PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Was die Lauen denken
Dienstag, 15. November 2016
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 48, 2. Dezember 2016)
Die Begegnung mit dem Herrn, »der zurechtweist, weil er liebt« stand am 15. November im Mittelpunkt der Predigt von Papst Franziskus. Dies legten die liturgischen Texte nahe, die das Bild Jesu wachriefen, »der vor uns steht« und uns »zurechtweist, weil er uns liebt oder um uns einzuladen oder sich einladen zu lassen«. Die Zurechtweisung stammt aus dem Buch der Offenbarung (3,1-6.14-22) und ist an die Christen von Laodizea gerichtet. Es handle sich um »das Beispiel einer Gemeinde«, sei aber »überall« zu finden. Man könne es auf all »jene Christen anwenden, die weder heiß noch kalt sind: sie sind lau. Sie sind immer ruhig und zufrieden wie stille Wasser.« Den Herrn, der sie zurechtweist, fragen sie: »Aber warum tadelst du mich, Herr? Ich bin nicht böse.«
Der Papst merkte an: »Wärst du nur böse! Dies hier ist schlimmer. Du bist tot.« Der Herr gebrauche in der Tat harte Worte: »Weil du ein so stilles Wasser bist, das sich nicht bewegt, weil du lau bist, will ich dich aus meinem Mund ausspeien.« Das sei die Situation, wenn Lauheit »die Kirche, eine Gemeinschaft, eine christliche Familie ergreift « und man sagten hört: »Nein, nein, alles ruhig. Hier ist alles in Ordnung. Wir sind gläubig. Wir tun die Dinge, wie es sich gehört.« Das heiße, wenn alles »steif« ist und »keinen Bestand« hat, »weil es sich beim ersten Regen auflöst«. Was aber »denkt jemand, der lau ist«, um eine solche Härte zu verdienen?, fragte Franziskus. Die Antwort sei im Abschnitt aus der Heiligen Schrift zu finden: Dieser Jemand »denkt, er sei reich« und ist deshalb ganz ruhig: »Ich bin reich und wohlhabend, und nichts fehlt mir.« Das heiße, dass er Opfer »jener Ruhe ist, die täuscht«.
Der Papst warnte: »Wenn in der Seele einer Gemeinde, einer Familie, einer Gemeinschaft, eines Menschen immer vollkommene Ruhe herrscht, dann ist Gott nicht dort. Passen wir auf, dass wir nicht so den Weg des christlichen Lebens gehen!« Denn, so Franziskus mit den Worten aus dem Buch der Offenbarung: »Du sagst: ›Ich bin reich‹«, aber: »Weißt du nicht, dass das dein Unglück ist? Dass du ein elender, blinder und nackter Armer bist?« Das seien »drei schallende Ohrfeigen, um jene laue, in der angenehmen Lauheit eingeschlummerte Seele aufzuwecken«. Und dem, der sich beschwere: »Aber ich tue doch niemandem etwas, ich bin ganz ruhig«, könne man entgegnen: »Aber du tust auch nichts Gutes!« Die Antwort des Herrn sei hart und scheine fast »eine Beschimpfung zu sein«. Aber er »tut dies aus Liebe«. Denn kurz darauf sei zu lesen: »Wen ich liebe, den weise ich zurecht und nehme ihn in Zucht.« Es schließe sich auch ein Rat an, und zwar: »Kaufe von mir Gold, das im Feuer geläutert ist, damit du reich wirst!« Das bedeute, einen anderen Reichtum zu entdecken, »den Reichtum, den ich dir geben kann. Nicht jenen Reichtum der Seele, den du zu haben glaubst, weil du gut bist, weil du alles tust, wie es sich gehört, alles ganz ruhig ist.« Sondern »einen anderen Reichtum, der von Gott kommt und der immer ein Kreuz beinhaltet, immer Sturm mit sich bringt, immer eine gewisse Unruhe in die Seele bringt«.
Es schließe sich ein weiterer Rat an: »Kaufe von mir weiße Kleider, und zieh sie an, damit du nicht nackt dastehst und dich schämen musst!« Im Übrigen bemerkten »die Lauen nicht, dass sie nackt sind, wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, wo ein Kind sagt: ›Aber der Kaiser ist doch nackt!‹ « Der Herr schlage sogar vor, »eine Salbe für die Augen zu kaufen, um wieder sehen zu können«. Denn die Lauen »verlieren die Fähigkeit des Betrachtens, die Fähigkeit, Gottes große und schöne Dinge zu sehen«. Der Herr stehe also vor dem Lauen und sage zu ihm: »Wach auf, bessere dich!« Das tue er, »um uns zu helfen, damit wir uns bekehren«. Aber Gott, so fuhr der Papst fort, ist auch »in anderer Weise gegenwärtig: Er ist im Begriff, uns einzuladen. « Denn in der Offenbarung sei weiter zu lesen: »Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.« Das sei wichtig: »Jene Fähigkeit, zu hören, wenn der Herr an unsere Tür klopft, weil er uns etwas Gutes geben will, weil er bei uns eintreten will.« Leider gebe es Christen, »die nicht merken, wenn der Herr anklopft. Jedes Geräusch ist für sie gleich.« Und sie bemerkten den Herrn nicht, der anklopfe und sage: »Ich bin es, habe keine Angst. Ich möchte eintreten, bei dir sein, Mahl halten mit dir, das heißt, ein Fest feiern, dich trösten.
Das ist nicht der Trost der Lauheit, der zu nichts gut ist. Sondern es ist der Trost der Fruchtbarkeit, der dich weitergehen lässt und bewirkt, dass du den anderen Leben schenkst. Öffne mir!« Schließlich wolle der Herr sich auch »einladen lassen«. Wie in der Begebenheit mit Zachäus aus dem Lukasevangelium (19,1-10): Der oberste Zollpächter von Jericho »spürt jene Neugier, eine Neugier, die von der Gnade kommt« und »vom Heiligen Geist gesät worden ist«, der ihm den Wunsch eingegeben habe: »Ich will den Herrn sehen.« Die Initiative »kommt vom Heiligen Geist«. Daher »schaut der Herr hinauf und sagt: ›Komm, lade mich in dein Haus ein!‹« Demnach sei Gott »immer da, voller Liebe: entweder um uns zu korrigieren oder um uns zum Mahl einzuladen oder um sich einladen zu lassen. Er ist da, um uns zu sagen: ›Wach auf!‹ Er ist da, um uns zu sagen: ›Öffne mir!‹ Er ist da, um uns zu sagen: ›Steig herab!‹ Aber immer ist er es.« Abschließend bat der Papst, jeder Christ möge sich fragen: »Weiß ich in meinem Herzen zu unterscheiden, wenn der Herr mir sagt: ›Wach auf!"‹? Wenn er zu mir sagt: ›Öffne mir!‹? Und wenn er zu mir sagt: Steig herab!‹?
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