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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Ich verstehe nicht, aber ich habe Vertrauen

Montag, 14. März 2016

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 12/13, 25. März 2016

 

Der erfrorene Bettler in Rom, vier im Jemen getötete Schwestern von Mutter Teresa, die Menschen, die im »Land der Giftmüllfeuer« krank werden, in der Kälte im Stich gelassene Flüchtlinge: In der heiligen Messe, die der Papst am 14. März in der Kapelle des Gästehauses Santa Marta feierte, griff er im Gebet einige dramatische Ereignisse dieser Tage auf. »Herr, ich verstehe nicht. Ich weiß nicht, warum dies geschieht.

Aber ich vertraue mich dir an«, so Franziskus. Das sei »ein schönes Gebet«, das einzig mögliche Gebet, das sich auch die Eltern von behinderten oder an seltenen Krankheiten leidenden Kindern zu Eigen machten. Angesichts der vielen »finsteren Schluchten« unserer Zeit sei die einzig mögliche Antwort, sich Gott anzuvertrauen, der, wie die Heilige Schrift sage, »sein Volk niemals verlässt«. Auf die Lesung aus Buch Daniel (13,1-9.15-17.19-30.33-62) Bezug nehmend unterstrich Franziskus: »Der Herr versucht seinem Volk verständlich zu machen, dass er ihm nahe ist, dass er auf seinem Weg an seiner Seite ist.« So frage er: »Sage mir, hast du jemals ein Volk gesehen, dessen Götter ihm so nahe sind, wie ich dir nahe bin? Ich habe dich begleitet, von Anfang an war ich an deiner Seite, und ich habe dich gehen gelehrt, wie ein Vater sein Kind gehen lehrt.«

»Die Nähe Gottes zu seinem Volk, das ist die Botschaft, die er uns als Vater geben will. Aber das Volk ist nicht in der Lage, dies wirklich zu verstehen «, unterstrich der Papst. »Aber wenn es diese Botschaft versteht, dann macht es die Erfahrung, von der wir gehört haben, die Erfahrung von Psalm 23: ›Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen.« So erfahre ich »den Herrn, der mich liebt und immer an meiner Seite ist«. Jemand könne allerdings einwenden: »Aber Pater, das klingt nach Telenovela, denn es gibt so viele schreckliche Dinge im Leben!« Der Dichter des Psalms dagegen fahre fort: »Er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir.« Auch wenn wir uns in einer »finsteren Schlucht« befänden: »Der Herr ist in diesen Augenblicken bei uns«, betonte Franziskus.

Das sei »die Botschaft, die uns die heutige Liturgie mit der Geschichte von Susanna vor Augen stellt, jener gerechten Frau, die beschmutzt werde von den bösen Absichten, von der Begierde dieser Richter«. In der Tat »laufen die Richter in der Geschichte stets Gefahr, aus Eigeninteresse zu richten: das ist ein schwerer Beruf«. In der Bibel sei zu lesen, dass »diese Frau von zwei alten Richtern verleumdet wird«, die der »Versuchung der Begierde erlegen sind«. Für Susanna »gibt es keinen Ausweg: entweder sündigt sie, wenn sie tut, was die Richter wollen, oder sie fällt der Rache dieser Männer zum Opfer«. In dieser Situation bete Susanna mit folgenden Worten zum Herrn: »Ewiger Gott, du kennst auch das Verborgene; du weißt alles, noch bevor es geschieht. Du weißt auch, dass sie eine falsche Aussage gegen mich gemacht haben. Darum muss ich jetzt sterben, obwohl ich nichts von dem getan habe, was diese Menschen mir vorwerfen.« »›Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir‹: diese Erfahrung macht Susanna.« Die Frau »musste diesen dunklen Weg gehen, der sie in den Tod führte, aber der Herr war bei ihr. Der Herr war ihr nahe, er ging an ihrer Seite, wie er immer an der Seite des Volkes war, wie ein Vater und wie eine Mutter.« Dieselbe Erfahrung würden auch wir heute machen, wenn wir »auf die vielen finsteren Schluchten blickten, die vielen Unglücksfälle, die vielen Menschen, die verhungern oder im Krieg sterben, die vielen, vielen behinderten Kinder«. Und wenn »du die Eltern fragst: ›Welche Krankheit hat er?‹«, dann laute ihre Antwort: »Niemand weiß es: man nennt es ›seltene Krankheit‹.« Und diese Krankheit »verursachen wir selbst: denken wir an die Tumore im ›Land der Giftmüllfeuer‹«.

Wenn man dies alles sehe, dann steige spontan die Frage auf: »Wo ist der Herr? Wo bist du? Bist du an meiner Seite?« Dies »empfand Susanna und das empfinden auch wir heute«. Der Papst erinnerte dann an die Schwestern aus der Kongregation von Mutter Teresa, die im Jemen getötet wurden: »Du siehst, wie diese vier Schwestern niedergemetzelt werden: Sie haben aus Liebe gedient und wurden aus Hass niedergemetzelt! « Und nicht nur das. »Wenn du siehst, wie man den Flüchtlingen die Tür verschließt und sie draußen gelassen werden, unter freiem Himmel in der Kälte«, dann kehre die Frage wieder: »Herr, wo bist du? Wie kann ich auf dich vertrauen, wenn ich diese Dinge sehe?« Und wenn »diese Dinge mir selbst geschehen, dann mag jeder von uns sagen: Wie kann ich dir vertrauen?« »Auf diese Frage gibt es nur eine einzige Antwort «, so der Papst: »Man kann es nicht erklären, nein. Ich bin dazu nicht in der Lage. Warum leidet ein Kind? Ich weiß es nicht, das ist für mich ein Geheimnis. Etwas Licht schenkt mir nur – nicht dem Verstand, aber der Seele – Jesus in Gethsemani: ›Vater, dieser Kelch, nein. Aber dein Wille geschehe.‹« Jesus »vertraut sich dem Willen des Vaters an. Er weiß, dass mit dem Tod oder mit der Angst nicht alles zu Ende ist, und sein letztes Wort am Kreuz ist: ›Vater, in deine Hände lege ich mich voll Vertrauen.‹ Und so stirbt er.«

Das sei ein wahrer Akt des Glaubens, »sich Gott anvertrauen, der an meiner Seite geht, der mit meinem Volk auf dem Weg ist, der an der Seite der Kirche geht«. So »vertraue ich mich ihm an«, vielleicht mit den Worten: »Ich weiß nicht, warum dies geschieht, aber ich habe Vertrauen: Du wirst wissen warum.« Das »ist die Lehre Jesu: Wer sich dem Herrn anvertraut, der Hirte ist, dem wird nichts fehlen. Auch wenn er durch eine finstere Schlucht geht, weiß er, dass das Übel vorübergeht und es das endgültige Übel nicht geben wird, weil der Herr da ist: ›denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht‹.« Aber das, so der Papst, »ist eine Gnade, um die wir bitten müssen: ›Herr, lehre mich, mich vertrauensvoll in deine Hände zu legen, mich deiner Führung anzuvertrauen, auch in den schlimmen Augenblicken, in dunklen Stunden, im Augenblick des Todes. Ich vertraue mich dir an, weil du niemals im Stich lässt, weil du treu bist.« Abschließend lud Franziskus zum Nachdenken ein: »Denken wir heute an unser Leben, an die Probleme, die wir haben, und bitten wir um die Gnade, uns den Händen des Herrn anzuvertrauen.« Er fügte hinzu, dass wir dabei auch an »die vielen Menschen« denken sollten, »die nicht einmal im Augenblick des Todes eine letzte Liebkosung erfahren: Vor drei Tagen ist jemand hier gestorben, auf der Straße, ein Obdachloser. Er ist erfroren, mitten in Rom, in einer Stadt mit so vielen Möglichkeiten der Hilfe.« So kehre die Frage wieder: »Warum Herr? Nicht einmal eine Liebkosung! Aber ich vertraue mich dir an, weil du mich niemals enttäuschst. Ich verstehe es aber nicht.« Und gerade dieses »Herr, ich verstehe es nicht« sei »ein schönes Gebet«. Und so »vertraue ich mich, auch ohne zu verstehen, deinen Händen an«.

 



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