PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Geschichte einer gescheiterten Treue
Donnerstag, 3. März 2016
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 12/13, 25. März 2016
Sich als Sünder zu bekennen und um Vergebung bitten zu können, das ist der erste Schritt, um klar und ohne Diskussionen die direkte Frage Jesu zu beantworten, die er an einen jeden von uns richtet: »Bist du für mich oder gegen mich?« In der heiligen Messe am Morgen des 3. März forderte der Papst erneut dazu auf, sich bedingungslos der Barmherzigkeit Gottes zu öffnen. Franziskus wies darauf hin, dass der Prophet Jeremia (7,23-28) am Anfang der ersten Lesung uns »an den Bund Gottes mit seinem Volk erinnert: Hört auf meine Stimme, dann will ich euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein. Geht in allem den Weg, den ich euch befehle, damit es euch gut geht.‹« Dies sei »ein Bund der Treue«. Aber beide Texte des Wortgottesdienstes »erzählen uns eine andere Geschichte: dieser Bund ist gebrochen worden und heute lässt die Kirche uns über die Geschichte einer gescheiterten Treue, wie man es nennen könnte, nachdenken«. In Wirklichkeit bleibe »Gott immer treu, da er sich selbst nicht verleugnen kann«. Das Volk dagegen »reiht eine Untreue an die andere: es ist untreu, es ist untreu geblieben!«
Im Buch Jeremia sei zu lesen, dass das Volk den Bund nicht gehalten habe: »Sie aber hörten nicht und neigten mir ihr Ohr nicht zu.« Die Heilige Schrift »berichtet von vielen Dingen, die Gott getan hat, um das Herz seines Volkes, der Seinen zu gewinnen: ›Von dem Tag an, als eure Väter aus Ägypten auszogen, bis auf den heutigen Tag sandte ich zu euch immer wieder alle meine Knechte, die Propheten. Aber man hörte nicht auf mich und neigte mir nicht das Ohr zu, vielmehr blieben sie hartnäckig und trieben es noch schlimmer als ihre Väter.‹« Der Abschnitt ende mit einem sehr harten Wort: »Die Treue ist dahin, aus ihrem Mund verschwunden.«
Die »Untreue des Volkes Gottes verhärtet das Herz: sie verschließt das Herz«, und dasselbe bewirke auch unsere eigene Untreue. Sie »lässt die Stimme des Herrn nicht eindringen, der uns als liebevoller Vater immer bittet, uns seiner Barmherzigkeit und seiner Liebe zu öffnen«. Mit den Worten aus Psalm 94 »haben wir gemeinsam gebetet: ›Hört auf die Stimme des Herrn, verhärtet nicht euer Herz!‹« Der Papst unterstrich: »Der Herr spricht immer so zu uns«, und er »sagt mit der Zärtlichkeit eines Vaters: ›Kehrt um zu mir von ganzem Herzen, denn ich bin barmherzig und gnädig!‹«
Aber »wenn das Herz verhärtet ist, dann versteht man das nicht«, so Franziskus. Denn »die Barmherzigkeit Gottes verstehst du nur, wenn du dein Herz öffnen kannst, damit sie eindringen kann«. Und »das geht immer so weiter: das Herz verhärtet sich. Im heutigen Abschnitt aus dem Lukasevangelium (11,14-23) »sehen wir dieselbe Geschichte«: »Da waren diese Leute, die die heiligen Schriften studiert hatten, die Schriftgelehrten, die die Theologie kannten, die aber vollkommen verschlossen waren. Die Menge war erstaunt: das Staunen! Denn die Menge folgte Jesus. Man könnte einwenden: ›Aber sie folgten ihm, um geheilt zu werden, deshalb folgten sie ihm.‹« In Wirklichkeit hätten die Menschen »Glauben an Jesus gehabt. Sie hatten ein offenes Herz: sie waren unvollkommen, sündig, aber sie hatten ein offenes Herz.« Dagegen »hatten diese Theologen eine verschlossene Haltung« und »suchten stets nach einer Erklärung, um die Botschaft Jesu nicht zu verstehen«. Wie Lukas berichte, hätten sie in diesem Fall gesagt: »Mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt er die Dämonen aus.« Und so suchten sie beständig andere Vorwände, »um ihn auf die Probe zu stellen: sie forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel.« Das Grundproblem, betonte der Papst, sei, dass sie »immer verschlossen sind«. Und so »war es Jesus, der sich für sein Tun rechtfertigen musste«.
Franziskus fuhr fort: »Das ist die Geschichte, die Geschichte dieser gescheiterten Treue, die Geschichte der verschlossenen Herzen, der Herzen, die die Barmherzigkeit Gottes nicht eintreten lassen, die das Wort ›Vergebung‹ vergessen haben – ›Vergib mir, Herr!‹ – aus dem einfachen Grund, weil sie sich nicht als Sünder fühlen: sie fühlen sich als Richter über andere.« Das sei »eine jahrhundertelange Geschichte«.
Genau diese »gescheiterte Treue erklärt Jesus kurz und knapp, um den Heuchlern das Wort abzuschneiden: ›Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.‹« Die Sprache Jesu sei ganz klar, unterstrich der Papst erneut: »Entweder bist du mit einem offenen Herzen Gott treu, der dir gegenüber treu ist. Oder du bist gegen ihn: ›Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.‹« Jemand könnte denken, dass es vielleicht »einen Mittelweg gibt, über den man verhandeln kann«, in der Absicht, den klaren Worten Jesu auszuweichen: »Entweder bist du treu oder du bist dagegen.« Franziskus antwortete darauf: »Einen Ausweg gibt es in der Tat: Geh zur Beichte, als Sünder!«, denn »wenn du sagst: ›Ich bin ein Sünder‹, dann öffnet sich das Herz und die Barmherzigkeit tritt ein und du beginnst, treu zu sein.«
Bevor der Papst die Feier der heiligen Messe fortsetzte, forderte er dazu auf, »den Herrn um die Gnade der Treue zu bitten«, mit dem Bewusstsein, dass »der erste Schritt auf diesem Weg der Treue das Bewusstsein ist, ein Sünder zu sein«. Denn »wenn du dich nicht als Sünder fühlst, dann ist das ein schlechter Anfang«. So »wollen wir um die Gnade bitten, dass unser Herz sich nicht verhärtet, dass es für die Barmherzigkeit offen ist, und um die Gnade der Treue«, und wo wir untreu seien, »wollen wir die Gnade erbeten, um Vergebung zu bitten«.
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