PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Eine persönliche Begegnung für jeden
Freitag, 24. April 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 19, 8. Mai 2015
Jeder Mensch hat eine persönliche Begegnung mit dem Herrn. Eine wahre, konkrete Begegnung, die das Leben radikal verändern kann. Das Geheimnis besteht nicht nur darin, sich dieser Begegnung bewusst zu werden, sondern auch in der Erinnerung an sie, die man nie verlieren darf, deren Frische und Schönheit man bewahren muss.
Dies unterstrich Papst Franziskus bei der heiligen Messe am 24. April in der Kapelle des Hauses Santa Marta, wobei er eine »Hausaufgabe« und zwei praktische Vorschläge anfügte: um die Gnade der Erinnerung beten sowie das Evangelium lesen, um sich in den vielen Begegnungen Jesu wiederzufinden.
In der ersten Lesung (Apg 9,1-20), so der Papst zu Beginn seiner Predigt, werde »die Geschichte von Saulus-Paulus« berichtet, davon, wie er »mit großem Eifer von seiner Lehre überzeugt war«. Aber »dieser Eifer brachte ihn dazu, diesen neuen Weg zu verfolgen, das heißt die Christen«. So »erbat sich Saulus Briefe an die Synagogen in Damaskus, um die Erlaubnis zu erhalten, die Christen dort in Ketten zu legen«. Und »das tat er mit dem Eifer für Gott«. Dann aber, so der Papst, sei das geschehen, »was wir gehört haben und was wir alle wissen: er hat eine Vision und fällt vom Pferd«. Da »spreche der Herr zu ihm: ›Saul, Saul, warum verfolgst du mich?‹ – Er antwortet: ›Wer bist du, Herr?‹ – ›Ich bin Jesus.‹« Das sei »die Begegnung von Paulus mit Jesus«. Bis dahin habe Paulus geglaubt, »dass alles, was die Christen sagten, bloße Geschichten gewesen seien«. Aber dann »ist er Ihm begegnet und wird diese Begegnung nie wieder vergessen: sie ändert sein Leben und lässt ihn in der Liebe zum Herrn wachsen, den er zuerst verfolgt hatte und jetzt liebt«. Eine Begegnung, so der Papst, die Paulus dazu führe, »der Welt den Namen Jesu als Heilswerkzeug zu verkünden«. So sei die Begegnung des Paulus mit Jesus verlaufen und das sei ihre Bedeutung.
»In der Bibel gibt es noch zahlreiche weitere Begegnungen«, fuhr Franziskus fort, »auch im Evangelium«. Und alle seien verschieden voneinander. So habe jeder »seine persönliche Begegnung mit Jesus«. »Denken wir zum Beispiel an die ersten Jünger, die Jesus nachfolgten, und den ganzen Abend bei ihm blieben – Johannes und Andreas, die erste Begegnung – und sie freuten sich darüber«. So sehr, dass »Andreas zu seinem Bruder Petrus geht – der zu jener Zeit Simon hieß – und sagt: ›Wir haben den Messias gefunden!‹« Das sei »eine weitere begeisterte, glückliche Begegnung, und er führt Petrus zu Jesus«. Es folge dann die »Begegnung zwischen Petrus und Jesus «, »der ihn anblickt« und zu ihm sage: »Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen«, das bedeutet »Fels«.
Es gebe in der Tat sehr viele Begegnungen, unterstrich Franziskus. Da sei zum Beispiel »die Begegnung mit Natanaël, dem Skeptiker«. Sofort »streckt Jesus ihn mit wenigen Worten nieder«, so dass der Intellektuelle zugebe: »Du bist der Messias! « Dann sei da noch »die Begegnung mit der Samariterin, die sich schwierigen Fragen gegenübersieht und sich als Theologin versucht: »Dieser Berg aber, und der andere…« Jesus antworte ihr: »Aber dein Mann, deine Wahrheit.« Die Frau »begegnet in ihrer Sünde Jesus und verkündet es den anderen in der Stadt: ›Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe. Ist er vielleicht der Messias?‹« Franziskus erinnerte ebenso an die »Begegnung mit dem Leprakranken, einer der zehn Geheilten, der umkehrt, um zu danken« und an jene »mit der Frau, die seit zwölf Jahren krank war und dachte: ›Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt.‹ Und sie begegnet Jesus.« Und schließlich sei da noch »die Begegnung mit dem Besessenen, aus dem Jesus viele Dämonen ausgetrieben habe, die in die Schweine fahren «, und der dann Jesus folgen will, dieser aber sagt: »Nein, nein, bleib’ zu Hause, aber erzähl allen, was dir geschehen ist.«
Der Papst fasste zusammen: »Wir finden so viele Begegnungen in der Bibel, weil der Herr uns sucht, um uns zu begegnen« und »jeder von uns hat seine persönliche Begegnung mit Jesus«. Vielleicht »vergessen wir ihn, erinnern wir uns nicht mehr an ihn«, so dass wir uns fragen: »Wann bin ich denn Jesus begegnet oder wann ist Jesus mir begegnet?« Sicherlich »ist Jesus dir am Tag deiner Taufe begegnet: das ist wahr, du warst ein Kind«. Und in der Taufe »hat er dich gerechtfertigt und dich in sein Volk aufgenommen«. »Wir alle«, fuhr Franziskus fort, »haben in unserem Leben eine Begegnung mit Ihm gehabt«, eine wahre Begegnung, in der »ich gespürt habe, »dass Jesus mich anblickt«. Das sei keine Erfahrung »nur für Heilige «. Und »wenn wir uns nicht daran erinnern, dann wird es schön sein, ein wenig nachzudenken und den Herrn zu bitten, dass er uns diese Erinnerung schenken möge, denn er erinnert sich, er erinnert sich an die Begegnung«. In diesem Zusammenhang bezog sich der Papst auf das Buch Jeremia, wo zu lesen sei: »Ich denke an deine Jugendtreue, an die Liebe deiner Brautzeit.« Der Text handle von »jener begeisterten Begegnung am Anfang, jener neuen Begegnung: Er vergisst nie, aber wir vergessen die Begegnung mit Jesus.«
Eine »schöne Hausaufgabe«, so der Vorschlag von Franziskus, sei es, darüber nachzudenken, »wann ich wirklich die Nähe des Herrn gespürt habe«, »als ich gespürt habe, dass ich mein Leben ändern oder mich bessern oder einer Person vergeben muss«, »als ich gespürt habe, dass er Herr mich um etwas bat«, und damit, »wann ich dem Herrn begegnet bin«. Denn unser Glaube sei »eine Begegnung mit Jesus«. Gerade »das ist das Fundament des Glaubens: ich bin Jesus begegnet wie Saulus«, so wie es der Abschnitt aus der Apostelgeschichte in der Tageslesung berichte.
Wenn einer also sage, dass er sich »an die Begegnung mit dem Herrn nicht erinnert«, dann sei es Zeit, um die Gnade zu bitten: »Herr, wann habe ich dich bewusst gefunden? Wann hast du mir etwas gesagt, das mein Leben verändert hat oder das mich eingeladen hat, jenen Schritt im Leben zu tun?« Der Papst empfahl: »Das ist ein schönes Gebet, betet es jeden Tag!« Und wenn »du dich dann erinnerst, dann freue dich über diese Erinnerung, die eine Erinnerung der Liebe ist«.
Eine »weitere schöne Aufgabe wäre«, so Franziskus, »das Evangelium in die Hand zu nehmen« und die vielen Begebenheiten zu lesen, die es dort gebe, um sehen, »wie Jesus den Menschen begegnet, wie er die Apostel erwählt« und vielleicht zu bemerken, dass manche Begegnung »der meinen ähneln«. Denn jeder hat seine persönliche Begegnung.
Diese beiden konkreten Aufgaben »werden uns gut tun«. Vor allem: »Beten und um die Gnade der Erinnerung bitten«, indem wir uns fragten: »Wann, Herr, hat diese Begegnung stattgefunden, jene erste Liebe?« Um »nicht diese Zurechtweisung hören zu müssen, die der Herr in der Offenbarung ausspricht: ›Ich werfe dir aber vor, dass du deine erste Liebe verlassen hast.‹«
Der zweite Ratschlag des Papstes ist, das Evangelium zur Hand nehmen und die Begegnungen Jesu mit den verschiedenen Personen zu betrachten. Es sei offensichtlich, »dass der Herr uns begegnen will. Er will eine Beziehung mit uns von Angesicht zu Angesicht.« Sicherlich habe es »in unserem Leben eine eindrückliche Begegnung gegeben, die uns dazu geführt hat, unser Leben ein wenig zu ändern und uns zu bessern«.
Abschließend unterstrich der Papst, dass die Eucharistiefeier »eine weitere Begegnung mit Jesus ist, um zu tun, was wir im Johannesevangelium (6,52-59) gehört haben: »Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.« Gerade um »im Herrn zu bleiben, nähern wir uns jetzt dieser täglichen Begegnung«.
Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana