PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Jugendliche, die für etwas "brennen"
Dienstag, 10. Mai 2016
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 20, 20. Mai 2016
»Das Leben ›verbrennen‹ für edle Anliegen«: eine Chance für die Jugendlichen von heute, die – eingetaucht in eine »Konsumkultur« und »Narzissmus « – häufig unzufrieden und wenig glücklich sind. In der heiligen Messe am 10. Mai stand das Zeugnis der Missionare – »der Ruhm unserer Kirche« – im Mittelpunkt der Überlegungen der Papstes, der sie den jungen Menschen als Vorbild vor Augen stellte.
Der Papst ging in seiner Predigt von der ersten Lesung aus, einem Abschnitt aus der Apostelgeschichte (Apg 20, 17-27), in dem von einer Begebenheit berichtet wird, die »wir den ›Abschied‹ eines Apostels nennen könnten«, so Franziskus. Es handele sich um die Stelle, wo »Paulus die Ältesten der Gemeinde von Ephesus nach Milet kommen lässt und ihnen sagt, dass er sie nicht mehr sehen wird, weil er aufbrechen muss, da der Heilige Geist ihn zwingt, nach Jerusalem zu gehen«. Bei genauerer Betrachtung des Textes werde deutlich, dass der Apostel zunächst »eine Gewissenserforschung « hält: »Ihr wisst, wie ich mich vom ersten Tag an unter euch verhalten habe.« Es sei eine Gewissensprüfung, bei der Paulus »erzählt, wie er sich verhalten hat«, und zunächst scheine es, »als rühme er sich ein wenig«. Aber in Wirklichkeit »ist das nicht so«, denn er füge sogar selbst hinzu: »Es war der Heilige Geist, der mich dazu geführt hat.« Dann fahre der Apostel fort: »Nun ziehe ich, gebunden durch den Geist, nach Jerusalem. Der Heilige Geist hat mich hierhin gesandt, um Jesus zu verkünden, und jetzt ruft er mich, nach Jerusalem zu gehen.« Das heißt nach der Gewissenserforschung tauche noch ein weiteres Element auf: die »Fügsamkeit« gegenüber dem Heiligen Geist. Es sei ein Abschied, bei dem Paulus »beim Rückblick auf das, was der Herr mit ihm vollbracht hat«, sowohl »Wehmut« zum Ausdruck bringe als auch »ein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber dem Herrn«.
Papst Franziskus merkte an, dass dieser Abschnitt der Heiligen Schrift an den »schönen literarischen Text des Spaniers Pemán« erinnere, in dem zu lesen sei, wie »der heilige Franz Xaver sich vor den Küsten Chinas vom Leben verabschiedet. Auch er erforscht sein Gewissen: ganz allein, vor Gott.« Zum Text aus der Apostelgeschichte zurückkehrend wies der Papst darauf hin, dass auch die anschließenden Worte sehr bedeutsam seien, denn man könne sich fragen: »Was erwartet Paulus?« Der Apostel schreibe, dass »er nach Jerusalem geht, ohne zu wissen, ›was dort mit mir geschehen wird‹«. Wie ein Missionar, der aufbreche, »ohne zu wissen, was ihn erwartet«. Allein einer Sache sei er sich sicher: »Nur das bezeugt mir der Heilige Geist von Stadt zu Stadt, dass Fesseln und Drangsale auf mich warten.« Franziskus kommentierte: Auch »der Missionar weiß, dass das Leben nicht leicht sein wird, aber er geht voran«.
Schließlich füge Paulus »eine weitere Wahrheit« hinzu, »die die Ältesten von Ephesus zum Weinen bringt: ›Nun aber weiß ich, dass ihr mich nicht mehr von Angesicht sehen werdet. Aber wir sehen uns hier.‹« Dann »gibt er einige Ratschläge. Sie begleiten ihn bis zum Schiff, und am Ufer werfen sie sich ihm an den Hals, weinen… Und so verabschiedet er sich« in der Stadt Milet von der Gemeinde von Ephesus.
»Das Ende des Apostels ist das Ende der Missionare «, fügte er Papst hinzu und erläuterte: »Ich glaube, dass dieser Abschnitt das Leben unserer Missionare« beschreibt, »so vieler junger Menschen, Männer und Frauen, die ihre Heimat, ihre Familie verlassen haben und weit weg gegangen sind, in andere Kontinente, um Jesus Christus zu verkünden«. Auch sie »gingen gezwungen‹ vom Heiligen Geist«, es war ihre »Berufung«. Und wenn wir heute an jenen Orten »auf die Friedhöfe « gehen und »ihre Grabsteine betrachten«, dann sehen wir, dass »viele schon jung gestorben sind, mit weniger als vierzig Jahren«, häufig weil sie nicht darauf vorbereitet gewesen seien, die örtlichen Krankheiten zu ertragen. So verstünden wir, dass diese Jugendlichen »ihr Leben gegeben haben«, sie »haben ihr Leben ›verbrannt‹«. »Ich denke, dass sie in jenem letzten Augenblick, weit entfernt von ihrer Heimat, ihrer Familie, ihren Lieben, gesagt haben: ›Es hat sich gelohnt, das zu tun, was ich getan habe‹«, so Franziskus.
Der Papst erinnerte an diese jungen Menschen, »die Helden der Evangelisierung unserer Zeit«, und verwies auch auf die Tatsache, dass Europa andere Kontinente mit Missionaren erfüllt habe, die aufgebrochen seien, ohne jemals zurückzukehren, und die wahrscheinlich in ihrer »letzten Stunde«, bei ihrem »Abschied« wie der heilige Franz Xaver gesagt hätten: »Ich habe alles verlassen, aber das war es wert!« Franziskus unterstrich: »Ich denke, es ist richtig, dass wir dem Herrn für ihr Zeugnis danken.« Einige sind »in der Anonymität« gestorben, andere als »Märtyrer, das heißt, indem sie ihr Leben für das Evangelium hingegeben haben«: »Diese Missionare sind unser Ruhm! Der Ruhm unserer Kirche!« Angesichts dieser Vorbilder richtete der Papst einen Gedanken »an die Jungen und Mädchen der heutigen Zeit«, die sich häufig in der »Kultur des Konsumismus, des Narzissmus« nicht wohlfühlen: »Richtet euren Blick auf den Horizont! Blickt dorthin, blickt auf diese unsere Missionare! « Dafür müsse man den »Heiligen Geist anrufen, dass er sie innerlich drängt in die Ferne zu gehen und ihr Leben zu ›verbrennen‹«. Franziskus fügte hinzu: »Das ist ein etwas hartes Wort, aber es lohnt sich, das Leben zu leben. Um es aber gut zu leben, muss man es im Dienen, in der Verkündigung ›verbrennen‹ und vorangehen. Das ist die Freude der Verkündigung des Evangeliums.«
Am Schluss der Predigt rief der Papst alle Anwesenden auf, dem Herrn zu danken: »für Paulus, für seine Fähigkeit, an einen Ort zu gehen und diesen Ort wieder zu verlassen, wenn der Heilige Geist ihn woandershin ruft«, aber auch »für die vielen Missionare der Kirche«, die in der Vergangenheit – und auch heute noch – den Mut gehabt hätten aufzubrechen. Außerdem forderte er zum Gebet auf, damit der Heilige Geist »in die Herzen unserer jungen Menschen kommt«, wo »es etwas an Unzufriedenheit gibt«, und dass »er sie drängen möge, weiterzugehen und ihr Leben für edle Anliegen zu ›verbrennen‹«. Wahrscheinlich werde daran einmal lediglich »ein Grabstein mit Namen, Geburtstag und Todestag erinnern.
Und nach einigen Jahren wird niemand mehr an sie denken.« Aber sie werden sich »von der Welt verabschiedet haben, während sie dienten. Und das ist etwas sehr Schönes!« »Möge der Heilige Geist, der nun kommen wird, im Herzen der jungen Menschen den Wunsch aussäen, hinzugehen und Jesus zu verkünden, indem sie das eigene Leben ›verbrennen‹.«
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