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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Lehre und Ideologie

Freitag, 19. Mai 2017
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 23, 9. Juni 2017)

 

»Der Heilige Geist und wir haben beschlossen…«: Nichts an Aktualität verloren habe der Anfang des Schreibens, das die Apostel an die Christen »in Antiochia, in Syrien und Zilizien« senden – nach langen Diskussionen auf dem »ersten wahren Konzil« der Kirchengeschichte. Gerade jene Worte aus der Apostelgeschichte waren es, die Franziskus unterstreichen wollte. Und er bat »um die Gnade des reifen Gehorsams gegenüber dem Lehramt der Kirche« sowie »Petrus, den Bischöfen« und »dem Heiligen Geist« treu zu sein, »der diesen Prozess leitet und trägt«. Bei der Messe in Santa Marta am Freitag, den 19. Mai, versäumte es der Papst nicht, davor zu warnen, »die Lehre in Ideologie zu verwandeln« und so Schwierigkeiten und Spaltungen zu schaffen.

»In der Kirche hat es von Anfang an Schwierigkeiten gegeben«, räumte Franziskus ein. Dies ging so weit, dass es auch »in der ersten christlichen Gemeinde zum Beispiel Eifersucht, Machtkämpfe sowie gewisse Schlingel gegeben hat, die etwas verdienen und Macht kaufen wollten, wie Simeon oder jenes Paar von Heuchlern, Hananias und Saphira, die als wahre Christen gelten wollten, doch unter der Hand ihre eigenen Geschäfte machten«. Immer, so der Papst, »hat es Probleme gegeben: wir sind Menschen, wir sind Sünder und die Schwierigkeiten sind da, auch in der Kirche, unter uns, immer«. Und »in einem gewissen Sinn führt uns das Sündersein zur Demut und dazu, dass wir uns dem Herrn als dem Erlöser von unseren Sünden nähern«. Aus diesem Grund »ist es eine Gnade, sich als Sünder zu fühlen, das ist eine Gnade«.

»Doch es gibt andere, größere Probleme, nicht diese alltäglichen Probleme«, fuhr der Papst fort und bezog sich dabei auf den Abschnitt aus der Apostelgeschichte (15,22-31), der die erste Lesung der Liturgie vom Tag bildete: »Das Problem dieses Abschnitts ist das Ende des Problems, das mit Petrus begonnen hatte: als Petrus einen Heiden, Kornelius, aufsucht und ihn tauft.« Und »hier dreht sich die Geschichte um dieselbe Frage: Paulus und Barnabas litten in Antiochia sehr, denn es ist wahr, dass Jesus gesagt hatte: ›Es werden andere Völker kommen.‹ Das stimmt. Aber er hat nicht gesagt, wie diese Völker in die Kirche eintreten sollten.« Deshalb »sagten einige: ›Nein, zuerst müssen sie Juden werden und dann eintreten.‹ Das ist der Kern des Problems.«

Franziskus vereinfachte die Überlegung und erklärte, dass da »auf der einen Seite jene waren, die wollten, dass sie zuerst Juden werden und dann die Taufe empfangen«. »Auf der anderen Seite« dagegen gab es »jene, die dachten: ›Nein, der Herr beruft sie? Dann sollen sie kommen.‹« Als »daher Petrus dies erklärt, die Vision, die er gehabt hatte, und als er dann sieht, dass der Heilige Geist auf Kornelius und seine Familie herabkommt, sagt er jenen Satz: ›Wer bin ich, dass ich dem Heiligen Geist die Tür verschließe?‹« All das »geschieht auch in Antiochia: Paulus wird dann gesteinigt, er wird liegengelassen, als sei er tot«. Sie werden »verfolgt«.

Denn, so der Papst weiter, da ist »dieses Grüppchen«, das »hin und her geht, mit Verleumdungen, mit hässlichem, üblem Geschwätz«. Und »es heißt auch, einen Abschnitt weiter – aber es handelt sich um dieselbe Geschichte in Antiochia –, dass sie zu den frommen Frauen gegangen sind, die Einfluss hatten auf die Obrigkeiten, damit sie die Apostel wegjagten«. So »versammeln sich die Apostel am Ende, um dieses Problem zu studieren: Was machen wir mit den Heiden, mit jenen, die Christen werden wollen, mit jenen, die der Heilige Geist beruft, Christen zu werden?« Und die Apostel »wollen darüber in der Gegenwart Gottes verhandeln: Sehr wahrscheinlich hat es bei dieser Versammlung starke Diskussionen gegeben, aber im guten Geist«. Auch »Paulus, so die Apostelgeschichte an einer anderen Stelle, gebrauchte Petrus gegenüber harte Worte, doch immer vor Gott, im guten Geist«. Dagegen »gab es ein anderes Grüppchen, das Verwirrung stiftete, und die Apostel sagten: ›Wir haben gehört, dass einige von uns, denen wir keinen Auftrag erteilt haben – unabhängig – euch mit ihren Reden beunruhigt und eure Gemüter erregt haben.‹« »Und so stehen wir vor zwei Gruppen von Menschen«, so der Papst: »Die Gruppe der Apostel, die das Problem diskutieren wollen, und die anderen, die hingehen und Probleme schaffen, trennen, die Kirche spalten, jene, die sagen, dass das, was die Apostel verkünden, nicht das sei, was Jesus gesagt hat, dass es nicht die Wahrheit sei«. Ihrerseits »diskutieren die Apostel die Sachen, und am Ende, wir haben es gehört, werden sie sich einig«. Aber »dabei handelt es sich nicht um eine politische Einigung. Es ist die Inspiration des Heiligen Geistes, die sie dazu führt zu sagen: keine Dinge, keine Ansprüche«, nur die Verpflichtung, »kein Fleisch in jenem Tempel zu essen, kein Götzenopferfleisch zu essen, denn das bedeutet, Gemeinschaft mit den Götzen zu haben, Blut, Ersticktes – denn es war ein Skandal, Blut zu essen, Ersticktes, auch wenn es sich um etwas handelte, das heute zweitrangig erscheint – und Unzucht zu meiden«. Und »andererseits die Freiheit des Geistes: so können die Heiden in die Kirche eintreten, ohne beschnitten werden zu müssen, direkt«.

Der Papst machte auch darauf aufmerksam, dass »es schön ist, wie dieses Schreiben der Apostel beginnt: ›Der Heilige Geist und wir haben beschlossen‹: der Heilige Geist und sie selbst einigen sich«. »Das ist das erste Konzil der Kirche, um die Lehre zu klären«. Dann »hat es viele andere gegeben, bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, die die Lehre geklärt haben: Wenn wir zum Beispiel das Glaubensbekenntnis beten, dann ist das das Ergebnis der Konzilien, die die Lehre präzisiert haben.« Denn, so der Papst, »es ist eine Pflicht der Kirche, die Lehre zu klären, um gut zu verstehen, was Jesus in den Evangelien gesagt hat, was der Geist der Evangelien ist«. Und die Apostelgeschichte berichte eben »vom ersten Konzil: angesichts eines Problems haben sie es geklärt, so liegen die Dinge«. Auch »in Ephesus zum Beispiel, als diskutiert wurde, ob Maria Mutter Gottes ist, haben sie ein Konzil gehalten, um jenes Problem zu lösen, denn der Heilige Geist und sie, der Papst mit den Bischöfen, alle gemeinsam, und sie gehen voran«.

»Doch immer hat es da diese Leute gegeben«, warnte Franziskus, »die ohne irgendeinen Auftrag hingehen und die christliche Gemeinde mit Reden stören, die die Gemüter in große Aufregung versetzen: ›Aber nein doch. Der, der das gesagt hat, ist ein Häretiker. Das darf man nicht sagen, das nicht. Die Lehre der Kirche ist dies.‹ In Wirklichkeit »sind sie fanatische Anhänger von Dingen, die nicht klar sind, wie diese Fanatiker, die hingingen und Zwietracht säten, um die christliche Gemeinde zu spalten«. Gerade »das ist das Problem: wenn die Lehre der Kirche, jene Lehre, die vom Evangelium stammt, jene Lehre, die der Heilige Geist inspiriert – denn Jesus hat gesagt: ›Er wird euch lehren und er wird euch an das erinnern, was ich gesagt habe‹–, wenn jene Lehre zur Ideologie wird«. Und »das ist der große Fehler dieser Leute: Diese da, die dort hingingen, waren keine Gläubigen, sie waren ideologisiert, sie hatten eine Ideologie, die das Herz für das Wirken des Heiligen Geistes verschloss.« »Die Apostel dagegen diskutierten zweifellos hart miteinander, doch sie waren nicht ideologisiert: sie hatten ein Herz, das offen war für das, was der Geist sagte.« Und nach der Diskussion beginnen sie ihren Brief mit den Worten: »Der Heilige Geist und wir haben beschlossen.«

»Wir dürfen nicht erschrecken, wenn wir diese Meinungen von Ideologen der Lehre hören«, bekräftigte der Papst. »Die Kirche hat ihr eigenes Lehramt, das Lehramt des Papstes, der Bischöfe, der Konzilien, und wir müssen auf jenem Weg gehen, der der Verkündigung Jesu und der Lehre und dem Beistand des Heiligen Geistes entspringt: er ist immer offen, immer frei«. Und »das ist die Freiheit des Geistes, aber in der Lehre«. Jene dagegen, »die dort hingegangen sind, nach Antiochia, um Unruhe zu stiften und die Gemeinde zu spalten, sind Ideologen«. Denn »die Lehre eint, die Konzilien einen immer die christliche Gemeinschaft«. Es ist die Ideologie, die »spaltet «, doch »für sie ist die Ideologie wichtiger als die Lehre: sie lassen den Heiligen Geist beiseite«.

»Heute möchte ich um die Gnade des reifen Gehorsams gegenüber dem Lehramt der Kirche bitten«, so Franziskus abschließend, »um jenen Gehorsam gegenüber dem, was die Kirche uns immer gelehrt hat und weiter lehrt«. Und auf diese Weise »entwickelt sie das Evangelium, sie erklärt es jedes Mal besser, in Treue zu Petrus, zu den Bischöfen und letztendlich zum Heiligen Geist, der diesen Prozess leitet und trägt«. Vor diesem Hintergrund lud der Papst ein, »auch für jene zu beten, die die Lehre in Ideologie verwandeln, dass der Herr ihnen die Gnade der Umkehr zur Einheit der Kirche, zum Heiligen Geist, zur wahren Lehre schenken möge«.

 



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