PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Die Klage eines Vaters und einer Mutter
Donnerstag, 27. Oktober 2016
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 46, 28. November 2016)
Gott weint auch heute die Tränen eines Vaters und einer Mutter angesichts der Katastrophen, der Kriege, die geführt werden, um den Gott Mammon anzubeten, angesichts der zahlreichen Unschuldigen, die unter dem Bombenhagel sterben, angesichts einer Menschheit, die den Frieden nicht zu wollen scheint. Franziskus rief in der Frühmesse, die er am Donnerstag, 27. Oktober, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte, nachdrücklich zur Umkehr auf. Eine Aufforderung, die der Papst damit begründete, dass Gott gerade deshalb Mensch geworden sei, um mit seinen Kindern und um seine Kinder zu weinen.
Im Tagesevangelium nach Lukas (13,31-35) habe es den Anschein, so der Papst, »dass Jesusdie Geduld verliere und auch heftige Worte spreche: es ist zwar keine Beleidigung, aber man macht einem Menschen kein Kompliment, wenn man ihn als ›Fuchs‹ bezeichnet«. Um präzise zu sein: er sage zu den Pharisäern, die ihn vor Herodes gewarnt hätten: »Geht und sagt diesem Fuchs…« Aber bereits »bei anderen Gelegenheiten bediente sich Jesus harter Worte«: so habe er beispielsweise von »dieser bösen und treulosen Generation« gesprochen. Und er habe die Jünger »hartherzig« und »töricht« genannt. Lukas zitiere die Worte, mit denen Jesus eine regelrechte »Zusammenfassung dessen macht, was geschehen wird: ›Ich muss weiterwandern; denn ein Prophet darf nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen. « Der Herr sage praktisch, »was geschehen wird, er bereitet sich auf den Tod vor«. Aber »gleich im Anschluss schlägt Jesus andere Töne an«, so betonte Franziskus. »Nach diesem so heftigen Ausbruch« wechsle er in der Tat »die Tonart und wendet sich der Stadt Jerusalem zu: ›Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind!‹« Er meine »das verrammelte Jerusalem, das nicht immer die Boten des Vaters vorgelassen hat«. Und »das Herz Jesu beginnt, voller Zärtlichkeit zu sprechen: ›Jerusalem, wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt!‹« Hier sähen wir »die Zärtlichkeit Gottes, die Zärtlichkeit Jesu«. An jenem Tag habe er »über Jerusalem geweint«. Aber »diese Wehklage Jesu«, so erläuterte der Papst, »ist etwas anderes als die Klage des Freundes vor dem Grab des Lazarus. Das war die Klage eines Freundes angesichts des Todes des anderen «, das hier hingegen »ist die Klage eines Vaters, der weint, es ist Gott Vater, der hier in der Person Jesu weint«.
»Irgendjemand hat gesagt, dass Gott Mensch geworden sei, um das beweinen zu können, was seine Kinder getan haben«, so bekräftigte der Papst. Und so »ist die Klage vor dem Grab des Lazarus die Klage eines Freundes«. Das aber, was bei Lukas berichtet werde, »ist die Klage des Vaters«. In diesem Zusammenhang zitierte Franziskus wieder das Verhalten »des Vaters des Verlorenen Sohnes, als ihn sein jüngerer Sohn um sein Erbe bat und von dannen zog«. Und »dieser Vater ist sicherlich nicht zu seinen Nachbarn gegangenum zu sagen: ›Da schaut, was mir passiert ist, was dieser elende Schuft mir angetan hat, ich verfluche diesen Sohn!‹ Nein, das hat er nicht getan.« Dagegen, so der Papst, »bin ich mir sicher«, dass dieser Vater »hingegangen ist und für sich allein geweint hat«. Es sei schon wahr, das Evangelium erwähne dieses Detail nicht, so fuhr Franziskus fort, aber es berichte, »dass der Sohn bei seiner Rückkehr schon von weitem den Vater gesehen hat: das will besagen, dass der Vater andauernd auf die Terrasse stieg, um auf die Straße zu schauen, um zu sehen, ob der Sohn zurückkam«. Und »ein Vater, der das tut, ist ein Vater, der für seine Trauer lebt, während er darauf wartet, dass der Sohn zurückkommt«. Gerade das sei »die Klage Gottvaters; und durch diese Klage erschafft der Vater in seinem Sohn die ganze Schöpfung neu«.
»Als Jesus mit dem Kreuz den Kalvarienberg hinaufging«, so erinnerte der Papst, »da weinten die frommen Frauen und er sagte zu ihnen: ›Weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder‹«. Es sei »die Klage eines Vaters und einer Mutter, die Gott bis in unsere Tage anstimmt: auch heute, angesichts der Katastrophen, angesichts der Kriege, die geführt werden, um den Gott Mammon anzubeten, angesichts der zahlreichen Unschuldigen, die unter den Bomben sterben, die die Götzendiener des Gottes Mammon abwerfen«. Und so »weint der Vater auch heute, er sagt auch heute: ›Jerusalem, Jerusalem, oh meine Kinder, was tut ihr?‹« Und »er sagt das zu den armen Opfern und auch zu den Waffenhändlern und all denen, die das Leben der Menschen feilhalten«.
Abschließend forderte Franziskus dazu auf, »zu denken, dass Gott Mensch geworden ist, um weinen zu können. Und es wird uns gut tun, daran zu denken, dass Gott, unser Vater, heute weint: er weint um diese Menschheit, die es nicht fertigbringt, den Frieden zu verstehen, den er uns anbietet, den Frieden der Liebe«.
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