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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Der Name und das Eigenschaftswort 

Donnerstag, 25. Februar 2016

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 10, 11. März 2016

 

Sind wir anderen Menschen gegenüber offen und zur Barmherzigkeit fähig, oder leben wir als Sklaven unseres Egoismus in uns selbst verschlossen? Das biblische Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Mann, das Gegenstand des Tagesevangeliums war, war der Leitfaden für eine Predigt über die Qualität des christlichen Lebens, die Papst Franziskus in der Messe hielt, die er am Donnerstag, 25. Februar, in Santa Marta feierte. Unter Verweis auf den Psalm 139 (23-24) entnommenen Eröffnungsvers hob der Papst hervor, wie wichtig es sei, den Herrn um »die Gnade zu bitten, zu erkennen«, ob wir uns auf »einem Weg, der Gott kränkt«, befänden oder auf dem »Weg des Lebens«.

Wir bewegten uns hier, so erläuterte Franziskus, auf der Spur der Reflexionen der vergangenen Tage, in denen von der »Religion des Tuns« und der »Religion des Sagens« die Rede war. Das Stichwort lieferten die beiden biblischen Charaktere: der reiche Mann, der als ein Mensch beschrieben wird, »der sich in Purpur und feines Leinen kleidete« und der »Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte«. Eine vielleicht auch etwas übertriebene Beschreibung, die zeigen wolle, dass es sich um einen Mann gehandelt habe, der »alles hatte, dem alle Möglichkeiten offenstanden«. Ihm gegenübergestellt wird »ein armer Mann namens Lazarus«, der »vor der Tür des Reichen lag, dessen Leib voller Geschwüre war und der gern seinen Hunger mit dem gestillt hätte, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.«

Der Papst analysierte die Beschreibung der beiden Charaktere und hob hervor, dass der reiche Mann – man »sehe das gut im abschließenden Dialog mit Stammvater Abraham« – »ein gläubiger Mann« gewesen sei, der »das Gesetz studiert hatte, der die Gebote kannte« und der »sicherlich an jedem Sabbat in die Synagoge ging und einmal jährlich in den Tempel«; kurz: »es handelte sich also um einen Mann, der über eine gewisse Religiosität verfügte«. Zugleich werde aus der biblischen Geschichte ersichtlich, dass er »ein verschlossener Mensch war, der sich in seiner eigenen kleinen Welt verschlossen hatte, in der Welt der Gelage, der reichen Gewänder, der Eitelkeit, der Freunde«. Eingeschlossen in seiner »Seifenblase der Eitelkeit«, habe er »nicht über die Fähigkeit verfügt, über deren Rand hinauszuschauen«, und er habe nicht »bemerkt, was außerhalb seiner in sich geschlossenen Welt vorging«. Beispielsweise »kam er nicht auf die Idee, an die Bedürfnisse so vieler Menschen zu denken, oder an die Notwendigkeit, Kranken Gesellschaft zu leisten«, er habe vielmehr immer nur an sich selbst gedacht, »an seine Schätze, an sein gutes Leben: er ging völlig in seinem guten Leben auf«. Er sei – so schloss der Papst seine Analyse ab – ein »zumindest dem Anschein nach religiöser« Mensch gewesen. De facto ein perfektes Beispiel für die »Religion des Sagens«.

Der reiche Prasser »kannte keinerlei Peripherien, er war ganz in sich selbst versenkt«. Und dabei sei »gerade die Peripherie direkt vor seiner Haustür gelegen«, aber er »kannte sie nicht«. Das, so führte Franziskus aus, »ist der Weg der Lüge«, von der zu befreien wir den Herrn im Eröffnungsvers bäten. Angesichts einer derartigen Beschreibung ging der Papst dann zur Analyse des Innenlebens des reichen Mannes über, eines Menschen, der »nur sich selbst und seinen Dingen vertraute« und »der Gott nicht vertraute«. Er sei das genaue Gegenteil des »gesegneten Mannes, der auf den Herrn sich verlässt«, der ihm in dem Psalm 1 entnommenen Antwortpsalm entgegengesetzt worden sei. »Welch ein Erbe«, so fragte sich der Papst, »hat dieser Mann hinterlassen?« Gewiss, so sagte er unter neuerlicher Anspielung auf den Antwortpsalm, »ist er nicht wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist«, sondern »wie Spreu, die der Wind verweht«. Dieser Mann habe eine Familie gehabt, einige Brüder: In dem Gleichnis stehe, dass er Vater Abraham gebeten habe, jemanden zu ihnen zu schicken, um sie zu warnen: »Haltet ein, das ist nicht der rechte Weg!« Aber als er starb, so erläuterte Franziskus, habe er »kein Erbe hinterlassen, keine Leben hinterlassen, da er ganz und gar in sich selbst verschlossen war«. Ein steriles Leben, das, wie der Papst betonte, noch durch ein Detail auf den Punkt gebracht werde: Wenn die Bibel von diesem Mann berichte, »sagt sie nicht, wie er hieß, sie sagt nur, dass er ein reicher Mann war«. Ein bedeutungsträchtiges Detail, denn »wenn dein Name nur noch aus einem Eigenschaftswort besteht, dann deshalb, weil du etwas verloren hast: du hast an Substanz verloren, du hast Kraft verloren«. Man sage also über jemanden: »Dieser Mann ist reich, jener ist mächtig, der da kann alles tun, was er will, das ist ein Priester, der ein Karrierist ist, ein Karriere-Bischof…« Es komme oft vor, so erläuterte der Papst, dass wir geneigt seien, »Menschen mit Adjektiven zu belegen statt mit Namen, weil sie keine Substanz aufweisen«. Das sei auch bei dem reichen Mann der heutigen Erzählung der Fall gewesen.

An diesem Punkt stellte sich Franziskus die Frage: »Hat Gott, der Vater ist, kein Erbarmen mit diesem Mann gehabt? Hat er nicht an sein Herz geklopft, um ihn zu rühren?« Und die Antwort erfolgte unverzüglich: »Aber ja, er war an der Tür, er war an der Tür in Gestalt jenes Lazarus.« Lazarus: ja, er habe einen Namen gehabt! »Eben dieser Lazarus«, »mit seinen Bedürfnissen und seinem Elend, war der Herr, der an die Tür klopfte, damit dieser Mann sein Herz öffne und die Barmherzigkeit einziehen könne.« Aber der reiche Mann »sah nicht«, er »war verschlossen« und »auf der anderen Seite der Tür war für ihn nichts«.

Diese biblische Geschichte, so kommentierte der Papst, sei uns allen dazu nützlich, die wir den halben Weg der Fastenzeit zurückgelegt hätten, uns einige Fragen zu stellen: »Befinde ich mich auf dem Weg des Lebens, oder auf dem Weg, der Gott kränkt? Wie viele verschlossene Türen habe ich noch in meinem Herzen? Was bereitet mir Freude: das Tun oder das Sagen?«, und weiter: Freut es mich, »aus mir herauszugehen, um anderen Menschen entgegenzugehen, um zu helfen «, oder »freut es mich, alles wohl geordnet zu haben und in mir selbst verschlossen zu bleiben?«

Und während wir über all das nachdächten, so schloss Papst Franziskus, »bitten wir den Herrn« um die Gnade, »stets all die Lazarusse zu sehen, die vor unserer Tür stehen, die Lazarusse, die an unser Herz klopfen« wie auch um die Gnade, »großzügig aus uns herauszugehen, mit einer barmherzigen Einstellung, damit die Barmherzigkeit Gottes in unser Herz einziehen kann«.

 



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