtyrer«. Dazu berichtete Franziskus von der Erzählung »eines großen Kardinals« – der »noch lebt, ein wirklich sehr tüchtiger Mann« –, der den Auftrag habe, in die Missionsländer zu gehen. Und »wenn er an jene Orte geht, dann ist das erste, was er tut, den Friedhof aufzusuchen und sich die Namen der Missionare und das Datum ihres Todes anzuschauen: alle jung«. Nach Meinung dieses Kardinals »sollten all diese Männer und Frauen heiliggesprochen werden: sie sind Märtyrer, Märtyrer der Evangelisierung«.
Demnach: »Geh, mach dir keine Sorgen«, wobei daran zu denken sei, dass das »erste Wort einer wahren Evangelisierung ›steh auf und geh‹ lautet.« Deshalb, so die Mahnung, »nehmt kein Vademekum der Evangelisierung mit, denn das nützt nichts«. Dagegen sei es notwendig, das »zweite Wort« zu leben: »Sei nahe!« Der Rat des Papstes lautete: »Nähere dich, um zu sehen, was geschieht.« Genau wie dies »Philippus tut. Er sieht jenen Wagen, der kommt, und der Geist sagt ihm: ›Geh und trete näher‹, um zu sehen, was da drin los ist.« Die Apostelgeschichte berichtet, dass »Philippus hinlief«. Er sei also gelaufen »und hörte, dass jener Herr, der im Wagen saß – ein Wirtschaftsminister – im Buch des Propheten Jesaja las«. Philippus »hörte gut zu und erfasste durch die Gnade des Heiligen Geistes, dass jener Mann nicht gut verstand«. Und »dort spürte Philippus, dass er einen weiteren Schritt gehen musste. Der Geist sagt: ›Geh noch weiter!‹« So »fängt er an, zu reden, und die Frage lautet: ›Verstehst du auch, was du liest?‹« So komme es also, dass der Mann Philippus bat, einzusteigen und neben ihm Platz zu nehmen«, um ihm zu sagen, dass er nicht zu verstehen vermochte, da es ihm keiner erklärt habe. Und »Philippus ergriff das Wort und ging von jenem Abschnitt aus.
›Er geht von der Situation aus.‹« So laute »das dritte Wort«. »›Steh auf‹ und ›nähere dich!‹ ›Geh von der Situation aus!‹, nicht von der Theorie«, sondern von »jener Frage, die der Geist erweckt. Es gibt keine theoretische Evangelisierung.« Denn »die Evangelisierung ist ein wenig wie ein Ringen ›Mann gegen Mann‹, von ›Person zu Person‹: Man geht von der Situation aus, nicht von Theorien.« In diesem Stil »verkündet« Philippus »Jesus Christus, und der Mut des Geistes drängt ihn dazu«, seinen Gesprächspartner »zu taufen«: »Er geht weiter, er geht, er geht, bis er spürt, dass sein Werk vollendet ist.« »So geht Evangelisierung«, unterstrich der Papst erneut und verwies dabei auf diese »drei Worte«, die »der Schlüssel für alle Christen sind«, die wir aufgerufen seien, »mit unserem Leben, mit unserem Beispiel und auch mit unserem Wort zu evangelisieren«.
»›Steh auf‹, ›nähere dich‹ und ›geh von der Situation aus , von der konkreten Situation: eine einfache Methode, doch dies ist die Methode Jesu«, der »auf diese Weise evangelisiert, immer unterwegs, immer auf der Straße, immer nahe bei den Leuten, und immer ging er von den konkreten Situationen aus, von den konkreten Dingen«. Der Papst rief in Erinnerung: »Evangelisieren kann man nur mit diesen drei Haltungen, doch mit der Kraft des Geistes: ohne den Geist nützen selbst diese drei Haltungen nichts; es ist der Geist, der uns dazu drängt, aufzustehen, näher zu treten und von den Situationen auszugehen«.
Abschließend lud Franziskus dazu ein, heute »für uns alle zu beten, die wir als Christen die Pflicht haben, zu evangelisieren, die wir die Sendung haben, zu evangelisieren«. Der Herr »schenke uns die Gnade, Hörer des Heiligen Geistes zu sein und diese drei Haltungen zu haben: im Aufbruch sein; gehen; den Leuten nahe sein; und nicht von Theorien ausgehen, sondern von den konkreten Situationen«.
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