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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Der Kampf des Herzens

Donnerstag, 19. Januar 2017
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 5, 3. Februar 2017)

 

Das Herz eines jeden Christen ist Schauplatz eines »Kampfes«. Jedes Mal, wenn der Vater zu Jesus »führt«, »ist da ein anderer, der uns bekämpft«. Dies unterstrich Papst Franziskus in seiner Predigt bei der Feier der Messe in Santa Marta am Donnerstag, 19. Januar, in der er das Tagesevangelium kommentierte (Mk 3,7-12). Er dachte dabei auch über die Gründe nach, die den Menschen dazu bringen, Jesus nachzufolgen. Und um zu untersuchen, wie diese Nachfolge nie ohne Schwierigkeiten ist, im Gegenteil: würde man nicht jeden Tag mit einer Reihe von Versuchungen kämpfen, sei man der Gefahr einer formalen und ideologischen Religiosität ausgesetzt.

Im Abschnitt aus dem Evangelium, merkte der Papst an, »kommt das Wort ›Menge‹ gut drei Mal vor: viele Menschen von überall her folgen ihm. Scharen von Menschen. Und die Menge warf sich auf ihn, um ihn zu berühren«. Eine »von Begeisterung erhitzte Menge, die Jesus mit Wärme nachfolgte und von überall her kam: aus Tyros und Sidon, aus Idumäa und aus dem Gebiet jenseits des Jordan«. Viele »unternahmen diesen Weg zu Fuß, um zum Herrn zu kommen«. Und angesichts einer derartigen Eindringlichkeit kommt die Frage auf: »Warum kam diese Menschenschar? Warum diese Begeisterung? Was brauchten sie?«. Die von Franziskus suggerierten Gründe können viele sein. »Das Evangelium sagt, dass da Kranke waren, die nach Heilung suchten «. Aber es gab auch viele, die dazugekommen waren, »um ihn zu hören«. Im übrigen »gefiel es diesen Leuten, Jesus zu hören, weil er nicht wie ihre Lehrer sprach, sondern weil er mit Vollmacht sprach. Das rührte ans Herz«. Der Papst betonte: gewiss »handelte es sich um eine Menschenmenge, die spontan kam: sie wurden nicht mit Bussen gebracht, wie wir das oft gesehen haben, wenn eine Demonstration organisiert wird und viele dort hingehen müssen, damit sie ihre Anwesenheit ›bescheinigen‹ können, um dann den Arbeitsplatz nicht zu verlieren«.

Diese Leute also »kamen, weil sie etwas spürten «. Und sie waren derart zahlreich, »dass Jesus um ein Boot bitten und sich ein wenig vom Ufer entfernen musste, damit er von dieser Menge nicht erdrückt wird«. Der wahre Grund aber, jener tiefe: worin bestand er? Für den Papst »erklärt Jesus selbst im Evangelium« diese Art von »sozialem Phänomen« und sagt: »Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater ihn zu mir führt«. Denn, so Franziskus, wenn es klar ist, dass diese Menge zu Jesus ging, weil »sie es brauchte« oder weil »einige neugierig waren«, so finde sich der wahre Grund darin, dass »diese Menschenschar der Vater anzog; es war der Vater, der die Leute zu Jesus führte«. Und Christus »blieb demgegenüber nicht gleichgültig, wie ein starrer Meister, der seine Worte sagte und sich dann die Hände wusch. Nein! Diese Menschenmenge rührte an das Herz Jesu«. Gerade im Evangelium ist zu lesen: »Jesus war gerührt, weil er diese Leute wie Schafe sah, die keinen Hirten haben«. Durch den Heiligen Geist also, erklärte der Papst, »führt der Vater die Leute zu Jesus«. Es ist nutzlos, »alle möglichen Argumentationen zu suchen «. Jeder Grund kann »notwendig« sein, aber »er genügt nicht, um einen Finger zu rühren. Du kannst mit apologetischen Argumenten nichts bewegen, keinen Schritt weiter machen lassen«. Es ist dagegen wirklich notwendig und entscheidend, »dass der Vater dich zu Jesus führt«.

Der entscheidende Denkanstoß für die Betrachtung des Papstes stellte sich ein, als er die letzten Zeilen des kurzen Abschnitts aus dem Evangelium der heutigen Liturgie untersuchte: »Es ist interessant«, merkte er an: während in diesem Abschnitt »von Jesus die Rede ist, von der Menge, von der Begeisterung, auch davon, mit wie viel Liebe Jesus sie empfing und heilte«, findet sich ein etwas ungewöhnlicher Schluss. Denn es steht geschrieben: »Wenn die von unreinen Geistern Besessenen ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und schrien: Du bist der Sohn Gottes«. Gerade dies aber, so der Papst, »ist die Wahrheit; das ist die Wirklichkeit, die ein jeder von uns spürt, wenn er sich Jesus nähert«, das heißt, dass »die unreinen Geister versuchen, es zu verhindern, sie greifen uns an«.

Jemand könnte einwenden: »Aber Pater, ich bin sehr katholisch. Ich gehe immer zur Messe… Doch nie, nie habe ich diese Versuchungen. Gott sei Dank«. Dagegen nein. Die Antwort ist: »Nein! Bete, denn du bist auf dem falschen Weg!« Denn »ein christliches Leben ohne Versuchungen ist nicht christlich: es ist ideologisch, es ist gnostisch, aber nicht christlich«. Es kommt nämlich dazu: »Wenn der Vater die Leute zu Jesus führt, dann ist da ein anderer, der sie in die gegenteilige Richtung zieht und dich in deinem Innern bekämpft!«. Es ist kein Zufall, dass Paulus »vom christlichen Leben als Kampf spricht: ein Kampf aller Tage.  Um zu siegen, um die Herrschaft Satans zu zerstören, die Herrschaft des Bösen«. Gerade dazu, fügte der Papst hinzu, »ist Jesus gekommen, um Satan zu zerstören! Um seinen Einfluss auf unsere Herzen zu zerstören«. Mit dieser Bemerkung am Ende des Abschnitts aus dem Evangelium wird das Wesentliche hervorgehoben: »Es hat den Anschein, dass in dieser Szene« sowohl »Jesus als auch die Menschenmenge verschwinden und allein der Vater und die unreinen Geister bleiben, das heißt der Geist des Bösen. Der Vater, der die Leute zu Jesus führt, und der Geist des Bösen, der danach trachtet, zu zerstören, immer!«.

Der Papst schloss ab: so verstehen wir, dass »das christliche Leben ein Kampf ist«, in dem du dich entweder durch den Vater zu Jesus führen lässt oder in dem du sagen kannst: ›Ich bleibe ruhig, in Frieden‹… Aber in den Händen dieser Leute, dieser unreinen Geister«. Doch »wenn du vorwärtsgehen willst, dann musst du kämpfen! Das Herz spüren, das kämpft, damit Jesus den Sieg davon trage«. Jeder Christ, so die Schlussfolgerung, muss diese Gewissenserforschung durchführen und sich fragen: »Spüre ich diesen Kampf in meinem Herzen?«. Diesen Konflikt »zwischen der Bequemlichkeit oder dem Dienst an den anderen, zwischen meinem kleinen Vergnügen oder dem Gebet und der Anbetung des Vaters, zwischen dem einem und dem anderen?« Spüre ich »das Verlangen, Gutes zu tun«, oder ist da »etwas, das mich festhält – ist das asketisch für mich?« Und weiter: »Glaube ich, dass mein Leben das Herz Jesu rührt? Wenn ich das nicht glaube«, so die Mahnung des Papstes, »dann muss ich viel beten, um es zu glauben, damit mir diese Gnade geschenkt werde«.

 



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