PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Keine "geparkten" Christen
Montag, 12. März 2018
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 12, 23. März 2018)
Ein Risiko eingehen können, sich nicht mit der »Vorspeise« begnügen, sondern die Lauheit überwinden, um »die Zeichen zu erfassen und sie zu übersteigen« auf dem eigenen Weg des Glaubens, um nicht »stillzustehen«, »auf dem Parkplatz« in der »Mittelmäßigkeit«: Das ist das Profil des Christen, das Papst Franziskus bei der Messe in Santa Marta am Montag, dem 12. März, nachzeichnete.
»Die Galiläer nahmen Jesus auf, weil sie von den vielen Wundern gehört hatten, die er andernorts vollbracht hatte, und sie dachten: ›Hier wird er ebenso viele wirken, er wird uns Gutes tun: er soll nur kommen, er wird allen Gutes tun‹«, erklärte Franziskus und bezog sich dabei auf den Abschnitt aus dem Johannesevangelium (4,43-54) der heutigen Liturgie. Als also jener Beamte des Königs in Galiläa »näher kam, um Hilfe für seinen kranken Sohn zu erbitten, scheint Jesus die Geduld zu verlieren«, so dass er ihm sagte: »Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht.« Er tadelt sie, weil für sie »das hauptsächliche Zeichen das Wunder ist« und damit alle »zufrieden« seien und weil sie nur so glaubten.
Der Herr sagt jedoch: »Ihr geht nicht darüber hinaus, ihr geht nicht weiter: Wo ist euer Glaube?« Denn, so Franziskus, »ein Wunder zu sehen, ein wunderbares Zeichen und zu sagen: ›Nun, du hast die Macht, du bist Gott‹, ja, das ist ein Akt des Glaubens, doch ein winzig kleiner.« Im Übrigen: wenn man auf Jesus blicke, sei es »offensichtlich, dass dieser Mann eine starke Macht besitzt, aber dort fängt der Glaube an, doch dann muss man weitergehen: Wo ist dein Verlangen nach Gott?« Denn »das ist Glaube: das Verlangen haben, Gott zu finden, ihm zu begegnen, bei ihm zu sein, glücklich mit ihm zu sein«.
Die erste Lesung, so der Papst unter Bezugnahme auf den Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja (65,17-21) »hilft uns zu verstehen, was der Herr tut, was das große Wunder des Herrn ist«. In Wirklichkeit »ist das, was Jesus tat, ein Anfang, es ist ein Zeichen; aber was ist das Wunder? Was ist es, an das wir glauben müssen, ohne die Zeichen zu sehen?« Dies erkläre der Herr: »Ja, siehe, ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn. Vielmehr jubelt und jauchzt ohne Ende über das, was ich erschaffe! Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zum Jauchzen und sein Volk zum Jubel.« Also, fuhr der Papst fort, »zieht der Herr unser Verlangen hin zu dieser Freude, zu dieser Freude, bei ihm zu sein«. Und »Jesus tadelte jene, die stehenbleiben – ›ja, ich glaube‹ – und nicht vorwärtsgehen«.
Also: »Wenn der Herr in unser Leben kommt und ein Wunder in einem jeden von uns wirkt, und wenn ein jeder von uns weiß, was der Herr in seinem Leben gewirkt hat, denn endet da noch längst nicht alles: Das ist die Einladung, weiterzugehen, den Weg fortzusetzen, ›das Antlitz Gottes zu suchen‹, wie der Psalm sagt, diese wahre Freude zu suchen«. Das Zeichen sei »der Anfang, und es ist verständlich, dass Jesus ein wenig ungeduldig ist – ich sage nicht, dass er sich ärgert, wohl aber, dass er ungeduldig ist –, wenn er sieht, dass die Leute nach dem ersten Schritt stehenbleiben«.
»Es kommt vor bei mir, dass mir durch den Sinn geht«, so Franziskus: »Was denkt Jesus, was fühlt Jesus bei den Christen, die nicht vorangehen, die darüber nicht hinausgehen, die nach dem ersten Schritt, nach der ersten empfangenen Gnade stehenbleiben?« Nun, was denke Jesus angesichts eines Christen, der sage: »Ja, ich habe mich eingerichtet, ich bringe ein christliches Leben gut voran, ich gehe sonntags zur Messe, ich beichte jeden Monat, ich verrichte manches Werk der Barmherzigkeit, alles gut und da bleibe ich stehen?« Denn »es gibt viele Christen, die stehengeblieben sind und nicht weitergehen, Christen, die in den Dingen aller Tage – sehr gut, sehr gut! – versandet sind, doch nicht wachsen und klein bleiben«. Es handle sich bei ihnen um »geparkte Christen«, die »auf dem Parkplatz sind, Christen im Käfig, die nicht im Traum zu dieser schönen Sache emporzufliegen verstehen, zu der uns der Herr beruft«.
Und so »gibt es da eine Frage, die sich ein jeder von uns stellen kann: Wie steht es um mein Verlangen? Ist mein Verlangen gesättigt durch das Leben, das ich führe, oder versuche ich, weiterzugehen, auch mit Schwierigkeiten, mit Prüfungen, immer mehr, mehr, mehr, weil der Herr dieses ›mehr, mehr, mehr‹ ist?« Und »das ist Freude, dieses gemeinsame Genießen, und er erwartet uns damit«. Also sei es gut, sich zu fragen: »Suche ich den Herrn auf diese Art und Weise, oder habe ich Angst oder bin ich mittelmäßig?« Es bestehe die Versuchung, zu antworten: »Ich fühle mich zufrieden damit…«, gerade »wie jener Mann, der zu einem Festmahl geht, sich an den Vorspeisen sättigt und dann nach Hause zurückkehrt: Was für ein Tor, du weißt nicht, dass das Beste nachher kommt!« Und es habe keinen Sinn, zu sagen, dass »mir die Vorspeisen reichen«.
»Das eigene Verlangen bewahren, es erwecken: das ist der Titel eines schönen Briefs, den ein italienischer Bischof vor einigen Wochen an seine Priester geschrieben hat«. »Das eigene Verlangen bewahren« heiße, »sich nicht allzu bequem einzurichten, ein wenig weiter zu gehen, etwas zu riskieren«.
Denn »der wahre Christ riskiert etwas, er verlässt die Sicherheit«, rief der Papst in Erinnerung und wiederholte die Worte aus der Bibel: »Ja, siehe, ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn. Vielmehr jubelt und jauchzt ohne Ende über das, was ich erschaffe! Denn siehe, ich erschaffe Jerusalem zum Jauchzen und sein Volk zum Jubel«. Und wenn es »das ist, was uns erwartet «, dann sei es angemessen, sich zu fragen, ob »ich darauf zugehe oder ob ich einfach so bleibe, lau, kraftlos«. Und weiter: »Was ist das Maß meines Verlangens: die Vorspeise oder das ganze Festmahl?«
Abschließend lud Franziskus dazu ein, über diese Wahrheit nachzudenken. »Und wir wollen den Herrn um die Gnade der Großherzigkeit bitten «, mahnte er, »um die Gnade, etwas zu riskieren, weiterzugehen: der Herr schenke uns diese Gnade«.
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