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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Zu welcher Gruppe gehören wir?

Donnerstag, 28. Mai 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 24, 12. Juni 2015

 

Die »Salon-Christen« – seien sie nun Egoisten oder Geschäftemacher, weltlich oder unerbittlich streng – halten die Menschen, die Jesus suchen, von ihm fern. Vor dieser Versuchung warnte Papst Franziskus in der Frühmesse am 28. Mai, die er in der Kapelle des Gästehauses Santa Marta feierte. Dabei rief er alle zu einer »Gewissenserforschung« auf und erinnerte daran, dass die Christen auf den »Hilfeschrei« der Menschen hören und sie auf dem Weg zum Herrn unterstützen müssen.

Zu Beginn der Predigt zeichnete der Papst das Szenarium des Evangeliums vom Tage (Mk 10,46-52) nach. »Jesus war mit seinen Jüngern und vielen Menschen auf dem Weg. Sie folgten ihm, weil er wie ein Meister sprach, mit eigener Vollmacht.« Bartimäus, ein Blinder, »hörte den Lärm und fragte: ›Was ist passiert?‹ Es war Jesus.« Und so begann Bartimäus »zu schreien, und rief mit einem Akt des Glaubens laut: ›Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!‹« Seine Worte seien »ein Glaubensakt«, unterstrich der Papst. Aber »unter den Menschen, die sich um Jesus geschart hatten, hatte jeder seine eigene Persönlichkeit, seine Ansichten, seine Lebenseinstellung«.

Zunächst sei da die Gruppe jener, »die den Schrei des blinden Mannes nicht hörten«. Das seien »jene, die auch heute den Schrei der vielen nicht hören, die Jesus brauchen«. Kurz gesagt, es sei »die Gruppe der Gleichgültigen: Sie hören nicht, sie glauben, dass das Leben identisch ist mit ihrem kleinen Grüppchen. Sie sind zufrieden, sie sind taub für den Lärm der vielen Menschen, die heilsbedürftig sind, die die Hilfe Jesu brauchen, die die Kirche brauchen.« Franziskus unterstrich: »Das sind Egoisten, sie leben für sich selbst« und seien unfähig, »die Stimme Jesu zu hören«.

»Dann sind da jene, die den Hilfeschrei hören, ihn aber zum Schweigen bringen wollen.« Markusberichte in seinem Evangelium, dass viele Bartimäus zurechtwiesen, ihm befahlen zu schweigen und den Meister »in Ruhe zu lassen«. Das hätten »auch die Jünger« getan. Der Papst erinnerte an die Begebenheit, als »die Apostel die Kinder fernhalten wollten«, damit »sie den Meister nicht stören«. Daher wollten die Jünger auch Bartimäus zum Schweigen bringen, »weil der Meister ihnen gehörte. Er war für sie da, er war nicht für alle da.« So »entfernen diese Menschen diejenigen, die um Hilfe rufen, die den Glauben brauchen, die das Heil brauchen, von Jesus«.

Es gebe noch eine weitere Gruppe, fügte Franziskus hinzu. Sie setze sich zusammen aus den  »Geschäftemachern: Sie waren scheinbar religiös, aber Jesus hat sie aus dem Tempel vertrieben, weil sie im Haus des Herrn Geschäfte machten. « Es handele sich um diejenigen, die den »Hilfeschrei nicht hören, nicht hören wollen. Sie machen lieber ihre Geschäfte, und dabei gebrauchen sie das Volk Gottes und die Kirche für ihre eigenen Geschäfte.« Auch »diese Geschäftemacher entfernen die Menschen von Jesus« und »lassen es nicht zu, dass die Menschen um Hilfe  bitten«.

»Eine weitere Gruppe, die die Menschen von Jesus fernhalten, sind diejenigen Christen, die es bloß dem Namen nach sind, ohne ein christliches Zeugnis zu geben.« »Sie sind dem Namen nach Christen, Salon-Christen, Christen für festliche  Empfänge, aber ihr inneres Leben ist nicht christlich, es ist weltlich.« Und »jemand, der sich Christ nennt und weltlich lebt, hält jene, die ihren Hilfeschrei an Jesus richten, fern«. Und dann gebe es noch die »unerbittlich Strengen«, fügte der Papst hinzu. »Jesus tadelt sie, weil sie den Menschen schwere Lasten auferlegen. « Jesus »widmet ihnen das gesamte 23. Kapitel des Matthäusevangeliums« und sage zu ihnen:  »Ihr Heuchler! Ihr beutet die Menschen aus!« Denn »statt auf den Schrei zu antworten, der nach Rettung ruft, halten sie die Menschen fern«.

Der Papst fasste zusammen: Zur ersten Gruppe »gehören diejenigen, die nicht hören«. Die zweite Gruppe dagegen sei aus »sehr unterschiedlichen Menschen« zusammengesetzt, die »den Ruf zwar hören, aber die Menschen von Jesus entfernen«. Es »gibt aber noch eine dritte Gruppe«, und das »sind diejenigen, die helfen,  sich Jesus zu nähern«, und die zu Bartimäus sagen:  »Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich.« Das sei die Gruppe jener Christen, bei denen »das, was sie glauben, und das was sie leben, in Einklang steht«. Sie helfen, »die Menschen, die laut rufen und um Heil, um Gnade, um geistliche Gesundheit für ihre Seele bitten«, näher zu Jesus zu bringen.

Im Licht dieser Überlegungen forderte Franziskus zu einer »Gewissenserforschung« auf, die »uns guttun wird«. Dazu stellte er eine Reihe von direkten Fragen: »In welcher Gruppe befinde ich mich? In der ersten, unter denen, die die vielen Schreie derer nicht hören, die um Hilfe und Heil bitten? Kümmere ich mich, verschlossen und egoistisch, nur um meine eigene Beziehung zu Jesus? Gehöre ich zur zweiten Gruppe, zu denen, die die Menschen von Jesus fernhalten, sei es aus mangelnder Konsequenz im Leben, sei es aufgrund eines fehlenden Zeugnisses, sei es, weil sie am Geld hängen, sei es aus Strenge?« Und weiter: »Halte ich die Menschen von Jesus fern? Oder gehöre ich zur dritten Gruppe, zu jenen, die den Schrei der vielen Menschen hören und ihnen helfen, näher zu Jesus zu kommen?« Auf diese Fragen, so schloss der Papst, »kann ein jeder in seinem Herzen antworten«.



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