PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Die Kraft der Unmündigen
Dienstag, 29. November 2016
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 50, 16. Dezember 2016)
Um dem Herrn zu begegnen, »der kommt und kommen wird«, muss man »große Herzen, aber die Einstellung der Unmündigen« haben und mit der »Freude der Demütigen« vorangehen, denen bewusst ist, dass Gott sie immer sieht. Das ist der Lebensstil, der von jedem Christen erwartet wird. So lautete das Thema, über das Papst Franziskus in der Predigt sprach, die er am Dienstag, 29. November, bei der heiligen Messe in Santa Marta hielt und in der er sich mit der »Demut« auseinandersetzte.
Der Papst, der den roten Faden der Meditation des Vortags wieder aufnahm, in der hervorgehoben worden war, dass der »Weg« der Adventszeit sich durch »drei Verhaltensweisen« auszeichnen solle: »bereit sein, zu wachen und zu beten, eifrig zu sein in der Liebe und voller Freude beim Lobgesang«, verweilte beim dem Lukasevangelium (10, 21-24) entnommenen Bild Jesu, der »voll Freude in einen Lobpreis des Vaters ausbrach«.
Was ist der Grund für diese Freude Jesu? »Dass der Herr den Unmündigen die Geheimnisse des Heils offenbart, das Geheimnis seiner selbst«, so betonte Franziskus: »Den Unmündigen, nicht den Weisen und Klugen: den Unmündigen«. Tatsächlich bevorzuge der Herr »die Unmündigen, um das Geheimnis des Heils in ihre Herzen zu säen«, weil »die Unmündigen dazu in der Lage sind, zu verstehen, wie dieses Geheimnis geartet ist«. Das bestätige auch die Erste Lesung zum Tage, die dem Buch des Propheten Jesaja (11, 1-10) entnommen war und wo sich, wie der Papst anmerkte, viele »kleine Dinge« fänden, viele »kleine Details, die uns verdeutlichen, dass die Verheißung des Friedens, die Gott seinem Volk macht, der Erlösung, die Verheißung, es stets zu retten, immer auf diesem Weg geht«. So lese man, dass »an jenem Tag ein Spross aus der Wurzel Isais« sprießen werde: Der Prophet »sagt nicht: ›Ein Heer wird kommen und dir die Freiheit schenken‹, sondern er spricht von »einem kleinen Spross«, etwas sehr kleinem«. Und der Papst fügte hinzu: »An Weihnachten werden wir diese Kleinheit, diese kleine Sache sehen: Ein Kind, einen Stall, eine Mama, einen Papa…« Die Hauptsache sei, »große Herzen, aber die Einstellung der Unmündigen« zu haben. So »wird der Geist des Herrn, der Heilige Geist, sich auf diesem Spross niederlassen«. Und dieser Spross, so erläuterte Franziskus, werde »über diese Tugend« verfügen, die den Unmündigen zu eigen ist, also »die Gottesfurcht«. Er »wird in Furcht vor dem Herrn gehen«. Aber Vorsicht, so spezifizierte er sogleich: Gottesfurcht bedeute nicht etwa »Angst«. Es heiße vielmehr, »das Gebot, das Gott unserem Vater Abraham gegeben hat: ›Geh neben mir und sei untadelig‹, in unser Leben zu bringen«. Und das alles bedeute »Demut.
Gottesfurcht ist Demut«. Eben deshalb »sind nur die Unmündigen fähig, den eigentlichen Sinn der Demut, den Sinn der Gottesfurcht voll und ganz zu verstehen, weil sie vor dem Herrn schreiten, immer«: in der Tat »fühlen sie sich vom Herrn beobachtet, behütet; sie spüren, dass der Herr an ihrer Seite ist, dass er ihnen die Kraft schenkt, um weiterzugehen«.
Die Unmündigen, so fuhr der Papst fort, verstehen, dass sie »der kleine Spross eines sehr großen Stammes« seien, ein Spross, über den »der Heilige Geist kommt«. So verkörperten sie »die christliche Demut«, die sie dazu bringe, zu sagen: »Du bist Gott, ich bin ein Mensch, so gehe ich voran, mit den kleinen Dingen des Lebens, aber so, dass ich in deiner Gegenwart gehe und mich bemühe, untadelig zu sein.«
Das sei »die wahre Demut«, nicht etwa »die ein wenig theatralische Demut«, jene Demut, die von dem gezeigt wurde, »der sagte: ›Ich bin demütig, aber stolz darauf, es zu sein‹«. Die Demut des Unmündigen, das war dem Papst wichtig, sei die jenes Menschen, der »in der Gegenwart Jesu geht, nicht schlecht über andere Menschen spricht, nur auf seinen Dienst schaut und sich als der Allerkleinste fühlt… Gerade da ist die Kraft«. Ein eindeutiges Beispiel dafür, so fügte er hinzu, hätten wir, wenn wir an Nazareth dächten: »Um seinen Sohn zu schicken, sieht Gott ein demütiges, sehr demütiges Mädchen an, das sich sogleich auf den Weg macht, das eine Reise antritt, um seiner Cousine beizustehen, die Hilfe brauchte, und das nichts von dem sagt, was geschehen war.« So sei die Demut: »In seiner Gegenwart gehen, glücklich, voller Freude, weil das die Freude der Demütigen ist: Vom Herrn angesehen zu werden«. Um uns diese Einstellung des freudigen Lobpreises zu eigen zu machen, von der im Tagesevangelium im Zusammenhang mit Jesus die Rede ist, sei es »wichtig, sehr demütig zu sein« und sich stets zu erinnern, dass »die Demut eine Gabe ist, eine Gabe des Heiligen Geistes.«
Sie sei das, was wir »die Gabe der Gottesfurcht« nennen. Eine Gabe, so schloss der Papst, um die man den Herrn bitten müsse: »Wenn wir Jesus anschauen, der von Freude erfüllt ist, weil Gott den Unmündigen sein Geheimnis offenbart, können wir für uns alle um die Gnade der Demut bitten, die Gnade der Gottesfurcht, jene, in seiner Gegenwart zu gehen, während wir uns darum bemühen, untadelig zu sein«. Eine Gabe, die uns helfe, »bereit zu sein, zu wachen und zu beten, eifrig zu sein in der Liebe und voller Freude beim Lobgesang«.
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