PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Wenn ein Mensch auf einmal am Boden liegt
Freitag, 15. April 2016
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 17, 29. April 2016
»Steh auf und geh!«, lautet die Aufforderung des Herrn an Saulus, der auf der Straße nach Damaskus zu Boden gestürzt ist, und auch an Hananias, der gesandt wird, den bekehrten Verfolger zu taufen. »Steh auf und geh«, so der Papst, das sei auch eine Einladung an einen jeden von uns, denn ein Christ »müsse erhobenen Hauptes aufrecht stehen«, während »ein Mensch mit einem verschlossenen Herzen ein am Boden liegender Mensch ist«. Mit einer Meditation über den Abschnitt aus der Apostelgeschichte (9,1-2), der von der Bekehrung des Saulus berichtet, sprach Franziskus in der heiligen Messe am 15. April erneut über die Bedeutung der Fügsamkeit gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes und dachte »über die Haltung jener Menschen nach, die ein verschlossenes Herz, ein hartes Herz, ein hochmütiges Herz haben«.
Die Texte vom Vortag hätten betont, »dass sowohl der Apostel Philippus als auch der Kämmerer der Königin ein für die Stimme des Heiligen Geistes offenes Herz hatten«. Am heutigen Freitag der dritten Osterwoche seien wir aufgefordert, uns mit der Geschichte von Saulus auseinanderzusetzen, »mit der Geschichte eines Mannes, der zulässt, dass Gott sein Herz verwandelt: die Verwandlung von einem Mann mit einem verschlossenen, harten, verbogenen Herzen in einen Mann, der ein dem Heiligen Geist fügsames Herz hat«. Der Papst erläuterte: »Saulus war beim Martyrium von Stephanus zugegen« und »hat ihm zugestimmt «. Er war »ein junger, starker, mutiger Mann voller Glaubenseifer, aber mit einem verschlossenen Herzen«. Er »wollte nicht nur nichts von Jesus Christus hören«, sondern sei noch weitergegangen und habe begonnen, »die Christen zu verfolgen«. Sich seiner Sache sicher, habe er um die Erlaubnis gebeten, »dasselbe« auch in Damaskus zu tun.
Unterwegs »umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel«, »er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sprach«. Gerade er, »der starke, selbstsichere Saulus, lag am Boden« und habe so allen »das Bild eines Mannes mit einem verschlossenen Herzen« gezeigt, das heißt »eines Mannes am Boden«. Und dort unten, fuhr Franziskus fort, »versteht er die Wahrheit über sich selbst, versteht er, dass er kein Mann nach dem Willen Gottes war, denn Gott hat uns alle geschaffen, damit wir mit erhobenem Haupt aufrecht stehen«.
An dieser Stelle sage der Herr ein »Schlüsselwort, dasselbe, was er zu Philippus gesagt hat, um ihm seine Mission aufzutragen, den äthiopischen Proselyten zu suchen: ›Steh auf und geh!« Und nicht nur das, sondern Saulus, diesem selbstsicheren Mann, der alles wusste, werde mitgeteilt: »Steh auf und geh in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst.« Wie um zu sagen: »Du musst noch viel lernen.« Eine Demütigung, und das sei noch nicht alles gewesen. Als Saulus sich vom Boden erhebt, »merkte er, dass er blind war«, und da »lässt er sich führen«. Der Papst fügte hinzu: Genau hier »begann das Herz sich zu öffnen«, als er gezwungen war, sich an der Hand nach Damaskus führen zu lassen. »Dieser Mann lag am Boden« und »er verstand sofort, dass er diese Demütigung annehmen musste«. Und gerade die »Demütigung« sei »der Weg zur Öffnung des Herzens«. Denn »wenn der Herr uns Demütigungen sendet oder es zulässt, dass uns Demütigungen zuteil werden, dann gerade deswegen: damit das Herz sich öffnet, gelehrig ist« und »sich zu Jesus, dem Herrn, bekehrt«. Dann wende sich der Text der Gestalt des Hananias zu. Auch zu ihm sage der Herr: »Geh! Steh auf und geh!« So sei der Jünger hingegangen und in das Haus eingetreten; »er legte Saulus die Hände auf und sagte: Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Weg hierher erschienen ist; du sollst wieder sehen und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden.« Dieser Satz enthalte ein grundlegendes Detail, betonte Franziskus: »Protagonisten dieser Begebenheiten sind weder die Schriftgelehrten noch Stephanus noch Philippus noch der Kämmerer und auch nicht Salus… Protagonist ist der Heilige Geist. Protagonist der Kirche ist der Heilige Geist, der das Volk Gottes führt.«
Dann, so sei in der Apostelgeschichte über Saulus zu lesen, »fiel es wie Schuppen von seinen Augen, und er sah wieder; er stand auf und ließ sich taufen«. Aus seiner Herzenshärte sei durch eine Demütigung »Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist« geworden. Er, »der sich für den hielt, der im Besitz der Wahrheit war und der die Christen verfolgte, empfängt vom Herrn die Gnade, die Wahrheit über sich selbst zu sehen und zu verstehen: ›Du bist ein Mann, der am Boden liegt, und du musst aufstehen!‹«
Das sei eine Lektion für alle: »Es ist schön zu sehen, wie der Herr die Herzen zu verändern vermag und bewirken kann, dass aus einem harten, sturen Herz ein Herz wird, dass fügsam ist gegenüber dem Heiligen Geist.« Allerdings sei es notwendig, dass »wir das Schlüsselwort nicht vergessen«. Vor allem: »Steh auf!« Denn »ein Christ muss mit erhobenem Kopf aufrecht stehen.« Und dann: »Geh!« Denn »ein Christ muss gehen und darf nicht in sich selbst verschlossen sein«. Schließlich: »Lass dich führen!«, so wie Paulus, »der sich wie ein Kind führen ließ und der sich den Händen eines anderen anvertraute, den er nicht kannte«. In all dem, so der Papst »ist der Heilige Geist am Werk«.
Diese Botschaft betreffe uns alle, denn wir alle »haben Verhärtungen in unserem Herzen«: Wer »sie nicht hat, möge bitte die Hand heben«, forderte der Papst die Anwesenden auf. Daher »wollen wir den Herrn bitten, uns erkennen zu lassen, dass diese Härten uns zu Boden werfen; er möge uns die Gnade schenken – und falls notwendig auch die Demütigungen –, nicht am Boden zu bleiben, sondern aufzustehen mit der Würde, mit der Gott uns geschaffen hat, das heißt er möge uns die Gnade eines offenen und gegenüber dem Heiligen Geist fügsamen Herzens schenken.«
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