PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Wir sind alle auserwählt
Freitag, 23. Juni 2017
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 29, 21. Juli 2017)
»Jeder von uns kann sagen: ›Ich bin auserwählt, ein Auserwählter, eine Erwählung‹«, in der Gewissheit eines Gottes, der »ein starkes Blatt spielt«, was so weit geht, dass »er sich an uns bindet « und sich selbst »aus Liebe« zum Gefangenen macht. Sein Kriterium ist dabei die »Kleinheit«. Denn wenn »Gott sich klein gemacht hat, können nur die Kleinen seine Stimme hören«. Es ist »das große Geheimnis«, über das Franziskus bei der Messe am Freitag, 23. Juni, in Santa Marta sprach.
»Im Gebet zu Beginn der Messe«, worauf der Papst sofort die Aufmerksamkeit lenkte, »haben wir Gott gepriesen, weil er uns im Herzen Jesu die Gnade schenkt, voll Freude die großen Geheimnisse unseres Heils, seiner Liebe zu uns zu feiern: das heißt unseren Glauben; die Tatsache zu feiern, dass wir glauben, dass er uns liebt, dass er sich bei uns und in den Weg des Lebens eingemischt und uns seinen Sohn und das Leben seines Sohnes für unsere Liebe geschenkt hat«. Und dann, so fügte er hinzu, »gibt es da zwei Worte in der ersten Lesung – aus dem Buch Deuteronomium (7,6-11) –, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen: auswählen und Kleinheit«.
»Auswählen« ist das erste Wort, auf das Franziskus einging. »Wir sind erwählt worden«, erklärte er, weil »nicht wir es waren, die ihn gewählt haben: Er hat uns erwählt, er war es, der großherzig war, und ein jeder von uns kann sagen: ›Ich bin einer, der erwählt wurde, ein Auserwählter, eine Erwählung.‹« Doch »diese Wahl geht noch weiter, denn Mose sagt: ›Der Herr hat sich bei dieser Wahl an euch gebunden‹, als hätte er sich selbst zum Gefangenen gemacht, zu unserem Gefangenen: er hat sich an unser Leben gebunden, er kann sich nicht trennen.« Gott »hat ein starkes Blatt gespielt«, betonte der Papst erneut, »und er bleibt treu in dieser Haltung: Wir sind aus Liebe erwählt worden und das ist unsere Identität.« Aus diesem Grund hat es keinen Sinn zu behaupten: »Ich habe diese Religion gewählt, ich habe gewählt… Es ist vielmehr so: »Nein, du hast nicht gewählt«, erklärte Franziskus. Denn »er ist es, der dich auserwählt hat, er hat dich gerufen und sich an dich gebunden«. Und gerade »das ist unser Glaube: wenn wir das nicht glauben, dann verstehen wir nicht, was die Botschaft Christi ist, dann verstehen wir das Evangelium nicht«.
»Das zweite Wort«, das der Papst vorschlug, »ist Kleinheit«. Im heutigen Abschnitt aus der Bibel ist zu lesen: »Nicht weil ihr zahlreicher als die anderen Völker wäret, hat euch der Herr ins Herz geschlossen und ausgewählt; ihr seid das kleinste unter allen Völkern«. Doch er »hat sich in unsere Kleinheit verliebt, und aus diesem Grund hat er uns ausgewählt. Er wählt die Kleinen: nicht die Großen, die Kleinen. Und er offenbart sich den Kleinen: ›Den Weisen und Gelehrten hast du diese Dinge verborgen und sie den Kleinen offenbart.‹ « Er »offenbart sich demnach den Kleinen: wenn du etwas vom Geheimnis Jesu begreifen willst, dann erniedrige dich: werde klein.
Erkenne an, dass du nichts bist.« Doch Gott »wählt nicht nur die Kleinen«; er »ruft die Kleinen: ›Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.‹« Er wendet sich an jene, die »die Kleinsten sind, aufgrund der Leiden, aufgrund der Müdigkeit«. An diesem Punkt könnte man einwenden: »Doch die Großen – ruft er sie nicht?« Die Antwort ist eindeutig: »Sein Herz ist offen, doch die Großen können die Stimme nicht hören, da sie voll von sich selbst sind.« Um dagegen »die Stimme des Herrn zu hören, muss man klein werden«.
So »kommen wir zum Geheimnis des Herzens Christi«, und dies am Tag, an dem die Kirche das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu feiert. Jemand geht soweit zu sagen: »Aber das Herz Christi, ja, ist in Ordnung, das ist ein Bildchen für fromme Leute.« Absolut »nicht«, so die Erwiderung des Papstes: »Das Herz Christi, das durchbohrte Herz Christi ist das Herz der Offenbarung, das Herz unseres Glaubens, da er klein geworden ist, er hat diesen Weg gewählt.« Paulus benutzt diesen Ausdruck: »Er erniedrigte sich, er entäußerte sich selbst bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.« Und das »ist eine Entscheidung für die Kleinheit, damit die Herrlichkeit Gottes offenbar werden kann«. Franziskus erklärte: »Der Soldat durchbohrte mit einem Lanzenstoß die Seite, und es strömte Blut und Wasser hervor: das ist das Geheimnis Christi, und das ist es, was wir heute feiern, dieses Herz, das liebt, das wählt, das treu ist, das sich an uns bindet, sich den Kleinen offenbart, die Kleinen ruft, klein wird«.
»Das ist unser Glaube«, so der Papst weiter. Und »wenn wir nicht an dieses Geheimnis glauben, dann sind wir Theisten: wir glauben an Gott, ja; ja, auch an Jesus, ja! Jesus ist Gott? Ja! Doch das Geheimnis ist dieses, das ist die Offenbarung, das ist die Herrlichkeit Gottes«. Also »Treue in der Wahl, Treue darin, dass er sich bindet, und Kleinheit auch für sich selbst: klein werden, sich entäußern «. Daher, so der Papst, »ist das Problem des Glaubens der Kern unseres Lebens: Wir können noch so tugendhaft sein, doch mit gar keinem oder mit wenig Glauben; hier müssen wir anfangen, beim Geheimnis Jesu Christi, der uns mit seiner Treue gerettet hat.«
Abschließend betete Franziskus darum, dass »der Herr uns heute die Gnade gewähre, im Herzen Jesu Christi die großen Gesten, die großen Werke des Heils, die großen Werke der Erlösung zu feiern«.
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