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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Der Große und die Kleinen

Donnerstag, 15. Dezember 2016
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 1, 6. Januar 2017)

 

»Mit apostolischem Mut immer die Wahrheit sagen«; »mit pastoraler Liebe« die Menschen aufnehmen »mit dem Wenigen, das sie geben können «; die Fähigkeit, zu »zweifeln« und die eigene Berufung zu hinterfragen: In diesen Adventstagen, in denen Johannes der Täufer im Mittelpunkt der Liturgie steht, sind dies nützliche Eigenschaften, um den »Spuren des Herrn« zu folgen. Papst Franziskus sprach in der heiligen Messe am 15. Dezember über die Gestalt des Cousins Christi, über »den großen Johannes«, der groß sei, weil »er der Kleinste im Himmelreich ist«.

Alle Menschen seien zu Johannes geströmt, »zu diesem Mann, der in der Wüste lebte«, weil sie »angezogen wurden von seinem Zeugnis«. Aber es habe Unterschiede gegeben: »Auch die Pharisäer und die Schriftgelehrten suchten ihn auf, aber mit innerer Distanz.« Das Evangelium vom Tage (Lk <7, 24-30) betone, dass auch sie anwesend waren. Aber »da sie sich nicht von Johannes taufen ließen – was bedeutet, dass sie nicht mit dem Herzen zuhörten, sondern nur mit den Ohren, um dann über ihn zu urteilen –, haben sie die Pläne vereitelt, die Gott mit ihnen hatte«. Diese innere Distanz sei vergleichbar mit ihrer Distanz auch den Propheten gegenüber: »Sie hörten nicht auf die Propheten, sie folgten ihnen nicht.«

Franziskus verwies anschließend auf die Worte, die Jesus zu den Menschen über Johannes gesagt habe: »Was wolltet ihr sehen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Spektakel? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die vornehm gekleidet sind und im Luxus leben, findet man in den Palästen der Könige« – und »manch einen« auch »in den Bischofsresidenzen«, fügte der Papst hinzu. Die Menschenmenge dagegen habe einen Propheten gesucht, tatsächlich sei er »der letzte der Propheten« gewesen, der »letzte aus jener Schar von Menschen, die sich auf diesen Weg gemacht haben, von unserem Urvater Abraham bis zu jenem Augenblick«. Franziskus empfahl den Anwesenden, das 11. Kapitel des Hebräerbriefs zu lesen, um dies besser zu verstehen.

Der Papst fragte sich: »Worin lag die Größe des Johannes, die ihn predigen ließ und die Menschen anzog?« Vor allem liege sie »in der Treue zu seiner Sendung«: Johannes »war ein Mann, der dem Auftrag treu war, den der Herr ihm erteilt hatte«. Er sei also »groß, weil er treu war«. Und diese Größe habe sich gerade in seiner Verkündigung gezeigt. Denn Johannes habe den Mut aufgebracht, »den Pharisäern, Schriftgelehrten und Priestern schlimme Dinge zu sagen. Er sagte zu ihnen nicht etwa: ›Aber meine Lieben, benehmt euch doch anständig!‹ Nein. Er habe zu ihnen schlicht und einfach gesagt: ›Schlangenbrut!‹« Wer »gekommen war, um zu kontrollieren und zu sehen, aber nie mit offenem Herzen«, dem habe er ohne »Zwischentöne« ins Gesicht gesagt: »Schlangenbrut!« Er habe damit »sein Leben aufs Spiel gesetzt, ja, aber er war treu«. Genauso habe er gegenüber Herodes gehandelt, dem er »ins Gesicht « gesagt habe: »Du Ehebrecher! Es ist nicht rechtens, dass du so lebst, Ehebrecher!«

Der Papst merkte an: »Wenn heutzutage ein Pfarrer in seiner Sonntagspredigt sagen würde: ›Unter euch sind einige, die zur Schlangenbrut gehören, und es sind auch viele Ehebrecher anwesend‹ «, dann würde sein Bischof »entsetzte Briefe bekommen: ›Schicken Sie diesen Pfarrer weg, der uns beschimpft!‹« In Wirklichkeit hätte Johannes harte, fast beleidigende Worte gebraucht, weil er »seiner Sendung und der Wahrheit treu war«. Ganz anders sei sein Verhalten den Menschen gegenüber gewesen, denen er »sehr viel Verständnis entgegenbrachte«. Wer ihn gefragt hätte: »Was müssen wir tun, um uns zu bekehren? «, dem habe er ganz einfach geantwortet: »Wer zu essen hat, soll dem geben, der nichts hat.

Wer zwei Gewänder hat, der gebe eins davon dem, der keines hat.« Das bedeute, dass er »beim Kleinen anfing«, dass er sich wie ein wahrer Hirte verhalten habe: »ein großer Prophet und ein Hirte«. So habe er »den Zöllnern, die öffentliche Sünder waren, weil sie das Volk ausbeuteten«, vorgeschlagen: »Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!« Er habe mit einem »kleinen Schritt« angefangen und sie getauft. Johannes sei »konkret, aber maßvoll« gewesen und habe »nur einen kleinen Schritt« verlangt, um »all diese Sünder« zu taufen. »Denn er wusste, dass nach diesem Schritt der Herr den Rest tun würde.« Und sie »bekehrten sich«.

Da sei aber noch mehr gewesen. Dieser »große Prophet«, der einzige, dem die Gnade zuteil geworden sei, Jesus zu verkünden; dieser »Hirte, der die Situation der Menschen verstand und ihnen half, mit dem Herrn voranzugehen« habe »auch dunkle Momente gekannt. Er hatte Zweifel«, obwohl er »groß, stark und seiner Berufung sicher war«. Das stehe im Evangelium, wo erklärt werde, dass Johannes »im Gefängnis zu zweifeln begann«. Denn, so Franziskus weiter, in den Augen des Johannes habe Jesus »nicht dem Bild des Erlösers entsprochen, das er sich gemacht hatte. Und vielleicht hat ihm jemand eingeflüstert: ›Er ist es nicht! Sieh, dies und das tut er nicht…‹ Und im Gefängnis zweifelte der Große, der sich seiner Berufung sicher war, voller Angst.« Im Übrigen »können sich die Großen erlauben zu zweifeln, weil sie groß sind«. Jesus selbst habe dem Täufer eine erklärende Antwort gegeben »mit denselben Worten wie in der Synagoge von Nazaret: ›Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.‹«

Wie Jesus den Armen die frohe Botschaft verkündet habe, so habe das auch »Johannes in seiner Predigt getan, gegenüber den Soldaten, der Menge, den Sündern«. Dennoch »begann er im Gefängnis zu zweifeln«. Der Papst unterstrich erneut: Dass »die Großen sich erlauben können zu zweifeln« sei ein »schöner« Aspekt. Denn »sie sind sich ihrer Berufung sicher. Aber jedes Mal, wenn der Herr ihnen einen neuen Weg zeigt, dann kommen ihnen Zweifel«: »Aber er ist nicht rechtgläubig. Er ist ein Häretiker. Das ist nicht der Messias, den ich erwartet habe… Der Teufel tut diese Arbeit und zuweilen helfen ihm auch ein paar Freunde, nicht wahr?« Gerade darin liege »die Größe des Johannes: der letzte jener Schar von Gläubigen, die mit Abraham begonnen hat; der in seiner Predigt zur Umkehr aufgerufen hat; der ohne Umschweife die Hochmütigen verurteilt hat; der sich an seinem Lebensende Zweifel erlaubt«. Franziskus sagte abschließend: »Das ist ein schönes Programm christlichen Lebens.« Er lud alle ein, von Johannes »die Gnade des apostolischen Mutes« zu erbitten, »um die Dinge immer beim wahren Namen zu nennen«, und ebenso die Gnade »der pastoralen Liebe«, nämlich »die Menschen anzunehmen mit dem Wenigen, das sie geben können: den ersten Schritt«. Auch die »Gnade des Zweifelns« solle man erbitten, denn es könne geschehen, dass »man sich am Ende seines Lebens« frage: »Ist das alles wahr, was ich geglaubt habe, oder ist es nur Phantasie?«, das sei die »Versuchung gegen den Glauben, gegen den Herrn«. Da sei es wichtig, dass »der große Johannes, der der Kleinste im Himmelreich und deswegen groß ist, uns auf diesem Weg auf den Spuren des Herrn beisteht«.



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