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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Jona, der Dickkopf

Dienstag, 10. Oktober 2017
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 43, 27. Oktober 2017)

 

Der Mensch tut sich schwer, in die Logik Gottes einzutreten und verwendet oft einen Begriff von »Gerechtigkeit«, der unter dem Einfluss seiner »Rigidität« und »Dickköpfigkeit« steht. Begrenzt auf den kleinen Horizont seines Herzens, wie er nun einmal ist, vermag er nicht zu verstehen, wie »der Herr wirkt«, seine unendliche Barmherzigkeit und seinen Willen zur Vergebung. Dies erhellt die Geschichte des Propheten Jona, von der Papst Franziskus bei seinen Betrachtungen in der Messe am Dienstag, den 10. Oktober, ausging. Es handelt sich um die Erzählung aus der Bibel, wie sie im Wortgottesdienst der ersten drei Tage dieser Woche vorgelegt wird. Der Papst ging das Buch Jona durch und machte zunächst darauf aufmerksam, dass dieses »ein Dialog zwischen der Barmherzigkeit, der Buße, der Prophetie und der Dickköpfigkeit« zu sein scheine.

Vor allem sei da Jona, »ein Dickkopf, der Gott lehren will, wie die Dinge zu tun sind«. Denn »als der Herr ihn sendet, um der Stadt Ninive Umkehr zu predigen«, fahre er »mit einem Schiff in die entgegengesetzte Richtung«. Das heißt: »Er lief vor der Sendung davon, die Gott ihm übertragen und anvertraut hatte.« Die Ereignisse seien stärker gewesen als sein Wille: es sei nämlich geschehen, dass das »Schiff« aufgrund eines Sturms »in Gefahr« geriet und Jona den Seeleuten, von denen »ein jeder zu seinem Gott betete«, seine Schuld gestanden und selbst gesagt habe: »Werft mich ins Meer, ich bin schuld!« So sei es auch geschehen, doch »der Herr«, so rief Franziskus in Erinnerung, »der so gut ist, ließ einen Fisch kommen, der Jona verschluckte und ihn drei Tage später am Strand ausspie«.

Der zweite Teil der Geschichte werde in der Lesung vom Dienstag berichtet (Jona 3,1-10): »In jenen Tagen erging das Wort des Herrn zum zweiten Mal an Jona: ›Mach dich auf den Weg, und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr all das an, was ich dir sagen werde.‹« Dieses Mal »gehorchte« der Prophet. Und, so der Papst, »man sieht, dass er gut predigte, da die Einwohner von Ninive Angst bekamen, viel Angst, und sich bekehrten«. Dank seiner Rede »gelangte die Kraft des Wortes Gottes in ihr Herz«. Und obwohl es sich um eine »sehr sündige Stadt« gehandelt habe, hätten die Einwohner ihr Leben geändert. »Sie haben gebetet, sie haben gefastet.« So sei es gekommen, dass »Gott ihre Werke sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten, und Gott reute das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus«.

Man könnte sich fragen: »Nun, hat sich Gott geändert?« In Wirklichkeit, präzisierte der Papst, »haben sie sich geändert«. Denn vorher »konnte Gott nicht in ihr Leben eintreten, da es aufgrund ihrer Laster, ihrer Sünden verschlossen war«; dann »haben sie durch die Buße das Herz geöffnet, sie haben ihr Leben geöffnet und der Herr konnte eintreten«.

Indem er die Erzählung fortsetzte, nahm der Papst bereits die erste Lesung vom Mittwoch vorweg, in der »die Kirche uns den dritten Schritt betrachten lässt«, die Tatsache, dass »Jona großes Missfallen empfand und empört war. Jona wurde zornig, da der Herr der Stadt vergeben hatte: ›Nein, du hast mich gesandt, ich habe gepredigt. Jetzt musst du tun, was du gesagt hast.‹« Hier trete die Tatsache hervor, dass Jona »ein Dickkopf war, doch mehr als ein Dickkopf: Er war rigide; er war an der Rigidität der Seele erkrankt.« Franziskus fügte hinzu: »Er hatte eine ›versteifte‹ Seele, er konnte sie nicht weiten, sie war verschlossen: so sind die Dinge und so müssen sie sein.« Deshalb sei »nach der Umkehr Ninives« auf den Herrn »eine weitere Arbeit« zugekommen: die »Umkehr Jonas«.

An diesem Punkt beschäftigte sich der Papst mit der Analyse der pädagogischen Methode, die der Herr bei Jona anwende. Der Prophet »verlässt zornig die Stadt, unter ein Laubdach«. Und da »dort die Sonne sehr stark schien, lässt der Herr einen Rizinusstrauch über Jona emporwachsen, der seinem Kopf Schatten geben sollte«. In Wirklichkeit sei Jona – der »dort hingegangen war, um abzuwarten, was mit der Stadt geschah, ob es wahr war, dass der Herr ihr vergeben hatte«, und der »vielleicht hoffte oder, schlimmer, wünschte, dass Feuer vom Himmel herabkommen würde! Er war dort, er wartete auf das Spektakel« – »glücklich« über diesen Strauch, der ihm Linderung schenkte. Dann aber »ließ es der Herr dazu kommen, dass jener Rizinusstrauch verdorrte«, und Jona »wurde noch zorniger« und sagte mit denselben Worten, die er gegenüber den Seeleuten benutzt hatte: »Es ist besser für mich zu sterben als zu leben.«

Das, so erklärte der Papst, sei der Augenblick, in dem »der Herr in das Herz Jonas eintritt« und zu ihm sagt: »›Ist es recht von dir, wegen des Rizinusstrauches zornig zu sein?‹ Er antwortete: ›Ja, es ist recht.‹ Er war wirklich zornig. ›Ja, es ist recht, dass ich zornig bin und mir den Tod wünsche.‹ Doch der Herr antwortete ihm: ›Dir ist es leid um den Rizinusstrauch, für den du nicht gearbeitet und den du nicht großgezogen hast. Über Nacht war er da, über Nacht ist er eingegangen. Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können – und außerdem so viel Vieh?‹« Der Herr »zeigt Jona seine Barmherzigkeit«.

So also spreche die Schrift auch zum Menschen von heute. Franziskus erklärte: »Die, die in der Seele dickköpfig sind, die Rigiden: sie verstehen nicht, was die Barmherzigkeit Gottes ist. Sie sind wie Jona: ›Wir müssen das predigen, dass diese da bestraft werden, weil sie Böses getan haben und zur Hölle fahren müssen‹«. Die Rigiden also »verstehen es nicht, das Herz wie der Herr zu weiten. Die Rigiden sind kleinmütig, mit dem kleinen, verschlossenen Herzen, und hängen an der nackten Gerechtigkeit«. Vor allem, fügte er hinzu, »vergessen die Rigiden, dass die Gerechtigkeit Gottes in seinem Sohn Fleisch geworden ist, dass sie Barmherzigkeit geworden ist, dass sie Vergebung geworden ist; dass das Herz Gottes immer offen ist für die Vergebung. Mehr noch: Sie vergessen das, was wir vergangene Woche im Tagesgebet gebetet haben: Sie vergessen, dass sich Gott, dass sich seine Allmacht vor allem in der Barmherzigkeit und in der Vergebung offenbart.«

Für den Menschen »ist es nicht leicht, die Barmherzigkeit Gottes zu verstehen. Das ist nicht leicht.« »Dazu bedarf es vieler Gebete, um sie zu begreifen, da sie eine Gnade ist.« Die Menschen nämlich seien an die Logik gewöhnt: »Du hast mir das angetan, ich werde es dir zurückzahlen!«, an die Gerechtigkeit des: »Das hast du getan, jetzt zahle dafür!« Dagegen »hat Jesus für uns bezahlt und zahlt weiter für uns«.

Zu Jona – »dickköpfig, kleinmütig, rigide«, der »die Barmherzigkeit Gottes nicht begriff« – »hätte der Herr sagen können: ›Schau zu, wie du mit deiner Rigidität und Dickköpfigkeit zurechtkommst‹«. Dagegen »ist Gott – derselbe, der jene hundertzwanzigtausend Menschen retten wollte – zu ihm gegangen, um mit ihm zu sprechen, um ihn zu überzeugen«. Denn er sei »der Gott der Geduld, der Gott, der zu liebkosen versteht, der die Herzen zu weiten vermag«.

Das »ist die Botschaft dieses prophetischen Buches«: Mit seinem »Dialog zwischen der Prophetie, der Buße, der Barmherzigkeit und der Kleinmütigkeit oder Dickköpfigkeit« sage es uns, dass »die Barmherzigkeit Gottes immer siegt«, da »sich seine Allmacht gerade in der Barmherzigkeit offenbart«. Deshalb beendete der Papst seine Predigt mit dem Rat, »die Bibel in die Hand zu nehmen, das Buch Jona zu lesen – es ist sehr kurz, es sind drei Seiten – und darauf zu achten, wie der Herr handelt, wie die Barmherzigkeit des Herrn ist, wie der Herr unsere Herzen verwandelt. Und dem Herrn zu danken, weil er so barmherzig ist.«



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