PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Hüter des Friedens
Donnerstag, 16. Februar 2017
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 9, 3. März 2017)
»Der Krieg ist zu Ende«: der freudige Ruf der Nachbarin in Buenos Aires und die Umarmung mit seiner Mutter Regina haben den kleinen Jorge Mario derart tief beeindruckt und bewegt, dass sie noch immer sehr lebhaft in seiner Erinnerung sind. Und gerade der Schrei »der Krieg ist zu Ende« – so Papst Franziskus in der Messe, die er am Donnerstag Morgen, 16. Februar, in der Kapelle von Santa Marta feierte – sollte von jedem Menschen wiederholt werden, um endlich den Frieden im Herzen, aber auch in der Familie, im Stadtviertel, am Arbeitsplatz und dann in der ganzen Welt zu haben. Denn die Konflikte, warnte der Papst, beginnen mit den kleinen Dingen und enden dann »mit dem Waffenhandel« bei den »Bombardierungen von Schulen und Krankenhäusern « wegen »der Macht« oder »eines Stückes mehr Land«. So also ist der Friede eine handwerkliche Arbeit. Ein jeder von uns ist dazu aufgerufen, sie alle Tage zu tun und um ihn auch mit dem Gebet zu bitten, das nie »eine Formalität« ist.
In Bezug auf die erste Lesung aus dem Buch Genesis (9,1-3) und auch hinsichtlich des Abschnitts aus dem Markusevangelium (8,27-33) machte Franziskus sofort darauf aufmerksam, dass »da drei Worte, drei Figuren, drei Bilder sind, die beim Nachdenken, beim Denken und beim besseren Verständnis dessen helfen werden, was Jesus seinen Jüngern im Evangelium erklärt: das Bild der Taube, des Regenbogens und des Bundes«.
Denn, so erklärte der Papst, »nach der Sintflut ist das erste Bild das der Taube, die verschiedene Male herumgeflogen ist und schließlich mit einem Ölzweig im Schnabel zurückkehrt«. Und »in jenem Moment begann man zu denken, dass die Tragödie vorbei war, dass die Zerstörung ein Ende genommen hatte und der Friede zurückkehrt«. »Deshalb ist die Taube mit dem Ölzweig im Schnabel ein Zeichen des Friedens, sie ist die Botschaft Gottes an die Menschheit«. Gott »reute jene Zerstörung und er versprach, es nicht mehr zu tun: ›Ich will den Frieden.‹« So »ist diese Taube das Zeichen dafür, was Gott nach der Sintflut will: Frieden, dass alle Menschen miteinander in Frieden leben«.
Die »zweite Figur«, so Franziskus, ist »der Regenbogen «. Ja, jener »Regenbogen, den der Herr selbst setzt und von dem er sagt, dass er das Zeichen des Bundes ist, den er stiften wird: ›Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir für alle kommenden Generationen. Meinen Bogen setze ich in die Wolken‹, damit er Zeichen, Erinnerung an diesen Frieden ist, der der Bund sein wird«. »Das dritte Wort ist der Bund«, fuhr der Papst fort. Denn »Gott verspricht: ›Nie werde ich Zerstörung bringen, nie, ich will Frieden, ich schließe diesen Bund mit euch‹, den Bund des Friedens«. Und, so fügte er hinzu: »Noach brachte Opfer dar, und das war Gott wohlgefällig«.
»Die Taube und der Regenbogen sind zart«, so Franziskus. »Der Regenbogen ist schön nach dem Sturm, doch dann kommt eine Wolke, er verschwindet: er ist ein vergängliches Zeichen.« Auch »die Taube ist zart, denn es genügt, dass ein hungriger Raubvogel vorbeikommt«. Im Übrigen, rief der Papst in Erinnerung, »haben wir es vor zwei Jahren am Fenster beim Angelus am Sonntag gesehen, als die zwei Kinder zwei Tauben fliegen lassen haben: es kam eine Möwe und tötete sie«. Also »handelt es sich um zarte Zeichen«. Dagegen »ist der Bund, den Gott stiftet, stark, doch wir empfangen ihn, wir nehmen ihn mit Schwäche an«. So »schließt Gott Frieden mit uns, doch es ist nicht leicht, den Frieden zu bewahren: es ist dies eine Arbeit aller Tage«. Denn »in uns ist noch jener Same, jene Ursünde, der Geist des Kain, der aus Neid, Eifersucht, Begierlichkeit und Herrschsucht einen Krieg beginnt, der den Regenbogen, die Taube verschwinden lässt und den Bund mit Gott zerstört«.
»Da ist etwas beim Bund, ein Wort, das sich wiederholt, das ›Blut‹«, merkte der Papst an. Dies geht so weit, dass Gott sagt: »Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere ich Rechenschaft, und zwar für das Blut eines jeden von euch. Von jedem Tier fordere ich Rechenschaft und vom Menschen. Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem seiner Brüder«. So ist ersichtlich, unterstrich Franziskus, dass »wir Hüter der Brüder sind, und wenn es zu einem Vergießen von Blut kommt, dann ist da die Sünde, und Gott wird uns zur Rechenschaft ziehen«.
Heute, so der Papst, »gibt es in der Welt Blutvergießen, heute ist die Welt im Krieg: viele Brüder und Schwestern sterben, auch Unschuldige, da die Großen, die Mächtigen ein Stück mehr Land haben wollen, weil sie ein wenig mehr Macht haben wollen oder weil sie mit dem Waffenhandel ein wenig mehr verdienen wollen«. Doch »das Wort des Herrn ist deutlich: ›Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere ich Rechenschaft, das heißt für das Leben, und zwar für das Blut eines jeden von euch. Von jedem Tier fordere ich Rechenschaft und vom Menschen. Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem seiner Brüder‹«. Deshalb »wird der Herr auch von uns – es hat den Anschein, hier in Frieden zu sein – Rechenschaft für das Blut unserer Brüder und Schwestern fordern, die den Krieg erleiden«. Dazu empfahl der Papst die Leitlinien für eine Gewissenserforschung: »Die Frage, die ich heute stellen würde, lautet: wie behüte ich die Taube? Was tue ich, damit der Regenbogen immer eine Führung ist? Was tue ich, damit auf der Welt kein Blut mehr vergossen wird?« Es ist offensichtlich, dass »wir alle darin einbezogen sind: das Gebet für den Frieden ist keine Formalität, die Arbeit für den Frieden ist keine Formalität«. Mehr noch: »Der Krieg beginnt im Herzen des Menschen, er beginnt in den Häusern, in den Familien, unter Freunden und geht dann darüber hinaus, in die ganze Welt.« Erneut unterstrich er die Leitlinien des persönlichen Nachdenkens: »Was tue ich, wenn ich spüre, dass in mein Herz etwas eindringt, das den Frieden zerstören will? In der Familie, bei der Arbeit, im Stadtviertel – sind wir Sämänner des Friedens?«
Das ist eine entscheidende Frage, so der Hinweis des Papstes, denn »der Krieg beginnt hier und er endet dort«. Ja, »die Nachrichten lesen wir in der Zeitung oder sehen sie in den Nachrichtensendungen: heute sterben viele Leute und jener Same des Kriegs, den der Neid, die Eifersucht, die Begierlichkeit in mein Herz pflanzen, ist – wenn er gewachsen und zum Baum geworden ist – derselbe Same der Bombe, die auf ein Krankenhaus, auf eine Schule fällt und Kinder tötet, es ist derselbe!«. Wirklich nämlich »beginnt die Kriegserklärung hier, in einem jeden von uns«. Deshalb ist es wichtig, sich selbst die Frage zu stellen: »Wie bewahre ich den Frieden in meinem Herzen, in meinem Innersten, in meiner Familie? « Denn es geht nicht nur darum, »den Frieden bewahren«, sondern auch darum, »ihn mit den Händen zu schaffen, handwerklich, alle Tage. So wird es uns gelingen, ihn auf der ganzen Welt zu schaffen«.
»Die Taube, der Regenbogen, das Blut« also. Und »es ist nicht notwendig, das Blut der Brüder zu vergießen: nur ein Blut ist ein für alle Mal vergossen worden, es ist dies das Blut, von dem Jesus im Evangelium spricht: ›Der Menschensohn wird getötet werden‹«. Und »es ist das Blut Christi, das den Frieden schafft, nicht aber das Blut, das ich mit meinem Bruder, mit meiner Schwester vergieße oder das die Waffenhändler oder die Mächtigen der Welt in den großen Kriegen vergießen «. Daher, so Franziskus eindringlich, braucht es »die Taube, den Regenbogen, und den Bund des Friedens«. Dazu wollte der Papst eine persönliche Erinnerung teilen, eine »Anekdote, denn es ist dies etwas, dessen Erinnerung mir gut tut: ich war ein Kind, ich war fünf Jahre alt, und ich erinnere mich, die Sirenen der Feuerwehr begannen Alarm zu heulen, dann die Zeitungen und in der Stadt«. Und »das tat man, um die Aufmerksamkeit auf ein Ereignis oder auf eine Tragödie oder auf etwas anderes zu lenken. Und sofort hörte ich, wie die Nachbarin meine Mutter rief: ›Frau Regina, kommen Sie, kommen Sie, kommen Sie!‹ Und meine Mutter ging ein wenig erschrocken hinaus: ›Was ist passiert?‹ Und jene Frau auf der anderen Seite des Gartens sagte zu ihr: ›Der Krieg ist zu Ende!‹, und sie weinte. Und ich habe gesehen, wie sich die beiden Frauen umarmten, küss ten, wie sie zusammen weinten, weil jener Krieg zu Ende war«.
Abschließend betete der Papst: »Der Herr schenke uns die Gnade, sagen zu können: ›Der Krieg ist zu Ende‹ und dabei zu weinen: ›Der Krieg in meinem Herzen ist zu Ende, der Krieg in meiner Familie ist zu Ende, der Krieg in meinem Stadtviertel ist zu Ende, der Krieg am Arbeitsplatz ist zu Ende, zu Ende ist der Krieg auf der Welt‹«. Und so werden »die Taube, der Regenbogen und der Bund« stärker sein.
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