PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Das Bedürfnis, Karriere zu machen
Dienstag, 17. Mai 2016
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 22, 3. Juni 2016
Es gibt eine »Versuchung«, die »die Kirche spaltet und zerstört«: den »weltlichen Hunger nach Macht«, den Neid und den Wunsch, »weiter nach oben zu kommen«. Das sagte Papst Franziskus während der Messe, die er am Dienstag, 17. Mai, in Santa Marta feierte. Er erläuterte, dass diese Versuchung einer »weltlichen Denkart« entspreche, wogegen Jesus »von Dienst, von Selbsterniedrigung« spreche.
Die ganze Predigt des Papstes, die sich mit dem Tagesevangelium aus dem Markusevangelium (9, 30-37) auseinandersetzte, fußte auf der Gegenüberstellung dieser beiden »Sprechweisen «. Franziskus erläuterte, dass die Heilige Schrift Jesus zeige, wie er »seine Jünger lehrt« und ihnen, indem er ihnen »die Wahrheit über sein Leben« sage – sein Leben, aber »auch das Leben der Christen, die ›nackte‹Wahrheit« –, offenbare: »Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.«
Konfrontiert mit dieser Wahrheit – »Ich bin gekommen, diese Aufgabe zu erfüllen, um diesen Auftrag auszuführen: mein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele« – verstehen die Jünger den Sinn seiner Worte nicht. Ja, »sie wollten nicht verstehen «, und aus »Scheu, ihn zu fragen«, hätten sie beschlossen, das Thema fallen zu lassen, als wollten sie sagen: »die Dinge werden sich schon von alleine einrenken«. Der Papst erläuterte: »Die Scheu verschloss ihr Herz, sie verschloss ihr Herz der Wahrheit gegenüber, die Jesus sie lehrte«. Die biblische Erzählung gehe weiter und man lese, dass die Jünger »ihren Weg fortsetzten, aber keineswegs schweigend«: die Jünger »setzten ihre Unterhaltung fort«. Nach ihrer Ankunft in Kafarnaum frage sie Jesus: »Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?« Keiner habe geantwortet. In der Tat hätten sie »sich geniert, Jesus zu sagen, worüber sie diskutiert hatten. Tatsächlich hatten sie unterwegs darüber diskutiert, wer von ihnen der Größte sei.«
Somit hätten wir hier die Gegenüberstellung: »Jesus bedient sich einer Sprache der Demut, des Todes, der Erlösung, sie hingegen sprechen die Sprache von Emporkömmlingen: Wer wird die höchsten Sprossen der Machtleiter erklimmen?« Das, so sagte Franziskus, sei eine Versuchung, der sie ausgesetzt gewesen wären – »sie waren von der weltlichen Denkweise versucht« – aber »sie sind nicht die einzigen«. Auch die Mutter des Jakobus und des Johannes, so erinnerte der Papst, sei zu Jesus gegangen – diese Begebenheit könne im Matthäusevangelium (20, 20-21) nachgelesen werden –, um »ihn darum zu bitten, dass ihre Söhne in seinem Reich rechts und links neben ihm sitzen dürften«. Ganz so, als ob man heute bitte: »einer möge Ministerpräsident werden und der andere Wirtschaftsminister«, um sich »alle Macht« zu teilen. Tatsächlich sei gerade das »die Denkweise der Welt: wer ist der Größte?« Daher nehme Jesus sich die Mühe, die Zwölf zu rufen und ihnen zu sagen: »Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.« Die Lehre, die Jesus seinen Jüngern erteile, gelte für alle Menschen: »Auf dem Weg, den Jesus uns weist, damit wir ihn gehen«, sagte Franziskus, »ist der Dienst die Regel. Der größte von allen ist der, der am meisten dient, derjenige, der den anderen am meisten dient, nicht der, der sich rühmt, der nach Macht, Geld, Eitelkeit und Stolz strebt«. Eine Lehre, die deshalb vonnöten sei, wie der Papst anmerkte, weil das »eine Geschichte ist, die sich Tag für Tag in der Kirche bzw. in jeder Gemeinschaft abspielt«, wo man sich oft frage: »Aber wer von uns ist der Größte? Wer hat das Sagen? « Da kämen »Ambitionen« zum Vorschein, der »Wunsch, Karriere zu machen, die Macht zu übernehmen«.
Mit diesem Thema befasse sich auch die dem Jakobusbrief (4,1-10) entnommene Erste Lesung, wo der Apostel schreibe: »Brüder! Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten?« Und er fahre fort: »Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern«, also »von eurem Machthunger, vom Wunsch, herumzukommandieren, zu herrschen«. Jakobus klage an: »Ihr begehrt«, wobei er auf ihren Neid und ihre Eifersucht anspiele. Und er füge dem noch hinzu: »Ihr erhaltet nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt doch nichts, weil ihr in böser Absicht bittet.«
An diesem Punkt forderte der Papst dazu auf, den folgenden Abschnitt aufmerksam abzuwägen, »um darüber nachzudenken, wie schlecht wir beten«. Tatsächlich erkläre der Apostel seinen Gesprächspartnern: »Ihr bittet und empfangt doch nichts, weil ihr in böser Absicht bittet, um es in eurer Leidenschaft zu verschwenden«. Und er lege noch nach: »wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist?« Gerade hier, so erläuterte der Papst, komme man »zum Kernstück dieses Abschnitts« wie auch der Botschaft, die heute an die Kirche gerichtet werde.
Das Fazit sei in der bereits vorgeführten Gegenüberstellung enthalten: »Jesus bedient sich einer Sprache des Dienstes, der Demütigung, ja er sagt: ›Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen‹ «. Die »Sprache der Welt« hingegen laute: »Wer hat die meiste Macht, zu kommandieren?« Und diese weltliche Sprache sei der Feind Gottes. Wenn es nämlich, so fuhr Franziskus fort, »Eitelkeit «, den »weltlichen Wunsch, Macht zu haben, nicht zu dienen, sondern bedient zu werden« gäbe, dann bediene man sich aller zur Verfügung stehenden Mittel. Da sei beispielsweise »der Tratsch«, das »Beschmutzen der anderen«. »Wir alle wissen«, setzte er hinzu, dass »der Neid und die Eifersucht diesen Weg einschlagen und zerstörend wirken«.
All das, so sagte der Papst voller Bitterkeit, »geschieht heutzutage in jeder einzelnen Institution der Kirche: in den Pfarreien, in den Kollegien, in anderen Institutionen, auch in den Bistümern überall«. Das also seien »die beiden Sprechweisen «: auf der einen Seite »der Geist der Welt, der ein Geist des Reichtums, der Eitelkeit und des Stolzes ist«: auf der anderen Seite hingegen Jesus, der sage: »Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten«. Er »ist gekommen, um zu dienen und hat uns den Weg des christlichen Lebens gewiesen: den Dienst, die Demut.« Im Übrigen, erläuterte Franziskus, »als die großen Heiligen sagten, sie hätten sich als große Sünder gefühlt, so deshalb, weil sie diesen Geist der Welt erkannt hatten, der in ihnen war, und sie waren vielen weltlichen Versuchungen ausgesetzt.« Tatsächlich »kann niemand von uns sagen: ›Nein, ich nicht, ich nicht… ich bin ein heiliger, ein reiner Mensch‹. Wir alle sind durch diese Dinge versucht, wir sind versucht, den anderen fertigzumachen, um selber aufzusteigen.« Das sei eine »weltliche Versuchung«, die »die Kirche spaltet und zerstört«, und mit Sicherheit nicht »der Geist Jesu«.
Zum Abschluss seiner Reflexionen sagte der Papst, dass es uns, wenn wir uns die eben vernommene Szene aus der Bibel vor Augen hielten, »gut tut, über die vielen Male nachzusinnen, an denen wir das in der Kirche gesehen haben und an die vielen Male, an denen wir das getan haben, und den Herrn zu bitten, dass er uns erleuchte, damit wir verstehen lernen, dass die Liebe zur Welt, also zu diesem weltlichen Geist, der Feind Gottes ist«.
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