PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Die Wüste überwinden
Dienstag, 20. März 2018
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 16, 20. März 2018)
»Das Wort Gottes lehre uns heute diesen Weg: auf den Gekreuzigten zu blicken. Vor allem in dem Augenblick, da wir wie das Volk Gottes der Reise des Lebens müde werden«: diesen Wunsch bracht Papst Franziskus zum Ausdruck, als er während der Messe in Santa Marta am Dienstag, dem 20. März, die erste Lesung aus dem Buch Numeri (21,4-9) kommentierte.
Der Abschnitt erzähle von einem »Moment der Trostlosigkeit, auch der Depression des Volkes Gottes«: eines Volkes, das »in der Wüste ging und ging« und »der Prüfung durch den Hunger« unterzogen worden sei. Darauf »antwortete der Herr mit dem Manna«, doch die Glieder des Volkes »wollten Fleisch, und Gottes Antwort waren die Wachteln«. Und dann, fuhr der Papst mit seiner Rekonstruktion des biblischen Szenariums fort, »fehlte das Wasser, und wieder antwortete Gott mit Wasser. Doch sie wurden es müde, zu gehen, zu gehen, und baten den Herrn«. Also: »sie waren nicht schlecht«, so der Papst, »doch da ist die Müdigkeit einer langen Reise, deren Ende nicht abzusehen war«. Und auch als »sie dem Land, das sie einnehmen sollten, wirklich nahe gekommen waren und Mose Späher ausgesandt hatte, die erkunden sollten, wie« das Volk sei, das es bewohnte, »kehrten sie voll Bewunderung zurück« und beschrieben »ein Volk voller Reichtümer, Früchte und Tiere«.
Nun, sie seien »begeistert« gewesen, und als Beweis »hatten sie auch einen großen Zweig mit Trauben zurückgebracht«. Da aber die Einwohner des Gelobten Landes »starke, hochwüchsige Menschen« gewesen seien, hätten einige aus dem Volk des Mose, »die ein wenig skeptisch waren und das ausgleichen wollten«, dazu geraten, vorsichtig zu sein, denn, so sagten sie: »sie sind gut bewaffnet, sie sind stärker als wir«. Sie hätten also »alle Gründe für die Gefahr, dorthin zu gehen«, auseinandergesetzt. Und nachdem sie das getan hätten, stellte der Papst fest, »schauten sie auf ihre eigene Kraft und hatten die Kraft des Herrn vergessen, der sie aus einer 400 Jahre dauernden Knechtschaft befreit hatte«. Praktisch sei es so, dass »sie die Gunst des Herrn vergaßen. Und sie begannen, zu sagen: ›Wir gehen nicht, sie werden uns töten, sie werden uns roh fressen‹; dann die Klage und dieser Satz: ›Das Volk ertrug die Reise nicht‹«.
Bei seiner Analyse verglich Franziskus all dies mit jener Zeit des Lebens, in der »einer sagt: ›Es reicht!‹«: wie jene »Leute, die ein Leben beginnen, um dem Herrn zu folgen, um nahe beim Herrn zu sein«, doch an einem gewissen Punkt habe es den Anschein, dass sie sich von den Prüfungen überwältigen ließen und sagten: »Es reicht! Ich halte ein, ich kehre um«.
Diesbezüglich machte der Papst auf die Rolle aufmerksam, die die Illusionen spielten – »denkt doch, in Ägypten, wie viel Fleisch, wie viele Zwiebeln, wie viel gute Dinge aßen wir doch; schmackhafte Dinge… es fehlte an nichts!« – und mahnte dazu, auf die »Einseitigkeit dieser krankhaften Erinnerung, dieser verzerrten Nostalgie zu achten: ›All das habt ihr gegessen, doch am Tisch der Knechtschaft‹: das hatten sie vergessen«.
Im Übrigen, so betonte Franziskus, »sind das die Illusionen, die der Teufel hervorbringt: er lässt dich die schöne Seite von etwas sehen, das du zurückgelassen hast, von dem du dich in dem Moment der Trostlosigkeit des Wegs abgekehrt hast, wenn du noch nicht bei der Verheißung des Herrn angekommen bist«. Und »es ist dies ein wenig wie der Weg durch die Fastenzeit«, denn »immer gibt es Prüfungen und Tröstungen des Herrn, da ist das Manna, das Wasser, die Vögel, die uns zu essen geben…«; und trotz allem »war jenes Essen« der Vergangenheit »besser«. Aber, so die Mahnung des Papstes, »vergiss nicht, dass du es am Tisch der Knechtschaft aßest!«
Der Papst kehrte also zum Abschnitt aus der Bibel zurück und rief in Erinnerung, dass das Volk gegen Gott und gegen Mose protestiert habe: »Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser und es ekelt uns vor dieser elenden Nahrung!« Es habe fast den Anschein, so kommentierte er lächelnd, als wollten sie »einen Chefkoch, der ihnen etwas Schmackhafteres zubereitet«. Und das »ist keine Illusion: das passiert uns allen, wenn wir dem Herr folgen wollen, aber müde werden«.
Bei alledem, so fragte sich der Papst: »wo ist das Schlimmste? Dass das Volk schlecht über Gott sprach«, so die Antwort. Mose »glaubte, dass sie nur gegen ihn sprachen, doch Gott sagt ihm ganz klar und deutlich: ›Mach keinen Fehler: sie sind nicht gegen dich, sondern gegen mich!‹« Und an dieser Stelle werde »die Gestalt der Schlange« eingeführt, denn »schlecht über Gott sprechen heißt, sich die Seele zu vergiften: ›dieser Gott hat mich allein gelassen‹; vielleicht sagen wir das nicht so, aber wir fühlen es so: ›er hilft mir nicht… viele Prüfungen… dieser trockene Weg, alles klappt nicht‹«. Und so stellten sich »die Enttäuschung über den Gott, der uns so viel verheißen hat« und »über das Fehlen der Beständigkeit auf dem Weg« ein: »›Ich werde hier einhalten‹ – ›Aber was wirst du hier machen?‹ – ›Ich weiß nicht, wenn ich kann, dann kehre ich zurück, andernfalls bleibe ich…‹. Das deprimierte, das vergiftete Herz«. In der Tat »sind die Schlangen« gerade »das Symbol der Vergiftung, des Mangels an Beständigkeit bei der Nachfolge des Herrn auf dem Weg«.
An diesem Punkt also » hält Mose Fürsprache: ›Herr, was machen wir mit diesen Leuten?‹«, frage er ihn angesichts der Tatsache, dass der Patriarch »so mit dem Herrn sprach. In der Bibel heißt es: ›Wie von Freund zu Freund, von Angesicht zu Angesicht‹«. Dies gehe so weit, dass man sagen könne: »Er verhandelte mit dem Herrn. Er war schlau, er war tüchtig. Er war ein Heiliger. Und der Herr spricht zu ihm: ›Mach eine Schlange…‹«.
In Anbetracht der Tatsache, dass »diese Schlange alle heilte, die gebissen worden waren, weil sie von den Schlangen angegriffen worden waren, da sie schlecht über Gott gesprochen hatten «, »war sie«, wie der Papst hervorhob, »prophetisch: sie war die Gestalt Christi am Kreuz«. Jesus selbst sage im Evangelium vom Tag (Joh 8,21-30): »Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin«. Der »wie die Schlange« erhöhte Gekreuzigte. »Hier«, fasste der Papst zusammen, »liegt der Schlüssel unseres Heils, der Schlüssel unserer Geduld auf dem Weg des Lebens, der Schlüssel, um unsere Wüsten zu überwinden: auf den Gekreuzigten blicken. Auf den gekreuzigten Christus blicken«. Franziskus stellte sich dazu einen Dialog zwischen einem Gläubigen und seinem geistlichen Leiter vor: »Was soll ich tun, Pater?« – »Schau auf ihn. Schau auf seine Wunden. Trete in die Wunden ein. Durch diese Wunden wurden wir geheilt. Fühlst du dich vergiftet, fühlst du dich traurig, fühlst, dass dein Leben so nicht geht, dass es voller Schwierigkeiten und auch Krankheiten ist? Schau dort hin. In Stille. Schau. Doch schau in jenen Momenten auf das hässliche, also reale Kreuz: denn die Künstler haben schöne, künstlerische Kreuze gemacht, einige von ihnen sind aus Gold, aus Edelsteinen. Nicht immer ist das Weltlichkeit: das soll die Herrlichkeit des Kreuzes, die Herrlichkeit der Auferstehung bedeuten. Doch wenn du dich so fühlst, dann schau auf dies: was der Herrlichkeit vorhergeht«.
Und in diesem Zusammenhang erzählte Franziskus eine persönliche Erinnerung: »Als ich Kind war – ich weiß jetzt nicht, ob ich das schon erzählt habe –, hielt man einst am Karfreitag in der Pfarrei eine Fackelprozession, und die Großmutter nahm uns alle mit. Und da kam der liegende Christus in Lebensgröße aus Marmor«. Als die Prozession vorbeikam, »standen wir alle Jahre auf dem Bahnsteig, weil in jener Straße die Straßenbahn in zwei Richtungen verlief. Und die Großmutter ließ uns niederknien: ›Schau ihn dir gut an: doch morgen wird er auferstehen‹«. Denn in jener »Zeit vor der Liturgiereform Pius’ XII. wurde die Auferstehung am Samstag Morgen gefeiert, nicht am Sonntag. Und dann, wenn wir am Samstag Morgen die Glocken der Auferstehung hörten, forderte uns die Großmutter auf, uns die Augen mit Wasser auszuwaschen, um die Herrlichkeit Christi zu sehen. Sie ließ uns beides sehen«.
Daher die abschließende Mahnung des Papstes: »Lehrt eure Kinder, sowohl auf das Kreuz als auch auf die Herrlichkeit Christi zu blicken«. Verbunden mit einer Präzisierung: vor allem »in den hässlichen Momenten, in den schwierigen Augenblicken, die ein wenig dadurch vergiftet sind, dass wir in unserem Herzen unsere Enttäuschung über Gott zum Ausdruck gebracht haben«, müsse man vor allem »auf die Wunden blicken. Christus, erhöht wie die Schlange: denn er ist zur Schlange geworden, er hat sich ganz entäußert, um ›die‹ böse Schlange zu besiegen«.
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