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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Verschließt diese Tür nicht 

Dienstag, 17. März 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 14, 3. April 2015

 

Die Fastenzeit ist die geeignete Zeit, um den Herrn »für jeden einzelnen von uns und für die ganze Kirche« um »die Umkehr zur Barmherzigkeit Jesu« zu bitten. In der Tat seien die Christen allzu oft »Spezialisten darin, anderen Menschen die Tür zu verschließen«, obwohl diese, geschwächt durch das Leben und die begangenen Fehler, dazu bereit wären, neu anzufangen, »Menschen, deren Herz vom Heiligen Geist berührt wird, damit sie vorangehen können«.

Das Gebot der Liebe stand im Mittelpunkt der auf der Tagesliturgie basierenden Reflexion von Papst Franziskus in der Messe, die er am Dienstag, 17. März, in Santa Marta feierte. Ein Gotteswort, das von einem Bild ausgeht: »heilendes Wasser«. In der ersten Lesung spreche der Prophet Ezechiel (47,1-7.12) in der Tat von Wasser, das aus dem Tempel ströme, »ein gesegnetes Wasser, das Wasser Gottes, das wie die Gnade Gottes im Überfluss sprudelt: immer im Überfluss«. Tatsächlich, so erläuterte der Papst, sei der Herr großzügig darin, »seine Liebe zu schenken, unsere Wunden zu heilen«.

Das Wasser kehre im Johannesevangelium (5,1-16) wieder, wo von einem Teich – »auf Hebräisch heißt er Betesda« – die Rede sei, »zu dem fünf Säulenhallen gehören. In diesen Hallen lagen viele Kranke, darunter Blinde, Lahme und Verkrüppelte.« An diesem Ort habe es tatsächlich »eine Tradition« gegeben, der zufolge »immer wieder ein Engel vom Himmel herabkam«, um das Wasser zum Aufwallen zu bringen, und die Kranken, die sich »in diesem Augenblick« ins Wasser stürzten, wurden geheilt. Aus diesem Grunde, so erläuterte der Papst, »waren da sehr viele Leute«. Und eben deshalb sei dort auch »ein Mann gewesen, der bereits seit achtunddreißig Jahren krank war«. Er sei dort gewesen und habe gewartet, und Jesus habe ihn gefragt: »Willst du gesund werden?« Der Kranke habe geantwortet: »Herr, ich habe keinen Menschen, der mich, sobald das Wasser aufwallt, in den Teich trägt.

Während ich mich hinschleppe, steigt schon ein anderer vor mir hinein.« Jesus begegne also »einem resignierten Mann«, der »jede Hoffnung aufgegeben hatte«. Krank, aber, so hob Franziskus hervor, »nicht nur gelähmt«: tatsächlich habe er an »einer anderen, sehr schlimmen Krankheit« gelitten: der Trägheit des Herzens (Acedia). »Es ist die Trägheit, die ihn traurig und faul macht«, so bemerkte er. Ein anderer Mensch habe in der Tat »nach einem Weg gesucht, um rechtzeitig da zu sein, so wie jener Blinde, der in Jericho schrie, laut schrie, und den man zum Schweigen bringen wollte und der da nur noch lauter schrie: er fand einen Weg«. Dieser Mann aber, der nach der achtunddreißigjährigen Krankheit völlig ermattet war, »wollte sich nicht kurieren «, er habe nicht die »Kraft« dazu gehabt. Zugleich aber sei er »in der Seele voller Bitterkeit gewesen: Ein anderer steigt vor mir hinein, und ich werde übergangen.« Und er habe »auch etwas Groll gehegt«. Er sei »wirklich eine traurige Seele gewesen, besiegt, besiegt vom Leben«.

Jesus erbarmt sich dieses Mannes und fordere ihn auf: »Steh auf! Steh auf, setzen wir dieser Geschichte ein Ende; nimm deine Bahre, und geh!« Franziskus schilderte dann die folgende Szene: »Sofort wurde der Mann gesund, nahm seine Bahre und ging. Er war aber so krank gewesen, dass er es kaum glauben konnte, und vielleicht ging er etwas zögerlich mit seiner Bahre auf der Schulter.« An diesem Punkt kämen die anderen Protagonisten ins Spiel: »Es ist Sabbat, und wen trifft dieser Mann? Die Schriftgelehrten«, die ihn gefragt hätten: »Aber warum trägst du das? Das darf man nicht, heute ist Sabbat!« Und der Mann habe geantwortet: »Ach weißt du, ich bin geheilt worden!« Und er habe hinzugefügt: »Der Mann, der mich gesund gemacht hat, sagte zu mir: Nimm deine Bahre und geh!«

Es geschehe also etwas Eigenartiges: »Statt sich zu freuen, statt zu sagen: Wie schön! Glückwunsch!, hätten diese Leute sich gefragt: Wer ist denn dieser Mann?« Das heiße, dass die Schriftgelehrten »eine Untersuchung« angefangen hätten und untereinander diskutiert hätten: »Lasst uns sehen, was hier passiert ist, aber das Gesetz… Wir müssen das Gesetz bewahren.« Seinerseits sei der Mann mit seiner Bahre weitergegangen, aber »er war etwas traurig«. Der Papst kommentierte das: »Ich bin vielleicht gemein, aber manchmal denke ich darüber nach, was wohl passiert wäre, wenn dieser Mann diesen Schriftgelehrten einen schönen Scheck zugesteckt hätte. Sie hätten wohl gesagt: Na ja, geh ruhig weiter, ja, ja, dieses eine Mal kannst du ausnahmsweise gehen!« Wenn man in der Lektüre des Evangeliums fortfahre, begegne man Jesus, der »diesen Mann ein weiteres Mal trifft und zu ihm sagt: Jetzt bist du gesund; aber geh nicht mehr zurück – also: sündige nicht mehr –, damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt. Geh weiter, geh immer weiter.« Und da gehe dieser Mann zu den Schriftgelehrten, um ihnen zu sagen: »Die Person, der Mann, der mich geheilt hat, heißt Jesus. Der da ist es.« Und man lese weiter: »Daraufhin verfolgten die Juden Jesus, weil er das an einem Sabbat getan hatte.« Franziskus kommentierte erneut: »Weil er auch am Sabbat Gutes tat, und das war nicht erlaubt.«

Diese Geschichte, so sagte der Papst, indem er einen aktuellen Bezug zu seinen Überlegungen herstellte, »wiederholt sich im Leben sehr oft: Ein Mann – eine Frau –, der sich an der Seele krank fühlt, der traurig ist, der im Leben zahlreiche Fehler begangen hat, spürt an einem gewissen Punkt, dass das Wasser in Bewegung kommt, dass der Heilige Geist da ist, der etwas bewegt; oder er vernimmt ein Wort.« Und er reagiere: »Ich möchte hingehen!« So »fasst er Mut und geht«. Aber wie oft stößt dieser Mann »heute bei den christlichen Gemeinschaften auf verschlossene Türen«. Vielleicht werde ihm gesagt: »Du nicht, nein, du kannst nicht hereinkommen: du hast hier geirrt und kannst also nicht. Wenn du kommen willst, so komm am Sonntag zur Messe, aber bleib dort, aber keinen Schritt näher!« So komme es auch dazu, dass »das, was der Heilige Geist in den Herzen der Menschen bewegt, von den Christen, deren Psychologie jener der Schriftgelehrten ähnelt, zerstört wird«.

Der Papst sagte, dass er das sehr bedauere, denn wie er betonte, sei die Kirche »das Haus Jesu, und Jesus heißt willkommen, aber er heißt nicht nur willkommen: er geht hinaus zu den Menschen«, genau so, wie »er hinging, um diesem Mann zu begegnen«. »Und wenn die Menschen verletzt sind«, so fragte er sich, »was tut Jesus dann? Tadelt er sie dafür, dass sie verletzt sind? Nein, er kommt und nimmt sie auf seine Schultern.« Das, so bekräftigte der Papst, »nennen wir Barmherzigkeit«. Gerade darüber spreche Gott, als er »sein Volk tadelt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!«

Wie üblich beendete der Papst seine Reflexion mit der Anregung zu einer Aufgabe für das Alltagsleben: »Wir sind in der Fastenzeit, wir müssen umkehren.« Jemand könne, so sagte er, zugeben: »Vater, auf der Straße sind viele Sünder: solche, die stehlen, solche, die in den Roma-Siedlungen wohnen… um ein Beispiel zu nennen –, und wir verachten diese Leute«. Aber diesem Menschen gehöre gesagt: »Und du? Wer bist du?

Und wer bist du, der du die Tür deines Herzens vor einem Mann, vor einer Frau verschließt, die sich bessern wollen, die wieder ins Gottesvolk eintreten wollen, weil der Heilige Geist ihr Herz bewegt hat?« Auch heute gebe es Christen, die sich wie die Schriftgelehrten verhielten und »dasselbe tun, was diese mit Jesus taten«, indem sie den Vorwurf erhöben: »Aber der da, er sagt eine Häresie. Das kann man nicht tun, das läuft der Kirchendisziplin zuwider, das geht gegen das Gesetz.« Und so werden vielen Menschen Türen vor der Nase zugeschlagen. Deshalb, so schloss der Papst, »bitten wir den Herrn heute um die Umkehr zur Barmherzigkeit Jesu«: Nur so »wird das Gesetz vollkommen erfüllt, denn das Gesetz lautet: Wir sollen Gott lieben und unseren Nächsten wie uns selbst«.

 



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