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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Goldene Regel

Montag, 29. Januar 2018

 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 8, 23. Februar 2018)

 

Die »Goldene Regel« besteht darin, Demütigungen mit einer Haltung der Hoffnung und des Sich-Gott-Anvertrauens leben zu können, ohne Verstellung oder falsche, vorgefertigte Ausreden – »prêt-à-porter« sozusagen. In der heiligen Messe am Montag, den 29. Januar, in Santa Marta riet Papst Franziskus dem Christen, der wirklich demütig sein will, den Mut in beide Hände zu nehmen und gemäß der Lehre des heiligen Ignatius darum zu bitten, Erniedrigungen zu erleiden, um so »dem Herrn ähnlicher zu sein«.

»In der ersten Lesung«, so der Papst, der sich auf den Abschnitt aus dem zweiten Buch Samuel (15,13-14.30; 16,5-13) bezog, »haben wir vom Schmerz Davids gehört, von der Flucht Davids, von der Niederlage Davids«. Und »David ist ein großer Mensch: Er hat die Philister besiegt und die Frauen priesen ihn. Er hat das Reich gefestigt, er war auf dem Weg dazu« und »wird es schließlich festigen«. David, so fuhr Franziskus fort, »hatte eine edle Seele: zweimal hätte er Saul töten können und tat es nicht«. Er hatte »jene Seelengröße: er war groß, doch er war auch ein Sünder, ein Sünder mit großen Sünden: die Sünden des Ehebruchs und der Ermordung des Urija sowie die der Volkszählung«.

David also hatte große Sünden begangen. Und dennoch »ist er heilig: die Kirche verehrt ihn als Heiligen«, trotz »dieser Sünden, da er heilig ist, da er sich vom Herrn hat verwandeln lassen, da er sich der Vergebung geöffnet hat. Er hat auf die Stimme des Herrn gehört, er hat es bereut, er war fähig, Buße zu tun, zu weinen.« Er hatte »jene nicht leichte Fähigkeit, sich als Sünder zu erkennen: ›Ich bin ein Sünder‹«. In der liturgischen Lesung aus dem Alten Testament »sehen wir die Erniedrigung Davids: Der Sohn zettelt einen Aufstand gegen ihn an, der eigene Sohn, wie er sagt, ›der leibliche Sohn‹, der eigene Sohn. Und man sagt ihm: ›Das Herz der Israeliten hat sich Abschalom zugewandt. Er hat die Mehrheit, du bist besiegt. Was machen wir?‹« Unter diesen Umständen, so der Papst, dachte David »nicht an seine eigene Haut: er dachte an die Stadt, an das Volk, an den Tempel und an die Bundeslade, damit sie nicht zerstört werden«.

Und David »vollbringt diese Geste, die ein Zeichen der Feigheit zu sein scheint, aber in Wirklichkeit mutig ist: Er flieht, um die Stadt, das Volk, den Tempel, die Bundeslade zu retten.« Er sagt: »Beeilt euch mit dem Aufbruch, sonst kommt er und holt uns ein, bringt Unglück über uns und schlägt die Stadt mit scharfem Schwert.« Deshalb befiehlt David den Seinen, zu fliehen und die Stadt zu verlassen. Und hier kommt »jenes Bild Davids«, der »den Ölberg hinaufstieg – das lässt uns an etwas denken –, er stieg weinend und mit verhülltem Haupt und barfuss hinauf«. Das Alte Testament berichtet, dass David »weinte, barfuß, verhüllten Hauptes zum Zeichen der Buße«, und »alle Leute, die bei ihm waren, verhüllten ihr Haupt und zogen weinend hinauf«.

Das ist »das Weinen Davids: eines Mannes, der fähig ist, seine Sünden anzuerkennen«. Und »der Herr hatte ihn auf diesen Augenblick vorbereitet: erniedrigt, gedemütigt. Der große David, erniedrigt, jener, der die Philister besiegt hatte, erniedrigt «. Und, so betonte der Papst, er hatte ihn »mit der Niederlage, der Flucht und auch der Schmähung erniedrigt, denn dieser Schimi sagte zu ihm nichts Schönes: ›Verschwinde, verschwinde, du Mörder, du Niederträchtiger! Der Herr hat all deine Blutschuld am Haus Sauls, an dessen Stelle du König geworden bist, auf dich zurückfallen lassen. Der Herr hat das Königtum in die Hand deines Sohnes Abschalom gegeben. Nun bist du ins Unglück geraten; denn du bist ein Mörder.‹«

Während Schimi David »verfluchte«, »wollten ihn die Seinen verteidigen«. Doch er hinderte sie daran und sagte zu Abischai ausdrücklich: »Lasst ihn fluchen! Sicherlich hat es ihm der Herr geboten. Vielleicht sieht der Herr mein Elend an und erweist mir Gutes für den Fluch, der mich heute trifft.« Und »voll Hoffnung« setzt David seinen Weg fort.

»David, der Demütige, David, der Erniedrigte«, unterstrich der Papst erneut und dachte über jenes Bild nach, als »David den Ölberg hinaufstieg «. Doch »David ist auch Prophet, da dies die Prophezeiung Jesu ist, der nach Golgota hinaufgeht, um sein Leben hinzugeben: geschmäht und beiseite gelassen, ungehört«. Also: »David – der Prophet Jesu, doch der Kern dieses Abschnitts besteht in der Erniedrigung, in der Demut «, wiederholte Franziskus. Und »wenn Paulus von Jesus spricht, sagt er: ›Er hat sich erniedrigt, er hat sich entäußert.‹« Und das ist die »Prophezeiung Jesu: die Demut Jesu«.

»Bisweilen denken wir«, so der Papst, »dass die Demut darin besteht, ruhig zu gehen, vielleicht gesenkten Hauptes zu gehen, mit dem Blick auf den Boden… aber auch die Schweine laufen mit dem Kopf nach unten: das ist keine Demut. Das ist jene künstliche Demut, eine Demut ›prêt-à-porter‹, die weder rettet noch das Herz bewahrt. « Und so »ist es gut, dass wir daran denken: es gibt keine wahre Demut ohne Erniedrigung, und wenn du nicht fähig bist, eine Demütigung zu ertragen, auf den Schultern zu tragen, dann bist du nicht demütig: du tust so, aber du bist es nicht.«

»David lädt sich seine Sünden auf die Schultern, er denkt nicht an die guten Dinge, die er hat«, erklärte der Papst. Und »auch Jesus lädt sich die Sünden auf die Schultern: Paulus sagt, dass er unsere Sünden auf sich genommen hat und zur Sünde geworden ist.« Deshalb, so der Papst, »ist David heilig; Jesus ist mit der Heiligkeit Gottes heilig. David ist Sünder, Jesus ist Sünder, aber mit unseren Sünden. Doch beide wurden erniedrigt.«

Der Papst räumte ein: »Immer gibt es die Versuchung, gegen den zu kämpfen, der uns verleumdet, gegen den, der uns erniedrigt, der uns Scham empfinden lässt, wie dieser Schimi«, der im Abschnitt aus der Bibel David schwer beleidigt. Doch »David sagt: ›Nein!‹ Der Herr sagt: ›Nein!‹, das ist nicht der Weg«. Der Weg sei dagegen »der Weg Jesu, den David prophezeit: die Erniedrigungen ertragen«. Und denken: »Vielleicht wird der Herr auf mein Leid schauen und mir das Gute als Vergeltung für das heutige Unglück schenken.« Also »in Hoffnung die Erniedrigung ertragen«. Aber, präzisierte der Papst, »wenn ich mich angesichts irgendeiner Beleidigung, irgendeiner Erniedrigung sofort rechtfertige und versuche, gut zu scheinen oder, wie man so sagt, ›mit schöner englischer Handschrift‹ zu schreiben, dann ist das keine Demut«. Und so »denken wir das richtig: Wenn du es nicht verstehst, eine Erniedrigung zu akzeptieren, dann bist du nicht demütig. Das ist die Goldene Regel.«

Abschließend forderte Franziskus auf: »Wir wollen den Herrn um die Gnade der Demut bitten, doch zusammen mit Erniedrigungen.« Und, so rief er in Erinnerung, dass »es einmal jene Schwester gab, die sagte: ›Ich bin demütig, ja, aber gedemütigt: Niemals!‹ Nein, nein! Es gibt keine Demut ohne Demütigung.« »Wir wollen um diese Gnade bitten, und wenn einer mutig ist, kann er den Herrn auch darum bitten – wie der heilige Ignatius lehrt –, dass er ihm Demütigungen schicke, um dem Herrn ähnlicher zu sein.«

 



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